Ganze Titelgeschichte - bioaktuell.ch
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Tieflohn-Büez im Bioverkauf<br />
Ni<strong>ch</strong>t nur die Produzenten, au<strong>ch</strong> die Verkäufer von Biolebensmitteln müssen bes<strong>ch</strong>eiden dur<strong>ch</strong>. Die<br />
Grossverteiler zahlen anständig, uneinheitli<strong>ch</strong> ist die Situation bei den Fa<strong>ch</strong>läden: Bio heisst offenbar<br />
längst ni<strong>ch</strong>t immer fair zu den eigenen Angestellten.<br />
4 <strong>bioaktuell</strong> 7/10<br />
Auf 3140 Franken Mindestlohn für<br />
ausserfamiliäre Bes<strong>ch</strong>äftigte einigten<br />
si<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Bauernverband<br />
und die S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Arbeitsgemeins<strong>ch</strong>aft<br />
der Berufsverbände landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />
Angestellten (ABLA) im letzten<br />
Herbst. Bei einer 5,5-Tageswo<strong>ch</strong>e mit<br />
zehn Stunden pro Tag beziehungsweise<br />
239 Arbeitsstunden im Monat entspri<strong>ch</strong>t<br />
das einem Stundenlohn von Fr. 13.14 –<br />
wahrli<strong>ch</strong> kein Spitzenverdienst.<br />
Do<strong>ch</strong> wie ergeht es jenen Angestellten,<br />
wel<strong>ch</strong>e die landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Produkte<br />
tagtägli<strong>ch</strong> an die Konsumentin<br />
und den Konsumenten bringen? Dass die<br />
Löhne im Detailhandel am unteren Ende<br />
der Skala angesiedelt sind, ist bekannt.<br />
Inwiefern gilt dies au<strong>ch</strong> für jenes Segment,<br />
das si<strong>ch</strong> gerne ni<strong>ch</strong>t nur als ökologis<strong>ch</strong>er,<br />
sondern au<strong>ch</strong> als sozialer Vorreiter<br />
präsentiert?<br />
Deuts<strong>ch</strong>e Bios dumpen<br />
Vor wenigen Monaten sorgte Alnatura,<br />
die grösste deuts<strong>ch</strong>e Biosupermarktkette,<br />
für fette S<strong>ch</strong>lagzeilen: Das Unternehmen<br />
mit inzwis<strong>ch</strong>en 55 Filialen und<br />
einem Jahresumsatz von 361 Millionen<br />
Euro – 18 Prozent mehr als im Vorjahr –<br />
bezahlt seinen Bes<strong>ch</strong>äftigten im Extremfall<br />
Tiefstlöhne von 7.50 Euro pro Stunde.<br />
Der Tarif, also der Gesamtarbeitsvertrag,<br />
liegt 16 Prozent höher bei 8.70 Euro. Weil<br />
aber Alnatura und die übrigen deuts<strong>ch</strong>en<br />
Bioketten ni<strong>ch</strong>t Mitglied im Arbeitgeberverband<br />
sind, brau<strong>ch</strong>en sie si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t an<br />
den Tarif zu halten.<br />
Bioleader Alnatura, aufges<strong>ch</strong>reckt<br />
dur<strong>ch</strong> die Enthüllungen der Berliner «tageszeitung»,<br />
gelobte innert 48 Stunden<br />
na<strong>ch</strong> Ers<strong>ch</strong>einen der Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e Besserung:<br />
«Die neue Einkommensordnung<br />
gilt mit Beginn des nä<strong>ch</strong>sten Ges<strong>ch</strong>äftsjahrs<br />
zum 1. Oktober 2010», bestätigt Alnatura-Spre<strong>ch</strong>erin<br />
Stefanie Neumann gegenüber<br />
<strong>bioaktuell</strong>.<br />
Das Unternehmen Alnatura, das mit<br />
dem Zusatz «sinnvoll für Mens<strong>ch</strong> und Erde»<br />
wirbt und Mil<strong>ch</strong>produkte mit einem<br />
Fairpreis-Aufs<strong>ch</strong>lag zugunsten der gebeutelten<br />
Bauern verkauft, steht ab dann<br />
im deuts<strong>ch</strong>en Bran<strong>ch</strong>enverglei<strong>ch</strong> lohnmässig<br />
