Kurzfassung - (SFZ) e.V.
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Sozialreport 2010<br />
Verhältnisse herzustellen, z.B. auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, in der Tarifpolitik und im Rentenrecht.<br />
Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West ist zur Zeit aufgrund der ökonomischen,<br />
infrastrukturellen und rechtlichen Unterschiede nicht gegeben. Ein nicht unbedeutender<br />
Teil der Bürger aus den neuen Ländern hat dies in den vergangenen Jahren durch eine historisch<br />
einmalige, hohe individuelle berufliche und territoriale Mobilität gelöst. Weit über die Hälfte der heute<br />
40-jährigen Bürger hat durch Berufswechsel sich den veränderten Wirtschaftsstrukturen angepasst,<br />
junge Menschen sind in die alten Bundesländer abgewandert. Die Zukunft liegt jedoch nicht in der<br />
Fortsetzung der Abwanderung. 14 Millionen können nicht in den Westen ziehen - noch dazu, da sie<br />
schon einmal durch Beitritt zur Bundesrepublik von Ost nach West "gewandert" sind.<br />
Zweitens hat die 1989 getroffene Aussage von Alt-Bundeskanzler Willy Brandt: "Jetzt wächst zusammen<br />
was zusammengehört" ihre Bedeutung und Richtigkeit bis in die Gegenwart noch nicht verloren.<br />
Die deutsche Einheit wird insgesamt als noch nicht vollendet, aber auch hier zwischen Ost und West<br />
extrem unterschiedlich bewertet. Die mentale Teilung der Gesellschaft ist auch hier aufgrund der noch<br />
existenten unterschiedlichen Lebensverhältnisse wie seinerzeitiger und heutiger Erwartungen unübersehbar.<br />
Es erweist sich, dass die Westdeutschen den erreichten Stand der Einheit insgesamt positiver werten<br />
als die Ostdeutschen, aber zugleich individuell für sich mehr Verluste als Gewinne sehen - im Gegensatz<br />
zu den Bürgern der neuen Bundesländer. Die Bewertung der erreichten Ergebnisse der Vereinigung<br />
seitens der Bürger im Osten anerkennt einerseits die vollzogenen Fortschritte ebenso wie sie die<br />
vorhandene Erwartungshaltung an noch notwendig zu erfolgende "Angleichungen" reflektiert.<br />
Andererseits werden für die Bürger der alten Bundesländer offensichtlich die seit 1990 erfolgten, abflachenden,<br />
zum Teil stagnierenden und mit Einschnitten durch die Sozialreformen geprägten Entwicklungen<br />
in hohem Maße der Vereinigung zugeschrieben. Keineswegs uninteressant ist, dass sich Bürger,<br />
die nach 1990 in den jeweiligen anderen Landesteil wechselten, für sich überdurchschnittlich hoch<br />
Gewinne feststellen.<br />
Das für die innere Einheit bedeutsamste Problem ist nicht nur die immer noch nicht erreichte Angleichung<br />
materieller Lebensverhältnisse, sondern die noch nicht vollständig vollzogene Integration - im<br />
Sinne der Gleichbehandlung und Chancengleichheit der Bürger der neuen Bundesländer. Es sind nicht<br />
nur Einkommens- oder Vermögensdifferenzen, sondern ungleiche Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt<br />
sowie der sozialen und kulturellen Infrastruktur, um ein gleichwertiges, welche ein gleichwertiges, auf<br />
eigener Leistung beruhendes Leben einschränken. Es sind aber auch sozio-kulturelle Unterschiede,<br />
welche aus Vergangenheit und Gegenwart resultieren und nicht einfach "angepasst" werden können<br />
und sollten. Die Entwicklungen bis 1990 mit anderen Sozialisationen, Traditionen und spezifisch geprägter<br />
regionaler Vielfalt (z.B. Frauenleitbild, Religion, Sport und Kultur) zwischen Ost und West sind<br />
nicht zu überwinden, sondern zu akzeptieren und zu beachten.<br />
Trotz erfolgter Verbesserungen in vielen Lebensbereichen führt die nach wie vor nicht erfolgte Herstellung<br />
gleichwertiger Lebensverhältnisse im Osten zu dem Gefühl nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung<br />
bei großen Teilen der Bürger, was - verbunden mit der kollektiven Abwertung erbrachter<br />
Lebensarbeitsleistung - den Eindruck verstärkt, nicht nur in einer "Sonderregion" zu leben, sondern als<br />
zweitklassig behandelt zu werden. Die Ostdeutschen wollen nicht nur ihrer historischen Leistung, der<br />
friedlichen Revolution und der damit ermöglichten Vereinigung wegen gelobt und anerkannt werden,<br />
sondern sie wollen gleichberechtigt ihr Leben gestalten können.<br />
Die Festlegungen des Koalitionsvertrages im Abschnitt "Deutsche Einheit" zur Angleichung der Lebensverhältnisse<br />
in Deutschland bis 2019 werden von den Bürgern mehrheitlich nicht für real gehalten.<br />
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