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Der Limes in den germanischen Provinzen und Rätien

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E<strong>in</strong>e feste Grenze:<br />

<strong>Der</strong> <strong>Limes</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>germanischen</strong><br />

Prov<strong>in</strong>zen <strong>und</strong> <strong>Rätien</strong><br />

Germanien, <strong>Rätien</strong> <strong>und</strong> die Donauländer waren<br />

Grenzprov<strong>in</strong>zen des römischen Reiches. Überall<br />

sicherten ähnliche militärische Bauwerke wie<br />

Wälle, Gräben, Türme <strong>und</strong> Garnisonen der Grenztruppen<br />

ihre limites. Trotzdem gab es große<br />

Unterschiede zwischen <strong>den</strong> Grenzen. Den Flussgrenzen<br />

am Niederrhe<strong>in</strong> <strong>und</strong> an der Donau fehlte<br />

es an e<strong>in</strong>er Tiefenstaffelung des Heeres, die <strong>in</strong><br />

Britannien immer vorhan<strong>den</strong> war. Hatten Angreifer<br />

hier die Grenzl<strong>in</strong>ie erst e<strong>in</strong>mal überwun<strong>den</strong>,<br />

lag das H<strong>in</strong>terland ohne militärischen Schutz offen<br />

vor ihnen. Sicher haben sich auch deswegen die<br />

Vorstöße der Markomannen im Donauraum <strong>und</strong><br />

die Frankene<strong>in</strong>fälle <strong>in</strong> Niedergermanien nicht<br />

nur am <strong>Limes</strong>, sondern auch im H<strong>in</strong>terland so verheerend<br />

ausgewirkt.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Limes</strong> <strong>in</strong> Niedergermanien<br />

Die <strong>in</strong> der Antike limes ad Germaniam <strong>in</strong>feriorem<br />

genannte Grenze zwischen dem V<strong>in</strong>xtbach südlich<br />

der Ahr <strong>und</strong> der Nordseeküste bei Katwijk ist e<strong>in</strong>e<br />

typische Flussgrenze (ripa), die sich durchaus mit<br />

<strong>den</strong> limites an Donau <strong>und</strong> Euphrat vergleichen<br />

lässt. Auf römischer Seite kontrollierten am l<strong>in</strong>ken<br />

Rhe<strong>in</strong>ufer an e<strong>in</strong>er gut ausgebauten Straße Legionslager<br />

<strong>und</strong> Kastelle sowohl Flussübergänge <strong>in</strong><br />

das Vorfeld wie Verb<strong>in</strong>dungsstraßen <strong>in</strong> das Landes<strong>in</strong>nere.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Schutz durch Palisa<strong>den</strong>,<br />

Wälle <strong>und</strong> Gräben konnte unterbleiben. In Untergermanien<br />

hat der Rhe<strong>in</strong> genau wie die Donau im<br />

norisch-pannonischen Raum als Verkehrsweg<br />

immer e<strong>in</strong>e wichtige Rolle gespielt.<br />

Die Grenze entsteht<br />

Bereits Caesar hatte nach der Eroberung Galliens<br />

<strong>den</strong> römischen E<strong>in</strong>flussbereich bis zum Rhe<strong>in</strong> ausgedehnt<br />

<strong>und</strong> 55 <strong>und</strong> 52 v.Chr. im Neuwieder<br />

Becken <strong>den</strong> Fluss überschritten. Trotz der 38<br />

v.Chr. auf das l<strong>in</strong>ke Rhe<strong>in</strong>ufer umgesiedelten<br />

Ubier entstand erst unter Augustus nach der Lollius-Niederlage<br />

15 v.Chr. e<strong>in</strong>e Grenze. Sie bildete<br />

die Basis der <strong>in</strong> <strong>den</strong> Jahren 12 bis 9 v.Chr. vom<br />

Lippetal aus gegen die Germanen im Elberaum<br />

geführten Feldzüge. Neben großen Legionslagern<br />

wie Bergkamen-Obera<strong>den</strong> an der Lippe entstand<br />

das so genannte Drususkastell <strong>in</strong> Asciburgium/<br />

Moers-Asberg gegenüber der Ruhrmündung.<br />

Dass die römische Kontrolle weit über <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong><br />

h<strong>in</strong>ausreichte, beweisen die erst 9 n.Chr. nach der<br />

Varus-Niederlage geräumten Lager Obera<strong>den</strong> <strong>und</strong><br />

