Energie - ROYAL CANIN Tiernahrung GmbH & Co. KG
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INHALT<br />
VETERINARY<br />
#18.3<br />
2 0 0 8 - 1 0 $ / 1 0 €<br />
© Xerri Youri<br />
I n t e r n a t i o n a l e P u b l i k a t i o n e n f ü r d e n K l e i n t i e r p r a k t i k e r<br />
Diese Ausgabe des Veterinary Focus erscheint in folgenden Sprachen: Englisch, Französisch, Deutsch,<br />
Chinesisch, Niederländisch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch, Spanisch, Japanisch, Griechisch und Russisch.<br />
Biomarker in der Diagnose caniner Herzerkrankungen S. 02<br />
Caryn Reynolds und Mark Oyama<br />
Neue Techniken der Echokardiographie und Doppler-Sonographie S. 07<br />
Valérie Chetboul<br />
Interventionelle Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen S. 16<br />
Suzanne Cunningham und John Rush<br />
Persönliche Empfehlungen für... Herzklappenerkrankungen beim Hund S. 25<br />
Adrian Boswood<br />
Royal Canin Standpunkt... Diätetische Behandlung von Herzerkrankungen S. 32<br />
im Frühstadium: ACT with SPEED<br />
Daniel Baker und Denise Elliott<br />
Persönliche Empfehlungen für... Synkopen beim Hund – ein Syndrom, keine Krankheit S. 36<br />
Marianne Skrodzki und Eberhard Trautvetter<br />
Veterinary Focus- Guide... Elektrokardiographie beim Hund S. 47<br />
Michael Johnson<br />
ARGENTINIEN AUSTRALIEN BAHRAIN BELGIEN BRASILIEN CHINA DÄNEMARK DEUTSCHLAND ESTLAND FINNLAND FRANKREICH GRIECHENLAND GROSSBRITANNIEN HOLLAND HONGKONG IRLAND ISLAND ISRAEL ITALIEN JAPAN KANADA KOREA KROATIEN LETTLAND<br />
LITAUEN MALTA MEXICO NEUSEELAND NORWEGEN ÖSTERREICH DIE PHILIPPINEN POLEN PORTUGAL PUERTO RICO RUMÄNIEN RUSSLAND SCHWEDEN SCHWEIZ SINGAPUR SLOWAKISCHE REPUBLIK SLOWENIEN SPANIEN SÜDAFRIKANISCHE REPUBLIK TSCHECHISCHE<br />
REPUBLIK TÜRKEI UNGARN VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE VEREINIGTE STATEN VON AMERIKA ZYPERN<br />
Veterinary Focus, Vol 18 n° 3 - 2008<br />
Die aktuellsten Ausgaben des Veterinary Focus finden Sie auf der IVIS-Website: www.ivis.org<br />
Redaktioneller Beirat<br />
• Dr. Denise A. Elliott, BVSc(Hons), PhD, Dipl.<br />
ACVIM, Dipl. ACVN Scientific <strong>Co</strong>mmunications,<br />
Royal Canin, USA<br />
• Dr. Philippe Marniquet, DVM, Scientific<br />
<strong>Co</strong>mmunication Manager, Royal Canin, France<br />
• Dr. Pauline Devlin, BSc, PhD,Veterinary<br />
Support Manager, Royal Canin, UK<br />
• Dr. Franziska <strong>Co</strong>nrad, DVM, Scientific<br />
<strong>Co</strong>mmunications, Royal Canin, Germany<br />
• Dr. Julieta Asanovic, DVM, Dipl. FCV, UBA,<br />
Scientific <strong>Co</strong>mmunications, Royal Canin,<br />
Argentina<br />
Redakteur<br />
• Dr. Richard Harvey, PhD, BVSc, DVD,<br />
FIBiol, MRCVS<br />
Redaktionssekretariat<br />
• Laurent Cathalan<br />
lcathalan@buena-media.fr<br />
• Ellinor Gunnarsson<br />
Gestaltung<br />
• Youri Xerri<br />
Redaktionelle Kontrolle Fremdsprachen<br />
• Dr. Clemens Schickling (Deutsch)<br />
• Dr. Imke Engelke (Deutsch)<br />
• Dr. Maria Elena Fernandez, DVM (Spanisch)<br />
• Dr. Eva Ramalho, DVM (Portugiesisch)<br />
• Dr. Giulio Giannotti, DVM (Italienisch)<br />
• Dr. Margriet Bos, DVM (Niederländisch)<br />
• Prof. Dr. R. Moraillon, DVM (Französisch)<br />
Mitherausgeber: Buena Media Plus<br />
CEO: Bernardo Gallitelli<br />
Anschrift: 85, avenue Pierre Grenier<br />
92100 Boulogne – Frankreich<br />
Telefon: +33 (0) 1 72 44 62 00<br />
Druck in der EU<br />
ISSN 0965-4593<br />
Auflage: 100.000<br />
Hinterlegung der Pflichtexemlpare<br />
Oktober 2008<br />
Verlag Aniwa S. A. S.<br />
Die Zulassungsbestimmungen für Medikamente zum Einsatz bei Kleintieren sind weltweit sehr unterschiedlich. Liegt keine spezifische Zulassung vor,<br />
sollten vor der Anwendung eines solchen Medikamentes entsprechende Warnhinweise gegeben werden.
Biomarker in der<br />
Diagnose caniner<br />
Herzerkrankungen<br />
Caryn Reynolds, DVM<br />
Matthew J. Ryan Veterinary Hospital, School of<br />
Veterinary Medicine, University of Pennsylvania,<br />
Philadelphia, USA<br />
Dr. Reynolds ist Resident im Bereich Kardiologie an der<br />
School of Veterinary Medicine der University of<br />
Pennsylvania, USA. Ihr Studium schloss sie 2006 an der<br />
<strong>Co</strong>lorado State University mit dem Grad eines DVM ab.<br />
Anschließend absolvierte Caryn Reynolds ein Internship<br />
in Small Animal Medicine and Surgery und ein Internship<br />
im Bereich der kardiologischen Forschung am Ryan<br />
Veterinary Hospital der University of Pennsylvania.<br />
Einleitung<br />
Traditionell erfolgt die Beurteilung der Herzfunktion mit Hilfe<br />
der Elektrokardiographie, der Radiologie und der Echokardiographie.<br />
Diese diagnostischen Verfahren sind jedoch relativ<br />
zeitaufwendig und kostspielig, und stehen insbesondere im<br />
Falle der Echokardiographie nicht unbedingt jederzeit allen<br />
Patienten zur Verfügung. Innerhalb der vergangenen zehn<br />
Jahre haben sich kardiale Biomarker, im Wesentlichen kardiales<br />
Troponin und natriuretische Peptide, zu einer tragenden Säule<br />
für die Diagnose und das Patientenmonitoring bei humanen<br />
Herzerkrankungen entwickelt. Seit kurzer Zeit beschäftigt sich<br />
auch die veterinärmedizinische Forschung mit dem potenziellen<br />
klinischen und diagnostischen Nutzen dieser blutbasierten<br />
kardialen Biomarker bei caninen und felinen Patienten.<br />
Ein Biomarker wird definiert als eine Substanz, die von einem<br />
spezifischen Gewebe gebildet wird und im Blut nachgewiesen<br />
werden kann. Um einen klinischen bzw. diagnostischen<br />
Nutzen zu haben, sollte diese Substanz in Proportion zu<br />
einem spezifischen Krankheitsprozess freigesetzt werden<br />
und Informationen über das Vorhandensein, den Grad und die<br />
Prognose der Erkrankung liefern. Im Idealfall handelt es sich bei<br />
Mark Oyama, DVM, Dipl. ACVIM (Kardiologie)<br />
Matthew J. Ryan Veterinary Hospital,<br />
School of Veterinary Medicine, University of<br />
Pennsylvania, Philadelphia, USA<br />
Dr. Oyama schloss sein Studium 1994 an der University of<br />
Illinois ab. Er absolvierte ein Internship am Animal Medical<br />
Center in NYC und im Anschluss eine Residency im Bereich<br />
Kardiologie an der University of California, Davis. Zurzeit ist<br />
Mark Oyama Associate Professor (außerordentlicher<br />
Professor) am Department of Clinical Sciences der<br />
University of Pennsylvania.<br />
einem Biomarker um eine stabile Substanz, die mit Hilfe eines<br />
überall erhältlichen, schnellen und kostengünstigen Tests<br />
einfach nachzuweisen ist. In der Veterinärmedizin werden<br />
Biomarker häufig zur Beurteilung der Funktion anderer Organe<br />
und Organsysteme herangezogen. So dienen zum Beispiel BUN<br />
und Creatinin der Überwachung der Nierenfunktion, während<br />
ALT zur Beurteilung hepatozellulärer Schäden herangezogen<br />
wird. Die klassischen enzymatischen Assays für Herzerkrankungen,<br />
wie zum Beispiel der Creatinkinase-Test, ließen<br />
in der Vergangenheit die für eine aussagekräftige klinische Anwendung<br />
beim Hund erforderliche Sensitivität und Spezifität<br />
vermissen. Dagegen scheinen die neueren Tests zum Nachweis<br />
von kardialem Troponin und natriuretischen Peptiden bei<br />
caninen Herzerkrankungen klinisch und diagnostisch hilfreiche<br />
Informationen zu liefern. Dieser Übersichtsartikel diskutiert<br />
den aktuellen Informationsstand über die entsprechenden<br />
Tests und ihre potenziellen Anwendungsmöglichkeiten.<br />
Natriuretische Peptide<br />
Bei Patienten mit Herzerkrankungen kommt es zu einer<br />
Überstimulation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems.<br />
Die Folgen sind eine Herzvergrößerung, eine Volumenüber-<br />
2 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
ladung und eine (kongestive) Herzinsuffizienz. Die natriuretischen<br />
Peptide wirken dieser Aktivität entgegen durch die<br />
Stimulation der Natriurese, die Steigerung der Nierendurchblutung,<br />
die Förderung der Diurese und der Vasodilatation,<br />
sowie die Stärkung der diastolischen Herzfunktion. Die<br />
zirkulierenden Konzentrationen des atrialen natriuretischen<br />
Peptids (ANP) und des B-Typ natriuretischen Peptids (BNP) sind<br />
primär als Reaktion auf eine erhöhte Myokardwandbelastung<br />
erhöht. ANP hat seinen Ursprung hauptsächlich in den Atrien,<br />
während BNP sowohl aus den atrialen als auch aus den<br />
ventrikulären Myozyten stammt. Beide Substanzen werden<br />
zunächst als Vorläufermoleküle freigesetzt und danach durch<br />
Serumproteasen gespalten, um schließlich identische Mengen<br />
eines aktiven C-terminalen Fragments (auch als C-ANP und<br />
C-BNP bezeichnet) und eines inaktiven N-terminalen Fragments<br />
(NT-proANP und NT-proBNP) zu bilden (Abbildung 1).<br />
C-ANP und C-BNP haben ultrakurze Halbwertszeiten, und die<br />
Messung ihrer zirkulierenden Konzentrationen erweist sich<br />
als schwierig. NT-proANP und NT-proBNP haben längere<br />
Halbwertszeiten und verhalten sich bei der Probenentnahme<br />
und bei der weiteren Handhabung der Proben deutlich stabiler,<br />
so dass sich die Messung dieser beiden Parameter unter<br />
klinischen Bedingungen als die praktikablere Option erweist.<br />
Hundespezifische ELISA-Tests für NT-proANP und NT-proBNP<br />
sind seit kurzer Zeit erhältlich.<br />
Heute gilt die Messung der Plasma- oder Serumkonzentrationen<br />
natriuretischer Peptide als integraler Bestandteil der diagnostischen<br />
Datenbasis für humane kardiovaskuläre Patienten.<br />
In Notfallsituationen kann NT-proBNP in Verbindung mit der<br />
klinischen Untersuchung, Thoraxröntgenaufnahmen und der<br />
Elektrokardiographie herangezogen werden, um primäre<br />
respiratorische Ursachen einer Dyspnoe von einer (kongestiven)<br />
Herzinsuffizienz zu unterscheiden (1). Bei asymptomatischen<br />
Patienten dient BNP der unabhängigen Vorhersage des Todesrisikos<br />
oder des Herzinsuffizienzrisikos und erweist sich in<br />
diesem Rahmen als ein wertvolles Werkzeug für die Risikobeurteilung<br />
und das Patientenscreening. Darüber hinaus hilft<br />
die Bestimmung der BNP-Konzentrationen dem Kliniker bei<br />
der Beurteilung der Kurzzeitantwort auf die Behandlung einer<br />
(kongestiven) Herzinsuffizienz (2). Beim Menschen werden<br />
die Blutkonzentrationen der natriuretischen Peptide durch<br />
die Nierenfunktion, das Geschlecht, Adipositas und das Alter<br />
beeinflusst. Diese Faktoren müssen also bei der Interpretation<br />
der Ergebnisse berücksichtigt werden.<br />
In der jüngsten Zeit wurden mehrere Studien über den<br />
klinischen Nutzen von Tests zur Messung der Blutkonzentrationen<br />
natriuretischer Peptide, insbesondere NT-proBNP, beim<br />
Hund veröffentlicht. Die wichtigsten Indikationen für diese<br />
Tests werden im Folgenden diskutiert.<br />
NT-proBNP<br />
Inaktiv<br />
Höhere Stabilität<br />
Längere Halbwertszeit<br />
ProBNP<br />
Abbildung 1.<br />
C-BNP<br />
Biologisch aktiv<br />
Geringere Stabilität<br />
