Kurzfassung - (SFZ) e.V.
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Sozialreport 2010<br />
V. Demokratie<br />
27. Demokratieentwicklung<br />
Die Erfahrungen von großen Teilen der Bürger der<br />
neuen Bundesländer beruhen auf drei Lebensabschnitten<br />
mit unterschiedlichem Demokratieverständnis<br />
und Mitwirkungsmöglichkeiten. Das betrifft zum Ersten<br />
die Sozialisation und gesellschaftliche Mitwirkung<br />
in der DDR - einem politischen System, welches durch<br />
zentralistische Entscheidungen in allen Grund- und<br />
Detailfragen des gesellschaftlichen Lebens geprägt war<br />
und sich darüber hinaus weitgehend auf eine arbeitsstättenzentrierte<br />
Mitbestimmung beschränkte.<br />
Zum Zweiten verfügen sie über Kenntnisse und Erfahrungen<br />
hinsichtlich der hohen Wirksamkeit von friedlichen<br />
Massenprotesten zum Erreichen eines grundlegenden<br />
gesellschaftlichen Wandels sowie einer von<br />
Kompetenz und nicht parteipolitischen Orientierungen<br />
getragenen Sacharbeit in der Zeit des gesellschaftlichen<br />
Umbruchs 1989/90 z.B. im Rahmen der "Runden<br />
Tische". Und schließlich erlebten sie seit 1990 die politische<br />
Übernahme durch ein repräsentativ-demokratisches<br />
System, welches sich selbst vor allem über den<br />
Wählerwillen als freiheitlich-demokratisch definiert.<br />
Formen außerparlamentarischer Demokratie haben -<br />
zumindest auf Bundesebene - mit Unterschieden zwischen<br />
den einzelnen Bundesländern aus Sicht der Bürger<br />
nur einen geringen Stellenwert.<br />
Tabelle 6:<br />
Wert Demokratie<br />
Demokratiebewertungen - neue Länder<br />
und Berlin-Ost, früheres Bundesgebiet<br />
und Berlin-West sowie Deutschland<br />
insgesamt - 2010 - in Prozent* -<br />
* Differenz zu 100 = ohne Antwort<br />
Datenbasis: sfz/leben 2010 (gew.)<br />
neue<br />
Länder<br />
früheres<br />
Bundesgebiet<br />
Deutschland<br />
sehr wichtig/wichtig 69 82 79<br />
in mittlerem Maße 20 13 14<br />
unwichtig/sehr unwichtig 8 3 4<br />
Zufriedenheit mit Demokratie<br />
sehr zufrieden/zufrieden 16 26 24<br />
teilweise zufrieden 33 41 40<br />
unzufrieden/sehr unzufrieden 45 28 31<br />
Erwartungen an Demokratie<br />
Verbesserungen 7 11 10<br />
keine Veränderung 46 53 52<br />
Verschlechterungen 38 29 31<br />
Nach 1990 gab es zunächst eine hohe Zustimmung der<br />
Ostdeutschen zur Demokratie als Grundwert (88 %),<br />
die sich jedoch in den folgenden Jahren deutlich rückläufig<br />
entwickelte.<br />
Der Vergleich der Daten zwischen Ost- und Westdeutschland<br />
im Jahre 2010 ergibt:<br />
• Demokratie hat in Westdeutschland einen höheren<br />
Stellenwert als im Osten - ohne Zweifel Ergebnis<br />
der lebenslangen Sozialisation aller Altersgruppen.<br />
• Auch die Zufriedenheit mit dem Stand der Demokratieentwicklung<br />
ist höher als im Osten - allerdings<br />
auch hier auf einem relativ niedrigen Niveau (26 %<br />
im Westen - 16 % im Osten).<br />
• In Ost wie West werden mehrheitlich keine grundlegenden<br />
Änderungen erwartet - Verbesserungen<br />
nehmen 11 % in den alten Bundesländern an (7 %<br />
im Osten).<br />
28. Demokratieformen<br />
Es gehörte 1989 zu den grundlegenden Forderungen<br />
der Bürger der DDR, das System der Wahlen neu zu<br />
gestalten und eine prinzipielle Neuordnung der Bürgerbeteiligung<br />
am gesellschaftlichen Leben zu organisieren.<br />
Die Bürger der neuen Bundesländer haben<br />
inzwischen ihre "Wahlgläubigkeit" in hohem Maße abgelegt<br />
und treten für eine deutliche Verstärkung plebiszitärer<br />
Elemente, so durch Volksentscheide und direktdemokratische<br />
Elemente, ein.<br />
Obwohl es im Artikel 20 des Grundgesetzes der Bundesrepublik<br />
Deutschland heißt, dass die Staatsgewalt<br />
vom deutschen Volk in "Wahlen und Abstimmungen"<br />
ausgeübt wird 17 , ist nach wie vor der Volksentscheid<br />
auf Bundesebene nicht vorgesehen - Versuche, im<br />
Grundgesetz deutschlandweite Volksentscheide in<br />
Verfassungsrang zu heben, scheiterten schon im Vorfeld.<br />
18<br />
2010 sind 20 % der ab 18-jährigen Bürger in Deutschland<br />
der Auffassung, dass es reicht, alle vier bis fünf<br />
Jahre zur Wahl zu gehen - in Westdeutschland sind das<br />
19 %, in Ostdeutschland 24 %. In Ost wie West sind<br />
es die jungen und älteren Bürger, die - wenn auch auf<br />
niedrigem Niveau - noch die höchste "Wahlgläubigkeit"<br />
ausweisen.<br />
Im Gegensatz zur relativ geringen Zustimmung zu Wahlen<br />
wird mit deutlicher Mehrheit von 58 % der Bürger<br />
gefordert, über Abstimmungen in Sachentscheidungen,<br />
die ihr Leben betreffen, einbezogen zu werden. Das<br />
fordern in den neuen Ländern 61 % und in den alten<br />
17 Vgl. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - Textausgabe - Stand: Januar 2007 - Art. 20 (2).<br />
18 Der Innenausschuss des Bundestages am 15. Februar 2009 bezog ablehnende Haltung.<br />
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