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Kausale und funktionale Erklärungen in der Sozialforschung - Ruhr ...

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12 1 EINLEITUNG<br />

<strong>und</strong> dadurch neue Sachverhalte hervorbr<strong>in</strong>gen können. Die Idee ist, daß<br />

es sich bei den Objekten, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Situation bef<strong>in</strong>den, auch um<br />

Akteure handeln kann. Dafür verwenden wir die Schreibweise<br />

σ[A,A ′ ,...]<br />

die andeuten soll, daß man sich auf e<strong>in</strong>e Situation beziehen möchte, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

es u.a. die Akteure A,A ′ ,... gibt. Wie an<strong>der</strong>e Objekte kann man auch Akteure<br />

durch Eigenschaften charakterisieren. Z.B. kann man sich auf zwei<br />

menschliche Akteure A <strong>und</strong> A ′ beziehen <strong>und</strong> sie durch ihr Geschlecht charakterisieren:<br />

π(σ[A,A ′ ] : ˜m(A), ˜w(A ′ ))<br />

wobeidurch ˜m(A) bzw. ˜w(A ′ )festgestelltwird,daßessichume<strong>in</strong>emännlichebzw.ume<strong>in</strong>eweiblichePersonhandelt.Wichtigistjedoch,daßmanbei<br />

Akteuren nicht nur vonEigenschaftensprechenkann, son<strong>der</strong>n daßAkteure<br />

Tätigkeitenvollziehenkönnen. Da essich um e<strong>in</strong>e wichtigeUnterscheidung<br />

handelt, verwenden wir e<strong>in</strong>e unterschiedliche Notation. Um Eigenschaften<br />

von Akteuren festzustellen, dienen Schreibweisen <strong>der</strong> Form ˜x(ω), wobei<br />

sich ω auf e<strong>in</strong>en Akteur beziehen kann o<strong>der</strong> auf e<strong>in</strong> Objekt, das ke<strong>in</strong> Akteur<br />

ist. Um dagegen zum Ausdruck zu br<strong>in</strong>gen, daß e<strong>in</strong> Akteur A e<strong>in</strong>e<br />

Tätigkeit a vollzieht, verwenden wir die Schreibweise A[a]. Z.B. könnte die<br />

Tätigkeit von A dar<strong>in</strong> bestehen, e<strong>in</strong> Fenster zu öffnen. Wenn man sagen<br />

möchte, daß A e<strong>in</strong> Fenster öffnet, muß man sich natürlich auf e<strong>in</strong>e Situation<br />

beziehen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> Sachverhalt (A öffnet e<strong>in</strong> Fenster) stattf<strong>in</strong>det. Die<br />

Schreibweise ist dann:<br />

π(σ[A] : A[a])<br />

womit geme<strong>in</strong>t ist: Es gibt es e<strong>in</strong>e Situation σ[A], <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Akteur<br />

A bef<strong>in</strong>det (<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> es außerdem e<strong>in</strong> Fenster gibt usw.), <strong>und</strong> <strong>in</strong> dieser<br />

Situation öffnet Ae<strong>in</strong> Fenster. Später werdenwir besprechen, wie man sich<br />

mit Schreibweisen dieser Art auch auf mehrere Akteure <strong>und</strong> Folgen ihrer<br />

Tätigkeiten beziehen kann.<br />

Kapitel 2<br />

Kausalität als Bewirken<br />

Im weiteren orientieren wir uns an <strong>der</strong> Idee, daß durch e<strong>in</strong>e <strong>Kausale</strong>rklärung<br />

e<strong>in</strong> Prozeß vorstellbar gemacht werden soll, durch den <strong>der</strong> zu erklärendeSachverhaltentstandenist.Überlegtwerdenmuß,wiee<strong>in</strong>geeigneter<br />

Begriffsrahmen für die Formulierung von <strong>Kausale</strong>rklärungenentwickelt<br />

werden kann. In diesem Kapitel besprechen wir e<strong>in</strong>ige elementare Begriffsbildungen,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e den Begriffe<strong>in</strong>es kausalen Sachverhalts,<strong>und</strong> überlegen,<br />

wie elementare <strong>Kausale</strong>rklärungen daran anschließen können. Erst<br />

im nächsten Kapitel beschäftigen wir uns mit Problemen, die entstehen,<br />

wenn man <strong>Kausale</strong>rklärungenverallgeme<strong>in</strong>ernmöchte, so daß sie sich auch<br />

auf kont<strong>in</strong>gente Folgen kausaler Sachverhalte beziehen können.<br />

2.1 Elementare Kausalaussagen<br />

1. Beg<strong>in</strong>nen wir mit e<strong>in</strong>em alltäglichen Beispiel. Wir beobachten, daß das<br />

Fenster offen steht. Warum? Wenn diese Frage auf e<strong>in</strong>e <strong>Kausale</strong>rklärung<br />

zielt, impliziert dies die gedankliche Bezugnahme auf e<strong>in</strong>en Prozeß, durch<br />

den <strong>der</strong> beobachtete Sachverhalt zustandegekommen se<strong>in</strong> könnte. Ohne<br />

weitereInformationenkannmannatürlichbestenfallsunterschiedlicheSpekulationen<br />

anstellen. Aber vielleicht konnten wir beobachten, wie jemand<br />

zum Fenster gegangen ist <strong>und</strong> es geöffnet hat. Dann kann man sich e<strong>in</strong>e<br />

Vorstellung des Prozesses machen, durch den <strong>der</strong> fragliche Sachverhalt<br />

entstanden ist, <strong>und</strong> diese Vorstellung durch H<strong>in</strong>weise auf Beobachtungen<br />

begründen. Man kann dann z.B. sagen: Ich habe beobachtet, daß e<strong>in</strong>e bestimmte<br />

Person zum Fenster gegangen ist <strong>und</strong> es geöffnet hat; <strong>und</strong> auf<br />

diese Weise kann man e<strong>in</strong>e <strong>Kausale</strong>rklärung für den zu erklärenden Sachverhalt<br />

geben. Dieses Beispiel zeigt auch, daß es für e<strong>in</strong>e <strong>Kausale</strong>rklärung<br />

nicht erfor<strong>der</strong>lich ist, sich auf Handlungsgründe (Motive, Intentionen) zu<br />

beziehen. 1 Ihr S<strong>in</strong>n liegt dar<strong>in</strong> festzustellen, wie es zu dem zu erklärenden<br />

Sachverhalt gekommen ist. 2 In diesem Beispiel erfolgt die Erklärungdurch<br />

den H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e Person, die das Fenster geöffnet hat. Zwar kann man<br />

auch fragen, was die Person dazu veranlaßt haben könnte, das Fenster zu<br />

öffnen. Aber für die ursprünglichgestellte Frage ist es ganz unerheblich, ob<br />

<strong>und</strong> ggf. wie man auch Antworten auf diese zweite Frage geben kann. Denn<br />

aus welchen Gründen auch immer die Person gehandelt hat, jedenfalls ist<br />

es e<strong>in</strong>e Folge ihres Tätigwerdens, daß das Fenster jetzt geöffnet ist.<br />

1 Dies wird auch von J.J. Thomson 1987, S.104f, betont.<br />

2 An dieser Formulierung wird noch e<strong>in</strong>mal deutlich, daß es zunächst ke<strong>in</strong>e klare Unterscheidung<br />

zwischen Wie- <strong>und</strong> Warum-Fragen gibt.

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