Kürzere Halbwertszeit<br />
NT-proBNP entsteht, wenn proBNP durch Serumendopeptidasen<br />
gespalten wird, um C-BNP zu bilden. NT-proBNP ist biologisch<br />
inaktiv, besitzt aber eine höhere Stabilität als das biologisch<br />
aktive C-BNP. Da NT-proBNP und C-BNP im Verhältnis von 1:1<br />
gebildet werden, spiegelt die Messung von NT-proBNP die im<br />
Rahmen einer Herzerkrankung gebildete Menge des aktiven<br />
C-BNP genau wider.<br />
Diagnose der Herzinsuffizienz<br />
Boswood et al. beschreiben einen signifikanten Unterschied<br />
zwischen Hunden mit Herzerkrankung, Hunden mit Herzinsuffizienz<br />
und Hunden mit primärer respiratorischer Erkrankung.<br />
Auf der Grundlage eines Cut-off-Wertes von 210 pmol/l<br />
hat NT-proBNP bei Hunden mit Herzerkrankung oder Herzinsuffizienz<br />
einen positiven prädiktiven Wert von 94% und<br />
einen negativen prädiktiven Wert von 77% (3). Dies bedeutet,<br />
dass Hunde mit einem positiven Test mit einer 94% igen<br />
Wahrscheinlichkeit unter einer Herzerkrankung oder Herzinsuffizienz<br />
leiden, während Hunde mit negativem Test mit<br />
einer Wahrscheinlichkeit von 77% keine Herzerkrankung oder<br />
Herzinsuffizienz haben. In einer anderen Studie von Oyama<br />
et al. (4) über 119 Hunde mit Mitralklappenerkrankungen,<br />
18 Hunde mit dilatativer Kardiomyopathie und 40 gesunde<br />
Kontrollhunde konnten anhand der NT-proBNP-Werte im<br />
Serum Hunde mit Herzerkrankung von gesunden Hunden<br />
unterschieden werden und zwar mit einem positiven prädiktiven<br />
Wert von 97% und einem negativen prädiktiven Wert von<br />
61% bei Verwendung eines Cut-off-Wertes von 445 pmol/l.<br />
Berichtet wird zudem, dass NT-proBNP mit der Herzfrequenz,<br />
mit der Atemfrequenz, mit der echokardiographischen Herzgröße<br />
und mit der Nierenfunktion korreliert. Darüber hinaus<br />
konnte der NT-proBNP-Wert bei Verwendung eines Cut-off-<br />
Wertes von 680 pmol/l eingesetzt werden, um zu bestimmen,<br />
welche Hunde eine klinisch signifikante radiographische<br />
Herzvergrößerung aufwiesen, und welche nicht (positiver<br />
prädiktiver Wert: 81%; negativer prädiktiver Wert: 86%).<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 3
Die Ergebnisse dieser Studien sprechen dafür, dass die<br />
Messung der NT-proBNP-Konzentration in Verbindung mit<br />
anderen diagnostischen Maßnahmen wie der klinischen<br />
Untersuchung, der Röntgenuntersuchung und der Echokardiographie<br />
für die Unterstützung der Diagnose von<br />
Herzerkrankungen beim Hund eingesetzt werden kann. Nach<br />
den Angaben des kommerziellen Labors, das die NT-proBNP-<br />
Assays gegenwärtig durchführt, gilt eine Herzerkrankung bei<br />
Patienten mit NT-proBNP-Werten von ≤566 pmol/l im Serum<br />
oder Plasma als unwahrscheinlich. Zurzeit werden Prospektivstudien<br />
durchgeführt, um zu beurteilen, ob NT-proBNP<br />
ein geeigneter Parameter für die Langzeitüberwachung von<br />
Hunden mit asymptomatischer Mitralklappenerkrankung<br />
ist. Das Ziel ist eine Beurteilung des individuellen Risikos<br />
eines Patienten für die Entwicklung einer kongestiven<br />
Herzinsuffizienz als Folge der Klappenerkrankung.<br />
Ätiologie respiratorischer Symptome<br />
Fine et al. (5) untersuchten 46 Hunde mit Husten oder Atemnot<br />
und stellten fest, dass Hunde mit kongestiver Herzinsuffizienz<br />
signifikant höhere mediane NT-proBNP-Konzentrationen aufweisen<br />
als Hunde mit Atemwegserkrankung (Herzinsuffizienz:<br />
Medianwert 2554 pmol/l, Quartilabstand [25%-75%] 1652-<br />
3476; Atemwegserkrankung: Medianwert: 357 pmol/l, Quartilabstand<br />
[193-566]. Diese Ergebnisse sprechen sehr stark dafür,<br />
dass NT-proBNP bei der Ermittlung der zugrunde liegenden<br />
Ursachen respiratorischer Symptome unterstützend eingesetzt<br />
werden kann. So hatte in der Tat ein NT-proBNP-Wert von<br />
> 1200 pmol/l im Serum in einer Studie über 116 Hunde, die<br />
aufgrund von mittel- bis hochgradigen Atemwegssymptomen<br />
(Husten, Röcheln, Dyspnoe etc.) in einer Überweisungsklinik<br />
vorgestellt worden waren, bei der Unterscheidung zwischen<br />
Hunden mit (kongestiver) Herzinsuffizienz und Hunden mit<br />
primärer Atemwegserkrankung einen positiven prädiktiven<br />
Wert von 85,5% und einen negativen prädiktiven Wert von<br />
81,6% (6). Diese Ergebnisse stimmen überein mit den Aussagen<br />
in Abstracts von Fine, et al. und Wess, et al., denen zufolge<br />
eine gute Sensitivität für die Diagnose einer kongestiven<br />
Herzinsuffizienz bei Hunden mit Atemwegserkrankungen<br />
besteht (5, 7).<br />
Eine zum Teil sehr schwierige diagnostische Herausforderung<br />
ist die Bestimmung der Ursache respiratorischer Symptome<br />
bei älteren Hunden kleiner Rassen, bei denen Mitralklappenerkrankungen<br />
und primäre chronische Atemwegserkrankungen<br />
nicht selten kombiniert auftreten. Eine NTproBNP-Konzentration<br />
von >1200pmol/l kann in diesen<br />
Fällen besonders hilfreich sein, wenn anamnestische, klinische<br />
und radiologische Befunde entweder nicht zur Verfügung<br />
stehen oder zweifelhaft sind (8). Ein schneller Point-ofcare-Test<br />
(Schnelltest am Ort der Untersuchung), wie er zum<br />
Beispiel in humanmedizinischen Notfalleinrichtungen<br />
zur Verfügung steht, wäre auch für veterinärmedizinische<br />
Patienten von großem Nutzen. Insbesondere gilt dies für<br />
Patienten, die eine Röntgenuntersuchung aufgrund der<br />
Schwere ihrer Atemnot nicht tolerieren, bevor sich ihr Zustand<br />
Dank der initialen Behandlung nicht ausreichend stabilisiert<br />
hat. In Fällen einer hochgradigen Lungenerkrankung und<br />
damit einhergehender pulmonaler Hypertonie können die<br />
NT-proBNP -Werte falschpositiv erhöht sein und Anlass zu<br />
Fehlinterpretationen geben.<br />
Screening auf okkulte Erkrankungen<br />
Gegenwärtig erfordert die Diagnose der okkulten DCM beim<br />
Hund eine echokardiographische Untersuchung und das<br />
Tragen eines Holter-Monitors (Langzeit-E<strong>KG</strong>-Recorder). Vor<br />
allem bei Letzterem handelt es sich um eine relativ kostspielige<br />
und darüber hinaus auch sehr unbequeme Maßnahme (der<br />
Hund muss den Holter-Monitor über 24 Stunden tragen), die<br />
zudem nicht allen Hundebesitzern zur Verfügung steht. Im<br />
Rahmen einer Untersuchung von 118 Hunden der Rassen<br />
Dobermann, Boxer und Dogge unterschieden sich NT-proANP,<br />
C-BNP und das kardiale Troponin signifikant zwischen den 21<br />
Hunden mit diagnostizierter okkulter Kardiomyopathie und<br />
den gesunden Hunden. Von den drei getesteten Biomarkern<br />
besaß BNP die höchste Sensitivität und Spezifität (92,5%<br />
bzw. 61,9%) beim Nachweis der okkulten DCM (9).<br />
Gegenwärtig werden umfangreichere Studien zur Beurteilung<br />
des klinischen und diagnostischen Nutzens von NT-proBNP<br />
und NT-proANP als Screeningtests für die okkulte DCM<br />
durchgeführt. Ein Biomarker, der eine frühe Kardiomyopathie<br />
bei asymptomatischen Patienten nachweist, wäre zweifellos<br />
von substanziellem klinischem Nutzen. Ziel dieser Studien ist<br />
die Ermittlung von geeigneten Cut-off-Werten, der Sensitivität<br />
und Spezifität, sowie positiver und negativer prädikativer<br />
Werte, um herauszufinden, auf welche Weise diese Tests unter<br />
klinischen Bedingungen bei prädisponierten Hunderassen<br />
wie Dobermann, Boxer und Dogge eingesetzt werden können.<br />
Überlegungen zur Interpretation<br />
der Ergebnisse<br />
In Anbetracht der zunehmenden Verbreitung der NT-proBNP-<br />
Tests müssen bei der Interpretation der Ergebnisse einige<br />
Faktoren berücksichtigt werden. In einer Studie, die gesunde<br />
Hunde mit an renaler Azotämie (und strukturell normalen<br />
Herzen) erkrankten Hunden verglich, hatte die Gruppe mit<br />
renaler Dysfunktion einen mittleren NT-proBNP-Wert von<br />
1069 pmol/l (Bereich: 179-2071 pmol/l) und damit einen<br />
signifikant höheren Wert als die gesunde Kontrollgruppe<br />
(Mittelwert: 282 pmol/l; Bereich 179-578 pmol/l). Eine<br />
Nierendysfunktion kann also beim Hund ebenso wie beim<br />
Menschen zu einer falsch-positiven Erhöhung der NTproBNP-Konzentrationen<br />
führen.<br />
4 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
BIOMARKER IN DER DIAGNOSE <strong>CANIN</strong>ER HERZERKRANKUNGEN<br />
Nur wenig ist bekannt über die Tag-zuTag-Schwankungen<br />
der NT-proBNP-Konzentrationen. Theoretisch könnten<br />
die Nahrung, die Trinkwasseraufnahme und körperliche<br />
Belastung sowohl bei gesunden als auch bei kranken Hunden<br />
einen Einfluss auf die NT-proBNP-Konzentrationen haben. In<br />
einer Studie über die wöchentlichen Schwankungen der NTproBNP-Konzentration<br />
bei gesunden Hunden betrug die<br />
Variabilität der Serum- und Plasma-Werte bei einigen Hunden<br />
bis zu 51%. Aufgrund dieses hohen Variationsgrades wurden<br />
bei einigen dieser Hunde gelegentlich Werte über dem oberen<br />
Grenzwert des Referenzbereiches von 566 pmol/l gemessen.<br />
Offensichtlich gesunde Hunde mit einer nur geringgradigen<br />
Erhöhung eines einzelnen NT-proBNP-Wertes sollten deshalb<br />
wiederholt getestet werden (11).<br />
Obgleich NT-proBNP und NT-proANP stabiler sind als ihr<br />
C-terminales Gegenstück, ist auch hierbei eine strikte Einhaltungder<br />
Anweisungen des Assayherstellers zum Umgang<br />
mit den Proben, der Lagerung und der Versendung erforderlich.<br />
Plasma- oder Serumproben sollten nach Entnahme schnell<br />
getrennt und tief gefroren werden, da es bei Temperaturen von<br />
über 4°C innerhalb von nur drei bis fünf Stunden zu einem<br />
signifikanten Abbau von NT-proBNP kommt (12).<br />
Zusammengefasst lässt sich auf der Grundlage der aktuell<br />
verfügbaren Forschungsergebnisse sagen, dass die natriuretischen<br />
Peptide im Blut in Verbindung mit anderen diagnostischen<br />
Maßnahmen wie der klinischen Untersuchung, der<br />
Röntgenuntersuchung und der Echokardiographie die<br />
Diagnose von Herzerkrankungen und die Ermittlung der<br />
zugrunde liegenden Ursachen respiratorischer Symptome<br />
beim Hund unterstützen. Darüber hinaus kann der NT-proBNP-<br />
Assay bei der Diagnose der okkulten Kardiomyopathie bei<br />
asymptomatischen Hunden hilfreich sein. Aktuellen Empfehlungen<br />
zufolge gilt eine Herzerkrankung beim Hund als<br />
unwahrscheinlich, wenn die NT-proBNP-Konzentrationen<br />
unter 566 pmol/l liegen. Bei Patienten mit respiratorischen<br />
Symptomen sprechen NT-proBNP-Werte über 1200 pmol/l für<br />
das Vorliegen einer kongestiven Herzinsuffizienz. Der Großteil<br />
der aktuellen Literatur befasst sich mit der Bestimmung des<br />
NT-proBNP, während der klinische Nutzen von NT-proANP-<br />
Tests gegenwärtig etwas weniger deutlich erscheint. In weiteren<br />
Studien sollte deshalb herausgefunden werden, welcher der<br />
beste Weg ist, diesen Test in Kombination mit dem NT-proBNP-<br />
Assay oder anderen kardialen Biomarkern wie dem kardialen<br />
Troponin einzusetzen.<br />
Kardiales Troponin<br />
Der Troponinkomplex setzt sich aus drei Untereinheiten<br />