sogar gut da. Das Gros der andern<br />
Bioanbieter betreibt trotz der öffentli<strong>ch</strong>en<br />
Kritik an den Hungerlöhnen au<strong>ch</strong><br />
weiterhin Lohndrückerei. Basic etwa<br />
kennt einen Mindestlohn von a<strong>ch</strong>t Euro<br />
die Stunde, «die grosse Mehrheit der<br />
Mitarbeitenden verdient aber deutli<strong>ch</strong><br />
mehr», meint Spre<strong>ch</strong>erin Swaantje Katz.<br />
3800 Franken<br />
für Gelernte als Minimum<br />
In der S<strong>ch</strong>weiz, wo si<strong>ch</strong> Coop und Migros<br />
drei Viertel des Biomarkts teilen,<br />
gelten in den beiden Grossverteilern je<br />
ein eigener Gesamtarbeitsvertrag. Im Berei<strong>ch</strong><br />
Lohn sind die beiden Konkurrenten<br />
praktis<strong>ch</strong> identis<strong>ch</strong> und bezahlen Angelernten<br />
3700 Franken Anfangslohn, jenen<br />
mit der zweijährigen Grundbildung<br />
3800 Franken, mit der vierjährigen<br />
Grundbildung 4100 Franken.<br />
Au<strong>ch</strong> Aldi, der ebenfalls eine Anzahl<br />
Bioprodukte im Sortiment führt, hält<br />
si<strong>ch</strong> an die Mindests<strong>ch</strong>welle von 3800<br />
Franken brutto, und zwar au<strong>ch</strong> für ungelernte<br />
Personen im Verkauf. Na<strong>ch</strong> zwei<br />
Jahren kann das Gehalt bei Aldi auf bis zu<br />
4793 Franken monatli<strong>ch</strong> steigen.<br />
Die drei Grossverteiler gewähren zudem<br />
einen 13. Monatslohn. Dazu kom-<br />
Kennzahlen<br />
Biofa<strong>ch</strong>handel<br />
Zum zweiten Mal publizierte die Bio<br />
Plus AG im Juli Kennzahlen zum Biofa<strong>ch</strong>handel<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz. Die Datensätze<br />
stammen von 38 Biofa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äften,<br />
die einen Umsatz von 60 Millionen<br />
Franken erzielen. Der Umsatz pro Mitarbeiterin<br />
oder Miratbeiter betrug im<br />
Mittel 289’000 Franken und s<strong>ch</strong>wankte<br />
zwis<strong>ch</strong>en 110’000 und 400’000<br />
Franken. Markante Unters<strong>ch</strong>iede gab<br />
es au<strong>ch</strong> beim Mietkostenanteil am<br />
Umsatz (zwis<strong>ch</strong>en 2,2 und 9,4 Prozent;<br />
Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt: 3,4 Prozent) und am<br />
Lohnkostenanteil (12,5 und 28,8 Prozent;<br />
Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt: 18,7 Prozent). Die<br />
Nettomarge s<strong>ch</strong>wankte zwis<strong>ch</strong>en 21<br />
und 38 Prozent und betrug im Mittel<br />
29 Prozent. Ein gutes Drittel der Läden<br />
s<strong>ch</strong>loss 2009 mit einem Verlust ab,<br />
im Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt wiesen die Ges<strong>ch</strong>äfte<br />
64’000 Franken Gewinn aus.<br />
Bio Plus/pld<br />
men diverse Vergünstigungen. Coop etwa<br />
gewährt seinen Angestellten 10 Prozent<br />
Abs<strong>ch</strong>lag auf Nonfood (Ni<strong>ch</strong>tlebensmittel),<br />
offeriert Reka-Bezugss<strong>ch</strong>eine mit<br />
20 Prozent Rabatt und bezahlt 650 Franken<br />
ans private GA.<br />
Ziel:<br />
Allgemeinverbindli<strong>ch</strong>er GAV<br />
Reto Moosmann, Spre<strong>ch</strong>er der Gewerks<strong>ch</strong>aft<br />
Unia, gibt zu bedenken: «Neben<br />
einzelnen Unternehmungen wie zum<br />
Beispiel Coop, wo in den letzten Jahren<br />
dank des Firmen-Gesamtarbeitsvertrages<br />
die Löhne markant angehoben werden<br />
konnten, gibt es viele Detailhändler, die<br />