Haltern. An der danach am Niederrhe<strong>in</strong> – stärker<br />

als im benachbarten ober<strong>germanischen</strong> Militärbezirk<br />

– defensiv entwickelten Grenze sicherten<br />

Kastelle wie Bonna/Bonn oder Vetera/Xanten<br />

außer <strong>den</strong> Verkehrswegen auch die Mündungen<br />

von Sieg, Erft oder Lippe. Unter Tiberius wur<strong>den</strong><br />

die Offensivpläne aufgegeben <strong>und</strong> die Rhe<strong>in</strong>grenze<br />

nicht weiter ausgebaut.<br />

Claudius ließ die Lager am Niederrhe<strong>in</strong> möglicherweise<br />

vor se<strong>in</strong>em Britannienfeldzug deutlich<br />

verstärken. Zu <strong>den</strong> damals gegründeten Kastellen<br />

gehören Rigomagus/Remagen, Utrecht <strong>und</strong><br />

Nigrum Pullum/Alphen-Zwammerdamm. Bei<br />

Vleuten konnten neuerd<strong>in</strong>gs Schutzgräben <strong>und</strong><br />

von Holzzäunen umgebene Holztürme nachgewiesen<br />

wer<strong>den</strong>. Nach <strong>den</strong> Wirren des Vierkaiserjahres<br />

69 n.Chr. <strong>und</strong> dem sich anschließen<strong>den</strong><br />

Civilis-Aufstand, der vor allem <strong>in</strong> <strong>den</strong> Kastellen<br />

des Küstengebietes deutliche Spuren h<strong>in</strong>terlassen<br />

hat, reorganisierte Vespasian die niedergermanische<br />

Grenze. Bestehende Stützpunkte wie<br />

Moers-Asberg wur<strong>den</strong> ausgebessert. Kastelle<br />

<strong>in</strong> Durnomagus/Dormagen, Gelduba/Krefeld-<br />

Gellep, Mannaricium/Maurik oder Lugdunum/<br />

Katwijk an e<strong>in</strong>em Maasübergang verdichteten die<br />

claudische Grenzl<strong>in</strong>ie so, dass die Zwischendistanzen<br />

maximal 10 km betrugen. Neben dem etwas<br />

von der Grenze entfernten, bereits unter Claudius<br />

besetzten <strong>und</strong> im späteren 1. Jahrh<strong>und</strong>ert aufgegebenen<br />

Ceuclum/Cuijk entstand Gr<strong>in</strong>nes<br />

zwischen Maas <strong>und</strong> Waal.<br />

Obwohl sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> 90er Jahren des 1. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

die Kriege zunehmend auf <strong>den</strong> Donauraum<br />

konzentrierten, wur<strong>den</strong> unter Domitian am nie-<br />

�� ((K3_00 Bildunterschrift<br />

fehlt noch.))<br />

EINE FESTE GRENZE � 33


� Rekonstruktion des Stabsgebäudes<br />

(pr<strong>in</strong>cipia) im<br />

Hauptlager der 10. Legion auf<br />

dem Hunerberg <strong>in</strong> Batavodurum/Nijmegen.<br />

�<br />

Lager Vetera I bei Xanten.<br />

Im größten bislang bekannten<br />

Doppellegionslager der<br />

römischen Welt fan<strong>den</strong> sich<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> pr<strong>in</strong>cipia (1) nicht nur<br />

zwei Fahnenheiligtümer,<br />

sondern beiderseits des Mittelgebäudes<br />

auch zwei Legatenpaläste<br />

(3,1 <strong>und</strong> 3,2).<br />

Bekannt s<strong>in</strong>d ferner das Verwaltungsgebäude<br />

(2), Mannschaftsunterkünfte<br />

(4,1 <strong>und</strong><br />

4,2), e<strong>in</strong> Lazarett (5,1) <strong>und</strong> das<br />

Versammlungshaus (schola,<br />

6,2) der ersten Kohorte.<br />

38 � EINE FESTE GRENZE<br />

heute die Straßenführung prägt. Es diente nach<br />

<strong>den</strong> vier großen Speichergebäu<strong>den</strong> am Hafentor<br />

vor allem der Logistik. Auch e<strong>in</strong> Bad war <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Innenbereich <strong>in</strong>tegriert. Dass die Militärgebäude<br />

noch lange nach dem Abzug der Römer genutzt<br />

wer<strong>den</strong> konnten, beweist die im ehemaligen Kopfbau<br />

e<strong>in</strong>er Baracke im 4. Jahrh<strong>und</strong>ert e<strong>in</strong>gerichtete<br />