(cTnI, cTnT, und cTnC) zusammen, die für die Regulation<br />
der Kopplung von elektrischer Erregung und mechanischer<br />
Kontraktion in den Herzmuskelzellen zuständig sind. cTnI ist<br />
die inhibitorische Komponente, die eine Interaktion zwischen<br />
Actin und Myosin verhindert, bis sich cTnC an Kalziumionen<br />
bindet. Eine Schädigung der Sarkomere verursacht eine<br />
Ablösung des cTnI vom Actin. Die nachfolgende Zerreißung<br />
der Zellmembran führt zu einem Austritt von cTnI in den<br />
allgemeinen Kreislauf. Eine hohe cTnI-Konzentration im<br />
Serum oder Plasma gilt folglich als ein hoch sensitiver und<br />
zugleich hoch spezifischer Indikator für eine Herzmuskelzellschädigung<br />
und Herzmuskelnekrose. Die enge Homologie<br />
des cTnI unter den Säugetierspezies gestattet eine genaue<br />
Messung dieses Parameters bei Hunden und Katzen mit Hilfe<br />
des für die Humanmedizin entwickelten Assays.<br />
In der Humanmedizin sind die kardialen Troponine ein<br />
integrales diagnostisches Kriterium bei Patienten mit akuten<br />
koronaren Syndromen. Erhöhte cTnI-Werte können bereits<br />
3-4 Stunden nach Eintritt einer Myokardschädigung nachgewiesen<br />
werden und bleiben nach dem initialen Myokardinfarkt<br />
über einen Zeitraum von 4-7 Tagen erhöht.<br />
Herzinsuffizienzpatienten weisen chronisch moderat erhöhte<br />
zirkulierende cTnI-Spiegel auf, die zur Überwachung des<br />
Fortschreitens der Erkrankung herangezogen werden können<br />
und zudem prognostische Hinweise liefern. Erhöhte cTnI-<br />
Werte gehen mit schlechten Langzeitprognosen einher<br />
und sind unabhängige Prädiktoren der Mortalität (13, 14).<br />
Als wahrscheinlich gilt, dass entsprechende cTnI-Messungen<br />
bei veterinärmedizinischen Patienten ähnliche prognostische<br />
Informationen liefern, trotz der Tatsache, dass Myokardinfarkte<br />
bei Hunden relativ selten vorkommen.<br />
Nachweis von Herzmuskelschäden<br />
Immunoassays zum Nachweis von kardialem Troponin I sind<br />
für die Anwendung beim Hund validiert (15, 16). Die Untereinheit<br />
cTnI ist ein Marker für die Herzmuskelnekrose, besitzt<br />
jedoch keine Spezifität für die einer Herzmuskelschädigung<br />
zugrunde liegenden Ursache. Dies bedeutet, dass ein Anstieg der<br />
cTnI-Konzentration sowohl auf eine primäre Herzerkrankung,<br />
als auch auf eine systemische Erkrankung mit sekundärer Herzschädigung<br />
zurückzuführen sein kann. In der Humanmedizin<br />
werden die Niereninsuffizienz im Endstadium, Sepsis, und<br />
Traumata als potenzielle Ursachen erhöhter Werte beschrieben.<br />
Beim Hund können Pyometra, Magendilatation/ Magentorsion,<br />
Perikarderguss, Traumata und Sepsis zu dramatischen Anstiegen<br />
der cTnI-Konzentration führen. Eine Myokarditis kann<br />
einen 100fachen Anstieg der cTnI-Werte hervorrufen, zum<br />
Beispiel bei Hunden mit Babesiose und Chagas-Krankheit<br />
(sog. Südamerikanische Trypanosomiasis).<br />
Bei Patienten mit Sepsis und Magendilatation/Magentorsion<br />
kann kardiales Troponin in Verbindung mit anderen diagnostischen<br />
Tests prognostische Hinweise liefern. Bei Patienten mit<br />
akuter Arrhythmie oder systolischer Dysfunktion spricht eine<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 5
BIOMARKER IN DER DIAGNOSE <strong>CANIN</strong>ER HERZERKRANKUNGEN<br />
extreme Erhöhung der cTnI-Werte für eine Myokarditis und<br />
kann zur Überwachung des Therapieerfolges herangezogen<br />
werden. In einer kleinen Pilotstudie zeigen Linklater, et al. (17)<br />
eine verringerte Überlebenszeit bei Hunden mit Mitralklappenerkrankung,<br />
die aufgrund einer kongestiven Herzinsuffizienz in<br />
einer Notfallklinik vorgestellt worden waren, und erhöhte<br />
cTnI-Werte aufwiesen. Weitere Studien sind angezeigt, um<br />
die prognostische Aussagekraft der cTnI-Konzentration bei<br />
kongenitalen und erworbenen Herzerkrankungen besser<br />
einordnen zu können.<br />
Diagnose von Herzerkrankungen<br />
Oyama, et al. untersuchten die cTnI-Konzentrationen bei<br />
269 Hunden mit bzw. ohne Herzerkrankung. Festgestellt<br />
wurde eine im Vergleich zu gesunden Hunden (0,03 ng/ml)<br />
signifikante Erhöhung der cTnI-Werte bei Hunden mit Kardiomyopathie<br />
(Medianwert 0,14 ng/ml), Mitralklappenerkrankung<br />
(0,11 ng/ml) und Subaortenstenose (0,08 ng/ml). Eine<br />
geringere mediane Überlebenszeit wurde bei Hunden<br />
festgestellt, die eine Kardiomyopathie und cTnI-Werte über<br />
0,20 ng/ml hatten (18). Bei Boxern mit arrhythmogener,<br />
rechtsventrikulärer Kardiomyopathie kann das kardiale<br />
Troponin erhöht sein (19). In einer weiteren Studie über<br />
Hunde der Rassen Dobermann, Boxer und Dogge mit okkulter<br />
dilatativer Kardiomyopathie waren die cTnI-Werte im<br />
Vergleich zu gesunden Tieren signifikant erhöht (19). Trotz<br />
der Tatsache, dass cTnI bei vielen asymptomatischen Hunden<br />
erhöht ist, ist dieser Test aufgrund seiner mangelnden<br />
Spezifität als einziger Screening-Test mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
nicht ausreichend. Kombinierte Strategien<br />
unter Berücksichtigung verschiedener Biomarker, wie zum<br />
Beispiel die Bestimmung von cTnI und NT-proBNP dürften<br />
deshalb bei asymptomatischen Hunden bessere und aussagekräftigere<br />
diagnostische Ergebnisse liefern. Die Sensitivität,<br />
die Spezifität und der prädiktive Wert dieser Kombination<br />
müssen in weiteren Studien untersucht werden.<br />
Schlussfolgerung<br />
Kardiale Biomarker sind ein hoch interessantes neues<br />
Werkzeug für die Diagnose von Herzerkrankungen beim<br />
Hund. NT-proBNP-Tests unterstützen die Diagnose von<br />
Herzerkrankungen und die Differenzierung von Ursachen<br />
respiratorischer Symptome beim Hund. Die Ergebnisse von<br />
Tests zur Bestimmung der kardialen Troponinkonzentration<br />
spiegeln den Grad der zugrunde liegenden Myokardschädigung<br />
wider und korrelieren wahrscheinlich auch mit<br />
der Prognose. Mit der fortgesetzten Forschung auf diesem<br />
Gebiet und der zunehmenden Verfügbarkeit dieser Tests in<br />
der klinischen Routinepraxis dürften künftig noch weitere<br />
Anwendungsfelder in den Mittelpunkt des Interesses rücken,<br />
wie zum Beispiel die Risikobewertung, die Überwachung<br />
der Therapie und die prognostische Aussagekraft.<br />
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6 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
Neue Techniken der<br />
Echokardiographie und<br />
Doppler-Sonographie<br />
Valérie Chetboul, DVM, PhD, Dipl. ECVIM-CA (Kardiologie)<br />
Unité de Cardiologie Ecole Nationale Vétérinaire d’Alfort, Frankreich<br />
Dr. Chetboul schloss ihr Studium 1984 an der Ecole Nationale Vétérinaire d’Alfort in Frankreich ab. Dort absolvierte sie<br />
Postgraduierten-Kurse im Bereich der universitären Lehre und ist heute als Professorin für Innere Medizin und Kardiologie der<br />
Kleintiere tätig. Valérie Chetboul ist Mitglied einer der Université Paris XII angeschlossenen kardiologischen Forschungsgruppe<br />
(National Institute of Health and Medical Research). Dort ist sie verantwortlich für nicht-invasive Bild gebende Verfahren im<br />
Bereich des kardiovaskulären Systems der Klein- und Großtiere. Ihre Promotion (PhD) schloss Dr. Chetboul im Jahr 2000 zum<br />
Thema Gentherapie in der Kardiologie ebenfalls an der Université Paris XII ab. Im Jahr 1999 erhielt sie die Board Certification<br />
(Diplomate) des European <strong>Co</strong>llege of Veterinary Internal Medicine (Kardiologie). Von 2002 bis 2006 war Dr. Chetboul leitende<br />
Herausgeberin des Journal of Veterinary Cardiology und ist gegenwärtig Mitherausgeberin der Sektion „Cardiovascular<br />
Imaging“ dieser Zeitschrift.<br />
KERNAUSSAGEN<br />
➧ Das Tissue Doppler Imaging (TDI) (Gewebedoppler) bietet<br />
die Möglichkeit einer nicht-invasiven und sensitiven<br />
Doppler-Analyse der regionalen Myokardbewegungen durch<br />
Quantifizierung der Myokardgeschwindigkeiten in Echtzeit<br />
➧ Hauptvorteil des zweidimensionalen Farb-TDI-Modus<br />
gegenüber dem Pulsed-wave-TDI-Modus und dem Farb-TDI-<br />
M-Modus ist die Fähigkeit zur simultanen Quantifizierung<br />
der Myokardgeschwindigkeiten in mehreren Segmenten in<br />
einer, zwei oder drei Myokardwänden<br />
➧ Strain und Strain Rate Imaging sind zwei auf dem TDI-<br />
Verfahren basierende Techniken, die eine quantitative<br />
Beurteilung der regionalen Myokarddeformation bzw.<br />
Myokarddeformationsrate ermöglichen<br />
➧ Die zweidimensionale Speckle Tracking Echokardiographie<br />
ist eine neu entwickelte Ultraschalltechnik für die Dopplerunabhängige<br />
Beurteilung der regionalen Myokardbewegung,<br />
einschließlich Geschwindigkeit, Strain und Strain rate,<br />
Displacement (Lageverschiebung von Myokardregionen),<br />
sowie der Amplitude der systolischen Rotation<br />
Einleitung<br />
Die quantitative Beurteilung der Herzmuskelfunktion spielt<br />
eine wichtige Rolle bei der Diagnose und Behandlung<br />
von Herzerkrankungen, und darüber hinaus auch für das<br />
Verständnis der zugrunde liegenden Pathophysiologie. Beim<br />
Menschen und bei Kleintieren erfolgt die nicht-invasive<br />
Beurteilung der Myokardfunktion üblicherweise mit Hilfe der<br />
routinemäßigen Standardechokardiographie. Für die Ermittlung<br />
der Herzmuskelleistung stehen dabei mehrere zweidimensionale<br />
(2D) und M-Mode-Parameter zur Verfügung, wie<br />
zum Beispiel der systolische Durchmesser des linken Ventrikels,<br />
der Volumenindex oder die fraktionelle Verkürzung (% FS).<br />
Das Tissue Doppler Imaging (TDI) (Gewebedoppler) und die<br />
davon abgeleiteten Verfahren Strain (St) und Strain Rate (SR)<br />
Imaging (Verfahren zur Messung der regionalen Deformierung<br />
bzw. Deformierungsgeschwindigkeit) sind neu entwickelte<br />
Ultraschalltechniken zur quantitativen Beurteilung der<br />
Myokardfunktion durch Messung der Myokardgeschwindigkeiten<br />
in Echtzeit (1, 2) und durch Messung der segmentalen<br />
Myokarddeformation (Kontraktion oder Streckung) und der<br />
Deformationsgeschwindigkeit (Deformationsrate) (3, 4).<br />
Die zweidimensionale Speckle Tracking Echokardiographie<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 7
Beurteilung der regionalen Myokardbewegung durch Messung<br />
verschiedener Myokardparameter wie Geschwindigkeit, St und<br />
SR, Displacement und auch der Amplitude der systolischen<br />
Rotation (5-7).<br />
Abbildung 1.<br />
Die drei TDI-Verfahren: Pulsed-wave TDI (gepulster Gewebedoppler)<br />
(1A), <strong>Co</strong>lour M-Mode TDI (Farb-Gewebedoppler)<br />
(1B) und der zweidimensionale (2D) <strong>Co</strong>lour Mode TDI (1C).<br />
1A: Der Pulsed-wave TDI Modus liefert Informationen über die<br />
Myokardbewegungen durch ein so genanntes Single Sample<br />
Volume, also ein einzelnes kleines „Messfenster“, das in<br />
der Myokardwand platziert wird. Wenn sich das Myokard<br />
in Richtung des Transducers bewegt, sind die Myokardgeschwindigkeiten<br />
positiv (oberhalb der Grundlinie). Wenn sich<br />
