Aristoteles in Stichworten
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Rph II 2<br />
WS 05/06<br />
Prof. Dr. D. Klesczewski<br />
wird e<strong>in</strong> Feigl<strong>in</strong>g. Wer überhaupt vor nichts Angst hat und auf alles losgeht, der wird e<strong>in</strong><br />
s<strong>in</strong>nloser Draufgänger. (…) So meidet also jeder Sachkundige das Übermaß und das Zuwenig<br />
und sucht nach dem Mittleren und dieses wählt er, allerd<strong>in</strong>gs nicht das re<strong>in</strong> quantitativ Mittlere,<br />
sondern das Mittlere <strong>in</strong> der Beziehung auf uns. So ist denn die sittliche Tüchtigkeit e<strong>in</strong>e Art von<br />
Mitte, <strong>in</strong>sofern sie eben wesenhaft auf das Mittlere abzielt.“ NE II. 2.<br />
6. „Es genügt jedoch nicht diese allgeme<strong>in</strong>e Feststellung: man muß sie auch auf den E<strong>in</strong>zelfall<br />
anwenden. Denn bei ethischen Diskussionen s<strong>in</strong>d allgeme<strong>in</strong>e Aussagen verhältnismäßig leer,<br />
während die konkreten der Wahrheit näherkommen. Denn das Handeln besteht aus E<strong>in</strong>zelakten<br />
und mit diesen müssen die Aussagen im E<strong>in</strong>klang se<strong>in</strong>. (…) Bei der Gerechtigkeit … wollen wir<br />
nach der Untersuchung dieser D<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>e Begriffsteilung vornehmen und dann von beiden<br />
Formen der Gerechtigkeit sagen, <strong>in</strong>wiefern sie Mitte s<strong>in</strong>d. Ähnlich sollen dann auch die<br />
Vorzüge des Verstandes untersucht werden.“ NE II. 7<br />
7. „Nachdem die sittliche Tüchtigkeit … sich im Bereiche der irrationalen Regungen und des<br />
Handelns entfaltet und nachdem es Lob und Tadel nur bei dem gibt, was freiwillig geschieht, …<br />
so ist es … notwendig, die Begriffe »freiwillig« und »unfreiwillig« gegene<strong>in</strong>ander abzugrenzen.<br />
Als unfreiwillig gilt, was unter Zwang oder aus Unwissenheit geschieht. Gewaltsam ist e<strong>in</strong><br />
Vorgang, dessen bewegendes Pr<strong>in</strong>zip von außen her e<strong>in</strong>greift, und zwar so, daß bei se<strong>in</strong>em<br />
E<strong>in</strong>wirken die handelnde oder die erleidende Person <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise mitwirkt: wenn z. B.<br />
jemand durch e<strong>in</strong>en Sturmw<strong>in</strong>d irgendwoh<strong>in</strong> entführt wird oder durch Menschen, <strong>in</strong> deren<br />
Gewalt er sich bef<strong>in</strong>det. Taten aber, die aus Angst vor noch größerem Unheil oder für e<strong>in</strong> edles<br />
Ziel ausgeführt werden - wenn z. B. e<strong>in</strong> Tyrann jemandem e<strong>in</strong> Verbrechen zu tun befiehlt,<br />
dessen Eltern und K<strong>in</strong>der er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gewalt hat, und wenn diesen im Falle der Ausführung der<br />
Tat das Leben geschenkt, sonst aber verwirkt wäre - lassen die Streitfrage entstehen, ob sie<br />
unfreiwillig oder freiwillig s<strong>in</strong>d. Ähnlich ist es, wenn im Seesturm Teile der Ladung über Bord<br />
geworfen werden, denn an sich wirft man Güter nicht aus freien Stücken weg. Jedoch um sich<br />
und die anderen zu retten, tut es jeder, der e<strong>in</strong>en gesunden Menschenverstand hat. Solche<br />
