28.09.2014 Aufrufe

Kontaktvorgänge und Verschleißverhalten des Systems Fahrdraht ...

Kontaktvorgänge und Verschleißverhalten des Systems Fahrdraht ...

Kontaktvorgänge und Verschleißverhalten des Systems Fahrdraht ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kontaktvorgänge <strong>und</strong> Verschleißverhalten<br />

<strong>des</strong> <strong>Systems</strong> <strong>Fahrdraht</strong> – Schleifleiste<br />

H. Biesenack a,1 <strong>und</strong> F. Pintscher a,2<br />

a TU Dresden, Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“,<br />

Institut für Elektrische Verkehrssysteme<br />

01062 Dresden, Deutschland<br />

Kurzfassung: Der Kontakt <strong>Fahrdraht</strong> – Schleifleiste hat die Aufgabe, elektrischen Strom<br />

zwischen der Oberleitung <strong>und</strong> dem Stromabnehmer <strong>des</strong> Triebfahrzeuges mittels eines<br />

Gleitkontaktes zu übertragen. Der dabei entstehende Verschleiß lässt sich in elektrischen<br />

<strong>und</strong> mechanischen Verschleiß unterteilen. Die nähere Betrachtung der Einflussparameter<br />

<strong>und</strong> Zusammenhänge, die das Verschleißverhalten von <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> Schleifleiste<br />

beeinflussen, zeigt, dass der Kontaktwiderstand eine große Bedeutung für den elektrischen<br />

Verschleiß besitzt. Auf einem Versuchsstand der TU Dresden wurde der Kontaktwiderstand<br />

zwischen <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> Schleifleiste unter verschiedenen Randbedingungen gemessen. Die<br />

dabei gewonnenen Erkenntnisse werden an einem Beispiel erläutert. Der über dem<br />

Kontaktwiderstand entstehende Spannungsfall, die Kontaktspannung, bildet den<br />

Ausgangspunkt zur Berechnung der Erwärmung <strong>des</strong> Kontaktbereiches. Die auf diese Weise<br />

ermittelten Temperaturen erlauben tendenzielle Aussagen zum elektrischen Verschleiß.<br />

Schlagworte: Verschleiß; Oberleitung; <strong>Fahrdraht</strong>; Stromabnehmer; Schleifleiste<br />

1 E-mail: hartmut.biesenack@mailbox.tu-dresden.de, URL: www.e-vs.de<br />

2 E-mail: pintsch@rcs.urz.tu-dresden.de, URL: www.e-vs.de


1 Einleitung<br />

Am 31. Mai 1879 wurde von Werner von Siemens die erste elektrische Lokomotive der Welt<br />

auf der Berliner Gewerbeausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt. Werner von Siemens war<br />

es gelungen, die Umwandlung elektrischer in mechanische Energie eindrucksvoll durch eine<br />

praktische Anwendung zu demonstrieren. Neben dieser genialen Ingenieurleistung hatte er<br />

aber auch das Problem der Energiezuführung zu lösen, denn er erkannte schon damals, dass<br />

bei einem leistungsfähigen Bahnsystem die Energie nicht mitgeführt werden kann. Die erste<br />

Lokomotive wurde mit einer Gleichspannung von 150 V betrieben. Die Zuführung der<br />

Antriebsenergie erfolgte mit Hilfe eines in der Gleismitte hochkant verlegten<br />

Flacheisenban<strong>des</strong>. Darauf liefen zwei Rollen, welche die Stromabnahme sicherstellten. Als<br />

Rückleitung wurden schon damals die Fahrschienen genutzt.<br />

Bei weiteren Versuchen bereitete immer wieder die Stromzuführung Schwierigkeiten. Dabei<br />

kamen aus heutiger Sicht oft eigenartige, kuriose aber auch gefährliche Konstruktionen zur<br />

Anwendung. Die Frage der Energiezuführung besitzt seit den Anfängen der elektrischen<br />

Zugförderung eine große Bedeutung. Deshalb ist es umso erstaunlicher, dass eine detaillierte<br />

Beschreibung <strong>des</strong> Kontaktverhaltens zwischen Oberleitung <strong>und</strong> Stromabnehmer bis heute<br />

fehlt. Dabei ist es wichtig, nicht nur einzelne Komponenten, sondern das gesamte System der<br />

Fahrleitungsanlage <strong>und</strong> <strong>des</strong> Triebfahrzeugs mit seinen Stromabnehmern zu betrachten.<br />

