Phänomen Vielfalt
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Der nahezu unberührte<br />
Nebelwald von Monteverde<br />
in Costa Rica<br />
zählt zu den artenreichsten<br />
Regionen der Erde.<br />
Macchie heißt die Vegetation,<br />
die den Wald des<br />
Mittelmeerraumes in langen<br />
Jahren nach seiner<br />
Vernichtung ersetzt hat.<br />
Der Evolutionsgedanke widerspricht dem wörtlichen<br />
Verständnis des biblischen Schöpfungsberichtes. Daher<br />
formiert sich von Anfang an bis in unsere Tage eine<br />
Gegnerschaft, die als Kreationisten in immer wieder<br />
modifizierten Auffassungen die Evolutionstheorie ablehnen.<br />
Der eigentliche Kern ihrer Ablehnung liegt aber<br />
in Glaubens- und Sinnfragen und damit außerhalb der<br />
Grundprinzipien der Naturwissenschaften. Naturwissenschaftler<br />
sind dem Prinzip des Naturalismus verpflichtet,<br />
nicht überprüfbare Glaubensinhalte sind nicht Gegenstand<br />
ihrer Wissenschaft. Diese will und kann Wesen und<br />
Sinn des Seins nicht deuten. Auch gläubige Menschen<br />
akzeptieren heute die naturalistische Weltsicht basierend<br />
auf dem Evolutionsgedanken, sofern sie denn bereit sind,<br />
Tatsachen und Mythen auseinander zu halten. Die wissenschaftliche<br />
Erklärung der Wunder des Lebens soll<br />
aber niemand hindern zu staunen und den Lebewesen,<br />
die diese Wunder hervorgebracht haben, Respekt zu bezeugen.<br />
Selbstverständlich ist die Ursprungsfrage auch für Naturwissenschaftler<br />
eine ihre eigene Person betreffende<br />
existenzielle Frage. Schließlich ist unser Gehirn von der<br />
Evolution so strukturiert, dass es uns befähigt nach dem<br />
Sinn hinter allen Dingen zu fragen, auch wenn es die Antwort<br />
nicht zu geben vermag. Der Glaube an ein höheres<br />
Wesen um die Dinge zu erklären, für die uns die unmittelbare<br />
Einsicht fehlt, ist in unserer Evolution verwurzelt<br />
und hat eine wichtige psychologische und soziale Bedeutung.<br />
Mannigfaltigkeit ist das Überlebensprinzip, mit dessen<br />
Hilfe die Natur mit veränderten Bedingungen fertig wird.<br />
Aus dem kreativen Potenzial der <strong>Vielfalt</strong> entsteht ständig<br />
Neues. Je mannigfaltiger die Arten und Lebensgemeinschaften<br />
sind, umso größer ist die Chance, dass genügend<br />
Lebewesen mit einer auch noch so dramatischen<br />
Umweltveränderung zurecht kommen. Diese Artenvielfalt,<br />
Biodiversität sagen die Fachleute, offenbart sich auf<br />
unvergessliche Weise in den noch verbliebenen Regenwäldern<br />
der Tropen.<br />
Seid fruchtbar und vermehrt euch<br />
und bevölkert das Wasser im Meer,<br />
und die Vögel sollen sich auf dem Land vermehren<br />
(1. Mose 1,22)<br />
Auf Dschungelpfaden<br />
Taman Negara, Malaysia. Schon viele Stunden sind<br />
wir im Langboot mit Außenbordmotor unterwegs auf<br />
dem Sungai Tembeling, einem Strom mitten auf der<br />
malaiischen Halbinsel. Der Fluss ist braun und trübe.<br />
Flussschlingen wechseln mit Stromschnellen. Die Reise<br />
flussaufwärts ist von einförmiger Monotonie. Auf beiden<br />
Seiten gibt es nichts zu sehen als eine sich schier endlos<br />
erstreckende undurchdringliche Mauer aus Grün. 70 bis<br />
80 Meter hoch sind die Baumriesen, die das Flussufer<br />
säumen.<br />
Wir legen an. Nur wenige Schritte landeinwärts wird der<br />
Wald lichter. Wir kommen gut voran. Aber selbst während<br />
der Mittagsstunden ist der Waldboden nur in fahles<br />
Dämmerlicht getaucht. Kaum mehr als ein Prozent der<br />
Lichtmenge, die oben auf die Baumkronen fällt, erreicht<br />
den Boden. Hier können nur noch «Spezialisten» überleben.<br />
Der malaiische Urwald gilt als der älteste der Erde. In den<br />
letzten 100 Millionen Jahren hat sich das Klima hier nicht<br />
wesentlich geändert. Während in den Kaltzeiten der Eiszeit<br />