das Myokard vom Transducer weg bewegt, sind die Myokardgeschwindigkeiten<br />
negativ (unterhalb der Grundlinie).<br />
1B: Dieses <strong>Co</strong>lour-M-Mode TDI-Profil der freien Wand des linken<br />
Ventrikels (radiale Bewegung) zeigt im selben Bild sowohl<br />
die systolischen als auch die diastolischen Geschwindigkeiten<br />
innerhalb der gesamten Wanddicke. Myokardgeschwindigkeiten<br />
in Richtung Transducer sind rot kodiert, Myokardgeschwindigkeiten<br />
vom Transducer weg sind blau kodiert. Mit<br />
Hilfe einer speziellen Software wird die mittlere Myokardgeschwindigkeit<br />
(definiert als Durchschnitt der Geschwindigkeitswerte<br />
entlang jeder M-Mode Scanlinie über die gesamte<br />
Myokardwanddicke) über den gesamten Herzzyklus berechnet.<br />
1C: Beim 2D Farbmodus werden die Myokardgeschwindigkeiten<br />
über 2D-Modus Bilder gelagert (hier: rechte parasternale<br />
transventrikuläre Kurzachsensicht). Geschwindigkeiten in<br />
Richtung Transducer sind rot kodiert, Geschwindigkeiten weg<br />
vom Transducer sind blau kodiert. Mit Hilfe einer speziellen<br />
Software werden die Myokardgeschwindigkeiten innerhalb<br />
eines oder mehrerer Segmente analysiert (siehe Abbildung 2).<br />
LV: Linker Ventrikel.<br />
(2D STE) ist eine noch neuere Ultraschallmethode, basierend<br />
auf der Analyse von Myokardbewegungen durch Verfolgung<br />
(„Tracking“) so genannter Speckles in 2D echokardiographischen<br />
Graustufenbildern. Diese nicht-invasive Technik<br />
bietet völlig neue Möglichkeiten einer Doppler-unabhängigen<br />
Tissue Doppler Imaging<br />
(Gewebedoppler)<br />
Die physikalischen Grundlagen des TDI entsprechen im<br />
Wesentlichen denen der konventionellen Doppler-Sonographie<br />
mit Ausnahme der Tatsache, dass die TDI-Technologie in<br />
entscheidendem Maße auf der Fähigkeit des Ultraschallgerätes<br />
basiert, die Dopplersignale aus dem Blutstrom zu unterdrücken<br />
und nur die durch das Myokard reflektierten Schallwellen zu<br />
registrieren (1). Um die durch ihre geringe Geschwindigkeit<br />
und eine hohe Amplitude gekennzeichneten Dopplersignale<br />
des Myokards zu erhalten und gleichzeitig die schnellen und<br />
durch ihre niedrige Amplitude gekennzeichneten Doppler-<br />
Signale des Blutflusses zu unterdrücken, sind spezifische<br />
Doppler-Einstellungen erforderlich, wie zum Beispiel die<br />
Suppression von Highpass-Filtern und die Herabsetzung des<br />
Gains (Verstärkereinstellung) (1).<br />
TDI-Modi<br />
Wir unterscheiden drei verschiedene TDI-Verfahren (1). Der<br />
Pulsed-wave TDI Modus (gepulster Gewebedoppler) liefert<br />
Informationen über die Myokardbewegungen durch ein<br />
einzelnes kleines „Messfenster“, das innerhalb der Myokardwand<br />
platziert wird, um die radiale oder longitudinale<br />
Bewegung zu analysieren (Abbildung 1A). Beim Farb-M-<br />
Modus (Abbildung 1B) werden die Myokardgeschwindigkeiten<br />
entlang einer einzelnen ausgewählten Scanlinie<br />
analysiert, die auf dieselbe Weise platziert wird, wie bei der<br />
konventionellen transventrikulären M-Mode zur Analyse der<br />
radialen Bewegung des interventrikulären Septums (IVS) oder<br />
der freien Wand des linken Ventrikels (LVFW). Beim 2D Farb-<br />
TDI-Modus (Abbildung 1C) wird der Echtzeit-Farbdoppler den<br />
Graustufenbildern des 2D-Modus überlagert, und der Doppler<br />
Receive Gain (Empfangsempfindlichkeit) wird so justiert,<br />
dass eine optimale Färbung des Myokards entsteht. Einer<br />
der Hauptvorteile des 2D-Farb-TDI-Modus gegenüber den<br />
beiden anderen Verfahren ist die Fähigkeit der simultanen<br />
Quantifizierung der Myokardgeschwindigkeiten in mehreren<br />
Segmenten in einer, zwei oder drei Wänden, wodurch eine<br />
Beurteilung der intra- und interventrikulären Myokardsynchronizität<br />
möglich wird (Abbildung 2 und 3) (8).<br />
Physiologische TDI-<br />
Myokardgeschwindigkeitsprofile<br />
links und rechts: Das normale,<br />
nicht-uniforme Erscheinungsbild<br />
Die radialen und longitudinalen LVFW-Geschwindigkeiten<br />
8 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
NEUE TECHNIKEN DER ECHOKARDIOGRAPHIE UND DOPPLER-SONOGRAPHIE<br />
Abbildung 2.<br />
Beispiel für ein physiologisches radiales Geschwindigkeitsprofil, aufgezeichnet in zwei Segmenten der freien Wand des linken Ventrikels<br />
mit Hilfe des zweidimensionalen Farb-TDI Modus bei einem gesunden Hund (rechte parasternale transventrikuläre Kurzachsensicht).<br />
Diese simultane Aufzeichnung der Myokardgeschwindigkeiten in einem subendokardialen (gelb) und subepikardialen (grün) Segment<br />
zeigt, dass sich das Subendokard in der Systole wie auch in der Diastole schneller bewegt als das Subepikard. Dabei entsteht ein deutlich<br />
ausgeprägter myokardialer Geschwindigkeitsgradient über den gesamten Herzzyklus hinweg. Wie beim Pulsed-wave TDI-Modus sind die<br />
Myokardgeschwindigkeiten positiv, wenn sich das Myokard in Richtung des Transducers bewegt, während sie negative Vorzeichen haben,<br />
wenn es sich vom Transducer weg bewegt. Die Farbdarstellung der Geschwindigkeit ist der rechten parasternalen transventrikulären<br />
Kurzachsensicht überlagert (links oben).<br />
A: Maximale Myokardgeschwindigkeit in der Spätdiastole. AVC: Aortenklappenschluss. AVO: Aortenklappenöffnung. E: Maximale<br />
Myokardgeschwindigkeit in der Frühdiastole. IVC: Isovolumetrische Kontraktionsphase. IVR: Isovolumetrische Entspannungsphase.<br />
LV: Linker Ventrikel. S: Maximale Myokardgeschwindigkeit in der Systole.<br />
lassen sich bei Kleintieren in der rechten parasternalen<br />
Kurzachsenprojektion bzw. dem linken apikalen Vierkammerblick<br />
mit korrekter bis guter Wiederholbarkeit und Reproduzierbarkeit<br />
analysieren (9, 10). Nach einer kurzen isovolumetrischen<br />
Kontraktionsphase (9-14) enthalten alle radialen<br />
und longitudinalen Geschwindigkeitsprofile eine positive<br />
systolische Welle (S), und nach einer kurzen isovolumetrischen<br />
Entspannungsphase zwei diastolische negative Wellen (E in der<br />
Frühdiastole und A in der Spätdiastole, Abbildung 2 und 4).<br />
Eine Fusion der beiden diastolischen Wellen E und A zu<br />
einer einzigen negativen diastolischen Welle EA wird bei der<br />
Katze aufgrund einer schnellen Herzfrequenz beobachtet (9).<br />
Die physiologische radiale LVFW-Bewegung ist gekennzeichnet<br />
durch ihre Uneinheitlichkeit (13, 14), wobei sich die Myokardschichten<br />
im Subendokard schneller bewegen als im Subepikard<br />
und somit einen intramyokardialen radialen Geschwindigkeitsgradienten<br />
während des Herzzyklus generieren<br />
(MVG, Abbildung 2). Auch die physiologische longitudinale<br />
Myokardbewegung ist durch ihre Uneinheitlichkeit gekennzeichnet<br />
(9-14), wobei die Myokardgeschwindigkeiten von der<br />
Basis zur Apex hin abnehmen und auf diese Weise einen<br />
longitudinalen myokardialen Geschwindigkeitsgradienten<br />
(MVG) generieren (Abbildung 4). Eine physiologische Heterogenität<br />
der longitudinalen Myokardbewegung zwischen dem<br />
IVS und der LVFW wurde auch bei der gesunden Katze gezeigt,<br />
mit höherer frühdiastolischer Geschwindigkeit, Akzeleration<br />
und Dezeleration im IVS als in der LVFW (15). Auch die<br />
longitudinalen rechtsventrikulären Myokardgeschwindigkeiten<br />
(RVM) sind an der Basis höher als an der Spitze<br />
(16), und auch höher als die LVFW-Geschwindigkeiten der<br />
entsprechenden Segmente (basal oder apikal). Eine mögliche<br />
Erklärung für diese zusätzliche Heterogenität ist der Unterschied<br />
der Füllungsbedingungen zwischen beiden Ventrikeln<br />
und wahrscheinlich auch die unterschiedliche regionale<br />
Architektur der Myokardfasern.<br />
Variationsfaktoren<br />
Die Hauptvariationsfaktoren der einzelnen TDI-Variablen sind<br />
die Rassezugehörigkeit, die Herzfrequenz und die Anästhesie.<br />
In einer Studie (13) über eine umfangreiche Population<br />
gesunder Hunde (n = 100) wurde ein rassespezifischer<br />
Effekt für die longitudinale S-Welle an der Basis gemessen.<br />
Beim Hund (13) besteht eine positive Korrelation zwischen<br />
Herzfrequenz und longitudinaler S-Welle an der Basis. Ein<br />
ähnliches Verhältnis zwischen Herzfrequenz und systolischen<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 9
Abbildung 3.<br />
Beispiel einer interventrikulären Asynchronizität, erfasst durch den zweidimensionalen Farb-TDI-Modus bei einem Hund mit dilatativer<br />
Kardiomyopathie.<br />
Die longitudinalen Geschwindigkeitsprofile aus drei basalen Segmenten der freien linken Ventrikelwand (LVFW, rot), des interventrikulären<br />
Septums (IVS, grün) und der rechten Myokardwand (RVMW, gelb) zeigen eine verzögerte systolische Maximalgeschwindigkeit der LVFW<br />
(Pfeile) im Vergleich mit den beiden anderen. Die Farbdaten der Geschwindigkeit werden in der linken apikalen Vierkammersicht<br />
überlagert (links oben).<br />
S: Myokardiale Maximalgeschwindigkeit in der Systole. LA: Linkes Atrium. LV: Linker Ventrikel. RA: Rechtes Atrium. RV: Rechter Ventrikel.<br />
Abbildung 4.<br />
Beispiel für physiologische longitudinale Geschwindigkeitsprofile, aufgezeichnet in zwei Segmenten der freien linken<br />
Ventrikelwand mit Hilfe des zweidimensionalen Farb-TDI-Modus bei einem gesunden Hund (linker apikaler Vierkammerblick).<br />
Diese simultane Aufzeichnung der Myokardgeschwindigkeiten in einem basalen (gelb) und in einem apikalen (grün) Segment<br />
zeigt, dass sich die Basis in der Systole wie auch in der Diastole schneller bewegt als die Spitze. So entsteht ein myokardialer<br />
Geschwindigkeitsgradient über den gesamten Herzzyklus. Die Farbdaten der Geschwindigkeit sind der linken apikalen<br />
Vierkammersicht überlagert (links oben).<br />
A: Maximale Myokardgeschwindigkeit in der Spätdiastole. AVC: Aortenklappenschluss. AVO: Aortenklappenöffnung. E: Maximale<br />
Myokardgeschwindigkeit in der Frühdiastole. IVC: Isovolumetrische Kontraktionsphase. IVR: Isovolumetrische Relaxationsphase.<br />
LA: Linkes Atrium. LV: Linker Ventrikel. S: Maximale Myokardgeschwindigkeit in der Systole.<br />
10 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
NEUE TECHNIKEN DER ECHOKARDIOGRAPHIE UND DOPPLER-SONOGRAPHIE<br />
Abbildung 5.<br />
Beispiel für pathologische radiale Geschwindigkeitsprofile, aufgezeichnet in zwei Segmenten der freien linken Ventrikelwand mit<br />
Hilfe des zweidimensionalen Farb-TDI-Modus bei einem jungen Golden Retriever mit Muskeldystrophie (rechter parasternaler<br />
transventrikulärer Kurzachsenblick).<br />
Die subendokardialen (gelb) und subepikardialen (grün) Geschwindigkeitsprofile sind in der Systole fast deckungsgleich überlagert und<br />
weisen damit auf einen sehr niedrigen systolischen myokardialen Geschwindigkeitsgradienten hin (Doppelpfeile, zum Vergleich siehe die<br />
physiologischen radialen Geschwindigkeitsprofile in Abbildung 2). Diese mittels Gewebedoppler (TDI) erkennbare systolische<br />
Dysfunktion war mit der konventionellen Echokardiographie nicht nachweisbar (fraktionelle Verkürzung 38%, also innerhalb des<br />