2 Kontakt <strong>Fahrdraht</strong> – Schleifleiste<br />

Das System Oberleitung – Stromabnehmer hat die Aufgabe, die erforderliche elektrische<br />

Leistung zwischen der stationären Fahrleitung <strong>und</strong> dem ortsveränderlichen Triebfahrzeug zu<br />

übertragen. Dieser Prozess hat unter ständigem mechanischen <strong>und</strong> elektrischen Kontakt, also<br />

störungsfrei zu erfolgen. Dabei sollte aber der Verschleiß an <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> Schleifleiste<br />

minimal sein. Aus der Funktion <strong>des</strong> Kontaktes <strong>Fahrdraht</strong> – Schleifleiste, der Übertragung von<br />

elektrischem Strom durch einen Gleitkontakt, resultieren die Entstehung von Strom- <strong>und</strong><br />

Reibungswärme sowie letztendlich elektrischer <strong>und</strong> mechanischer Verschleiß. Die<br />

entgegengesetzten Abhängigkeiten der beiden Verschleißarten sowohl von der Kontaktkraft<br />

als auch vom Kontaktstrom gestalten eine Verschleißminimierung zu einem ungemein<br />

schwierigen technischen Problem (Abbildung 1 <strong>und</strong> Abbildung 2).<br />

2


Verschleiß <strong>des</strong> <strong>Fahrdraht</strong>es<br />

Häufigkeit der<br />

Lichtbögen<br />

Gesamtverschleiß<br />

OPTIMUM<br />

Verstärkte<br />

Reibung<br />

Mechanischer<br />

Verschleiß<br />

Elektrischer<br />

Verschleiß<br />

Kontaktkraft<br />

Abbildung 1: Verschleiß <strong>des</strong> <strong>Fahrdraht</strong>es als Funktion der Kontaktkraft.<br />

Verschleiß der Schleifleiste<br />

Gesamtverschleiß<br />

Elektrischer<br />

Verschleiß<br />

Mechanischer<br />

Verschleiß<br />

Kontaktstrom<br />

Abbildung 2: Verschleiß der Schleifleiste als Funktion <strong>des</strong> Kontaktstromes.<br />

Das Kontaktverhalten wird geprägt von der Struktur der realen mechanischen Kontaktfläche,<br />

die wiederum von den physikalischen <strong>und</strong> chemischen Materialeigenschaften von <strong>Fahrdraht</strong><br />

<strong>und</strong> Schleifleiste abhängig ist (Abbildung 3). Besonders hervorzuheben ist dabei die<br />

Fremdschicht, die sich innerhalb kürzester Zeit auf allen unedlen Metallen bildet. Bei dem als<br />

<strong>Fahrdraht</strong>material verwendetem Kupfer ist die Fremdschicht auch unter dem Namen Patina<br />

bekannt. Die Beanspruchungen <strong>des</strong> Kontaktes <strong>Fahrdraht</strong> – Schleifleiste können in vier<br />

3


Kategorien unterteilt werden: Kräfte, Geschwindigkeiten, Temperaturen <strong>und</strong><br />

Beanspruchungsdauer.<br />

Übertragung von elektrischem Strom<br />

durch einen Gleitkontakt<br />

Elektrischer<br />

Verschleiß<br />

Struktur der realen mechanischen Kontaktfläche<br />

<strong>Fahrdraht</strong><br />

v<br />

Schleifleiste<br />

Mechanischer<br />

Verschleiß<br />

F N<br />

Fremdschicht<br />

Volumen<br />

Dichte<br />

Zusammensetzung<br />

Kontaktkraft<br />

Größe<br />

Geometrie<br />

OF-Rauheit<br />

Beanspruchungen<br />

Härte<br />

Elastizitätsmodul<br />

Zugfestigkeit<br />

Eigenschaften von <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> Schleifleiste<br />

Beanspruchungsdauer<br />

Fahrgeschwindigkeit<br />

Umgebungsluft<br />

Umgebungsluft<br />

Gefüge<br />

Temperatur<br />

Fremdschicht<br />

Reibungswärme<br />

Stromwärme<br />

Abbildung 3: Übersicht Kontakt <strong>Fahrdraht</strong> – Schleifleiste.<br />

Ausgehend von Abbildung 1 <strong>und</strong> Abbildung 2 stellen sich die folgenden Fragen: Wie groß ist<br />

der Verschleiß an <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> Schleifleiste? Bei welcher Kontaktkraft ist der Verschleiß am<br />

geringsten? Welche Randbedingungen <strong>und</strong> Parameter beeinflussen wie stark den Verschleiß<br />

von <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> Schleifleiste?<br />

Es wurde versucht, aus den sehr vielschichtigen <strong>und</strong> komplexen Zusammenhängen, die das<br />