Dietkirche. Bei <strong>den</strong> Ausgrabungen im Lager<br />

Vetera I bei Xanten wurde nur die jüngste Ste<strong>in</strong>bauphase<br />

des um 50 n.Chr. gegründeten Doppellegionslagers<br />

erfasst. Das bereits 70 n.Chr.<br />

beim Civilis-Aufstand zerstörte <strong>und</strong> nicht wieder<br />

besetzte Lager <strong>in</strong> der Rhe<strong>in</strong>niederung lag<br />

nahe der von Moguntiacum/Ma<strong>in</strong>z kommen<strong>den</strong><br />

Fernstraße an der Lippemündung. Doppelgräben<br />

mit e<strong>in</strong>em Astverhau als zusätzlichem Annäherungsh<strong>in</strong>dernis<br />

umgaben die 3 m breite, <strong>in</strong> Pfosten-<br />

<strong>und</strong> Ständerbauweise errichtete hölzerne<br />

Wehrmauer, deren Gefache <strong>in</strong>nen mit Lehmziegeln<br />

oder -batzen <strong>und</strong> außen mit Leistenziegeln<br />

gefüllt waren. Türme wur<strong>den</strong> nicht beobachtet,<br />

müssen aber vorhan<strong>den</strong> gewesen se<strong>in</strong>. Die e<strong>in</strong>ziehen<strong>den</strong><br />

Lagertore mit e<strong>in</strong>em Wehrgang <strong>und</strong> flankieren<strong>den</strong><br />

Türmen zeigen e<strong>in</strong>e im 1. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

übliche Bauweise. In dem mit 60 ha Gr<strong>und</strong>fläche<br />

größten bekannten Doppellegionslager der römischen<br />

Welt stan<strong>den</strong> sowohl <strong>in</strong> dem rechten, von<br />

der legio V alaudae genutzten Lagerbereich wie<br />

im l<strong>in</strong>ken, von der legio XV Primigenia belegten<br />

4,1<br />

5,1<br />

3,1<br />

Teil die gleichen Gebäude. Auf bei<strong>den</strong> Seiten der<br />

pr<strong>in</strong>cipia waren Legatenpaläste errichtet wor<strong>den</strong>,<br />

die sich zwar nicht von ihrer Größe, wohl aber<br />

durch die Lage der Peristylhöfe <strong>und</strong> der Gartenbereiche<br />

vone<strong>in</strong>ander unterschie<strong>den</strong>. Obwohl e<strong>in</strong><br />

Lazarett nur im Bereich der 5. Legion nachgewiesen<br />

wurde, e<strong>in</strong>e schola dagegen aus der Lagerhälfte<br />

der 15. Legion bekannt ist, hat es diese Gebäude<br />

auch im Bereich der jeweils anderen E<strong>in</strong>heit<br />

gegeben. Die Fahnenheiligtümer der bei<strong>den</strong> Verbände<br />

f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich nicht <strong>in</strong> der rückwärtigen<br />

Raumflucht <strong>und</strong> damit wie üblich <strong>in</strong> der direkten<br />

Achse der pr<strong>in</strong>cipia, sondern s<strong>in</strong>d rechts <strong>und</strong><br />

l<strong>in</strong>ks an <strong>den</strong> Langseiten e<strong>in</strong>ander gegenüberliegend<br />

angeordnet. Kolonna<strong>den</strong>gänge säumten<br />

die Hauptstraßen. Vom <strong>in</strong>tensiven Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g der<br />