Normalbereiches). Die Farbdaten sind im rechten parasternalen transventrikulären Kurzachsenblick überlagert (links oben).<br />
A: Maximale Myokardgeschwindigkeit in der Spätdiastole. AVC: Aortenklappenschluss. AVO: Aortenklappenöffnung. E: Maximale<br />
Myokardgeschwindigkeit in der Frühdiastole. IVC: Isovolumetrische Kontraktionsphase. IVR: Isovolumetrische Relaxationsphase.<br />
LV: Linker Ventrikel. RV: Rechter Ventrikel. S: Maximale Myokardgeschwindigkeit in der Systole.<br />
Geschwindigkeiten wird auch bei der Katze beschrieben<br />
(14), einschließlich der radialen subendokardialen und<br />
subepikardialen S-Wellen, und der longitudinalen anulären<br />
und basalen S-Wellen. Eine Studie an gesunden Hunden (10)<br />
zeigt, dass die Anästhesie sowohl die radialen als auch die<br />
longitudinalen Myokardgeschwindigkeiten signifikant senkt,<br />
und zwar in einer Größenordnung von bis zu 60% gegenüber<br />
den bei wachen Tieren gemessenen Werten.<br />
Aktuelle Anwendungsgebiete<br />
der TDI-Technik<br />
Das TDI-Verfahren bietet die Möglichkeit der nicht-invasiven,<br />
sensitiven und quantitativen Analyse der regionalen Myokardbewegung.<br />
Eines der wichtigsten Anwendungsgebiete der<br />
TDI-Technologie ist der Nachweis geringgradiger Myokardveränderungen,<br />
die bei der konventionellen Echokardiographie<br />
entweder als verdächtig erscheinen oder gar nicht nachweisbar<br />
sind. Mit Hilfe eines Hundemodells der dilatativen<br />
Kardiomyopathie (DCM) konnte unsere Forschungsgruppe<br />
zeigen (17), dass das TDI beim Nachweis präklinischer<br />
regionaler Myokardanomalien noch vor dem Auftreten einer<br />
linksventrikulären Dilatation und einer manifesten systolischen<br />
Dysfunktion eine höhere Sensitivität besitzt als die<br />
konventionelle Echokardiographie (Abbildung 5). Auch in<br />
einem felinen Modell der hypertrophen Kardiomyopathie<br />
(HCM) konnte mit Hilfe des TDI trotz des Fehlens einer<br />
Herzmuskelhypertrophie bei betroffenen männlichen Tieren<br />
und bei weiblichen Trägern regelmäßig eine LVFW-Dysfunktion<br />
gezeigt werden (18).<br />
Ein weiteres Einsatzgebiet des TDI ist die genaue Untersuchung<br />
und Analyse der mit Herzerkrankungen einhergehenden<br />
Herzmuskeldysfunktion, um auf diese Weise neue Einblicke in<br />
das Verständnis ihrer Pathophysiologie zu gewinnen. So ging<br />
man bislang stets davon aus, dass es sich bei der diastolischen<br />
Dysfunktion um die einzige funktionelle Anomalie bei Katzen<br />
mit HCM handelt. Eine Studie konnte jetzt mit Hilfe des 2D-<br />
Farb-TDI-Modus zeigen, dass zusätzlich auch eine systolische<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 11
Abbildung 6.<br />
Beispiel für pathologische longitudinale Geschwindigkeitsprofile,<br />
aufgezeichnet in zwei Segmenten der freien linken Ventrikelwand<br />
mit Hilfe des zweidimensionalen Farb-TDI-Modus bei<br />
einer Katze mit hypertropher Kardiomyopathie (linker apikaler<br />
Vierkammerblick).<br />
Zu beachten ist, dass E niedriger ist als A im basalen Segment<br />
(gelbe Kurve) und damit die diastolische Dysfunktion bestätigt.<br />
Zudem zeigt die apikale Geschwindigkeitskurve (grüne Kurve)<br />
postsystolische Kontraktionswellen (grüne Pfeile), die beim Strain-<br />
Imaging bestätigt wurden.<br />
A: Maximale Myokardgeschwindigkeit in der Spätdiastole.<br />
E: Maximale Myokardgeschwindigkeit in der Frühdiastole.<br />
S: Maximale Myokardgeschwindigkeit in der Systole.<br />
Dysfunktion eine Rolle bei den Myokardveränderungen spielt<br />
(19). Gekennzeichnet ist eine solche systolische Dysfunktion<br />
durch eine Abnahme der longitudinalen systolischen Geschwindigkeiten<br />
und Gradienten (trotz normaler oder erhöhter<br />
fraktioneller Verkürzung) und die hohe Prävalenz postsystolischer<br />
Kontraktionswellen (Abbildung 6). Eine jüngst<br />
von einer anderen Forschungsgruppe durchgeführte Studie<br />
mit dem Pulsed-wave TDI-Modus bestätigt diese Ergebnisse<br />
und zeigt eine systolische Beeinträchtigung entlang der<br />
longitudinalen Achse der LVFW bei Katzen mit HCM (15).<br />
Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld der TDI-Technik ist die<br />
Beurteilung des therapeutischen Effektes auf das Myokard. So<br />
hat unsere Forschungsgruppe erst kürzlich die TDI-Technologie<br />
zum Nachweis des vorteilhaften regionalen systolischen<br />
Myokardeffekts nicht-kultivierter Skelettmuskelzelltransplantate<br />
in einem Tiermodell der nicht-ischämischen DCM<br />
eingesetzt (20).<br />
Abbildung 7.<br />
Beispiel für physiologische regionale radiale Strain- (7A) und<br />
Strain Rate- (7B) Profile, aufgezeichnet in der freien linken<br />
Ventrikelwand eines gesunden Hundes (rechter parasternaler<br />
transventrikulärer Kurzachsenblick).<br />
Das radiale Strain-Profil (dargestellt in %) ist positiv, erreicht sein<br />
Maximum in der Endsystole (Pfeile) und sinkt anschließend<br />
während der Diastole. Es bestätigt somit eine regionale systolische<br />
Erweiterung (Verdickung) und eine diastolische Kompression<br />
(Verkürzung) (7A). Das Strain rate-Profil (dargestellt in s -1 ) ist<br />
positiv während der Systole (SRS), auf eine regionale Verdickung<br />
hinweisend, und zeigt anschließend zwei negative diastolische<br />
Peaks während der frühen Füllungsphase und atrialen Kontraktion<br />
(SRE und SRA), einer biphasischen Verdünnungsphase<br />
entsprechend. Die Farbdaten des Strains und der Strain rate sind<br />
im rechten parasternalen transventrikulären Kurzachsenblick überlagert<br />
(links oben, Abbildung 7A bzw. 7B). Strainlänge = 12 mm,<br />
Größe der untersuchten Region = 3/3 mm.<br />
AVC: Aortenklappenschluss. AVO: Aortenklappenöffnung.<br />
LV: Linker Ventrikel<br />
Strain-Imaging und Strain<br />
rate Imaging<br />
Das St-Imaging und das SR-Imaging sind zwei auf der TDI-<br />
Technologie basierende Verfahren, die das TDI-Verfahren<br />
vervollständigen, indem sie die segmentale Deformation<br />
des Myokards bzw. die Deformationsgeschwindigkeit<br />
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NEUE TECHNIKEN DER ECHOKARDIOGRAPHIE UND DOPPLER-SONOGRAPHIE<br />
Abbildung 8.<br />
Beispiel für ein pathologisches regionales longitudinales Strain-Profil, aufgezeichnet in der rechtsventrikulären Myokardwand eines<br />
Hundes mit Pulmonalarterienstenose (linker apikaler Vierkammerblick).<br />
Das longitudinale Strain-Profil ist negativ, und bestätigt damit eine regionale Kompression (d.h., Myokardverkürzung) während der<br />
Systole. Der maximale negative Strain-Wert wird jedoch nach der T-Welle des E<strong>KG</strong>s gemessen, d. h., in der Diastole anstatt in der<br />
Systole. Diese postsystolischen Kontraktionswellen (PSC) bestätigen die ausgeprägte systolische rechte myokardiale Dysfunktion. Diese<br />
systolische Dysfunktion ist auch charakterisiert durch einen unterhalb der veröffentlichten Referenzwerte liegenden maximalen<br />
systolischen Strain-Wert (Pfeile) (4). Die Farbdaten der Geschwindigkeit sind im linksventrikulären Vierkammerblick überlagert (links<br />
oben). Strainlänge = 12 mm. Größe der untersuchten Region 6/3 mm.<br />
AVC: Aortenklappenschluss. AVO: Aortenklappenöffnung. RA: Rechtes Atrium. RV: Rechter Ventrikel.<br />
(Deformationsrate) messen. Beide Doppler-basierte Techniken<br />
haben sich als gut wiederholbare und reproduzierbare<br />
Methoden zur Beurteilung der systolischen radialen und<br />
longitudinalen LVFW-Funktion und darüber hinaus auch der<br />
systolischen longitudinalen Funktion des IVS und des RVM<br />
beim wachen Hund erwiesen (4). Der „Strain“ (St) des<br />
Myokards bezeichnet die Dehnung oder elastische Verformung<br />
eines Myokardsegments über einen bestimmten Zeitraum (3, 4)<br />
und wird als prozentuale Veränderung der ursprünglichen<br />
Dimension dieses Segmentes angegeben (Abbildung 7A).<br />
Die myokardiale SR ist die zeitliche Ableitung des St (3, 4)<br />
und wird in s -1 angegeben (Abbildung 7B). Die SR bezeichnet<br />
die Geschwindigkeit (Rate) der Myokardverformung, die<br />
beschreibt, wie schnell sich ein Myokardsegment verkürzt oder<br />
streckt. Im Vergleich zum TDI-Verfahren liefern das St- und das<br />
SR-Imaging genaue Werte der lokalen Myokardverformung<br />
und unterscheiden dadurch zwischen aktiver und passiver<br />
Myokardbewegung (3, 4). Dagegen können die mit dem<br />
Gewebedoppler bestimmten Myokardgeschwindigkeiten nicht<br />
zwischen aktiv kontrahierendem Myokard und passiver<br />
Bewegung infolge der mechanischen Herzverschiebung und<br />
so genannter Verziehungseffekte („tethering effects“) unterscheiden.<br />
Regionale systolische St- und SR-Messungen haben<br />
sich bereits erfolgreich als aussagekräftige und sensitive nichtinvasive<br />
Indikatoren der Herzmuskelkontraktilität erwiesen<br />
(Abbildung 8), und darüber hinaus gelten diese Indikatoren<br />
auch als sensitive und aussagekräftige Parameter zur Messung<br />
der myokardialen Synchronizität (3, 8).<br />
Zu beachten ist allerdings, dass das St- und das SR-Imaging<br />
einige erhebliche Grenzen aufweisen, die einem hohen<br />
Fehlinterpretationsrisiko zugrunde liegen. Dazu gehören die<br />
Winkelabhängigkeit (wie bei der TDI-Technik), eine geringe<br />
Signal/Geräusch-Rate (insbesondere beim SR-Imaging) und<br />
zahlreiche Formen von Artefakten aufgrund von stationären<br />
Reverberationen (Wiederholungsartefakte), Dropout-Zonen<br />
und einer geringen lateralen Auflösung. Diese Artefakte können<br />
den falsch-positiven Befund einer regionalen myokardialen<br />
Akinesie oder Dyskinesie hervorrufen. St- und SR-Kurven<br />
müssen deshalb stets sehr vorsichtig und nach Möglichkeit<br />
von einem erfahrenen Untersucher interpretiert werden,<br />
wobei stets die Ausrichtung zur Ultraschallebene und die<br />
Lokalisierung des untersuchten Areals während des Herzzyklus<br />
zu beachten sind. Myokardsegmente mit offensichtlichen<br />
Artefakten sollten stets von der post-prozessualen<br />
Analyse ausgenommen werden.<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 13
Abbildung 9.<br />
Beispiel für physiologische linksventrikuläre (LV) Rotationsprofile, aufgezeichnet in sechs apikalen Myokardsegmenten mit Hilfe der<br />
zweidimensionalen Speckle Tracking Echokardiographie bei einem gesunden Hund (rechter parasternaler apikaler Kurzachsenblick).<br />
Die Software hat automatisch sechs äquidistante Myokardsegmente innerhalb des interventrikulären Septums und der freien LV-<br />
Wand definiert. Abbildung 9 zeigt rechts die sechs korrespondierenden linksventrikulären apikalen Rotationskurven gegen die<br />
Zeitkurven, und die orangefarbene gepunktete Linie zeigt die gemittelte linksventrikuläre Rotationskurve gegen die Zeitkurve der<br />
sechs Segmente. Von der Apex aus betrachtet durchlaufen die sechs Myokardsegmente eine homogene systolische Wringbewegung<br />
mit initialer Rotation im Uhrzeigersinn (negative Rotation), gefolgt von einer dominanten Rotation gegen den Uhrzeigersinn<br />