Kontaktverhalten von <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> Schleifleiste bestimmen, die wichtigsten<br />

Einflussfaktoren <strong>und</strong> Parameter herauszufiltern. Das Ergebnis kann der Abbildung 4<br />

entnommen werden.<br />

Diese Übersicht verdeutlicht sehr schön, dass im störungsfreiem Betrieb (Vernachlässigung<br />

von Lichtbögen) der Kontaktwiderstand eine zentrale Bedeutung auf den elektrischen<br />

Verschleiß besitzt. Ist der Kontaktwiderstand unter verschiedenen Randbedingungen bekannt,<br />

können Aussagen zur Erwärmung <strong>des</strong> Kontaktbereiches getroffen werden. Die Erwärmung<br />

wiederum ist Ausgangspunkt für tendenzielle Prognosen zum elektrischen Verschleiß.<br />

4


Damit lassen sich die zwei wesentlichen Komplexe der folgenden Arbeit formulieren:<br />

1. Die Bestimmung <strong>des</strong> Kontaktwiderstan<strong>des</strong> unter verschiedenen Randbedingungen.<br />

2. Die Berechnung der Erwärmung <strong>des</strong> Kontaktbereiches.<br />

Kontaktkraft<br />

Geschwindigkeit<br />

Fremdschicht<br />

Fremdschichtwiderstand<br />

Engewiderstand<br />

wahre<br />

Kontaktfläche<br />

Reibung<br />

Temperatur<br />

Kontaktwiderstand<br />

Strom<br />

Reibungswärme<br />

Lichtbögen<br />

Stromwärme<br />

Erwärmung <strong>des</strong><br />

Kontaktbereiches<br />

elektrischer<br />

Verschleiß<br />

mechanischer<br />

Verschleiß<br />

Abbildung 4: Elektrischer <strong>und</strong> mechanischer Verschleiß – vereinfachte Übersicht.<br />

3 Bestimmung <strong>des</strong> Kontaktwiderstan<strong>des</strong><br />

3.1 Versuchsstand <strong>Fahrdraht</strong> – Schleifleiste<br />

Der Kontaktwiderstand zwischen dem <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> der Schleifleiste kann auf Gr<strong>und</strong> einer<br />

Vielzahl von Unklarheiten bezüglich der wahren Kontaktfläche <strong>und</strong> der Fremdschicht nicht<br />

berechnet werden. Somit macht sich eine messtechnische Bestimmung <strong>des</strong><br />

Kontaktwiderstan<strong>des</strong> erforderlich. Zu diesem Zweck wurde an der Technischen Universität<br />

Dresden, Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, Institut für Elektrische<br />

Verkehrssysteme mit Unterstützung der Siemens AG, Transportation <strong>Systems</strong>, Electrification,<br />

Engineering TS EL EN 4 ein Versuchsstand errichtet.<br />

Der Versuchsstand ist so gestaltet, dass sowohl der <strong>Fahrdraht</strong> als auch die Schleifleiste<br />

gewechselt werden können. Damit ist es möglich, unterschiedliche Kontaktpaarungen<br />

einerseits hinsichtlich der Kontaktmaterialien <strong>und</strong> anderseits in Bezug auf verschiedene<br />

Abnutzungsgrade zu untersuchen. Des Weiteren kann der Versuchsstand mit Gleichstrom DC<br />

5


zw. Wechselstrom AC 16 ²/3 Hz <strong>und</strong> AC 50 Hz gespeist werden. Die Stromstärke kann<br />

zwischen 0 <strong>und</strong> 500 A gewählt werden. Die minimale Kontaktkraft von ca. 20 N ist durch den<br />

Aufbau <strong>des</strong> Versuchsstan<strong>des</strong> begrenzt. Der Kontaktwiderstand kann sowohl im Stillstand als<br />

auch bei Fahrbewegung mit Geschwindigkeiten bis zu 10 m/s ermittelt werden. Als Option ist<br />

noch eine <strong>Fahrdraht</strong>-Heizung vorgesehen, mit welcher der <strong>Fahrdraht</strong> auf seine maximal<br />

zulässige Betriebstemperatur von 80 °C erwärmt werden kann. Bei der Konzeption <strong>des</strong><br />

Versuchsstan<strong>des</strong> wurde auch darauf Wert gelegt, dass der zeitliche Abstand zwischen den<br />

