Kausale und funktionale Erklärungen in der Sozialforschung - Ruhr ...
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48 4 KAUSALE UND FUNKTIONALE ERKLÄRUNGEN<br />
4.1 KAUSALE ERKLÄRUNGEN 49<br />
agent’s action. The effect q is a consequence of the action. The relation between<br />
the result and the action is <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sic. The result must be there, if we are to say<br />
correctly that the action has been performed. The existence of specific causal<br />
relations, and the operation of causal factors, is thus <strong>in</strong>dependent of agency and<br />
of the <strong>in</strong>terference of agents with nature.“ (von Wright 1974, S.49)<br />
Um deutlich zu machen, wor<strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterschied zu unserem Explikationsvorschlag<br />
für <strong>Kausale</strong>rklärungen besteht, beziehen wir uns auf e<strong>in</strong>e Kausalregel<br />
<strong>der</strong> Form (4.1.1). Daran schließt sich die Redeweise an, daß <strong>der</strong><br />
nicht-kausale Sachverhalt s durch die Realisierung des kausalen Sachverhalts<br />
κ(σ[A] : A[a,e]) bewirkt wird; o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s formuliert: <strong>der</strong> nichtkausale<br />
Sachverhalt s ist e<strong>in</strong>e Wirkung <strong>der</strong> Ursache κ(σ[A] : A[a,e]).<br />
Dagegen möchte von Wright das Reden von Ursachen <strong>und</strong> Wirkungen auf<br />
Regeln <strong>der</strong> Form<br />
π(σ: e) ⇒⇒ π(σ ′ : s) (4.1.2)<br />
beziehen. In se<strong>in</strong>er Sprechweise ist dann e die Ursache für s. Der Rückgriff<br />
auf Akteure <strong>und</strong> ihre Tätigkeiten dient bei von Wright nicht zur Def<strong>in</strong>ition<br />
des Ursachenbegriffs, son<strong>der</strong>n um Regeln <strong>der</strong> Form (4.1.2) als nomologische<br />
Regeln <strong>in</strong>terpretieren zu können, die kontrafaktische Überlegungen<br />
erlauben. Das eben angeführte Zitat geht folgen<strong>der</strong>maßen weiter:<br />
So, how then shall we characterize the dependence which we claim that there<br />
”<br />
is of the first (causation) on the second (agency)? The question which led us to<br />
assume this dependence, it should be remembered, was the question how to dist<strong>in</strong>guish<br />
between nomic and accidental regularities. The dist<strong>in</strong>guish<strong>in</strong>g feature,<br />
we suggested, was that nomic generalizations provide a valid basis for mak<strong>in</strong>g<br />
counterfactual assertions.“<br />
von Wrights Idee ist, daß sich ”<br />
kausale Gesetze“ von ”<br />
bloßen Regelmäßigkeiten“<br />
dadurch unterscheiden, daß erstere für kontrafaktische Überlegungen<br />
verwendet werden können, <strong>und</strong> daß e<strong>in</strong> Rückgriff auf Akteure <strong>und</strong> ihre<br />
Handlungsmöglichkeiten nur deshalb erfor<strong>der</strong>lich ist, um diese Unterscheidung<br />
explizierbar zu machen:<br />
If man throughout stood quite ‘passive’ aga<strong>in</strong>st nature, i.e. if he did not possess<br />
”<br />
thenotion thathe can doth<strong>in</strong>gs, makeadifferencetotheworld, thentherewould<br />
be no way of dist<strong>in</strong>guish<strong>in</strong>g the accidental regularity from the causal one. Nor<br />
would there be any way of dist<strong>in</strong>guish<strong>in</strong>g the case when p has the ‘power’ of<br />
produc<strong>in</strong>g q from the case when some factor r has the ‘power’ of produc<strong>in</strong>g<br />
the sequence of q upon p. Man would simply not be familiar with the notion<br />
of counterfactuality, with the idea of how it would have been, if —. This is the<br />
gro<strong>und</strong> for say<strong>in</strong>g that the concept of causal connection rests on the concept of<br />
action.“ (von Wright 1974, S.52f)<br />
8. Zwei Überlegungen veranlassen uns, dem von Wrightschen Gedankengang<br />
nicht zu folgen. Die erste Überlegung wurde bereits <strong>in</strong> Abschnitt<br />
2.3 besprochen. Dort g<strong>in</strong>g es im Anschluß an Hume um die Frage, welche<br />