(positive Rotation). Dieses Phänomen kann auch in 2D farbkodierten Projektionen (links) gesehen werden, die eine Rotation im<br />
Uhrzeigersinn (rot) und anschließend im Gegenuhrzeigersinn (blau) in der Frühsystole bzw. Endsystole (ES) zeigen.<br />
Zweidimensionale Speckle<br />
Tracking Echokardiographie<br />
Die 2D STE ist eine der neuesten Entwicklungen im Bereich der<br />
kardiologischen Sonographie. Das Verfahren dient der gleichzeitigen<br />
Beurteilung der regionalen Myokardfunktion in mehreren<br />
Segmenten (5-7). Die STE basiert auf der Bildung so genannter<br />
„Speckles“ (Gewebereflexionsmuster) durch Reflexion,<br />
Streuechos und Interferenzen zwischen Gewebe und Ultraschallwellen<br />
bei der routinemäßigen 2D Graustufen-Echokardiographie<br />
(5-7). Im 2D-Modus erscheinen diese Speckles<br />
als kleine, helle, homogen im Myokard verteilte Elemente. Es<br />
handelt sich um natürliche akustische Gewebemarker, die von<br />
Bild zu Bild über den Herzzyklus hinweg verfolgt („tracked“)<br />
werden können. Die 2D STE ermöglicht somit eine Dopplerunabhängige<br />
Beurteilung der regionalen (segmentalen) Myokardbewegung<br />
(Geschwindigkeit, Rotation, St und SR) durch das<br />
Herausfiltern dieser zufälligen Speckles mit anschließender Autokorrelation<br />
zur Beurteilung der Bewegung stabiler Strukturen.<br />
Einer der Hauptvorteile des 2D STE-Verfahrens gegenüber<br />
Doppler-basierten Techniken wie dem Gewebedoppler (TDI)<br />
oder anderen TDI-basierten Techniken (St- und SR-Imaging) ist<br />
die Unabhängigkeit von der mechanischen Herzverschiebung<br />
und dem Schallwinkel. Bei den letztgenannten Verfahren<br />
kann eine inkorrekte Ausrichtung der Ultraschallebene zur<br />
Myokardwandbewegung zu substanziellen Fehlern führen<br />
(Unterschätzung von Geschwindigkeit, St und SR). Beim 2D STE<br />
besteht diese Gefahr dagegen nicht. Ein weiterer Vorteil des 2D<br />
STE ist die Möglichkeit der direkten Messung des Myokard-<br />
Displacements (Lageverschiebung von Myokardregionen),<br />
wohingegen bei den Doppler-basierten Techniken sämtliche<br />
Messungen in Bezug zu einem externen Punkt, zum Beispiel<br />
der Transducersonde, erfolgen.<br />
Unsere Forschungsgruppe hat gezeigt, dass die 2D STE eine<br />
wiederholbare und reproduzierbare Methode zur Beurteilung<br />
der radialen linksventrikulären St und SR beim wachen Hund<br />
ist. Darüber hinaus korrelieren diese Doppler-unabhängigen<br />
Messungen gut mit den Ergebnissen der TDI-basierten<br />
Techniken, zumindest in gesunden Myokardsegmenten (6).<br />
Ungeklärt bleibt zunächst jedoch, welche dieser Techniken<br />
tatsächlich am besten geeignet ist, insbesondere hinsichtlich der<br />
Sensitivität beim Nachweis einer myokardialen Dysfunktion.<br />
Eine andere Studie (7) zeigt, dass die 2D STE auch eine<br />
wiederholbare und reproduzierbare nicht-invasive Beurteilung<br />
14 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
NEUE TECHNIKEN DER ECHOKARDIOGRAPHIE UND DOPPLER-SONOGRAPHIE<br />
der systolischen linksventrikulären Wringbewegung beim<br />
wachen Hund gestattet (Abbildung 9). Die maximalen basalen<br />
und apikalen systolischen LV-Rotationen und die systolische<br />
globale LV-Torsion, definiert als apikale Rotation relativ zur<br />
Basis, sind bei Hunden mit Hypokinesie nachweislich verändert<br />
(7). Ähnliche Veränderungen der systolischen LV-Wringbewegung<br />
wurden auch bei Menschen mit verschiedenen<br />
Herzerkrankungen (DCM und Myokardinfarkt) gefunden und<br />
könnten unter diesen pathologischen Bedingungen zu einem<br />
gewissen Maß zur Reduktion des Schlagvolumens beitragen.<br />
Ähnlich wie die anderen drei Ultraschallmethoden unterliegt<br />
auch die 2D STE einigen technischen Grenzen. Dazu gehört das<br />
Misslingen zuverlässiger und aussagekräftiger STE-Messwerte<br />
hauptsächlich aufgrund von Reverberationsartefakten (Wiederholungsartefakte)<br />
und Dropouts und darüber hinaus auch<br />
aufgrund der Verwendung von Kurzachsenbildern für die<br />
Analyse (6). Im letzteren Fall kann die longitudinale Myokardbewegung<br />
dazu führen, dass Speckles sich in die Bildebene<br />
hinein oder aus dieser heraus bewegen, und auf diese Weise die<br />
Zuverlässigkeit und die Möglichkeit der Speckleverfolgung<br />
(„speckle tracking“) beeinträchtigen.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Doppler<br />
Imaging Techniken, wie zum Beispiel der Gewebedoppler (TDI)<br />
oder das St- und das SR-Imaging, eröffnen neue Wege einer<br />
nicht-invasiven Beurteilung der regionalen (segmentalen)<br />
Myokardfunktion bei Kleintieren. Die Doppler-unabhängige 2D<br />
STE Technik bietet sich als Ergänzung oder Alternative zum<br />
Gewebedoppler oder anderen TDI-basierten Techniken an. Sie<br />
dient der Quantifizierung der myokardialen Synchronizität und<br />
darüber hinaus auch der Beurteilung des komplexen Musters<br />
der regionalen (segmentalen) Myokardbewegung, einschließlich<br />
der LV-Wringbewegung. Die kombinierte Anwendung<br />
dieser Bild gebenden Techniken mit ihrer für die routinemäßige<br />
klinische Anwendung ausreichend hohen Wiederholbarkeit<br />
und Reproduzierbarkeit liefert dem Untersucher ergänzende,<br />
und weit über die konventionelle Echokardiographie hinausreichende,<br />
Informationen. Weitere Studien an umfangreicheren<br />
Populationen erkrankter Tiere sind nun notwendig,<br />
um die komparative klinische Relevanz dieser neuen Bild<br />
gebenden Verfahren und darüber hinaus ihren potenziellen<br />
Zusatznutzen für Prognose und Therapie zu bestimmen.<br />
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Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 15
Interventionelle Therapie<br />
kardiovaskulärer<br />
Erkrankungen<br />
Suzanne Cunningham, DVM, Dipl. ACVIM<br />
(Kardiologie)<br />
Department of Clinical Sciences, Tufts Cummings<br />
School of Veterinary Medicine, North Grafton, USA<br />
Dr. Cunningham ist Professorin für Kardiologie an der Tufts<br />
Cummings School of Veterinary Medicine in North Grafton,<br />
MA. Sie schloss ihr Studium 2003 an der <strong>Co</strong>rnell University<br />
mit dem Grad eines DVM ab und absolvierte ein Internship<br />
im Bereich Small Animal Medicine sowie eine Residency im<br />
Bereich Kardiologie an der Tufts Cummings School of Veterinary<br />
Medicine. Vor kurzem erhielt Suzanne Cunningham die<br />
Board Certification (Diplomate) des American <strong>Co</strong>llege of<br />
Veterinary Internal Medicine (Kardiologie). Schwerpunkte<br />
ihrer aktuellen wissenschaftlichen Tätigkeit sind die<br />
interventionelle Kardiologie und neue Therapien der<br />
Kardiomyopathie und der kongestiven Herzinsuffizienz.<br />
John Rush, DVM, MS, Dipl. ACVIM<br />
(Kardiologie), Dipl. ACVECC<br />
Department of Clinical Sciences, Tufts Cummings,<br />
School of Veterinary Medicine, North Grafton, USA<br />
Dr. Rush ist Professor an der Tufts Cummings School of<br />
Veterinary Medicine in North Grafton, MA. Er ist Diplomate<br />
des American <strong>Co</strong>llege of Veterinary Internal Medicine<br />
(Kardiologie) und Diplomate des American <strong>Co</strong>llege of<br />
Veterinary Emergency and Critical Care. Er erhielt den Grad<br />
des DVM und einen Master’s Degree an der Ohio State<br />
University, absolvierte ein Internship am Animal Medical<br />
Center in New York, sowie eine Residency an der<br />
University of Wisconsin-Madison. Dr. Rush ist Autor<br />
mehrerer Veröffentlichungen in den Bereichen Kardiologie<br />
und Notfall-/Intensivmedizin.<br />
Einleitung<br />
Die Einführung minimal-invasiver, katheterbasierter Interventionen<br />
hat die Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen<br />
beim Menschen revolutioniert, und auch in der Veterinärmedizin<br />
werden so genannte Transkatheterinterventionen<br />
immer üblicher. Mit Hilfe von Transkatheterinterventionen<br />
können verschiedene kongenitale und erworbene kardiale<br />
Defekte unter Vermeidung der mit chirurgischen Eingriffen<br />
einhergehenden Morbidität und Mortalität durchgeführt<br />
werden. Seit der ersten Ballonvalvuloplastie bei einer Bulldogge<br />
im Jahr 1980 hat sich der Anwendungsbereich dieser Technologie<br />
erheblich erweitert und umfasst heute zahlreiche neue<br />
Verfahren. Interventionelle Maßnahmen werden heute häufig<br />
und erfolgreich in der Behandlung des persistierenden Ductus<br />
arteriosus botalli, der Pulmonalstenose, atrioventrikulärer<br />
Klappenstenosen, Gefäßstenosen, atrialer und ventrikulärer<br />
Septumdefekte, Herzwurmerkrankungen und lebensbedrohlicher<br />
Bradyarrhythmien eingesetzt, für Erkrankungen also, die<br />
früher ausschließlich auf chirurgischem Wege mit beträchtlicher<br />
Morbidität und Mortalität behandelbar waren. Der Schwerpunkt<br />
dieses Artikels liegt auf der Präsentation der am<br />
häufigsten eingesetzten interventionellen Maßnahmen in der<br />
Behandlung kongenitaler und erworbener kardiovaskulärer<br />
Erkrankungen bei Hund und Katze.<br />
Ductus arteriosus persistens<br />
Der Ductus arteriosus persistens (DAP) ist einer der häufigsten<br />
kongenitalen Herzfehler beim Hund, und kommt bei der Katze<br />
nur sehr selten vor. Ein ausbleibender Verschluss des Ductus führt<br />
zu einem Links-Rechts-Shunt mit daraus folgender pulmonaler<br />
Hyperperfusion, Kardiomegalie, Lungengefäß-schädigung und<br />
einer kongestiven Herzinsuffizienz (KHI), die sich bei betroffenen<br />
Patienten im typischen Fall im Alter von etwa einem Jahr<br />
entwickelt. Klassische diagnostische Befunde bei DAP mit Links-<br />
Rechts- Shunt sind ein kontinuierliches Herzgeräusch über<br />
der linken Herzbasis und ein hyperdynamischer arterieller<br />
Puls. Thoraxröntgenaufnahmen lassen eine pulmonale Hyperperfusion<br />
erkennen. Echokardiographische Befunde zeigen<br />
eine Volumenüberladung zum linken Herzen und einen aus der<br />
Verbindung des Ductus arteriosus stammenden, kontinuierlichen,<br />
turbulenten Blutfluss in die Hauptlungenarterie.<br />
16 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
Abbildung 1.<br />
Embolisations-<strong>Co</strong>ils verschiedener Größen aus rostfreiem Stahl. Die Thrombenbildung wird stimuliert durch die in die <strong>Co</strong>ils eingeflochtenen<br />
Dacron-Fasern.<br />
Aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit eines Fortschreitens<br />
der kongestiven Herzinsuffizienz, wird bei diesen Patienten<br />
praktisch ausnahmslos ein Verschluss des DAP empfohlen.<br />
Der Transkatheterverschluss des DAP ist eine minimal-invasive<br />
Alternative zur offenen chirurgischen Ligatur. Dieses Verfahren<br />
umgeht die Notwendigkeit einer Thorakotomie und die damit<br />
einhergehende chirurgische Morbidität. Die in erfahrenen<br />
Händen durchaus erfolgreiche chirurgische DAP-Ligatur über<br />
eine Thorakotomie birgt stets das Risiko einer katastrophalen<br />
Blutung durch Zerreißen des Ductus. Beschrieben wird eine<br />
chirurgische Mortalität zwischen 4 und 10%. Der Transkatheterverschluss<br />
