stadtgespräch: Joy Denalane über Soul, Familie & Südafrika Interview: Barbara Underberg Fotos: Philipp Wente Als Tochter einer deutschen Mutter und eines südafrikanischen Vaters 1973 geboren, wuchs Joy Denalane mit fünf Geschwistern in Berlin-Kreuzberg auf. Mit sechzehn Jahren zog sie von zu Hause aus und begann sich auf die Musik zu konzentrieren. Joys südafrikanischer Nachname Denalane [sprich: Dinalani] bedeutet soviel wie „strahlender Stern“. Die 33Jährige ist verheiratet mit dem ebenfalls bekannten Musiker Max Herre. 6 stadtblatt: 01 | 2007 <strong>Februar</strong>-März
Ihr erstes Solo-Album „Mamani“ ist 2002 erschienen. Es war sehr erfolgreich und wurde auch von der Kritik gefeiert als famoses Debüt - Soul und R&B mit guten deutschen Texten. Das aktuelle Album „Born & Raised“ ist im Sommer 2006 erschienen, alle Titel sind englisch gesungen. Wie kam es dazu? Das hat sich in der Schreibphase ergeben. Ursprünglich hatte ich geplant, ein deutschsprachiges Album zu machen mit drei, vier englischsprachigen Songs. Auch „Mamani“ hatte ich ja schon gemischt mit anderen Sprachen. So wollte ich es mit dem Folgealbum im Grunde wieder machen. Aber dann wurden die englischsprachigen Titel einfach immer mehr, weil wir die Musik und die Texte in einer Konstellation geschrieben haben, die wahnsinnig viel Output gebracht hat. Sékou Neblett, mein Mann Max Herre und ich sind lange befreundet und hatten auch jeweils schon zu zweit gearbeitet, aber zu dritt hatten wir bis dahin noch nie produziert. Dass dabei soviel Output herauskommen würde, wussten wir vorher gar nicht. Wollen Sie mit den englischsprachigen Titeln über Deutschland hinaus Europa erobern? Das war nicht der Ansatz bei der Produktion der Platte, aber natürlich bin ich offen für andere Märkte. Es gibt auch Interesse. Europa zu bereisen fi nde ich sehr interessant. In diesem Jahr werde ich in einigen Ländern spielen, und dann sehen wir einfach mal weiter. In welchen Ländern ist das Album bisher erschienen? In Südafrika, in den Niederlanden und ... hm, ich vergesse das immer wieder ... dann noch in Italien und Griechenland. In diesem Jahr kommt es in Frankreich, England und Japan raus. Wie würden Sie Ihre Musik charakterisieren? Es ist Blackmusic, sehr an Soul, HipHop und R&B orientiert. Soulmusik. Vor einigen Jahren haben Sie eine Konzertreihe mit dem bekannten Jazz-Trompeter Till Brönner gemacht. Steht etwas ähnliches auch in Zukunft an? Jazzmusik ist natürlich etwas, das mich beschäftigt. Aber ich habe nicht vor, in den nächsten Jahren zum Beispiel eine Jazzplatte zu machen. Jazz und Soul, HipHop und R&B sind Musiken, die voneinander und durcheinander leben. Sie unterscheiden sich natürlich durch bestimmte Merkmale, trotzdem gibt es keinen Jazz ohne Soul, keinen Hiphop ohne R&B und umgekehrt. All das fasse ich im Grunde unter den Begriff Blackmusic. Jeder R&B- Sänger hat auch die Techniken drauf, die ein Jazzsänger beherrscht. Ihr Vater ist Südafrikaner, das Album „Mamani“ hat deutliche Bezüge zu Südafrika. Wie ist Ihr Verhältnis zu diesem Land? Der Großteil meiner Familie lebt in Südafrika. Ich sage bewusst „Großteil“, weil die Familie väterlicherseits wahnsinnig groß ist und alle leben in Südafrika. Trotzdem haben wir einen sehr engen Kontakt. Demnächst heiratet meine Cousine, und wir wollen mit der ganzen Familie aus Deutschland rüberfl iegen und dabei sein. Als ich 2002 „Mamani“ aufgenommen habe, waren mir meine südafrikanischen Wurzeln extrem wichtig, so wichtig wie vorher nie. In dem Jahr bin ich selbst Mutter geworden und habe in der gleichen Zeit meine Mutter verloren. Es gab „Es gab viele Gründe nachzuforschen und richtig einzutauchen in die südafrikanische Musik ...“ viele Gründe nachzuforschen und richtig einzutauchen in die südafrikanische Musik. Denn nun hatte ich ein eigenes Kind, mein erstes, und habe natürlich auch die Verantwortung wahrgenommen. Ich wollte meinem Kind – und zwar im Detail - erzählen können, wo es herkommt. Deswegen bin ich in die südafrikanische Geschichte der Denalanes eingetaucht. stadtgespräch Joy Delanane bei ihrem Auftritt in der Jahrhunderthalle bei der Verleihung der 1Live-Krone im letzten Jahr Wo ist diese Geschichte genau verortet? In Johannesburg und in Soweto. Ursprünglich kommt mein Vater aus Johannesburg, aber dann gab es in den sechziger Jahren die Gesetzeserlasse, durch die die gesamte schwarze Bevölkerung in die Townships ziehen musste. Mein Vater ist dann zum Studieren nach Deutschland gegangen, seine Familie musste nach Soweto ziehen. Dort leben heute immer noch die meisten von ihnen, auch wenn einige mittlerweile nach Johannesburg zurückgezogen sind. Wenn wir in Südafrika sind, dann auch immer in Soweto. Wir ziehen dann von Tante zu Tante, ein paar Tage hier, ein paar Tage dort. Ich fühle mich da sehr wohl. Haben Sie auch Kontakt zu südafrikanischen Musikern? Mein sogenannter Onkel zum Beispiel, ein Cousin meines Vaters, ist Hugh Masekela. Das ist einer der berühmtesten südafrikanischen Musiker weltweit. Da gibt es natürlich einen Kontakt, der einfach auch familiär bedingt ist. Rührt Ihr Engagement gegen Aids von Ihren südafrikanischen Wurzeln? Ja natürlich. Ich unterstütze eine Gruppe, die sich „Wolanani“ nennt. Das sind Frauen, die HIV-positiv sind und die nicht angewiesen sein wollen auf Spenden, sondern die durch Arbeit ihr Geld verdienen wollen. Damit vermitteln sie auch ihren Kindern, dass man als Mensch eine Würde hat, dass es einen Arbeitsmarkt gibt, auf dem man bestehen kann und soll. Diese Frauen leben in Townships in Südafrika, alle sind HIV-positiv. In der Regel haben sie keine Män- stadtblatt: 1 l 2007 <strong>Februar</strong>-März 7