Nr. 14 - Das Sophien
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<strong>14</strong><br />
Geschichten aus dem Alltag der Kinderklinik<br />
1983<br />
Bis in die siebziger Jahre unterlagen Tages- und Wochenabläufe wie tägliche Visiten, Besuchsregelungen<br />
und Arztauskunftszeiten strengen Richtlinien, die in Plänen fixiert wurden und genau<br />
einzuhalten waren. Generalstabsmäßig fand der Bettwäschewechsel aller Betten an einem festen<br />
Tag der Woche statt. Brauchten die Schwestern an einem anderen Tag der Woche Wäsche,<br />
teilte (wenn möglich) die Stationsschwester diese zu. Zu den Pflichten der Schwestern gehörte<br />
das tägliche Legen von Baumwollwindeln, von denen drei Windeln zu einer Windelpackung gelegt<br />
wurden. Andere Aufgaben bestanden darin, Spritzen und Kanülen aufzubereiten und sorgfältig<br />
auf Widerhaken zu prüfen sowie Tupfer vorzubereiten und Wattestäbchen zu drehen. Fiel<br />
die Stationshilfe aus oder hatte frei, war das Reinigen der Flure und Zimmer mit Schrubber und<br />
Scheuerlappen ebenfalls von den Schwestern zu erledigen.<br />
Im Unterschied zu heute fielen die Visiten in den alleinigen Aufgabenbereich der Stationsschwester<br />
und des Stationsarztes. Die Ausführung aller medizinischen und pflegerischen Verordnungen<br />
lag in den Händen der beauftragten Schwester. Nach der Kurvenvisite teilte sie der Zimmerschwester<br />
die getroffenen Entscheidungen mit. Eintragungen in der Patientenkurve waren<br />
nur der Stationsschwester oder ihrer Vertretung erlaubt.<br />
Der Ablauf einer Arztauskunft zu DDR-Zeiten lässt sich wie folgt beschreiben: An der Stationstür<br />
stand der Stationsarzt mit dem Kurvenwagen vor etwa 20 Angehörigen. Dahinter bildete sich<br />
eine Schlange, ähnlich der vor dem Konsum oder der HO (Handelsorganisation), wenn es besondere<br />
Dinge gab. Folglich konnten auch andere Elternpaare die Krankengeschichte sowie Befunde<br />
über das fremde Kind mit anhören; ein Verständnis von ärztlicher Schweigepflicht, wie es heute<br />
unvorstellbar wäre.<br />
1980<br />
Keiner der damals tätigen Mitarbeiter hat das Scenario der Koksanlieferung vergessen: ein Kipper<br />
fuhr heran; wenn der Fahrer freundlich war, hupte er. <strong>Das</strong> war das Startsignal für die Schwestern<br />
und Ärzte der Neonatologie sowie der Station 2, in die Zimmer zu stürzen und schnellstens alle<br />
Fenster zu schließen. Nur wenig später ertönte ein lautes, zischend-schabendes Geräusch, das<br />
ankündigte, dass der Koks vor das Haus rutschte. Im gleichen Moment stieg eine dichte Staubwolke<br />
an den Fenstern vorbei bis zum Dach empor. Der Heizungskeller selbst ähnelte einer schaurigen<br />
Abteilung der Unterwelt. Die Heizer hatten eine schwere, staubreiche und wenig motivierende<br />
Arbeit zu verrichten.<br />
1912 1920 1930 1940 1950<br />
1960