Armee zeugen die im Umkreis des Lagers vor<br />

allem durch Luftbilder bekannten Grabensysteme<br />

von 60 Marsch- oder Übungslagern.<br />

In Neuss gehört das 43 n.Chr. unmittelbar über<br />

der Erftaue errichtete, nach se<strong>in</strong>em Ausgräber<br />

„Koenenlager“ genannte Lager G zu <strong>den</strong> vollständig<br />

untersuchten römischen Militärplätzen. Die<br />

älteste Anlage entstand schon um 16 v.Chr., als<br />

noch vor der Drususoffensive 12 bis 9 v.Chr. von<br />

hier aus Germanien erk<strong>und</strong>et wurde. Auf neun<br />

große Polygonallager, die Raum für m<strong>in</strong>destens<br />

e<strong>in</strong>e Legion boten, folgten <strong>in</strong> augusteischer, tiberischer<br />

<strong>und</strong> claudischer Zeit Holz-Erde-Lager. Als<br />

1<br />

2<br />

3,2<br />

4,2<br />

6,2<br />

nach e<strong>in</strong>em Brand 95 n.Chr. die Legion abzog <strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong>e Auxiliare<strong>in</strong>heit ihren Platz e<strong>in</strong>nahm, erbaute<br />

sie ihr Kastell im Zentrum des ehemaligen Lagers.<br />

E<strong>in</strong> 3 km östlich gelegenes Kle<strong>in</strong>kastell könnte bis<br />

<strong>in</strong> die Mitte des 3. Jahrh<strong>und</strong>erts genutzt wor<strong>den</strong><br />

se<strong>in</strong>.<br />

<strong>Der</strong> Küstenschutz<br />

Westlich der Rhe<strong>in</strong>mündung überwachte außer<br />

der Flotte das Militär die zahlreichen kle<strong>in</strong>en<br />

Buchten von Schelde, Maas <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>, wie die<br />

schon zur Prov<strong>in</strong>z Gallia Belgica gehören<strong>den</strong> Militärlager<br />

von Ou<strong>den</strong>burg, Maldegem <strong>und</strong> Aar<strong>den</strong>burg<br />

zeigen. Vermutlich bereits im 1./2. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

angelegt, s<strong>in</strong>d sie wie zahlreiche andere<br />

Kastelle vor allem um 175 n.Chr. verstärkt wor<strong>den</strong>.<br />

Anders als an der Cumberland Coast sche<strong>in</strong>t<br />

es hier ke<strong>in</strong> Wall-Graben-System gegeben zu<br />

haben.<br />

Oberhalb der Rhe<strong>in</strong>mündung s<strong>in</strong>d die bereits <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> ersten Jahrzehnten n. Chr. besetzten Lager<br />

Velsen I <strong>und</strong> II möglicherweise schon 47 n.Chr.<br />

aufgegeben wor<strong>den</strong>. Ob man dar<strong>in</strong> die von Tacitus<br />

erwähnten „praesidia cis Rhenum“ sehen darf,<br />

wird noch diskutiert. Das asymmetrisch angelegte<br />

Velsen I diente der nieder<strong>germanischen</strong> Flotte<br />

während der Germanicus-Offensive als Kriegshafen.<br />

Nur anfangs stan<strong>den</strong> <strong>in</strong> der mehrfach umgebauten<br />

Anlage die Bootshäuser im Innenbereich<br />

der Garnison. Von der jüngeren Anlage Velsen II<br />

aus der Zeit von Caligula oder Claudius ist wenig<br />

bekannt, weil große Bereiche abgeschwemmt<br />

wur<strong>den</strong>. Noch weiter nördlich lassen römische<br />

F<strong>und</strong>e bei W<strong>in</strong>sum auf e<strong>in</strong>en römischen Posten<br />

schließen.<br />

<strong>Limes</strong>straße <strong>und</strong> Brücken<br />

Obwohl die ersten Meilenste<strong>in</strong>e der via militaris,<br />

der <strong>Limes</strong>straße, aus claudischer Zeit stammen, ist<br />

nach <strong>den</strong>drochronologischen Daten die logistisch<br />

wichtige Trasse bereits im frühen 1. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

begonnen wor<strong>den</strong>. Sie verband Katwijk an der<br />

Rhe<strong>in</strong>mündung über Nijmegen, Xanten, Argentorate/Straßburg,<br />