eigentli<strong>ch</strong>e Armutslöhne bezahlen.» Gesetzli<strong>ch</strong>e<br />
Mindestlöhne sind hierzulande<br />
unbekannt. Längerfristiges Ziel der Gewerks<strong>ch</strong>aft<br />
sei es deshalb, wie in anderen<br />
Bran<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> im Detailhandel einen<br />
landesweiten Rahmen-Gesamtarbeitsvertrag<br />
zu errei<strong>ch</strong>en, der allgemeinverbindli<strong>ch</strong><br />
erklärt wird. Unabhängig davon<br />
startet die Gewerks<strong>ch</strong>aft Unia zusammen<br />
mit weiteren Gewerks<strong>ch</strong>aften no<strong>ch</strong> dieses<br />
Jahr eine Volksinitiative, die einen Mindestlohn<br />
von 4000 Franken verlangt.<br />
Von einem allgemeinverbindli<strong>ch</strong>en<br />
Gesamtarbeitsvertrag betroffen wären<br />
au<strong>ch</strong> unabhängige Detaillisten wie die<br />
Müller Reformhaus AG. Ges<strong>ch</strong>äftsleiter<br />
Stefan Rot ums<strong>ch</strong>reibt das Lohniveau<br />
als überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> für den Biofa<strong>ch</strong>handel<br />
beziehungsweise als im Rahmen,<br />
wenn man mit Drogerien verglei<strong>ch</strong>e: Die<br />
Palette rei<strong>ch</strong>t von 3600 Franken (Anfängerinnenlohn<br />
einer Mitarbeiterin, gelernt<br />
oder ungelernt) bis zu 7500 Franken (Ges<strong>ch</strong>äftsführerin<br />
einer Vitaldrogerie mit<br />
Studium). Allerdings wird kein 13. Monatslohn<br />
gewährt. Immerhin erhalten<br />
Müller-Bes<strong>ch</strong>äftigte 20 Prozent Einkaufsrabatt,<br />
profitieren von überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>en<br />
Sozialleistungen (fünf Wo<strong>ch</strong>en Ferien<br />
für alle, kein Koordinationsabzug<br />
bei der Pensionskasse) und erhalten Ausgaben<br />
für berufli<strong>ch</strong>e Weiterbildungen in<br />
der Regel vergütet. «Gute Leute zu finden<br />
ist s<strong>ch</strong>wierig», so Rot. Der Grund sei weniger<br />
das bes<strong>ch</strong>eidene Salär, sondern eher<br />
die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass am Samstag gearbeitet<br />
werden müsse.
BESIGELT Cartoon von Beat Sigel<br />
Keine Details bekannt gibt Rainer<br />
Bär von Egli Bio. Im Bran<strong>ch</strong>enverglei<strong>ch</strong><br />
seien seine Löhne aber überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>,<br />
zudem gibt es 13 Monatslöhne und<br />
fünf Wo<strong>ch</strong>en Ferien für alle.<br />
Verkauf bleibt Frauenjob<br />
Dass au<strong>ch</strong> Kleine grosszügig zu ihren<br />
Mitarbeitenden sein können, zeigt das<br />
Beispiel des Fa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äfts Portanatura<br />
in Zofingen. Sieben Frauen teilen si<strong>ch</strong><br />
total 480 Stellenprozente. Die Vollanstellung<br />
wird mit 3800 bis 5000 Franken entlöhnt,<br />
was einem Stundenansatz von 22<br />
bis 27 Franken entspri<strong>ch</strong>t. Ein 13. Monatslohn<br />
werde je na<strong>ch</strong> Leistung und Ges<strong>ch</strong>äftsgang<br />
gewährt, dazu kämen 20 Prozent<br />
Rabatt aufs ganze Sortiment, so Inhaberin<br />
Priska Roth. «Darüber hinaus<br />
können Weiterbildungen während der<br />
Arbeitszeit besu<strong>ch</strong>t werden, die Kurskosten<br />
übernehme ebenfalls i<strong>ch</strong>.», so die<br />
Ges<strong>ch</strong>äftsleiterin, die seit bald 20 Jahren<br />
im Biofa<strong>ch</strong>handel tätig ist. Einen grossen<br />
Gewinn ma<strong>ch</strong>e sie, die selbst 60 bis 80<br />
