POTSDAMER Trinkwassergeschichte - Stadtwerke Potsdam
POTSDAMER Trinkwassergeschichte - Stadtwerke Potsdam
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Die „Consumenten“<br />
hielten sich zurück<br />
Warum <strong>Potsdam</strong>s erstes Wasserwerk<br />
von 1876 kein schneller Erfolg wurde<br />
Es ist kaum zu glauben, was ehrwürdige, mit<br />
dekorativ-schwungvoller Kanzleischrift geführte<br />
Unterlagen des Magistrates der Stadt <strong>Potsdam</strong><br />
unwiderleglich bezeugen: Das Angebot<br />
einer öffentlichen Trinkwasser-Versorgung zu<br />
erschwinglichem Preis weckte vor 120 Jahren<br />
in der Stadt nur mäßige Begeisterung. Bevor<br />
aber am 1. Juli 1876 das erste Wasserwerk in<br />
der Bertinistraße am Jungfernsee in Betrieb<br />
ging, hatten die <strong>Potsdam</strong>er Stadtväter bereits<br />
englische Ingenieurkunst, die in Europa führend<br />
Alte hölzerne Wasserleitung<br />
war, und englisches Kapital bemüht, um der<br />
herkömmlichen Art der Wasserversorgung ihrer<br />
Bürger mittels „Plumpen“, wie sie im Volksmund<br />
genannt wurden, ein Ende zu bereiten.<br />
Peu á peu sollten die Straßen- und Privatbrunnen<br />
aus dem Stadtbild verschwinden und der<br />
neuzeitlichen „Wasser-aus-Wand-Technik“<br />
Platz machen.<br />
Zwischen der Stadtgemeinde <strong>Potsdam</strong> und<br />
einem Herrn Frank Karuth zu Isleworth in England<br />
wurde schon am 18. September 1874 ein<br />
diesbezüglicher Vertrag geschlossen, in dem<br />
es um die Errichtung und den Betrieb eines<br />
Wasserleitungswerkes für <strong>Potsdam</strong> ging. Hier<br />
ein paar Leseproben aus diesem bedeutsamen<br />
Schriftstück:<br />
§ 1. Concession<br />
a. Die Dauer dieses Vertrages und der in demselben<br />
Seitens des Magistrats dem Unternehmer, Herrn<br />
Frank Karuth, ertheilten Concession wird auf die<br />
Zeit vom 1. October 1874 bis 1. October 1901, also<br />
auf 27 Jahre festgesetzt.<br />
b. Der Magistrat ertheilt auf die Dauer dieses Vertrages<br />
dem Unternehmer das Recht, Behufs der zur<br />
Ausführung und zum Betrieb des Wasserwerkes<br />
erforderlichen Legung, Verlegung und Reparatur der<br />
Leitungsröhren und Zubehör innerhalb des Stadtgebietes,<br />
soweit dem Magistrat die Verfügung hierüber<br />
zusteht, das Pfla-ster, die Chaussirung, die Trottoirs<br />
und andere Oberflächen zu jeder Zeit aufzubrechen,<br />
die Straßen, Plätze und Bürgersteige mit Gräben zu<br />
durchziehen und Röhren an, in oder unter den Brücken<br />
und Canälen zu legen, in solcher Weise, daß die<br />
Sicherheit derselben nicht gefährdet oder deren Construction<br />
nicht beschädigt wird.<br />
§ 2. Gegenleistung des Unternehmers<br />
a. Dagegen verpflichtet sich der Unternehmer, auf<br />
seine Kosten eine Wasserleitung für den Bereich der<br />
Stadt <strong>Potsdam</strong> und deren Vorstädte anzulegen und<br />
die darin belegenen Grundstücke, beziehungsweise<br />
Gebäude, Straßen und Plätze, sowohl private wie<br />
öffentliche, für die Dauer dieses Vertrages gegen<br />
Entgeld mit jedem geforderten Quantum Wasser zu<br />
versorgen.<br />
b. Das Wasser muß den Abnehmern durch natürliche<br />
oder künstliche Filtration vollständig gereinigt geliefert<br />
werden.<br />
c. Die beständige Höhe, bis zu welcher das Wasser in<br />
die Gebäude der Abnehmer zu leiten, ist auf 30 (dreißig)<br />
Meter über dem Nullpunkt des Havel=Pegels an<br />
der Langen Brücke zu <strong>Potsdam</strong> als Minimum festgestellt.<br />
Die zukünftigen „Wasser-Consumenten“<br />
mussten natürlich schwarz auf weiß wissen,<br />
was mit der Frei-Haus-Lieferung alles auf sie<br />
zukommt.<br />
So wurden eilends ein paar Hundert Exemplare<br />
der „Bedingungen für die Lieferung von<br />
Wasser“ gedruckt, um die Bürger ausführlich<br />
über ihre Rechte und Pflichten in Kenntnis zu<br />
setzen.<br />
Diese Bedingungen enthielten u.a. detaillierte<br />
Festlegungen über Rohrquerschnitte, Verbrauchsmessungen<br />
und Gebühren - von den<br />
Vorschriften für die Beschaffenheit sämtlicher<br />