Köln <strong>und</strong> Ma<strong>in</strong>z mit V<strong>in</strong>donissa/W<strong>in</strong>disch<br />

<strong>in</strong> Obergermanien. Streckenweise<br />

wird sie – wie von der B<strong>und</strong>esstraße 57 zwischen<br />

Krefeld <strong>und</strong> Xanten – noch heute genutzt. Auch<br />

die „Hohe Straße“ von Köln nach Kleve folgte der<br />

<strong>in</strong> der flachen Landschaft gut sichtbaren römischen<br />

Trasse. Bei Bonn umg<strong>in</strong>g die <strong>Limes</strong>straße<br />

das Legionslager, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e ältere Route die via<br />

pr<strong>in</strong>cipalis gebildet hatte.<br />

<strong>Der</strong> Straßenkörper bestand bei Moers-Asberg aus<br />

mehreren übere<strong>in</strong>ander aufgetragenen Kiesschüttungen.<br />

Seitlich angebrachte Fasch<strong>in</strong>en aus widerstandsfähigem<br />

Eichenholz festigten <strong>den</strong> Rand. Im<br />

Küstengebiet zwischen Zwammerdamm <strong>und</strong> Alphen<br />

war für die Pflasterung Kies <strong>und</strong> Muschelgries<br />

verwendet wor<strong>den</strong>.<br />

Seit vorrömischer Zeit genutzte Furten s<strong>in</strong>d<br />

durch Kastelle wie Traiectum/Utrecht (traicere<br />

= zusammenbr<strong>in</strong>gen) überwacht wor<strong>den</strong>. In<br />

Katwijk schützte e<strong>in</strong> Posten wohl e<strong>in</strong>en alten<br />

Maasübergang, <strong>und</strong> bei Venlo-Blerick wird wie bei<br />

Xanten <strong>und</strong> Bonn e<strong>in</strong>e Brücke vermutet.<br />

Kanäle <strong>und</strong> Häfen<br />

Im Küstenbereich legte das Militär zahlreiche<br />

Kanäle an, um das deltaartige Flusssystem, <strong>in</strong> dem<br />

die Grenze verlief, besser überwachen zu können.<br />

Die fossa Drusiana verband <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong> mit dem<br />

Oberlauf der Ijssel. Um <strong>den</strong> Kanal ausreichend zu<br />

fluten, verengte dort, wo sich Rhe<strong>in</strong> <strong>und</strong> Waal teilen,<br />

e<strong>in</strong> Damm <strong>den</strong> Zufluss <strong>in</strong> die Waal. Se<strong>in</strong>en<br />

Namen Carvium ad molem wird der nahe gelegene<br />

Ort eben diesem Damm verdanken. Die<br />

strategisch bedeutende fossa Drusiana wurde 55<br />

n.Chr. gleichzeitig mit dem <strong>Limes</strong>ausbaus fertiggestellt,<br />

während des Civilis-Aufstandes 70 n.Chr.<br />

von <strong>den</strong> Batavern zerstört <strong>und</strong> sofort nach Kriegsende<br />

wieder repariert. Wahrsche<strong>in</strong>lich überquerte<br />

e<strong>in</strong>e Straße an dieser Stelle die Waal, so dass e<strong>in</strong>e<br />

direkte Verb<strong>in</strong>dung nach Nijmegen bestand.<br />

Die 23 römische Meilen (34,5 km) lange fossa<br />

Corbulonis verband wie die heutige Vliet Rhe<strong>in</strong><br />

<strong>und</strong> Maas mite<strong>in</strong>ander <strong>und</strong> bildete für die bei Katwijk<br />

stationierten Flottene<strong>in</strong>heiten e<strong>in</strong>e alternative<br />