die Tier- und Pflanzenwelt in den nördlichen Breiten<br />
mehrmals völlig verändert wurde, konnte sich die Natur<br />
Malaysias ungestört weiter entwickeln. Die Einförmigkeit<br />
der Zeit hat es den Pflanzen des Dschungels gestattet,<br />
eine außerordentliche <strong>Vielfalt</strong> von Arten zu entwickeln.<br />
Auf einem Hektar Regenwald finden sich allein bis zu<br />
<strong>Phänomen</strong> <strong>Vielfalt</strong><br />
Das erste der fünf Bücher Mose wird in der griechischen Bibel «Genesis»<br />
genannt, weil es von der Entstehung der Welt, der Menschheit und des<br />
Volkes Israel handelt. Dabei werden älteste Überlieferungen Israels und<br />
seiner Nachbarvölker verarbeitet, wobei die Erzählungen weder als naturwissenschaftliche<br />
noch als geschichtliche Darstellungen, sondern als<br />
Glaubensaussagen zu verstehen sind.<br />
275 verschiedene Baumarten. Im Regenwald Malaysias<br />
kennt man insgesamt mehr als 5000 verschiedene Baumarten.<br />
In Europa sind es mit 160 Arten vergleichsweise<br />
wenig.<br />
Die Würgerfeige wird<br />
ihren Wirtsbaum schon<br />
bald mit titanischer<br />
Kraft vollständig eingeschnürt<br />
haben.
In Gruppen fliegt der Heilige<br />
Ibis in den Grasländern<br />
südlich der Sahara umher,<br />
auf der Suche nach kleinen<br />
Tieren im feuchten Boden.<br />
114<br />
Schlüsselmerkmale des Landlebens vereinigen die Reptilien<br />
oder Kriechtiere in sich. Sie sind die ersten dem<br />
Leben an Land vollkommen angepassten Wirbeltiere.<br />
Sie besitzen Hornschuppen, die ihre nahezu drüsenfreie<br />
Haut vor Austrocknung schützen. Ihr Ei ist mit einer<br />
festen Eischale umhüllt, die Atemgase durchlässt, aber<br />
Feuchtigkeit zurückhält. Erst die Evolution einer inneren<br />
Befruchtung ermöglichte die Entwicklung des beschalten<br />
Eies. In dessen Innern bildet der Embryo während seiner<br />
Entwicklung eine Hautfalte, das Amnion. In der flüssigkeitsgefüllten<br />
Fruchtblase durchläuft er wie in einem<br />
Tümpel seine Entwicklung bis zum Schlüpfen.<br />
Die ursprüngliche Ausscheidung von Stickstoffverbindungen<br />
als Ammoniak ins Wassers wie bei Fischen ist für<br />
Landtiere nicht möglich. Das Zellgift Ammoniak muss<br />
kontinuierlich und stark verdünnt abgegeben werden,<br />
was einen großen Wasserverlust bedeuten würde. Die<br />
Exkretionsorgane der Landtiere scheiden daher Stickstoff<br />
in konzentrierter Form als Harn oder Harnsäure ab.<br />
Das ganze Erdmittelalter über waren die Reptilien die<br />
beherrschenden Landwirbeltiere. Aus frühen Reptiliengruppen<br />
entwickelten sich unabhängig voneinander die<br />
gleichwarmen Säugetiere und Vögel. Ihre konstante Körpertemperatur<br />
machte sie damit noch unabhängiger von<br />
den äußeren Lebensbedingungen des Festlandes.<br />
Die Feder macht den Vogel. Dieser Satz gilt seit der<br />
Entdeckung des ersten Archaeopteryx im Jahre 1876.<br />
Nachdem in China befiederte Raubdinosaurier, die mit<br />
Sicherheit keine Vögel waren, gefunden wurden, ist ein<br />
Vogel über andere Merkmale zu definieren, wie beispielsweise<br />
hohle Knochen, zahnloser Schnabel oder Klammerfüße.<br />
Der kleine chinesische Raubsaurier Caudipteryx aus der<br />
Unterkreide trägt am Ende seines Wirbelschwanzes und<br />
an den mittleren Fingern der Hand einfach gebaute Federn.<br />
Nach seinen Skelettmerkmalen gehört das 70 Zentimeter<br />
lange Fossil eindeutig zu den Raubsauriern und<br />
damit zu den Kriechtieren. Es zeigt im Oberkiefer vier<br />
Zähne und seine langen Beine und das kräftige Fußskelett<br />
weisen es als schnellen Läufer aus. Die kurzen Fingerfedern<br />
an den ebenfalls sehr kurzen Armen machten<br />
ein Fliegen ganz sicher unmöglich, aber zum Balancieren<br />
während des schnellen Laufs hat das Tier sie womög-<br />