Wo<strong>ch</strong>enstunden leistet, zwar ni<strong>ch</strong>t. Do<strong>ch</strong><br />
sie investiere lieber in kompetente und<br />
zufriedene Mitarbeiterinnen.<br />
Immer wieder hört Roth von Kollegen,<br />
die deutli<strong>ch</strong> tiefere Ansätze zahlen.<br />
«Kürzli<strong>ch</strong> bewarb si<strong>ch</strong> eine Verkäuferin<br />
bei mir, die in einem Biofa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äft für<br />
3200 Franken brutto arbeitet – dies in einer<br />
grossen Stadt mit entspre<strong>ch</strong>end hohen<br />
Lebenshaltungskosten.» Über sol<strong>ch</strong>e<br />
Löhne s<strong>ch</strong>üttelt Roth den Kopf, ebenso<br />
über Klagen anderer Detailhändler, die<br />
Margen seien zu knapp: «Mir genügen<br />
die Margen, au<strong>ch</strong> wenn i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> an die<br />
Ri<strong>ch</strong>tpreise halte.» Apropos Margen: Im<br />
Juli publizierte die Bio Plus AG die Kennzahlen<br />
zum Biofa<strong>ch</strong>handel (vgl. Kasten<br />
links). Die Zahlen zeigen unter anderem,<br />
dass die Nettomarge zwis<strong>ch</strong>en 21 und 38<br />
Prozent s<strong>ch</strong>wankt.<br />
Klar ist für Roth aber, dass der Biofa<strong>ch</strong>handel<br />
wie der Verkauf generell ein<br />
Frauenjob ist. Zwar bekommt sie immer<br />
wieder Anfragen von Männern, do<strong>ch</strong> deren<br />
Lohnvorstellungen gingen meist in<br />
Ri<strong>ch</strong>tung 7000 Franken. Darüber hinaus<br />
seien männli<strong>ch</strong>e Bewerber häufig überqualifiziert.<br />
«Selbst wenn si<strong>ch</strong> ein sol<strong>ch</strong>er<br />
Angestellter mit dem von mir offerierten<br />
Lohnniveau einverstanden erklären<br />
würde, besteht das Risiko, dass er bei<br />
der nä<strong>ch</strong>stbesten Gelegenheit wieder abspringt.»<br />
Verdenken mag dies Roth niemandem.<br />
Denn als Alleinverdiener eine<br />
Familie mit Kindern dur<strong>ch</strong>zubringen<br />
dürfte selbst mit 5000 Franken ein Kunststück<br />
sein.<br />
So professionell wie bei Portanatura –<br />
und erst no<strong>ch</strong> mit anständiger Bezahlung<br />
– wird mit den Bes<strong>ch</strong>äftigten allerdings<br />
längst ni<strong>ch</strong>t in allen kleinen Bioläden<br />
umgegangen. Roth: «Gerade in ‹Grüms<strong>ch</strong>eliläden›<br />
werden gelegentli<strong>ch</strong> sehr tiefe<br />
Löhne bezahlt mit der Ausflu<strong>ch</strong>t, dafür<br />
arbeite man in einem angenehmen Umfeld<br />
und verkaufe tolle Produkte.» Diese<br />
Argumentation verfängt allerdings nur<br />
zum Teil. Denn au<strong>ch</strong> unabhängige Biofa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äfte<br />
können si<strong>ch</strong> behaupten –<br />
im Fall von Portanatura au<strong>ch</strong> deshalb,<br />
<strong>bioaktuell</strong> 7/10 5
■ POLITIK<br />
6 <strong>bioaktuell</strong> 7/10<br />
weil Roth s<strong>ch</strong>on seit vier Jahren mit Erfolg<br />
auf den Onlineverkauf setzt.<br />
«Unverantwortli<strong>ch</strong> tiefe Löhne»<br />
Definitiv kein «Grüms<strong>ch</strong>eliladen» ist<br />
Vatterland in Bern. Das Unternehmen<br />
hält si<strong>ch</strong> denn au<strong>ch</strong> an den – zwar fakultativen<br />
– Normalarbeitsvertrag für den<br />
Detailhandel, den der Kanton Bern erlassen<br />
hat. Das bedeutet für Personal,<br />
das eine dreijährige Lehre abges<strong>ch</strong>lossen<br />
hat und über 25 Jahre alt ist, einen Einstiegslohn<br />