Route zur Nordsee. <strong>Der</strong> unmittelbar h<strong>in</strong>ter<br />

dem letzten Strandwall parallel zum heutigen<br />

Fluss verlaufende Kanal mit e<strong>in</strong>em Damm oder<br />

Nordsee<br />

Forum Hadriani<br />

Lugdunum<br />

fossa Corbulonis<br />

Matilo<br />

Noviomagus<br />

� Die Kartenausschnitte<br />

zeigen die bei<strong>den</strong> großen<br />

von <strong>den</strong> Römern im Rhe<strong>in</strong>-<br />

Maas-Delta angelegten<br />

Kanäle, die fossa Drusiana<br />

<strong>und</strong> die fossa Corbulolonis.<br />

fossa Drusiana<br />

Carvium<br />

Damm<br />

EINE FESTE GRENZE � 39


� Karte Pontus <strong>und</strong><br />

Kappadokien ((endgültige<br />

BU folgt)).<br />

90 � EINE FELSIGE GRENZE<br />

N<br />

S<br />

Halys<br />

cilicia<br />

Nicopolis<br />

cappadocia<br />

A n t i t a u r u s<br />

Zeugma<br />

Pontus Eux<strong>in</strong>us<br />

Zimara<br />

Melitene<br />

Lycus<br />

Cendere<br />

Trapezus<br />

(Trabzon)<br />

armenia m<strong>in</strong>or<br />

Satala<br />

Sabus<br />

Ad Aras<br />

Dascusa<br />

T a u r u s<br />

Pityus<br />

Claudia<br />

Barzalo<br />

Charmodara<br />

Samosata<br />

Sebastopolis<br />

(Sukhumi)<br />

Issiportus<br />

Arsanias<br />

Euphrat<br />

sophene<br />

weichlichten syrischen Legionäre abhärten <strong>und</strong> an<br />

<strong>den</strong> Militärdienst gewöhnen müssen. Tacitus berichtet<br />

dabei von W<strong>in</strong>terlagern im fernsten Kappadokien,<br />

die südlich von Satala <strong>in</strong> der Gegend von<br />

Erz<strong>in</strong>can vermutet wer<strong>den</strong>. Gleichzeitig s<strong>in</strong>d logistisch<br />

wichtige Nachschubbasen (praesidia) entlang<br />

der Straße Trapezus–Satala erbaut wor<strong>den</strong>.<br />

Trotz e<strong>in</strong>iger Erfolge endete der Krieg mit e<strong>in</strong>em<br />

Kompromiss, bei dem Roms Vorherrschaft anerkannt,<br />

die Parther aber nicht besiegt wur<strong>den</strong>. Mit<br />

der Übernahme des Königreiches Pontus wurde<br />

die Besetzung der Schwarzmeerküste abgeschlossen.<br />

Auch die Kontrolle über <strong>den</strong> strategisch wichtigen<br />

Zigana-Pass <strong>in</strong> <strong>den</strong> Pontischen Alpen war<br />

0<br />

Amida<br />

(Diyarbakir)<br />

50<br />

Phasis<br />

Rhizus<br />

kolchis<br />

Acampsis<br />

Mard<strong>in</strong><br />

100<br />

Tigris<br />

mesopotamia<br />

E l b r u z<br />

Petra<br />

Apsarus<br />

Erzurum<br />

Musch<br />

K a u k a s u s<br />

Phasis<br />

150 km<br />

Araxes<br />

armenia<br />

Thospitis Lacus<br />

(Van-See)<br />

Lager<br />

Kastell<br />

iberia<br />

Darial Pass<br />

Harmozica<br />

(Tiflis)<br />

Ka<strong>in</strong>epolis<br />

1. Hälfte 1. Jh.<br />

2. Hälfte 1. Jh.<br />

unbestimmt<br />

A l a n i<br />

Cyrus<br />

Yerevan<br />

Artaxata<br />

Straße<br />

fragliche<br />

Straße<br />

damit fest <strong>in</strong> römischer Hand. Ob Nero tatsächlich<br />

e<strong>in</strong>en Vorstoß bis zum Kaukasus plante, bleibt unsicher,<br />

obwohl die Römer damals schon <strong>den</strong> Darial-<br />

Pass erreichten. Nach dem Frie<strong>den</strong> mit Tiridates<br />

wur<strong>den</strong> die römischen Truppen aus Armenien h<strong>in</strong>ter<br />

<strong>den</strong> Euphrat zurückgenommen <strong>und</strong> alle E<strong>in</strong>richtungen<br />

