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Predigten von Pilgerpastor Bernd Lohse - St. Jacobi

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<strong>Predigten</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Pilgerpastor</strong> <strong>Bernd</strong> <strong>Lohse</strong><br />

Liebe Pilger-Gemeinde,<br />

Gottesdienst der Pilger-Messe am 24. März 2012<br />

Gott ruft uns und segnet uns<br />

Texte: Gen. 12, 1-2; Mk. 6, 7-13<br />

die Frau um die 50 konnte es noch immer nicht begreifen.<br />

Sie saß auf der kleinen, einfachen <strong>St</strong>einbank vor der Pilgerherberge <strong>St</strong>. Nicolas hinter Castroje-<br />

riz und sah in den sternenreichen, stahlblauen Abendhimmel.<br />

Vor vier Wochen hatte sie alles stehen und liegen lassen und war aufgebrochen.<br />

„Und jetzt bin ich hier und kann nur staunen“, sagt sie. „Was in diesen wenigen Tagen schon al-<br />

les geschehen ist! Ich hätte nie für möglich gehalten, dass es das gibt; zum Beispiel das Fußwa-<br />

schen eben, wie bei Jesus.“<br />

Es kommt ihr so vor, als sei sie einem Ruf gefolgt: heraus aus dem Alltag, hinein in ein wahr-<br />

haftiges Leben.<br />

„Ich entdecke mich ganz neu. Auf einmal bete ich. Auf einmal genieße ich die Schlichtheit, die<br />

<strong>St</strong>ille, die fremden Menschen… ich habe kaum noch Angst.“<br />

Vom Jakobsweg zum Olavsweg.<br />

Dort trafen wir im vergangenen Sommer eine junge Frau, die viel zu viel mit sich rumschleppte,<br />

im Rucksack und auf der Seele.<br />

Sie musste einfach gehen, hatte sie gesagt, weg <strong>von</strong> allem zuhause.<br />

Da waren zu viele Schicksalsschläge in ihrer Nähe: zwei Freunde waren bei Unfällen gestorben<br />

und die anderen wurden <strong>von</strong> Trauer erdrückt.<br />

Sie wollte nach Trondheim gehen und es unterwegs Gott sagen, dass sie nicht einverstanden<br />

ist; und fragen wollte sie Gott und wissen, dass es anders wird.<br />

Und so trug sie zu ihrem viel zu vielen Gepäck auch noch eine unsichtbare Last, die sie an die<br />

Grenzen brachte.<br />

In der Pilgerherbege <strong>von</strong> Ingrid Meslo traf sie die Pilgergruppe aus Hamburg.<br />

Genau zur richtigen Zeit: sie konnte über alles reden und die anderen halfen ihr beim Tragen.<br />

„Ich wusste nicht, was ich finden könnte… aber es tut gut, euch getroffen zu haben“.<br />

Hauptkirche <strong>St</strong>. <strong>Jacobi</strong> - Jakobikirchhof 22 - 20095 Hamburg<br />

Tel: 040 30 37 37 0 - Fax: 040 30 37 37 10 - Mail: info@jacobus.de<br />

www.jacobus.de


Zwei <strong>von</strong> 1000 Pilgergeschichten, die da<strong>von</strong> erzählen, wie Menschen auf Wege gesandt und<br />

gezogen werden. Denn Pilger sind Menschen, die dem Ruf aus dem Alltag, dem Gewohnten,<br />

nachgehen und aufbrechen zu Wegen, deren Ziel anfangs allenfalls ein Name ist.<br />

Sie müssen einfach gehen, weil sie die Ahnung <strong>von</strong> einem Heil jenseits des Gewohnten haben.<br />

Und sie spüren: Das eigentliche Ziel ihres Weges aber ist mehr als eine besondere Kirche, es ist<br />

nah am Himmel.<br />

Und dieses Ziel können wir nicht selber machen, uns nicht selbst setzen. Es ist eh meistens<br />

ganz anders.<br />

So erzählen Pilger vom Segen, den sie vielfach erfahren haben und oft auch durch <strong>St</strong>rapazen<br />

und Fremdheit, durch Einsamkeit und Ungewissheit hindurch.<br />

Und sie haben erfahren dürfen, welch ein Segen sie selber sein können.<br />

Was da noch alles in dir steckt, welcher Witz, welche Offenheit und welche Zähigkeit – auf Pil-<br />

gerwanderungen können Menschen den Ruf ins Leben erleben.<br />

Und sie erfahren, dass sie Teil einer großen Weggemeinschaft sind.<br />

Aber wer ruft da eigentlich? Wer sendet dich wirklich?<br />

Bist du es selbst oder bildest du dir das nur ein?<br />

Die Bibel berichtet uns nicht nur in den beiden Texten, die wir eben gehört haben, da<strong>von</strong>, dass<br />