Vorstellungen man sich von den Regeln machen kann, durch die Sachverhalte<br />
als Wirkungen begründbar werden. von Wright vertritt, geme<strong>in</strong>sam<br />
mit vielen an<strong>der</strong>en Autoren, die Auffassung, daß solche Regeln als nomologisch<br />
<strong>in</strong>terpretierbare All-Aussagen konzipiert werden können. 9 Daraus<br />
resultiert auch se<strong>in</strong> Problem: wie <strong>der</strong> nomologische Charakter solcher Regeln<br />
verstanden werden kann. Wir s<strong>in</strong>d dagegen <strong>der</strong> Auffassung, daß es<br />
we<strong>der</strong> möglich noch erfor<strong>der</strong>lich ist, Regeln <strong>der</strong> Form (4.1.2) nomologisch<br />
zu deuten, weil sie e<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen kont<strong>in</strong>genten Sachverhalten<br />
bzw. Vorkommnissenherstellen. Als Beispiel kann man an die Regel<br />
denken, daß man durch Betätigen e<strong>in</strong>es Schalters die Zimmerbeleuchtung<br />
anmachen kann. Es ist durchaus möglich, daß die Glühbirne defekt o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Strom ausgefallen ist; aber <strong>in</strong>folgedessen wird die Regel nicht falsch.<br />
Daß die Wirkung tatsächlich e<strong>in</strong>tritt, hängt stets von e<strong>in</strong>er Vielzahl <strong>funktionale</strong>r<br />
Bed<strong>in</strong>gungen ab, die we<strong>der</strong> vollständig formuliert noch als jeweils<br />
real gegeben vorausgesetzt werden können. Natürlich kann man Modelle<br />
konstruieren <strong>und</strong> annehmen, daß <strong>in</strong> <strong>der</strong> Modellwelt bestimmte Gesetze<br />
gelten. In unserem Beispiel könnte man folgendes Bild verwenden:<br />
✟✟<br />
<br />
✎☞<br />
✍✌ ❅<br />
In diesem Bild s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Stromquelle <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Glühbirne durch e<strong>in</strong>en<br />
Stromkreis verb<strong>und</strong>en, <strong>der</strong> durch e<strong>in</strong>en Schalter geschlossen o<strong>der</strong> geöffnet<br />
werden kann. Je nachdem, ob <strong>der</strong> Schalter geschlossen o<strong>der</strong> geöffnet<br />
wird, leuchtet die Glühbirne o<strong>der</strong> nicht. Im Rahmen des Modells kann man<br />
diese Regel e<strong>in</strong> Gesetz nennen, das <strong>der</strong> Modellwelt vorschreibt, wie sie zu<br />
funktionieren hat. Dabei wird als Annahme vorausgesetzt, daß alle erfor<strong>der</strong>lichen<br />
<strong>funktionale</strong>n Bed<strong>in</strong>gungen erfüllt s<strong>in</strong>d. Aber diese Annahme, auf<br />
<strong>der</strong>en Voraussetzung die Möglichkeit beruht, daß man von e<strong>in</strong>em Gesetz<br />
sprechenkann, betrifft dasModell.Währendman jedochfürModelle beliebige<br />
Annahmen voraussetzen kann, gilt dies offenbar nicht gleichermaßen<br />
für die Realität, nicht e<strong>in</strong>mal für reale technische Systeme. Sicherlich kann<br />
man sich mit e<strong>in</strong>er Batterie, e<strong>in</strong>er Glühbirne, e<strong>in</strong>em Schalter <strong>und</strong> e<strong>in</strong>igen<br />
Drähten e<strong>in</strong> unserem Bild entsprechendes reales System bauen. Aber daß<br />
dies reale System dann so funktioniert, wie man es sich anhand des Bildes<br />
vorstellbar gemacht hat, ist natürlich e<strong>in</strong>e offene Frage.<br />
9. Die zweite Überlegung bezieht sich auf das Erkenntnis<strong>in</strong>teresse, an dem<br />
sich <strong>Kausale</strong>rklärungen orientieren. Nach unserem Verständnis soll e<strong>in</strong>e<br />
9 Auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er späteren Antwort auf e<strong>in</strong>en Beitrag von R. Tuomela sagt von Wright<br />
1976, S.381, noch e<strong>in</strong>mal ausdrücklich: ”<br />
The subsistence of the causal relation, however,<br />
depends, accord<strong>in</strong>g to Tuomela’s view as well as m<strong>in</strong>e, on the existence of a nomic or<br />
law-relation between event-types, i.e., generic features of the <strong>in</strong>dividual events.“