östlich des Flusses zerstört.<br />

72 n.Chr. eroberte Vespasian das strategisch<br />

wichtige Commagene, das er mit Syrien vere<strong>in</strong>igte.<br />

Die unter diesem Herrscher <strong>in</strong>tensivierten Anstrengungen<br />

an der Euphratfront führten zur Anlage<br />

der ersten Grenze: Galatien, Pontus <strong>und</strong> Kappadokien<br />

wur<strong>den</strong> zu e<strong>in</strong>er kaiserlichen Prov<strong>in</strong>z<br />

zusammengeschlossen, <strong>und</strong> durch die Annexion<br />

von Commagene <strong>und</strong> Armenia M<strong>in</strong>or bestand<br />

e<strong>in</strong>e von Syrien bis Trapezus reichende Kontrolle.<br />

In Kappadokien verblieben an <strong>den</strong> Haupte<strong>in</strong>fallsrouten<br />

zwei Legionen dauerhaft <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Standorten Satala <strong>und</strong> Melitene, weil im Krisenfall<br />

der Anmarsch von Truppen aus Syrien zu<br />

viel Zeit gekostet hätte. Vorposten <strong>in</strong> Sebastopolis<br />

am Kaukasus ergänzten <strong>den</strong> Schutz. Dass e<strong>in</strong><br />

Legat bis zum frühen 2.Jahrh<strong>und</strong>ert Kappadokien<br />

zusammen mit Galatien verwaltete, hängt wohl<br />

mit diesem Grenzausbau zusammen. 113 n.Chr.<br />

setzte Osrhoes e<strong>in</strong>en parthischen Gefolgsmann<br />

auf <strong>den</strong> armenischen Thron <strong>und</strong> verletzte damit<br />

wieder Roms Interessen, worauf Traian mit Krieg<br />

reagierte. Offensichtlich wollte der Kaiser se<strong>in</strong>e <strong>in</strong><br />

Dacia <strong>und</strong> Arabia Petraea erfolgreiche aggressive<br />

Politik fortsetzen. Für <strong>den</strong> Feldzug, bei dem sich<br />

Traian auch <strong>in</strong> Satala aufhielt, wur<strong>den</strong> bis zu elf<br />

Legionen <strong>in</strong> Kappadokien zusammengezogen.<br />

Traian konnte Artaxata besetzen <strong>und</strong> Armenien<br />

<strong>und</strong> Mesopotamien nach der Eroberung <strong>in</strong> Prov<strong>in</strong>zen<br />

umwandeln. Hadrian gab diese Gebiete<br />

sofort nach se<strong>in</strong>em Regierungsantritt wieder auf,<br />

weil Unruhen im Reich das Fortführen des Krieges<br />

verh<strong>in</strong>derten, <strong>und</strong> zog sich aus allen Gebieten<br />

östlich des Euphrat auf die defensive Flussl<strong>in</strong>ie<br />

zurück. Roms Interessen im Osten blieben durch<br />

armenische Klientelkönige gewahrt. <strong>Der</strong> Alanene<strong>in</strong>fall<br />

von 135 n.Chr. sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> Kappadokien<br />

dank des fähigen Statthalters Arrian von Nikomedia<br />

nur wenige Schä<strong>den</strong> verursacht zu haben. Den<br />

armenischen, auch Kappadokien <strong>und</strong> Syrien<br />

gefähr<strong>den</strong><strong>den</strong> Aufstand 161 n.Chr. ließ Marc<br />

Aurel 162 n.Chr. durch Lucius Verus niederschlagen.<br />

Dabei überschritt e<strong>in</strong>e Legion zum ersten<br />

Mal <strong>den</strong> Darial-Pass. Unter Septimius Severus<br />

erfolgten wohl im Zusammenhang mit dem Vorstoß<br />

nach Mesopotamien <strong>in</strong>tensive Arbeiten an<br />

der kappadokisch-armenischen Grenze. Sie zeigen,<br />

dass der nördliche <strong>und</strong> der zentrale Euphratlimes<br />

auch <strong>in</strong> der Zeit ihre Bedeutung behielten,<br />

als die Außengrenze des römischen Reiches <strong>in</strong><br />

Mesopotamien lag.<br />

In der Mitte des 3.Jahrh<strong>und</strong>erts erwuchs Rom<br />

mit Shapur jenseits des Euphrat der gefährliche<br />

Gegner, der die militärische Balance <strong>und</strong> damit <strong>den</strong><br />