Gott Menschen heraus ruft.<br />

Aber Gottes Wort an Abram ist der klassische Ruf in die Pilgerschaft, die letztlich unser ganzes<br />

Leben ist.<br />

In uns lebt die Sehnsucht nach sinnhaftem, echtem, lebendigem Leben, in dem wir bei uns sind,<br />

eins sind mit Gottes Schöpfung und seinem Ideen für uns.<br />

Wegweisung, also Pilgermarke, das ist die Übersetzung des Wortes „Thora“.<br />

Gott erinnert uns daran, dass sich unser Leben nicht in Banalität und Alltag erschöpft und dass<br />

wir mehr sind als wir <strong>von</strong> uns wissen.<br />

Das Land, das er uns zeigen will, ist Grund einer Sehnsucht, die wir nie selbst stillen können.<br />

Unterwegs erleben wir aber Momente, in denen wir in dieses Land blicken können: der <strong>St</strong>er-<br />

nenhimmel über dem Camino; die karge Schönheit des Dovrefjells; das Geheimnis des Nien-<br />

wohlder Moors – die Gemeinschaft an Tischen oder beim Fußwaschen – es ist wie bei Jesus!<br />

Manchmal erwischt uns der heilige Schauer mitten auf dem Weg und wir spüren: es ist gut!<br />

Du wirst gerufen, weil Gott etwas mit dir vorhat: er will dich verwandeln.<br />

Auf dem Weg wandelst du und wirst gewandelt.<br />

Und es kann sein, dass du auch für andere gehst: für die, die dir nah sind, für die, die heillos<br />

sind… Dein Pilgern geschieht auch stellvertretend für die, die nicht mehr gehen können. Oder<br />

die gegangen sind und nicht mehr erreichbar sind.<br />

So wird dein Weg zum Gebet.<br />

Und du spürst, dass Gott sie dir nahe hält die Fernen und dir neue andere Menschen in den<br />

Weg stellt, die dich in der Seele und im Herzen reich machen.<br />

Gott ruft uns auch dazu hinaus, dass wir lernen, uns mit neuem Leben und Liebe beschenken<br />

zu lassen, ein schmerzhafter Weg.<br />

- 2 -


Gehen zu dürfen und hinter sich lassen – das ist eine Gnade.<br />

Und wenn Gott ruft, dann wird es kein einfaches Weggehen sein, keine Flucht oder Eventha-<br />

scherei.<br />

Nein, er erwischt dich auf dem Weg, denn da hat er Zeit, dich zu segnen und zum Segen für an-<br />

dere zu machen.<br />

Gott segnet dich, in dem du wesentlich wirst: leicht, langsamer, ballastfrei und frei <strong>von</strong> keine<br />

falschen Sicherheiten.<br />

Gott segnet dich durch die Freundlichkeit der anderen, durch Gastgeberschaft, Tischgemein-<br />

schaft, durch heilsame Nähe und diese kostbaren Momente wie ein Sakrament. (Deswegen fei-<br />

ern wir heute das Tischsakarament)<br />

Gott segnet dich, weil er dich ruft und dir eine Botschaft mitgibt. Du gehst nicht für dich allein,<br />

nicht aus Vergnügen, …da ist noch mehr.<br />

Und so setzt Gott auf dich, so wie Jesus auf seine Jünger und Jüngerinnen gesetzt hat, um Frie-<br />

den, Glaube, Liebe und Hoffnung zu verbreiten.<br />

Du gehörst in eine große Gemeinschaft der Schwestern und Brüder und ihr alle seid sowohl Ge-<br />

segnete wie auch Segnende.<br />

PilgerInnen bringen Segen mit, auch in unsere Kirchen. Gut, dass ihr da seid.<br />

Und wenn wir schauen, wer alles da ist und einem Ruf gefolgt ist, dann kann ich nur staunen.<br />

Lass uns den feiern, der gerufen hat und lasst uns einander zum Segen werden.<br />

Amen<br />

- 3 -

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