Handlungen haben also e<strong>in</strong>en Mischcharakter, stehen aber näher dem Freiwilligen, denn im<br />
Augenblick des Vollzugs besteht die Freiheit der Wahl, und das Ziel der Handlung wechselt je<br />
nach den Umständen. (…) So ist denn dieses Handeln freiwillig.“ NE III. 1.<br />
8. „(a) Was aus Unwissenheit geschieht, gehört se<strong>in</strong>em ganzen Umfang nach zum<br />
»Nichtfreiwilligen«, »unfreiwillig« aber ist es nur dann, wenn sich danach Mißbehagen und<br />
Bedauern e<strong>in</strong>stellt. Denn wer irgend etwas aus Unwissenheit getan hat und dann ke<strong>in</strong>erlei<br />
unangenehmes Gefühl wegen der Tat empf<strong>in</strong>det, hat es gewiß nicht freiwillig getan, da ihm gar<br />
nicht bewußt war, was er tat - aber andererseits auch nicht unfreiwillig, <strong>in</strong>sofern jedenfalls, als<br />
sich ke<strong>in</strong> nachträgliches Mißbehagen e<strong>in</strong>stellte. (…) (b) Sodann s<strong>in</strong>d zwei verschiedene D<strong>in</strong>ge<br />
das Handeln auf Grund von Unwissenheit und das Handeln <strong>in</strong> (vermeidbarem) Nichtwissen.<br />
Denn e<strong>in</strong> Betrunkener z. B. oder e<strong>in</strong> Zorniger handelt nicht - so nehmen wir an - auf Grund von<br />
Unwissenheit, sondern auf Grund eben von Trunkenheit oder Zorn, aber nicht mit Bewußtse<strong>in</strong>,<br />
sondern ohne e<strong>in</strong> Wissen zu haben (von dem was er tut).“ NE III. 2.<br />
9. „Und selbst auf Unwissenheit steht Strafe, wenn angenommen werden kann, daß jemand an<br />
dieser Unwissenheit nicht unschuldig ist. So wird dem Betrunkenen das Strafmaß verdoppelt,<br />
denn das bewegende Pr<strong>in</strong>zip ist <strong>in</strong> ihm selbst: es stand ganz bei ihm, sich nicht zu betr<strong>in</strong>ken.<br />
(…) Auch die Unkenntnis e<strong>in</strong>er gesetzlichen Bestimmung, die man kennen müßte und die ke<strong>in</strong>e<br />
schwierige Materie betrifft, wird bestraft. Und ähnlich ist es auch sonst, wenn angenommen<br />
werden darf; daß die Unkenntnis durch Fahrlässigkeit verschuldet war. Man setzt eben voraus,<br />
daß es bei dem Schuldigen gestanden hätte, die Unwissenheit zu vermeiden, denn es hatte ihm<br />
freigestanden, achtsam zu se<strong>in</strong>. Aber vielleicht ist der Schuldige eben e<strong>in</strong> Mensch, dem es nicht<br />
gegeben ist achtsam zu se<strong>in</strong>. Gewiß, aber daß es soweit gekommen ist, das haben sie selbst<br />
verschuldet, und zwar durch ihr unbeherrschtes Leben … Denn die wiederholten<br />
E<strong>in</strong>zelhandlungen bewirken e<strong>in</strong>en entsprechenden Grundzustand. (…) Wer also nicht weiß, daß<br />
aus den wiederholten E<strong>in</strong>zelhandlungen die festen Grundhaltungen hervorgehen, ist e<strong>in</strong>fach<br />
stupide.“ NE III. 7.<br />
10. „Bei Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit haben wir zu prüfen, im Bereiche welcher Handlungen<br />
sie sich entfalten, ferner, welche Art von Mitte die Gerechtigkeit ist und zu welchen Extremen<br />
das Gerechte e<strong>in</strong> Mittleres bildet. (…) Nun, wir sehen, daß man allgeme<strong>in</strong> unter<br />
»Gerechtigkeit« jene Grundhaltung verstanden wissen will, von der her die Menschen die