Schleifleistendurchgängen variiert werden kann. Damit kann die Regeneration der<br />

<strong>Fahrdraht</strong>patina <strong>und</strong> deren Einfluss auf den Kontaktwiderstand berücksichtigt werden.<br />

Tabelle 1: Veränderliche Parameter <strong>des</strong> Versuchsstan<strong>des</strong>.<br />

Parameter<br />

Kontaktpaarung<br />

Stromart<br />

Stromstärke<br />

Kontaktkraft<br />

Fahrgeschwindigkeit<br />

<strong>Fahrdraht</strong>-Temperatur<br />

Wertebereich<br />

Material / Verschleißgrad<br />

DC, AC 16 ²/3 Hz, AC 50 Hz<br />

0 ... 500 A<br />

20 ... 200 N<br />

0 ... 10 m/s<br />

20 ... 80°C (optional)<br />

Die Basis <strong>des</strong> Versuchsstan<strong>des</strong> bildet eine 12 m lange Stromschienenoberleitung. Diese dient<br />

als Halterung für den <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> gleichzeitig benutzt sie der Messwagen als Fahrschiene.<br />

Sie wurde verkehrt herum, mit dem <strong>Fahrdraht</strong> nach oben, auf einem Stahlträger montiert. Auf<br />

dieser Stromschienenoberleitung fährt ein Messwagen, der ein ca. 75 mm langes Stück einer<br />

Schleifleiste über den <strong>Fahrdraht</strong> führt (Abbildung 5).<br />

6


Abbildung 5: Messwagen mit Energieketten <strong>und</strong> Umlenkrolle.<br />

Angetrieben <strong>und</strong> gebremst wird er durch einen umrichtergesteuerten Asynchronmotor. Der<br />

Motor ist mit einem Endlosseil mit dem Messwagen verb<strong>und</strong>en. Die Zuführung <strong>des</strong><br />

Kontaktstromes zum sowie die Übertragung der Messsignale vom Messwagen war nur durch<br />

die Verwendung von sogenannten Energieketten möglich, welche die hochflexiblen Kabel<br />

aufnehmen. Die Kontaktkraft wird mittels Gewichten aufgebracht. Das erfordert den Einsatz<br />

einer Scherenkonstruktion, welche die Einheit aus Schleifleistenstück, Kraftaufnehmern <strong>und</strong><br />

Gewichten führt <strong>und</strong> gleichzeitig die Kontaktkraft vom Fahrgestell <strong>des</strong> Messwagens<br />

entkoppelt. Die Abbildung 6 zeigt die Gesamtansicht <strong>des</strong> Versuchsstan<strong>des</strong> mit dem aus<br />

Sicherheitsgründen angebrachten Gitter.<br />

7


Abbildung 6: Gesamtansicht <strong>des</strong> Versuchsstan<strong>des</strong>.<br />

3.2 Aufgenommene Messwerte<br />

Eine Übersicht mit allen aufgenommenen Messwerten <strong>und</strong> deren Anordnung zeigt die<br />

Abbildung 7.<br />

Die Umgebungsbedingungen Temperatur, Luftdruck <strong>und</strong> Luftfeuchte werden in unmittelbarer<br />

Nähe <strong>des</strong> Versuchsstan<strong>des</strong> im Laborraum aufgenommen.<br />

Die Temperatur wird sowohl im <strong>Fahrdraht</strong> als auch an zwei Punkten in der Schleifleiste<br />

erfasst. Der Strom, der über den Kontakt <strong>Fahrdraht</strong> – Schleifleiste fließt, wird von einem<br />

Hochstromtransformator bereitgestellt. Er wird mit Hilfe eines Stromwandlers mit einem<br />

effektiven Primärnennstrom von 500 A gemessen.<br />

An der Schleifleiste werden zwei Potenziale abgegriffen. Bezogen auf den <strong>Fahrdraht</strong>, der in<br />

diesem Versuchsstand die Masse darstellt, ergeben sich daraus die Kontaktspannung <strong>und</strong> die<br />

Spannung zwischen der Fassung der Schleifleiste <strong>und</strong> dem <strong>Fahrdraht</strong>. Letztere berücksichtigt<br />

den Ausbreitungswiderstand der Kohle.<br />

8


Umgebungsbedingungen<br />

Temperatur<br />

Luftdruck<br />

Luftfeuchte<br />

Kontakt- <strong>und</strong><br />

Reibkraft<br />

Strom<br />

Spannung <strong>Fahrdraht</strong> - Fassung<br />

Schleifleisten-Temperatur<br />

Kontaktspannung<br />

<strong>Fahrdraht</strong><br />

<strong>Fahrdraht</strong>-Temperatur<br />

Stromschienenoberleitung<br />

Weg<br />

Geschwindigkeit<br />

Abbildung 7: Schematische Darstellung der Messanordnung.<br />

Der Versuchsstand bietet die Möglichkeit, die senkrecht auf den Kontakt wirkende Kraftkomponente<br />