des DAP erfolgt über eine Embolisation mit Hilfe<br />
so genannter „<strong>Co</strong>ils“ (Spiralfedern) oder das Einsetzen<br />
verschiedener selbstexpandierender Okklusionsinstrumente<br />
für Menschen (1) oder Hunde (2).<br />
Bei der so genannten <strong>Co</strong>il-Okklusion werden die embolisierenden<br />
<strong>Co</strong>ils über einen Katheter in das Lumen des zu<br />
Abbildung 2.<br />
Laterale selektive Angiogramme einer jungen Papillon-Hündin<br />
mit persistierendem Ductus arteriosus (PDA). In der linken<br />
Abbildung wird das Kontrastmittel in die absteigende Aorta<br />
injiziert, und der Blutstrom durch den PDA und in die<br />
Hauptlungenarterie wird dokumentiert. Das rechte Angiogramm<br />
wurde nach Einbringung eines <strong>Co</strong>ils in den PDA angefertigt und<br />
bestätigt dessen vollständigen Verschluss.<br />
verschließenden Gefäßes eingebracht (Abbildung 1). Die<br />
<strong>Co</strong>ils bestehen aus Metall (z.B. rostfreier Stahl a ) und sind so<br />
konstruiert, dass sie nach der Entlassung aus dem Katheterlumen<br />
eine helikale Struktur annehmen. Eingeflochten in<br />
den <strong>Co</strong>ils befinden sich synthetische Dacron-Fasern, die die<br />
Thrombenbildung stimulieren. Der Zugang zum DAP erfolgt<br />
meist über die aufsteigende Aorta (Aorta ascendens) ausgehend<br />
von der A. femoralis. Mit Hilfe einer selektiven Angiographie<br />
erfolgen zunächst eine radiographische Darstellung der<br />
Ductusanatomie und eine Vermessung des minimalen Ductusdurchmessers,<br />
um die Eignung der Situation für eine <strong>Co</strong>il-<br />
Okklusion zu beurteilen und im positiven Falle <strong>Co</strong>ils der richtigen<br />
Größe auszuwählen. Nach der Entlassung und Entfaltung des<br />
<strong>Co</strong>ils im Zielgefäß führt die anschließende Thrombenbildung zu<br />
einem Verschluss des Ductus und damit zur Unterbindung des<br />
abnormen Blutflusses (Abbildung 2). Eine erfolgreiche <strong>Co</strong>il-<br />
Platzierung wird in der Regel in 85-90% aller Versuche einer<br />
<strong>Co</strong>il-Embolisation erreicht. Ein Jahr nach dem Verschluss ist<br />
eine vollständige Unterbindung des duktalen Blutflusses bei<br />
mindestens 60% der Patienten zu beobachten (3). Hunde,<br />
die nach einer <strong>Co</strong>il-Okklusion weiterhin einen persistierenden<br />
Blutfluss durch den PDA aufweisen, haben in der Regel<br />
hämodynamisch unbedeutende, residuale Shunt-Volumina und<br />
benötigen nur in seltenen Fällen einen zweiten Eingriff, um einen<br />
vollständigen Verschluss zu erreichen (3). Risiken der <strong>Co</strong>il-<br />
Embolisation sind Blutungen, Perforationen großer Gefäße,<br />
Infektion, Hämolyse und am häufigsten die Embolisation<br />
von <strong>Co</strong>ils in den pulmonalen oder systemischen Kreislauf.<br />
Eine pulmonale Embolisation von ein bis zwei kleineren bis<br />
mittelgroßen <strong>Co</strong>ils wird im Allgemeinen gut toleriert, und eine<br />
Entfernung von <strong>Co</strong>ils aus dem Lungenkreislauf ist meist nicht<br />
notwendig und in der Regel eher kontraindiziert. Beschrieben<br />
wird eine erfolgreiche <strong>Co</strong>il-Embolisation eines PDA bei der<br />
Katze über einen retrograden, transvenösen Zugang (4).<br />
Schwieriger zu erreichen ist eine erfolgreiche <strong>Co</strong>il-Embolisation<br />
bei Hunden mit großem PDA und bei Hunden ohne Verengung<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 17
Abbildung 3.<br />
Selbstexpandierendes, mehrschichtiges Nitinol-Netz für den<br />
Verschluss eines persistierenden Ductus arteriosus (PDA), vollständig<br />
entfaltet am Einbringungskatheter. Während der eigentlichen<br />
Einbringung, wird der Einbringungskatheter durch die Aorta<br />
und den PDA vorgeführt und in der Hauptlungenarterie platziert.<br />
Die flache distale Scheibe wird zuerst in der Lungenarterie platziert,<br />
und anschließend wird der Einbringungskatheter vorsichtig in den<br />
PDA zurückgezogen, um die distale Scheibe im pulmonalen Ostium<br />
des PDA zu platzieren. Die proximale Scheibe wird dann im<br />
Ductuslumen platziert und das Implantat wird vom Einführungsdraht<br />
abgekoppelt.<br />
im Übergangsbereich zwischen Ductus und Pulmonalarterie.<br />
Einige Veterinärkardiologen sprechen sich gegen eine <strong>Co</strong>il-<br />
Okklusion aus, wenn der geringste Durchmesser des PDA mehr<br />
als 0,5 cm misst. In der Humanmedizin stehen verschiedene<br />
selbstexpandierende Occluder für den Transkatheterverschluss<br />
großer PDA zur Verfügung, und seit kurzer Zeit ist ein speziell<br />
für Hunde entwickelter Occluder b kommerziell erhältlich<br />
(Abbildung 3). Die ersten Erfahrungen mit diesem caninen<br />
Occluder sind sehr viel versprechend. Beschrieben werden<br />
ein erfolgreicher Verschluss großer PDA und unmittelbare,<br />
vollständige Verschlussraten von 94% (2) (Abbildung 4). Im<br />
Vergleich hierzu liegen die unmittelbaren Verschlussraten<br />
bei Verwendung der Techniken der <strong>Co</strong>il-Embolisation bei<br />
lediglich 34% (3).<br />
Pulmonalstenose<br />
Die Pulmonalstenose ist ein weiterer häufiger kongenitaler<br />
Herzdefekt beim Hund. Die Einengung des Ausflusstraktes<br />
von der rechten Herzkammer hin zur Lungenschlagader kann<br />
subvalvulär, valvulär oder supravalvulär lokalisiert sein. Die<br />
valvuläre Stenose ist gekennzeichnet durch dysplastische,<br />
verdickte, miteinander verwachsene und unbewegliche<br />
Pulmonalklappensegel. Es handelt sich um die häufigste<br />
Manifestation dieser Erkrankung und zudem um die für eine<br />
Ballonvalvuloplastie am besten zugängliche Form. Hunde<br />
mit Pulmonalstenose zeigen im typischen Fall ein lautes,<br />
systolisches Ejektionsgeräusch über der linken Herzbasis<br />
und unterschiedliche Grade einer rechtsventrikulären (RV)<br />
Hypertrophie. Objektiv zu beurteilen ist der Grad der Erkrankung<br />
durch eine Messung des Doppler-Druckgradienten an<br />
Abbildung 4.<br />
Postoperative rechtslaterale Röntgenaufnahme einer adulten<br />
Springer Spaniel Hündin mit Kardiomegalie und persistierendem<br />
Ductus arteriosus (PDA). Ein Doppelscheiben- (bzw. Doppelschirm-)<br />
Occluder aus einem Nitinoldrahtgeflecht für Hunde wurde<br />
im PDA platziert. Bei diesem Hund kam es nach der Platzierung<br />
des Occluders zu einer vollständigen Unterbindung des PDA-<br />
Blutflusses und einer Remission der kongestiven Herzinsuffizienz.<br />
der Pulmonalklappe in Kombination mit dem Grad der RV-<br />
Hypertrophie, der Vergrößerung des rechten Atriums, der<br />
Trikuspidalklappenregurgitation und dem Vorhandensein oder<br />
Fehlen von entweder Herzarrhythmien oder entsprechenden<br />
klinischen Symptomen. Hunde mit Druckgradienten an der<br />
Pulmonalklappe von < 50 mmHg haben nach allgemeiner<br />
Einschätzung in der Regel eine geringgradige Erkrankung<br />
und können auch ohne Intervention asymptomatisch bleiben.<br />
Dagegen zeigen Hunde mit hochgradiger Erkrankung (Doppler-<br />
Druckgradient >100 mmHg) mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
klinische Symptome einer Rechtsherzinsuffizienz, Arrhythmien,<br />
Synkopen oder plötzliche Todesfälle und rechtfertigen ein<br />
frühzeitiges therapeutisches Eingreifen mittels Chirurgie oder<br />
Valvuloplastie. Die Ballonvalvuloplastie gilt gegenwärtig als<br />
die Behandlungsmethode der Wahl bei diesen Hunden. Ziel<br />
ist es, klinische Symptome zu verhindern oder zu lindern.<br />
Bei der pulmonalen Ballonvalvuloplastie wird ein im Pulmonalklappenring<br />
an der Stelle der Stenose eingeführter Ballondilatationskatheter<br />
aufgepumpt (Abbildung 5). Die Größe des<br />
Ballons wird bestimmt durch den Durchmesser des Pulmonalklappenrings<br />
und der Aorta. Im typischen Fall wird eine<br />
Ballonweite vom 1,2 bis 1,4 fachen des Durchmessers des<br />
Pulmonalklappenrings oder dem ungefähren Durchmesser<br />
des normalen Aortenklappenrings gewählt (5). Bei kleineren<br />
Hunden kann es schwierig sein, ein Einführbesteck bzw. einen<br />
Dilatationskatheter eines ausreichend großen Durchmessers<br />
durch die Jugular- oder Femoralvene einzuführen. Eine<br />
mögliche Alternative in diesen Fällen ist die Doppelballontechnik,<br />
bei der zwei kleinere, jeweils über die Jugularvene und<br />
die Femoralvene eingeführte Ballonkatheter simultan aufgepumpt<br />
werden, um einen insgesamt größeren Ballondurchmesser<br />
zu erreichen (5).<br />
18 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
INTERVENTIONELLE THERAPIE KARDIOVASKULÄRER ERKRANKUNGEN<br />
Sofortreduktion des Druckgradienten um 46% und zu einer<br />
anhaltenden klinischen Besserung bei 80% aller zuvor<br />
symptomatischen Hunde (8).<br />
Abbildung 5.<br />
Laterale fluoroskopische Aufnahmen während einer pulmonalen<br />
Ballonvalvuloplastie bei einer sieben Monate alten Boxerhündin<br />
mit Pulmonalklappenstenose. Eine transösophageale Ultraschallsonde<br />
ist im Ösophagus zu erkennen. Bei der runden Struktur in der<br />
linken unteren Bildecke handelt es sich um ein Zehncentstück zur<br />
Standardisierung der Herzmessungen. Ein durch das rechte Atrium<br />
und den rechten Ventrikel geführter und in die Hauptlungenarterie<br />
eintretender Führungsdraht ist zu erkennen. Der Ballondilatationskatheter<br />
ist in beiden Aufnahmen im Bereich der stenotischen<br />
Pulmonalklappe positioniert. Die in der linken Aufnahme zu<br />
erkennende Einziehung im partiell aufgepumpten Ballon wird<br />
durch die stenotischen Pulmonalklappensegel hervorgerufen. Im<br />
rechten Bild ist der Ballon vollständig aufgepumpt, und die<br />
Einziehung ist nicht mehr vorhanden. Die Klappenstenose konnte<br />
erfolgreich behandelt werden mit einer 65%igen Reduktion des<br />
transvalvulären Druckgradienten nach drei aufeinander folgenden<br />
Inflationen des Ballons.<br />
Die am besten geeigneten Kandidaten für eine Valvuloplastie<br />
sind Hunde mit dysplastischen Pulmonalklappensegeln und<br />
einem Pulmonalklappenring normaler Größe. Hunde mit einem<br />
fibrotischen subvalvulären Ring und Hunde mit begleitender<br />
Hypoplasie des Pulmonalklappenrings (gekennzeichnet durch<br />
ein Aorta:Pulmonalarterien-Verhältnis von > 1,2) haben eine<br />
unsicherere Prognose (6). Bulldoggen, Boxer und einige andere<br />
Rassen (z.B. Beagle, Bison Frisé) können eine durch eine<br />
abnorme Koronararterie (die so genannte R2A Koronaranomalie)<br />
komplizierte Pulmonalstenose aufweisen, bei der<br />
eine einzige rechte Koronararterie einen Ast entlässt, der den<br />
RV-Ausflusstrakt zirkumferrent umschließt. Der Versuch einer<br />
Valvuloplastie dieser Form der Pulmonalstenose kann infolge<br />
des Zerreißens dieses zirkumferrent um den pulmonalen<br />
Ausflusstrakt verlaufenden Koronararterienastes zu einer tödlichen<br />
Blutung führen (7). Bis zu 20% aller Hunde mit Pulmonalstenose<br />
weisen begleitend einen atrialen Septumdefekt oder<br />
ein persistierendes Foramen ovale auf. Mögliche Folge ist<br />