von 13 mal 3915 Franken respektive<br />
einen Stundenlohn von 23.85<br />
Franken. Co-Ges<strong>ch</strong>äftsleiter Alexander<br />
Fie<strong>ch</strong>ter zählt zudem etli<strong>ch</strong>e Lohnnebenleistungen<br />
auf: Etwa 20 Prozent Einkaufsrabatt,<br />
Kaffee und Gipfeli in der Morgenpause<br />
im eigenen Restaurant sowie einen<br />
Mit der Tiergesundheitsstrategie<br />
2010+ ma<strong>ch</strong>t das Bundesamt für<br />
Veterinärwesen (BVET) eine brau<strong>ch</strong>bare<br />
Auslegeordnung, und eine Motion von<br />
Nationalrat Markus Zemp gibt den Impuls<br />
für die Überarbeitung der gesetzli<strong>ch</strong>en<br />
Grundlagen. Der Bund will präventiv<br />
stärker tätig werden und si<strong>ch</strong> dafür<br />
die gesetzli<strong>ch</strong>en Grundlagen s<strong>ch</strong>affen.<br />
BVET setzt auf<br />
Zwangsimpfungen<br />
Leider setzt der Vors<strong>ch</strong>lag des BVET viel<br />
zu stark auf Zwangsimpfungen. Dass neu<br />
sogar Direktzahlungen gekürzt werden<br />
sollen, wenn jemand auf Tierimpfungen<br />
verzi<strong>ch</strong>ten will, erweckt den Eindruck,<br />
dass hier eine «Lex Blauzunge» vorgelegt<br />
wird. Gefordert sind Vors<strong>ch</strong>läge, wel<strong>ch</strong>e<br />
tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> zu einem besseren Umgang<br />
mit Tierseu<strong>ch</strong>en führen. Ziel muss<br />
das gesunde Tier in einer gesunden Umgebung<br />
sein, wobei neben den medizinis<strong>ch</strong>en<br />
Aspekten au<strong>ch</strong> Haltungs-, Fütterungs-<br />
und Zü<strong>ch</strong>tungsfragen zu berücksi<strong>ch</strong>tigen<br />
sind.<br />
Geburtstags- und einen Weihna<strong>ch</strong>tsbatzen.<br />
«Au<strong>ch</strong> in Bern gibt es allerdings<br />
Läden, die fast unverantwortli<strong>ch</strong> tiefe<br />
Löhne zahlen», weiss Fie<strong>ch</strong>ter, der<br />
aus der Gastronomie kommt. Dort verdiene<br />
selbst ungelerntes Personal ohne<br />
Deuts<strong>ch</strong>kenntnisse oft besser als Detailhandelsangestellte.<br />
Den Grund für die<br />
tiefen Ansätze ortet Fie<strong>ch</strong>ter im s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten<br />
gewerks<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Organisationsgrad<br />
des Verkaufspersonals. Do<strong>ch</strong> viel<br />
Gegensteuer geben könne der Biofa<strong>ch</strong>handel<br />
ni<strong>ch</strong>t: «Der Kampf ist härter geworden,<br />
seit die Grossverteiler immer<br />
mehr auf Bio setzen.»<br />
Klein und fein und selbstverwaltet,<br />
so versteht si<strong>ch</strong> der «Bioladen Rägawurm»<br />
in Chur. Die vor bald 30 Jahren<br />
gegründete Genossens<strong>ch</strong>aft bes<strong>ch</strong>äftigt<br />
fünf Personen, die si<strong>ch</strong> knapp drei Vollstellen<br />
teilen.<br />
Arbeitsautonomie<br />
als Lebensqualität<br />
Mit einem Einheitslohn von brutto 25.60<br />
inklusive Ferienzulage dürfte si<strong>ch</strong> das Biolädeli<br />
lohnmässig im Mittelfeld bewegen.<br />
Etwas bes<strong>ch</strong>eiden s<strong>ch</strong>eint der Einkaufsrabatt<br />
von zehn Prozent. Immerhin:<br />
Laufe das Ges<strong>ch</strong>äft gut, verteile man Ende<br />
Jahr anteilig eine Gratifikation, erklärt<br />
die einzige Vollzeitmitarbeiterin Nina<br />
Gillardon. Darüber hinaus geniesse man<br />
die Freiheit, praktis<strong>ch</strong> selbstverwaltet zu<br />