– im weiteren Verlauf als Kontaktkraft bezeichnet – <strong>und</strong> die in Bewegungsrichtung<br />

wirkende Kraftkomponente – die Reibkraft – aufzunehmen.<br />

Zur Bestimmung <strong>des</strong> Weges <strong>und</strong> der Fahrgeschwindigkeit wird ein Drehimpulsgeber genutzt.<br />

Er misst die Drehzahl der Umlenkrolle der Zugseile, woraus online der Weg <strong>und</strong> die<br />

Geschwindigkeit ermittelt werden.<br />

Eine detailliertere Beschreibung <strong>des</strong> Versuchsstan<strong>des</strong> <strong>und</strong> der gemessenen Größen findet man<br />

in [3].<br />

3.3 Kontaktwiderstand in Abhängigkeit von Kontaktstrom <strong>und</strong> Kontaktkraft<br />

Es wurden eine Vielzahl von Messungen durchgeführt, bei denen das Material <strong>und</strong> der<br />

Verschleißgrad der Schleifleisten, die Stromart, die Stromstärke, die Kontaktkraft, die<br />

Geschwindigkeit sowie die Pausen zwischen den Messungen, in welchen sich die<br />

Fremdschicht regenerieren kann, variiert wurden. Um die Ergebnisse der Messungen zu<br />

veranschaulichen, wurden Messreihen ausgewählt, die im Stillstand, also an einem ruhenden<br />

Kontakt aufgenommen wurden. Dazu wurde ein neuer <strong>Fahrdraht</strong> Ri 107 aus Elektrolytkupfer<br />

<strong>und</strong> ein Stück einer neuen Schleifleiste aus Kohlenstoff-Graphit BH424 der Firma Schunk<br />

9


Kohlenstofftechnik GmbH. Diese Schleifleiste entsprach einer sogenannten DB-<br />

Einheitsschleifleiste <strong>und</strong> weist somit eine 35 mm breite Kontaktfläche auf. Der Kontakt<br />

wurde mit Wechselstrom AC 50 Hz gespeist.<br />

Die Abbildung 8 zeigt den Kontaktwiderstand in Abhängigkeit vom Kontaktstrom mit der<br />

Kontaktkraft als Parameter. Die gewählten Sollströme sind durch unterschiedliche Farben<br />

dargestellt. Die Sollströme wurden in 15-A-Schritten erhöht. Dabei wurde darauf geachtet,<br />

dass es zu keiner dauerhaften Erwärmung <strong>des</strong> <strong>Fahrdraht</strong>es über die maximal zulässige<br />

Grenztemperatur von 80 °C kommt. Die verwendeten Kontaktkräfte von 20 N, 40 N, 60 N,<br />

80 N <strong>und</strong> 100 N sind durch verschiedene Symbole gekennzeichnet. Eine Kontaktkraft von<br />

20 N für eine Schleifleiste entspricht der minimalen fahrdynamischen Anpresskraft nach dem<br />

Merkblatt UIC 608 E [2], die bei Einphasen-Wechselstrombahnen 40 N pro Stromabnehmer<br />

beträgt.<br />

R K in mΩ<br />

Stillstand v = 0 m/s, Wechselstrom AC 50 Hz<br />

Kontakt <strong>Fahrdraht</strong> Ri 107, neu - Schleifleiste 35 mm breit, SKT BH424, neu (Nr. 4)<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0 15 30 45 60 75 90 105 120 135 150 165 180<br />