„Hauptabsperrhähne“, „Abzapfhähne“ und<br />
„Closets“ gar nicht zu reden. Kostprobe:<br />
§ 1. Concession<br />
„Nur solche Closets werden als vorschriftsmäßig<br />
angesehen, deren Spülung durch einen mittelst der<br />
Hand hochzuhebenden und sich von selbst beim Loslassen<br />
durch ein Gewicht wieder senkenden Hebel<br />
bewirkt wird. Alle anderen Arten von Closets, also<br />
auch diejenigen, deren Spülung durch einen Thür-<br />
, Sitz-, Tritt- oder sonstigen Mechanismus bewegt<br />
wird, sind unzulässig.“<br />
Noch Fragen? Hierzu sicherlich nicht, dafür<br />
zur auffälligen Zurückhaltung der, wie es hieß,<br />
„Consumenten“. Ihre Vorbehalte gegenüber<br />
der neuen Errungenschaft einer damals besonders<br />
stürmisch vorandrängenden technischen<br />
Entwicklung waren sozusagen ästhetischer<br />
Natur: Schnell hatte sich herumgesprochen,<br />
dass aus den ersten Hähnen eine Flüssigkeit<br />
kam, bräunlich verfärbt durch den Gehalt an<br />
Eisen und Mangan.<br />
Das schadete zwar nachweislich niemandem,<br />
konnte aber auch nicht recht überzeugen.<br />
Man wollte indes auf Nummer Sicher<br />
gehen und ließ durch den vereidigten Berliner<br />
Gerichts- und Handelschemiker Dr. Ziurek ein<br />
Gutachten anfertigen, „ob das Wasser ein reines,<br />
gutes, als Trink-, Speise- und Wirtschaftswasser<br />
geeignetes Wasser ist.“ Und der Herr<br />
Doktor bescheinigte dem <strong>Potsdam</strong>er Wasser<br />
absolute Trink- und Verwendungsfähigkeit.<br />
Damit waren formell alle Bedenken aus dem<br />
Wege geräumt.<br />
Zur Grundsteinlegung für den 4.000 Kubikmeter<br />
fassenden Wasserbehälter auf dem<br />
Pfingstberg hatte sich der britische Gesandte<br />
höchstselbst nach <strong>Potsdam</strong> bemüht. Da waren<br />
dem Unternehmer Karuth vom weitsichtigen,<br />
mit geringen Abgaben zufriedenen Magistrat,<br />
vorteilhafte Bedingungen eingeräumt worden.<br />
Und dennoch „klemmte“ es aus dem beschriebenen<br />
Grund im neuen Rohrsystem,<br />
wollte die Sache nicht wie erhofft florieren.<br />
Die Leute verließen sich zunächst weiterhin<br />
überwiegend auf jene 300 Straßen- und etliche,<br />
heute nicht mehr bezifferbare Privatbrunnen<br />
innerhalb von Grundstücken, an die sie<br />
gewohnt waren. Wer sich per Straßenpumpe<br />
versorgen musste, kam bei großer Wäsche mit<br />
einem Bedarf von durchschnittlich 20 heranzuschleppenden<br />
Eimern nicht ohne Muskelkater<br />
weg.<br />
Bemittelte <strong>Potsdam</strong>er bestellten den „Wassermann“<br />
samt Hundegespann. Er füllte die<br />
Tonne auf seinem Wägelchen aus dem Stadtkanal,<br />
eine hygienisch zweifelhafte Lösung. Für<br />
25 Eimer bekam der Mann fünf Groschen.<br />
So konnte es natürlich nicht ewig gehen. Da<br />
seit 1876 eine zentrale Wasserversorgung<br />
nun einmal existierte, musste an deren Vervollkommnung<br />
gearbeitet werden. Was dann<br />
auch 1890 geschah, und zwar nach Übernahme<br />
der englischen Anlage für eine reichliche<br />
Million Mark durch die Stadt <strong>Potsdam</strong>.<br />
Und noch vor der Jahrhundertwende eliminierte<br />
eine Kombination aus Wasserbelüftung<br />
und Langsamfiltern hauptsächlich das Eisen<br />
und Mangan. Fortan floss zu den angenehm<br />
überraschten und an Zahl schlagartig zunehmenden<br />
„Consumenten“ klares und appetitliches,<br />
ab nun allgemein begehrtes Wasser.<br />
<strong>Potsdam</strong>er Wasserpumpe<br />
um 1876<br />
Wasserpumpe gegen Ende des 19. Jahrhunderts<br />
in <strong>Potsdam</strong> (am rechten Bildrand)<br />
Standort: heutige Gutenbergstraße<br />
Ausschnitt aus dem 1878 geschlossenen Vertrag zwischen der Privat Wasser-Leitungs<br />
Gesellschaft Pfingstberg und der Direction der <strong>Potsdam</strong>er Wasserwerke<br />
Actien Gesellschaft zur Lieferung von Wasser an 40 Besitzer von Grundstücken<br />
Ausschnitt aus dem Vertrag von 1876 zwischen der Königlichen Gartenintendentur<br />
und der Direction der <strong>Potsdam</strong>er Wasserwerke Actien Gesellschaft zur Abgabe<br />
von Wasser aus der Hauptröhrenleitung