Zur Systemtheorie Niklas Luhmanns - Uboeschenstein.ch
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Selektion aus Selektionen. Was kommuniziert wird und wie kommuniziert wird, wird über<br />
das Verstehen der Kommunikation ni<strong>ch</strong>t von außen vorgegeben, sondern auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />
kommunikationsintern produziert und prozessiert.<br />
3 Kommunikation ist ni<strong>ch</strong>t an naturspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Formen gebunden. Spra<strong>ch</strong>e ist zwar in der<br />
Lage, Kommunikation ho<strong>ch</strong> flexibel zu ma<strong>ch</strong>en, aber sie ist für Kommunikation ni<strong>ch</strong>t<br />
auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> notwendig. Das bedeutet, dass der, der ni<strong>ch</strong>ts sagt, ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
kommuniziert. Au<strong>ch</strong> <strong>Luhmanns</strong> Kommunikationskonzeption ist dem konstruktivistis<strong>ch</strong>en<br />
Topos verbunden, dass man ni<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t kommunizieren kann.<br />
4 Da Kommunikation so lange, wie sie läuft, si<strong>ch</strong> immer über das Verstehen reproduziert,<br />
wird immer au<strong>ch</strong> verstanden. Das bedeutet wiederum, dass der Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en<br />
Verstehen und Missverstehen eingeebnet wird. Denn Verstehen, so verstanden, meint eben<br />
gerade ni<strong>ch</strong>t eine intentionale Aneignung, sondern ledigli<strong>ch</strong> kommunikative Reproduktion.<br />
5 Wenn aber Kommunikation si<strong>ch</strong> derart einfa<strong>ch</strong> selbst reproduziert, stellt si<strong>ch</strong> die Frage,<br />
warum Kommunikation überhaupt stattfindet. Diese Frage bringt Luhmann zu der These von<br />
der Unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit der Kommunikation. Kommunikation ist selbst ein Prozess. Nur<br />
solange kommuniziert wird, ist Kommunikation überhaupt. Für Kommunikation kommt es<br />
also konstitutiv darauf an das sie si<strong>ch</strong> selbst fortsetzt, d.h., dass sie immer wieder aufs Neue<br />
kommunikative Ans<strong>ch</strong>lüsse produziert. Dieser Selbstreproduktion versteht Luhmann als<br />
prinzipiell unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>. Es ist unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>, dass verstanden wird, und es ist<br />
unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> dass das Verständnis akzeptiert wird. Vor diesem Hintergrund hebt<br />
Luhmann das Potenzial der Spra<strong>ch</strong>e hervor Formen zur Verfügung zu stellen, deren<br />
kommunikative Funktion ni<strong>ch</strong>t zu übersehen ist, wodur<strong>ch</strong> die Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit, dass<br />
zwis<strong>ch</strong>en Information und Mitteilung differenziert, dass also verstanden wird, deutli<strong>ch</strong> erhöht<br />
wird.<br />
6 In diesem Kommunikationsmodell kommen keine Spre<strong>ch</strong>erpositionen mehr vor. Das hat<br />
zunä<strong>ch</strong>st zur Folge, dass der Kommunikationsprozess, damit er überhaupt handhabbar und<br />
beoba<strong>ch</strong>tbar wird, auf Personen zugere<strong>ch</strong>net werden muss, die in der Kommunikation als<br />
Verantwortli<strong>ch</strong>e für Kommunikation angespro<strong>ch</strong>en werden können. Die <strong>Zur</strong>e<strong>ch</strong>nung hat die<br />
Funktion, die Kommunikation zu zerlegen (wer sagt was?), So dass Kommunikation si<strong>ch</strong><br />
selbst besser kommunikativ regulieren kann. Da aber Kommunikation an si<strong>ch</strong> ledigli<strong>ch</strong> einen<br />
Prozess darstellt, wird Kommunikation zu diesem Zweck als Handlung simplifiziert.<br />
Wenn man Kommunikation so vereinfa<strong>ch</strong>t, kann man kommunikative Ereignisse als<br />
Mitteilungsverhandlungen beoba<strong>ch</strong>ten. Erst dadur<strong>ch</strong> werden Personen (Ego und Alter<br />
Ego) als Instanzen der Kommunikation adressierbar.<br />
7 Personen sind Adressen, auf die Kommunikation zugere<strong>ch</strong>net wird, ni<strong>ch</strong>t aber die<br />
Urheber von Kommunikation. Kommunikation ist in dieser Konzeption ein si<strong>ch</strong> selbst<br />
reproduzierender Prozess. Und so kann Luhmann zu seiner provokativen These kommen:<br />
„Aber Mens<strong>ch</strong>en können ni<strong>ch</strong>t kommunizieren, ni<strong>ch</strong>t einmal ihre Gehirne können<br />
kommunizieren, ni<strong>ch</strong>t einmal das Bewusstsein kann kommunizieren. Nur die Kommunikation<br />
kann kommunizieren“.<br />
Der Vorwurf des Inhumanismus ist hier aus vers<strong>ch</strong>iedenen Gründen verfehlt; denn zum<br />
einen wird über Mens<strong>ch</strong>en gar ni<strong>ch</strong>t gespro<strong>ch</strong>en, weil Kommunikation auf einer gänzli<strong>ch</strong><br />
anderen Ebene modelliert wird, und zum anderen lässt si<strong>ch</strong> aus diesem Ans<strong>ch</strong>luss au<strong>ch</strong> eine<br />
Rücksi<strong>ch</strong>tnahme gegenüber dem Mens<strong>ch</strong>en ableiten, die seine Komplexität eben ni<strong>ch</strong>t<br />
theoretis<strong>ch</strong> reduziert, sondern anerkennt und eben deswegen in die Umwelt von<br />
Kommunikation auslagert.<br />
An diese Kommunikationskonzeption s<strong>ch</strong>ließen si<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene medientheoretis<strong>ch</strong>e<br />
Angaben an, die allerdings von Luhmann niemals zu einer systematis<strong>ch</strong>en Medientheorie<br />
ausgearbeitet wurden. Vielmehr finden si<strong>ch</strong> bei ihnen vers<strong>ch</strong>iedenste Medienbegriffe<br />
unverbunden nebeneinander. In jedem Fall aber haben Medien, in wel<strong>ch</strong>em<br />
Aggregatszustand sie au<strong>ch</strong> auftreten, die Aufgabe, die Unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit der<br />
Kommunikation zu verringern.<br />
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