I K in A<br />

20 N; 15 A<br />

20 N; 30 A<br />

20 N; 45 A<br />

20 N; 60 A<br />

20 N; 67 A<br />

20 N; 75 A<br />

20 N; 82 A<br />

20 N; 90 A<br />

40 N; 15 A<br />

40 N; 30 A<br />

40 N; 45 A<br />

40 N; 60A<br />

40 N; 75 A<br />

40 N; 90 A<br />

40 N; 105 A<br />

60 N; 15 A<br />

60 N; 30 A<br />

60 N; 45 A<br />

60 N; 60 A<br />

60 N; 75 A<br />

60 N; 90 A<br />

60 N; 105 A<br />

60 N; 120 A<br />

60 N; 135 A<br />

80 N; 15 A<br />

80 N; 30 A<br />

80 N; 45 A<br />

80 N; 75 A<br />

80 N; 105 A<br />

80 N; 120 A<br />

80 N, 135 A<br />

80 N, 150 A<br />

100 N, 15 A<br />

100 N, 30 A<br />

100 N, 45 A<br />

100 N, 75 A<br />

100 N, 105 A<br />

100 N, 135 A<br />

100 N, 150 A<br />

100 N, 165 A<br />

Abbildung 8: Kontaktwiderstand in Abhängigkeit vom Kontaktstrom, Parameter Kontaktkraft<br />

Die Abbildung 8 verdeutlicht, dass der Kontaktwiderstand sowohl mit steigendem<br />

Kontaktstrom als auch mit zunehmender Kontaktkraft kleiner wird. Dabei nähert sich der<br />

Kontaktwiderstand einem Minimalwert an, der bei Kohlenstoff-Graphit bei ungefähr 4 mΩ<br />

liegt. Des Weiteren ist ersichtlich, dass mit steigendem Kontaktstrom der Einfluss der<br />

Kontaktkraft nachlässt. Anderseits besitzt auch der Strom bei höheren Kontaktkräften kaum<br />

noch Einfluss. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass man keinen Parameter separat, d.h. getrennt<br />

von den anderen Einflussfaktoren betrachten kann. Damit wird die im Vorfeld gewonnene<br />

Erkenntnis, dass eine enge Verknüpfung der einzelnen Parameter untereinander existiert, auch<br />

durch die Messungen bestätigt.<br />

10


Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Kontaktstrom <strong>und</strong> die Kontaktkraft den<br />

größten Einfluss auf den Kontaktwiderstand <strong>und</strong> damit auf die Erwärmung <strong>des</strong> Kontaktes<br />

besitzen. Im Gegensatz dazu besitzt die Stromart (DC oder AC 50 Hz) keinen nachweisbaren<br />

Einfluss bei gleichen Randbedingungen. Der wesentlichste Unterschied zwischen einer neuen<br />

<strong>und</strong> einer abgenutzten Schleifleiste besteht in der Oberflächenrauheit. Die glatte Oberfläche<br />

einer abgenutzten Schleifleiste bewirkt eine Abnahme <strong>des</strong> Kontaktwiderstan<strong>des</strong>.<br />

Erwartungsgemäß ist der Kontaktwiderstand bei Schleifleiste aus kupferimprägniertem<br />

Kohlenstoff-Graphit kleiner als bei unimprägnierten. Die Differenz ist aber nicht so groß wie<br />

es der spezifische elektrische Widerstand erwarten lässt.<br />

Tabelle 2: Prinzipieller Einfluss auf den Kontaktwiderstand.<br />

Parameter Einfluss Kontaktwiderstand<br />

Kontaktstrom I K R K <br />

Kontaktkraft F K R K <br />

Stromart AC 50 Hz / DC R K −<br />

Verschleißgrad<br />

Oberflächenrauheit<br />

Material - Imprägnierung<br />

spez. elektr. Widerstand<br />

neu / abgenutzt<br />

R A <br />

ohne / Kupfer<br />

ρ SL <br />

R K <br />

R K <br />

4 Berechnung der Erwärmung <strong>des</strong> Kontaktbereiches<br />

Ist der Kontaktwiderstand unter verschiedenen Randbedingungen bekannt, kann daraus die<br />

Erwärmung <strong>des</strong> Kontaktbereiches abgeleitet werden. Für den elektrischen Verschleiß ist die<br />

Temperatur der Kontaktspitzen oder Strombrücken ausschlaggebend, da sich diese Punkte<br />

zuerst abnutzen. Aufgr<strong>und</strong> ihrer sehr geringen Ausdehnung von nur einigen Mikrometern ist<br />

es nicht möglich, ihre Temperatur unmittelbar zu messen.<br />

Ausgangspunkt für die Berechnung der Temperatur ist die Wärmebilanz <strong>des</strong><br />