lich eingesetzt. Die Federn sind symmetrisch gebaut und<br />
weniger aerodynamisch modern geformt wie die des Archaeopteryx.<br />
Da Caudipteryx später lebte als Archaeopteryx,<br />
scheidet er als möglicher Vorfahre des Juravogels aus.<br />
Während Archaeopteryx aufgrund zahlreicher Vogelmerkmale<br />
mit Recht als Urvogel gilt, ist Caudipteryx zu seiner<br />
Zeit ein «lebendes Fossil», ein Relikt einer frühen Stammgruppe<br />
der Vogelevolution, das sich noch lange halten<br />
kann, als es bereits eine Vielzahl verschiedener echter Vögel<br />
gibt.<br />
Wie das Gefieder der Vögel im Verlauf ihrer Stammesgeschichte<br />
entstanden ist, versuchen verschiedene Hypothesen<br />
zu beantworten. Sieht man die Feder als Produkt<br />
des Eiweißstoffwechsels, ist die Federbildung eine Möglichkeit,<br />
überschüssige Schwefelverbindungen auf einfache<br />
Weise loszuwerden. Gegenüber diesem physiologischen<br />
Modell, das eine endogene Erklärung liefert, gehen<br />
andere Hypothesen von einer Umwelteinwirkung aus<br />
und betrachten die Federentstehung als Anpassung an<br />
äußere Gegebenheiten. Dabei vertreten die einen die<br />
These, die Feder sei aus vergrößerten Schuppen für den<br />
Gleitflug oder das bessere Abheben vom Boden aus<br />
schnellem Lauf heraus entstanden, andere stellen die<br />
Isolierwirkung des Gefieders für den gleichwarmen Vogelkörper<br />
in den Vordergrund. Sicher ist, dass die Federn<br />
als Prachtkleid bei der Balz oder als Tarngefieder<br />
mit vielfältigen Farben, Mustern und Strukturen eine<br />
entscheidende Rolle spielten und spielen.<br />
Die therapoden Saurier, die Vorfahren heutiger Kriechtiere<br />
und Vögel, weisen zahlreiche Merkmale auf, die als<br />
Prädispositionen zur Vogelentwicklung angesehen werden<br />
müssen. Dazu zählen deren zweibeinige schnelle<br />
Fortbewegung ebenso wie die Hornschuppen, die zu Federn<br />
werden konnten. Die Eiablage und der sparsame<br />
Wasserhaushalt bedeuten eine Gewichtsersparnis, die wie<br />
die intensive Atmung zusammen mit einem leistungsfähigen<br />
Blutkreislauf für das Fliegen unverzichtbar sind.<br />
Aus räuberisch lebenden frühen Reptilien, den Therapsiden,<br />
entstanden während des Erdmittelalters die<br />
Säugetiere. Die Zähne dieser Tiere waren in Schneide-,<br />
Eck- und Backenzähne differenziert, so dass sie ihre<br />
Beute nicht wie ihre Kriechtiervorfahren einfach verschlingen<br />
mussten, sondern sie konnten sie zerkauen,<br />
wie dies für die heutigen Raubtiere typisch ist.<br />
Von den wichtigsten Schlüsselmerkmalen auf dem Weg<br />
zu den Säugetieren kennt man allerdings noch keine<br />
direkten Beweise: Haarkleid, gleich bleibende Körpertemperatur,<br />
Zwerchfell für eine intensive Atmung, Gesichtsmuskeln<br />
zum Saugen und das hoch differenzierte<br />
Gehirn sind aus der Anfangszeit fossil nicht belegt.<br />
Neben der intensiven Brutpflege kommt dem Fell eine<br />
Schlüsselstellung in der Evolution der Säugetiere zu.<br />
Zwischen den stabilen vielfach verwendbaren Schuppen<br />
der frühen Vorfahren schoben sich wahrscheinlich lange<br />
biegsame Hornfäden als Haare hervor. Diese konnten<br />
Luftpolster einschließen und so den Verlust der Körperwärme<br />
hinauszögern. Für die nachtaktiven frühen<br />
Säuger war dies ein entscheidender Vorteil, um zwischen<br />
den damals übermächtigen Sauriern zu bestehen. Als<br />
vor 65 Millionen Jahren als Folge des Einschlags eines<br />
Anspruchslosigkeit bezüglich<br />
der Nahrung ist das<br />
Erfolgsrezept vom Strauß<br />
im Überleben in der Wüste.<br />
Im Gelege befinden sich<br />
Eier verschiedener Hennen.<br />
Ausgebrütet werden sie vom<br />
Hahn und der Haupthenne<br />
des Haremsverbandes.<br />
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