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Zur Systemtheorie Niklas Luhmanns - Uboeschenstein.ch

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werden in einem System Ereignisse so produziert, dass diese im anderen System wiederum<br />

jeweils systemspezifis<strong>ch</strong> ko-produziert werden. Strukturelle Kopplung ist, wo sie auftritt,<br />

notwendig und konstitutiv. Strukturell gekoppelt zu sein ist keine akzidentielle, sondern eine<br />

substantielle Systemeigens<strong>ch</strong>aft, eine conditio sine qua non.<br />

Für die strukturelle Kopplung bekommen nur zwei Systeme infrage: psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e und soziale<br />

Systeme, da sie allein paradigmatis<strong>ch</strong> Autopoiesis konstituieren und realisieren können.<br />

Strukturell gekoppelte Systeme sind we<strong>ch</strong>selseitig aufeinander angewiesen: „Ohne<br />

Bewusstsein keine Kommunikation und ohne Kommunikation kein Bewusstsein.“ (Die<br />

Wissens<strong>ch</strong>aft der Gesells<strong>ch</strong>aft, S. 38) Das lässt den S<strong>ch</strong>luss zu:<br />

Bewusstsein und Kommunikation stellen eine ausgezei<strong>ch</strong>nete strukturelle Kopplung<br />

dar, sie sind notwendig, unabdingbar und konstitutiv miteinander strukturell<br />

gekoppelt.<br />

Im Aufbau der <strong>Systemtheorie</strong> ist Bewusstsein immer der Basiskategorie der Kommunikation<br />

systematis<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>geordnet, was au<strong>ch</strong> ihre soziologis<strong>ch</strong>en Ausri<strong>ch</strong>tung auf soziale Systeme<br />

entspri<strong>ch</strong>t und so gesehen, tritt Bewusstsein erst ins Blickfeld, wenn man si<strong>ch</strong> fragt: „Wie ist<br />

Bewusstsein an Kommunikation beteiligt?“ Diese Frage lässt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> genau andersherum<br />

stellen, und jedes Mal muss die Antwort lauten, dass das andere System in der strukturellen<br />

Kopplungs Impulse liefert, ohne die die Selbstreproduktion des einen Systems zum Erliegen<br />

käme. Als Metapher könnte man si<strong>ch</strong> das Ticken zweier nebeneinanderstehender Uhren<br />

vorstellen, von denen jeder so ausgestattet ist, dass sie nur selber tickt, wenn sie über einen<br />

Sensor das Ticken der jeweils anderen Uhr wahrnimmt.<br />

Bewusstsein hat die Funktion, Kommunikation irritieren, anregen oder au<strong>ch</strong> bestätigen zu<br />

können - und zu müssen! Peter Fu<strong>ch</strong>s hat die entgegengesetzte Blickri<strong>ch</strong>tung gewählt,<br />

er führt Kommunikation über das Bewusstsein ein.<br />

Er startet dabei mit dem Basistheorem von der Intransparenz des Bewusstseins. An die<br />

Seite der These von der Unerrei<strong>ch</strong>barkeit der Gesells<strong>ch</strong>aft stellt er die Unerrei<strong>ch</strong>barkeit<br />

des Bewusstseins und verweist damit auf die Symmetrie in der Differenz von<br />

Kommunikation und Bewusstsein (Peter Fu<strong>ch</strong>s Die Errei<strong>ch</strong>barkeit der Gesells<strong>ch</strong>aft).<br />

Bewusstsein kann weder ein anderes Bewusstsein errei<strong>ch</strong>en, no<strong>ch</strong> kann es, aufgrund seiner<br />

Systemeigens<strong>ch</strong>aften im Rahmen dieser Konzeptualisierung, irgend ein anderes System<br />

errei<strong>ch</strong>en, natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Kommunikation ni<strong>ch</strong>t. Das gilt au<strong>ch</strong> vicee versa. Beide Systeme<br />

operieren völlig übers<strong>ch</strong>neidungsfrei. Diese fehlende Übers<strong>ch</strong>neidung ist das<br />

katalysatoris<strong>ch</strong>e Initialmoment für die Emergenz und Konstitution von<br />

Kommunikation:<br />

„Die Intransparenz eines Bewusstseins für ein anderes (die Undur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tigkeit der<br />

S<strong>ch</strong>ädelkalotten, die vollkommene Ges<strong>ch</strong>lossenheit psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Systeme) ist das<br />

katalytis<strong>ch</strong>e Problem, an dem Kommunikation ihre Form gewinnt: als Rekonstitution der<br />

Unters<strong>ch</strong>eidung von Kommunikation und Bewusstsein in Kommunikationen mithilfe der<br />

Selektionstriade Information, Mitteilung, Verstehen.“(Peter Fu<strong>ch</strong>s Moderne Kommunikation,<br />

S.135)<br />

(Die Emergenz von) Kommunikation ist also ni<strong>ch</strong>ts anderes als eine aus der<br />

Intransparenz des Bewusstseins resultierende Lückenkonfiguration. Bewusstsein<br />

gewinnt seine post-hoc-Identität dur<strong>ch</strong> Differenz zur kommunikativen Umwelt glei<strong>ch</strong>zeitig mit<br />

der Kommunikation, die ihre post-hoc-Identität dur<strong>ch</strong> Differenz zur bewussten Umwelt<br />

glei<strong>ch</strong>zeitig mit dem Bewusstsein gewinnt.<br />

Die Differenz von Bewusstsein und Kommunikation ist ni<strong>ch</strong>t nur eine Konkretisierung der<br />

System/Umwelt- Differenz, die wiederum die Differenz von Identität und Differenz<br />

exemplifiziert; es verhält si<strong>ch</strong> vielmehr - und das ist die Pointe - genau umgekehrt.<br />

Wel<strong>ch</strong>e Systeme sind denn überhaupt in der Lage, zwis<strong>ch</strong>en System und Umwelt und mithin<br />

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