Kontaktbereiches. Zu diesem Zweck muss der Kontakt durch ein geeignetes Modell, welches<br />

die Kontaktfläche sowie das elektrische <strong>und</strong> thermische Feld innerhalb der Kontakte<br />

berücksichtig, nachgebildet werden. Befindet sich der Kontakt im Stillstand, kann von einem<br />

stationären Zustand ausgegangen werden. In diesem Fall ist die elektrisch erzeugte gleich der<br />

durch Wärmeleitung abgeführten Wärmemenge. Geht man weiterhin davon aus, dass das<br />

elektrische <strong>und</strong> thermische Feld innerhalb <strong>des</strong> Kontaktes den gleichen Verlauf besitzen, erhält<br />

man die folgende einfache Beziehung:<br />

1 2<br />

⋅ U<br />

K<br />

= ρ ⋅ λ ⋅ ∆T<br />

(1)<br />

8<br />

Diese Gleichung besagt, dass das Quadrat <strong>des</strong> Spannungsfalls über dem Kontakt U K<br />

proportional zur Temperaturdifferenz ∆T zwischen der Kontaktspitze <strong>und</strong> einem<br />

11


Bezugspunkt, der nicht mehr vom Kontaktwiderstand beeinflusst wird, ist.<br />

Proportionalitätsfaktor sind der spezifische elektrische Widerstand ρ <strong>und</strong> die<br />

Wärmeleitfähigkeit λ der jeweiligen Kontaktmaterials. Diese Beziehung gilt für einen<br />

ruhenden symmetrischen Kontakt. Symmetrisch bedeutet, dass die beiden Kontakte aus dem<br />

gleichen Material bestehen.<br />

Bei einem Kontakt zwischen einem Kupfer-<strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> einer Schleifleiste aus Kohlenstoff<br />

handelt es sich jedoch um einen unsymmetrischen Kontakt. Im Kohlenstoff wird aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong><br />

größeren spezifischen elektrischen Widerstan<strong>des</strong> mehr Wärme erzeugt <strong>und</strong> durch die kleinere<br />

Wärmeleitfähigkeit auch schlechter abgeleitet. Die Schleifleiste erwärmt sich stärker. Die<br />

Isotherme der höchsten Temperatur befindet sich im Kohlenstoff (Abbildung 9). Die oberhalb<br />

dieser Isotherme erzeugte Wärme wird in den Kohlenstoffkontakt abgeführt. Die zwischen<br />

dieser Isotherme <strong>und</strong> der Kontaktfläche erzeugte Wärme wird dagegen über die Kontaktfläche<br />

in den Kupferkontakt abgeleitet. Somit sind bei einem unsymmetrischen Kontakt zwei<br />

Temperaturen von Interesse: die höchste Temperatur im Kohlenstoff <strong>und</strong> die Temperatur der<br />

Kontaktfläche, welche der höchsten Temperatur <strong>des</strong> Kupfers entspricht. Das bedeutet, dass<br />

durch eine Verringerung <strong>des</strong> spezifischen elektrischen Widerstan<strong>des</strong> <strong>des</strong> Kohlenstoffes<br />

<strong>und</strong>/oder eine Verbesserung seiner Wärmeleitfähigkeit die Erwärmung <strong>des</strong> <strong>Fahrdraht</strong>es<br />

reduziert werden kann, denn damit wird der Anteil der im Kohlenstoff erzeugten <strong>und</strong> in das<br />

Kupfer abgeleiteten Wärme verkleinert. Das kann durch eine Imprägnierung mit Leichtmetall<br />

wie Aluminium oder Magnesium erzielt werden [1]. Gleichzeitig wird damit der Nachteil<br />

einer Kupferimprägnierung, nämlich die Zunahme der Masse, verringert.<br />

12


T<br />

C<br />

ϕ<br />

0<br />

Kohlenstoff<br />

Φ l1<br />

I<br />

∆T<br />

= T −<br />

1 θ<br />

T C<br />

U1<br />

= ϕ − ϕ<br />

1<br />

0<br />

∆<br />

T 2<br />

= T<br />

θ −<br />

T θ<br />

T<br />

T ϑ<br />

ϑ<br />

Φ l2<br />

I<br />

ϕ<br />

1<br />

U<br />

2<br />

ϕ<br />

2<br />

= ϕ − ϕ<br />

2<br />

1<br />

S 3<br />

Φ l3 I<br />

dT<br />

dr<br />

T<br />

Kupfer<br />

∆T3 = Tϑ<br />

− T Cu<br />

T Cu<br />

A 3<br />

dϕ<br />

ϕ<br />

U3<br />

ϕ<br />

3<br />

ϕ<br />

= ϕ − ϕ<br />

3<br />

2<br />

Abbildung 9: Thermisches <strong>und</strong> elektrisches Feld eines unsymmetrischen Kontaktes<br />

(Kohlenstoff – Kupfer).<br />

Es ist also möglich, die maximalen Temperaturen von <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> Schleifleiste im<br />