Frie<strong>den</strong> im Vorderen Orient stören sollte. Gleichzeitig<br />

fielen die Goten <strong>in</strong> die Kolchis e<strong>in</strong> <strong>und</strong> vernichteten<br />

die durch e<strong>in</strong> Legionsdetachement verstärkte<br />

Schwarzmeerflotte <strong>in</strong> Trapezus. 256 n.Chr.<br />

eroberte Shapur Satala, das aber trotz der Zerstörung<br />

weitere h<strong>und</strong>ert Jahre besetzt blieb.<br />

Topographie der Grenze<br />

<strong>Der</strong> kappadokische <strong>Limes</strong> beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> Trapezus<br />

an der Küste des Schwarzen Meeres <strong>und</strong> setzt sich<br />

über <strong>den</strong> Zigana-Pass durch die bis zu 3000 m<br />

hohen Pontischen Alpen nach Sü<strong>den</strong> bis Satala<br />

fort. Von dort aus wird die Trasse westlich über<br />

Cimen Dagˇlari <strong>und</strong> Refahiye nach Sü<strong>den</strong> verlaufen<br />

se<strong>in</strong>, um <strong>den</strong> Euphrat <strong>in</strong> der Nähe der Deciusbrücke<br />

gegenüber von Ilic zu erreichen. E<strong>in</strong>e<br />

alternative L<strong>in</strong>ie könnte süd-<br />

lich von Satala über <strong>den</strong><br />

Sipikor-Pass <strong>in</strong> die Ebene von<br />

Erz<strong>in</strong>can zum Euphrat geführt<br />

haben <strong>und</strong> dort auf<br />

niedriger Höhe dem rechten<br />

Ufer bis Zimara gefolgt se<strong>in</strong>.<br />

Die stark aufgefalteten, von<br />

Südwesten nach Nordosten<br />

streichen<strong>den</strong> Gebirgszüge des<br />

Anti- oder Südosttaurus mit<br />

Höhen bis zu 3000m bil<strong>den</strong><br />

zahlreiche tief e<strong>in</strong>geschnittene<br />

Täler aus, die ke<strong>in</strong>e Schifffahrt<br />

gestatteten. Von Zimara<br />

an bleibt die Grenze durch<br />

<strong>den</strong> (kurdischen) Taurus bis<br />

Melitene am Euphrat. Südlich dieses Lagers<br />

wird <strong>in</strong> der Gegend von Midye dort die Grenze<br />

zwischen Kappadokien <strong>und</strong> Syrien vermutet, wo<br />

noch heute e<strong>in</strong>e Sprachgrenze verläuft.<br />

� <strong>Der</strong> Zigana-Pass <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Pontischen Alpen bildet bis<br />

heute die e<strong>in</strong>zige Verb<strong>in</strong>dung<br />

von der Schwarzmeerküste<br />

nach Syrien. Seit der<br />

Mitte des 1. Jhs. wurde er von<br />

<strong>den</strong> Römern kontrolliert.<br />

Alle<strong>in</strong> Corbulo hatte e<strong>in</strong>en schwereren<br />

Kampf mit der Trägheit der Soldaten als<br />

mit der Treulosigkeit der Fe<strong>in</strong>de: Die aus<br />

Syrien herangeführten Legionen nämlich,<br />

durch langen Frie<strong>den</strong> erschlafft, ließen sich<br />

<strong>den</strong> Lagerdienst nur sehr ungern gefallen.<br />

Es war gut bekannt, dass es Veteranen <strong>in</strong><br />

diesem Heer gab, die auf ke<strong>in</strong>en Posten,<br />

auf ke<strong>in</strong>e Wache gezogen waren, Wall <strong>und</strong><br />

Graben wie neue <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erbare Ersche<strong>in</strong>ungen<br />

ansahen, ohne Helme, ohne Panzer,<br />

stattlich <strong>und</strong> reich an Gew<strong>in</strong>n, da sie<br />

ihren Dienst <strong>in</strong> Städten versahen.<br />

Tacitus, Annalen 13, 35<br />

EINE FELSIGE GRENZE � 91

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