agieren – eine «Riesenqualität», die si<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t in Lohnfranken ausdrücken lasse.<br />
Gesunde Tiere<br />
dur<strong>ch</strong> mehr Eigenverantwortung<br />
Es ist vernünftig, dass si<strong>ch</strong> der Bund überlegt, wie er künftig mit Tierkrankheiten umgehen will. Diese<br />
Überlegung sollte aber über reine Diskussionen über Pro und Kontra von Impfungen hinausgehen<br />
und s<strong>ch</strong>on gar ni<strong>ch</strong>t in Direktzahlungskürzungen bei Impfverweigerern münden. Bio Suisse fordert<br />
Verbesserungen.<br />
Bio Suisse fordert Neuauflage<br />
Bio Suisse s<strong>ch</strong>lägt dem BVET darum vor,<br />
das Ges<strong>ch</strong>äft zurückzunehmen und die<br />
folgenden Punkte bei der Neuauflage zu<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigen.<br />
■ Glei<strong>ch</strong>behandlung: Alle Tierhalter in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz sollen glei<strong>ch</strong> behandelt werden.<br />
Die revidierte Tierseu<strong>ch</strong>engesetzgebung<br />
soll eine neue Aufgabenverteilung<br />
zwis<strong>ch</strong>en Bund und Kantonen vornehmen,<br />
wel<strong>ch</strong>e der steigenden Mobilität,<br />
der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Öffnung und<br />
dem Klimawandel Re<strong>ch</strong>nung trägt. Dazu<br />
gehört au<strong>ch</strong>, dass der kantonale Vollzug<br />
besser harmonisiert wird. Zudem sollte<br />
dringend der Wildwu<strong>ch</strong>s der 26 kantonalen<br />
Tierseu<strong>ch</strong>enkassen ausgeli<strong>ch</strong>tet<br />
werden – jede Tierhalterin, jeder Tierhalter<br />
soll si<strong>ch</strong> zu den glei<strong>ch</strong>en Bedingungen<br />
versi<strong>ch</strong>ern können.<br />
■ Prävention mit mehr Eigenverantwortung:<br />
Die aktuelle Einteilung der<br />
Seu<strong>ch</strong>en dur<strong>ch</strong> das Tierseu<strong>ch</strong>engesetz<br />
soll dazu benutzt werden, eine saubere<br />
Abgrenzung zwis<strong>ch</strong>en staatli<strong>ch</strong>en<br />
Zwangsmassnahmen und individueller<br />
Pieter Poldervaart<br />
Verantwortung zu definieren. Die Prävention<br />
dur<strong>ch</strong> staatli<strong>ch</strong>e Zwangsmassnahmen<br />
bes<strong>ch</strong>ränkt si<strong>ch</strong> dabei auf die<br />
ho<strong>ch</strong>ansteckenden und auszurottenden<br />
Seu<strong>ch</strong>en, während der Staat bei den zu<br />
bekämpfenden und zu beoba<strong>ch</strong>tenden<br />
Seu<strong>ch</strong>en nur mit Anreizen, Aufklärung<br />
etc. tätig wird. Der Umgang mit diesen<br />
weniger s<strong>ch</strong>limmen Seu<strong>ch</strong>en, zu wel<strong>ch</strong>en<br />
au<strong>ch</strong> die Blauzungenkrankheit gehört,<br />
obliegt der individuellen Verantwortung<br />
der Tierhaltenden.<br />
■ Mitbestimmung: Bei der Einteilung<br />
der Seu<strong>ch</strong>en in die vier Kategorien sowie<br />
bei der Erarbeitung von Bekämpfungsprogrammen<br />
sind die Tierhalter stärker<br />
als heute einzubeziehen. Bei den zu bekämpfenden<br />
und zu beoba<strong>ch</strong>tenden Seu<strong>ch</strong>en<br />
sind Lösungen zu bevorzugen, wel<strong>ch</strong>e<br />
vers<strong>ch</strong>iedene Ansätze für den Umgang<br />
mit der Seu<strong>ch</strong>e zulassen.<br />
■ S<strong>ch</strong>adenersatz: Treten S<strong>ch</strong>äden dur<strong>ch</strong><br />
staatli<strong>ch</strong>e Zwangsmassnahmen auf, sorgt<br />
der Staat für angemessenen S<strong>ch</strong>adenersatz.<br />
Martin Bossard, Bio Suisse