Stillstand <strong>und</strong> mit gewissen Einschränkungen auch bei Fahrt zu berechnen. Damit können<br />

tendenzielle Aussagen zum elektrischen Verschleiß im störungsfreien Betrieb gemacht<br />

werden.<br />

Die Tabelle 3 enthält die Ergebnisse einiger ausgewählten Berechnungen im Stillstand. Ab<br />

einer Temperatur von 350 °C ist bei Luftzutritt mit einer verstärkten Oxidation <strong>des</strong><br />

Kohlenstoffes zu rechnen [4]. Diese Temperatur wird an der Kontaktfläche bei einer<br />

Kontaktspannung von 2,7 V erreicht. Das Kupfer erwärmt sich auf seine<br />

Entfestigungstemperatur von 180 °C bei einer Kontaktspannung von 1,8 V. Bei den<br />

Messungen im Stillstand wurden Kontaktspannungen bis 2,0 V ermittelt. Die<br />

13


Schmelztemperatur <strong>des</strong> Kupfers beträgt 1083 °C, welche schon bei einer Spannung von 2,2 V<br />

erreicht wird.<br />

Tabelle 3: Kritische Kontaktspannung <strong>und</strong> maximale Temperatur der Schleifleiste.<br />

Oxidationsanstie<br />

g <strong>des</strong><br />

Kohlenstoffes<br />

Entfestigung <strong>des</strong><br />

Kupfers<br />

Schmelzen <strong>des</strong><br />

Kupfers<br />

Temperatur T 350 °C 190 °C 1083 °C<br />

spez. elektrischer Widerstand <strong>des</strong><br />

Kupfers bei T<br />

spez. elektrischer Widerstand <strong>des</strong><br />

Kohlenstoffes<br />

ρ Cu<br />

ρ C<br />

4,01⋅10-8 Ωm 2,93⋅10-8 Ωm 21,3⋅10-8 Ωm<br />

3,5⋅10 -5 Ωm<br />

Temperatur <strong>Fahrdraht</strong> ϑ FD 80 °C<br />

Temperatur Schleifleiste ϑ SL 100 °C<br />

kritische Kontaktspannung U K 2,7 V 1,8 V 2,2 V<br />

max. Temperatur Schleifleiste ϑ SLmax 1580 °C 700 °C 1520 °C<br />

5 Zusammenfassung<br />

Zur gezielten Optimierung <strong>des</strong> <strong>Systems</strong> sind umfangreiche <strong>und</strong> detaillierte Kenntnisse zum<br />

Kontaktverhalten von <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> Schleifleiste zwingend erforderlich. Mit dem<br />

vorgestellten Versuchsstand kann der Kontaktwiderstand unter verschiedenen<br />

Randbedingungen gemessen werden. Die Messergebnisse liegen im Bereich der Messungen<br />

anderer Institutionen. Mit den vorliegenden Ergebnissen können Tendenzen zum Einfluss der<br />

wichtigsten Parameter auf den Kontaktwiderstand angegeben werden. Der Spannungsfall über<br />

dem Kontakt bildet den Ausgangspunkt zur Berechnung der maximalen Temperaturen <strong>des</strong><br />

Kontaktbereiches. Aufgr<strong>und</strong> der ermittelten Temperaturen sind tendenzielle Aussagen zum<br />

elektrischen Verschleiß von <strong>Fahrdraht</strong> <strong>und</strong> Schleifleiste möglich.<br />

14


6 Literatur<br />

[1] Bachinger, F., U. Ringleb, U. Wiessler & W. Weigel, 2001, Einsatz von Kohlenstoffkeramik<br />

für die elektrische Traktion, ZEV + DET Glasers Annalen 125(11), 507-511.<br />

[2] Kießling, F., R. Puschmann, A. Schmieder & P. Schmidt, 1998, Fahrleitungen elektrischer<br />

Bahnen – Planung, Berechnung, Ausführung (Teubner, Stuttgart, Leipzig, 2 Aufl.).<br />

[3] Pintscher, F., 2003, Kontaktvorgänge <strong>und</strong> Verschleißverhalten <strong>des</strong> <strong>Systems</strong> <strong>Fahrdraht</strong> –<br />

Schleifleiste (Dissertation, TU Dresden, Fak. Verkehrswissenschaften).<br />

[4] Volkmann, W., 1980, Kohlebürsten – Untersuchungsergebnisse, Erfahrungen, Empfehlungen<br />

(Schunk & Ebe, Gießen).<br />

15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!