eine Hypoxämie infolge des erhöhten Rechts-Links-Shuntings<br />
während der Ballonvalvuloplastie. Um diese potenziell komplikativen<br />
Läsionen zu identifizieren, sollten die Herzanatomie<br />
und die Anatomie der Koronararterien im Vorfeld einer<br />
Ballonvalvuloplastie zunächst sehr sorgfältig mit Hilfe der<br />
Echokardiographie und/oder einer selektiven Angiographie<br />
untersucht werden. Berichten zufolge hat der Eingriff eine<br />
Gesamterfolgsrate von über 90% und führt zu einer mittleren<br />
Subaortenstenose<br />
Aortenstenosen entstehen überwiegend durch eine subvalvuläre<br />
Obstruktion infolge einer fibrotischen Gewebeleiste im linksventrikulären<br />
Ausflusstrakt. Die valvuläre Aortenstenose<br />
(Aortenklappenstenose) kommt beim Hund nur selten vor.<br />
Typische klinische Befunde sind ein lautes und über der linken<br />
und rechten Herzbasis besonders gut zu hörendes systolisches<br />
Ejektionsgeräusch, ein schwacher arterieller Puls und ein<br />
prominenter linksventrikulärer (LV) apikaler Impuls. Die<br />
stenotische Läsion führt zu einer Drucküberladung des linken<br />
Ventrikels und zu charakteristischen echokardiographischen<br />
Befunden einer konzentrischen LV-Hypertrophie, oft einhergehend<br />
mit echoreichen Regionen im Bereich der Papillarmuskeln<br />
und des Subendokards, die eine Widerspiegelung der<br />
Gewebehypoxie, Ischämie und der daraus folgenden Fibrose<br />
darstellen. Die Schädigung und die Hypoxie des Myokards<br />
können auch zu elektrokardiographischen Anomalien führen,<br />
wie zum Beispiel typischen Mustern einer LV-Vergrößerung,<br />
einer Senkung des ST-Segments und ventrikulären Arrhythmien.<br />
Der Schweregrad der Subaortenstenose (SAS) wird, zum<br />
Teil anhand des echokardiographisch gemessenen Doppler-<br />
Druckgradienten an der Aortenklappe kategorisiert. Hochgradig<br />
betroffene Hunde mit transvalvulären Druckgradienten<br />
über 80-100 mmHg an der Aortenklappe können Herzarrhythmien,<br />
eine bakterielle Endokarditis der Aortenklappe,<br />
Synkopen, Linksherzinsuffizienz oder plötzliche Todesfälle<br />
entwickeln. Der Vorbericht von Patienten mit Subaortenstenose<br />
beinhaltet plötzliche Todesfälle bei mindestens einem von fünf<br />
hochgradig betroffenen Hunden, und die durchschnittliche<br />
Überlebenszeit von Hunden mit hochgradiger SAS reicht<br />
von 19 bis 56 Monaten (9).<br />
Die Ballonvalvuloplastie zeigt in der Behandlung der Aortenstenose<br />
geringere Erfolge als bei der Behandlung der Pulmonalstenose.<br />
Auch wenn der Eingriff zunächst eine unmittelbare<br />
Reduzierung des aortalen Ausstromgradienten hervorrufen<br />
mag, so zeigt eine Retrospektivanalyse der Krankheitsverläufe<br />
bei hochgradig erkrankten Hunden keine Unterschiede der<br />
Überlebenszeit zwischen Hunden, die mittels Valvuloplastie<br />
behandelt wurden und Hunden, die medikamentös mit dem<br />
Beta-Blocker Atenolol behandelt wurden (9). Die Gründe, aus<br />
denen eine Valvuloplastie bei Hunden mit hochgradiger SAS<br />
keine Vorteile bringt, sind weitgehend unbekannt. Eine Studie<br />
über Hunde mit SAS, die einer offenen chirurgischen Resektion<br />
eines subaortalen fibrotischen Rings unterzogen wurden, zeigt<br />
ebenfalls keine Vorteile dieser Behandlungsoption im Hinblick<br />
auf die Überlebenszeiten (10).<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 19
Abbildung 6.<br />
Rechte parasternale transthorakale echokardiographische Längsachsenansicht<br />
bei einem Hund mit atrialem Septumdefekt (ASD).<br />
Ein Vorhofseptum-Occluder wurde im interatrialen Septum<br />
positioniert und ist in der Aufnahme als helle, echoreiche Doppelscheibenstruktur<br />
zwischen rechtem Atrium (RA) und linkem<br />
Atrium (LA) zu erkennen. LV = Linker Ventrikel, RV = Rechter<br />
Ventrikel. Die Aufnahme stammt aus der Texas A&M University.<br />
Bislang liegen keine Studien vor, die erkennen lassen, ob eine<br />
frühzeitige Intervention im Alter von einigen Monaten oder eine<br />
kombinierte Valvuloplastie und Beta-Blocker-Behandlung<br />
die klinischen Ergebnisse verbessern kann. Während also<br />
viele Kardiologen betroffenen Hunden routinemäßig Atenolol<br />
verabreichen, verfahren wir nach der Praxis, bestimmte<br />
Hunde anhand einiger Kriterien selektiv für eine aortale<br />
Ballonvalvuloplastie auszuwählen. So wird eine Ballonvalvuloplastie<br />
bei Hunden durchgeführt, deren Krankheitsbild<br />
eine Komponente einer valvulären Aortenstenose aufweist und<br />
bei Hunden mit einem dünnen fibrotischen subaortalen Ring<br />
und begrenzter Muskelhypertrophie des interventrikulären<br />
Septums. Sehr deutlich befürworten wir diesen Eingriff bei<br />
jungen Hunden, bevor sich ein ausgeprägtes Remodelling und<br />
eine ausgeprägte Fibrose des linken Ventrikels entwickelt<br />
haben. Nach unserer Erfahrung ist es deutlich einfacher, den<br />
subaortalen Ring mit Hilfe zweier kleinerer Ballons zu dilatieren<br />
(Doppelballontechnik), anstatt zu versuchen, die Obstruktion<br />
mit Hilfe eines einzigen, größeren Ballons zu beseitigen.<br />
Die Ballondilatation der Aortenklappe ist im Vergleich zur<br />
pulmonalen Ballonvalvuloplastie mit höheren Risiken verbunden<br />
und führt häufig zu schwereren Arrhythmien.<br />
Atriale Septumdefekte<br />
(Vorhofseptumdefekte)<br />
Atriale Septumdefekte (ASD) gehören zu den relativ seltenen<br />
Herzfehlern des Hundes. Beim Boxer, Dobermann, Samoyeden<br />
und Standard Pudel wird indes eine genetische Prädisposition<br />
beobachtet. Typische klinische Befunde eines ASD sind ein<br />
systolisches Ejektionsgeräusch einer funktionellen Pulmonalstenose<br />
und eine konstante Spaltung des zweiten Herztons.<br />
Während kleine ASD hämodynamisch unbedeutend sein<br />
können, führen große Defekte mit umfangreichem Links-<br />
Rechts-Shunt zu einer rechtsseitigen Volumenüberladung mit<br />
nachfolgender rechter Vorhof- und Hauptkammervergrößerung,<br />
pulmonaler Hypertonie, erhöhten Füllungsdrücken im rechten<br />
Vorhof und möglicherweise zur Entwicklung einer kongestiven<br />
Rechtsherzinsuffizienz. Die chirurgische Korrektur eines ASD<br />
erfordert einen kardiopulmonalen Bypass und ist mit nicht<br />
unerheblichen Risiken und Kosten verbunden. Beschrieben<br />
wird ein erfolgreicher Transkatheterverschluss von ASD<br />
vom Ostium secundum-Typ beim Hund unter Verwendung<br />
eines selbstexpandierenden Occluders zum Verschluss des<br />
Vorhofseptums (Double-disk septal occluder device c )(11, 12)<br />
(Abbildung 6). Eine im Vorfeld des Eingriffes durchzuführende<br />
transthorakale und transösophageale echokardiographische<br />
Beurteilung der anatomischen Verhältnisse des ASD ist<br />
entscheidend für die Bestimmung von Größe und Lage des<br />
Defektes und die Beantwortung der Frage, ob ein ausreichend<br />
breiter Rand interatrialen Septumgewebes vorhanden ist,<br />
um den Occluder zu halten, ohne umliegende Herzstrukturen<br />
zu beeinträchtigen. Tiere mit Eisenmenger-Physiologie,<br />
gekennzeichnet durch eine hochgradige pulmonale Hypertonie<br />
und einen mit einem umfangreichen Rechts-Links-Shunt<br />
einhergehenden Atrium- oder Ventrikelseptumdefekt, scheiden<br />
als Kandidaten für einen chirurgischen Verschluss oder eine<br />
Transkatheterokklusion aus.<br />
Ventrikelseptumdefekte<br />
Ventrikelseptumdefekte (VSD) gehören zu den häufigsten<br />
kongenitalen Defekten bei Katzen. Beschrieben wird zudem eine<br />
Prädisposition für VSD bei Hunden der Rassen English Springer<br />
Spaniel, Keeshond und Englische Bulldogge. Begleitet werden<br />
Ventrikelseptumdefekte von einem lauten, systolischen Herzgeräusch,<br />
das oft am deutlichsten über der rechten Brustwand<br />
am rechten kranialen Brustbeinrand zu auskultieren ist. Der<br />
Grad der mit einem VSD einhergehenden Kardiomegalie und<br />
pulmonalen Hyperperfusion ist abhängig von der Größe des<br />
Septumdefektes und der relativen <strong>Co</strong>mpliance (diastolische<br />
Dehnbarkeit) des rechten und linken Ventrikels. Kleinere,<br />
restriktive VSDs sind hämodynamisch oft unbedeutend und<br />
können lebenslang gut toleriert werden. Größere Defekte führen<br />
dagegen nicht selten zu beträchtlichen Links-Rechts-Shunts mit<br />
linksseitiger Volumenüberladung und Kammervergrößerung,<br />
Lungengefäßschäden und Linksherzinsuffizienz. Die chirurgische<br />
Palliation großer VSDs umfasst eine Korrektur des<br />
Defektes unter einem kardiopulmonalen Bypass oder ein<br />
zirkumferentes Banding der Hauptpulmonalarterie zur Reduktion<br />
des Volumens des Links-Rechts-Shunts und zur Verhinderung<br />
einer pulmonalen Hyperperfusion. Die chirurgischen<br />
Risiken und die postoperativen Beschwerden einer Thorako-<br />
20 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
INTERVENTIONELLE THERAPIE KARDIOVASKULÄRER ERKRANKUNGEN<br />
behandeln, da der expandierte Occluder mit der Funktion der<br />
Aortenklappe oder der Trikuspidalklappe interferieren kann.<br />
Ein membranöser Occluder für den Verschluss von VSD wurde<br />
kürzlich für die Anwendung bei humanen Patienten entwickelt<br />
und könnte zukünftig auch bei einer größeren Zahl veterinärmedizinischer<br />
Patienten zum Einsatz kommen. Die gegenwärtig<br />
verfügbaren Systeme zum Verschluss von Ventrikelseptumdefekten<br />
sind für Katzen nicht geeignet.<br />
Abbildung 7.<br />
Rechte laterale Thoraxröntgenaufnahme eines Hundes ein Jahr<br />
nach perkutaner Okklusion eines muskulären VSD. Zu erkennen<br />
ist der im interventrikulären Septum platzierte VSD-Occluder<br />
(Double-disk septal occluder). Die Aufnahme stammt von<br />
Dr. Marco Margiocco.<br />
tomie können gemindert werden, indem die Defektreparatur<br />
über einen perkutanen Zugang durchgeführt wird.<br />
Der Transkatheterverschluss geeigneter Defekte ist die Behandlung<br />
der Wahl bei humanen Patienten mit VSD, und wird<br />
auch bei Hunden beschrieben. Beschrieben wird eine katheterbasierte<br />
Okklusion kleiner VSDs beim Hund mit Hilfe so<br />
genannter abkoppelbarer Embolisations-<strong>Co</strong>ils (13). Große,<br />
nicht restriktive VSDs, die in ausreichendem Abstand zur<br />
Aortenklappe im muskulären Teil der Scheidewand liegen, sind<br />
potenzielle Kandidaten für einen Defektverschluss mit einem<br />
so genannten Double-disk septal Occluder C (14) (Abbildung 7).<br />
Eine transösophageale echokardiographische Untersuchung im<br />
Vorfeld des Eingriffes ist notwendig, um zu entscheiden, ob der<br />
Patient für einen Defektverschluss auf perkutanem Weg in Frage<br />
kommt. Leider kommen die hoch im membranösen Abschnitt<br />
des Septums gelegenen Defekte bei Hunden und Katzen<br />
häufiger vor. Defekte in dieser Lokalisation sind schwieriger zu<br />
Trikuspidalstenose<br />
Bei der Trikuspidalstenose handelt es sich um einen seltenen<br />
kongenitalen Defekt, der gekennzeichnet ist durch einen<br />
diastolischen Druckgradienten zwischen rechtem Atrium und<br />
rechtem Ventrikel, einer rechten Vorhofvergrößerung, einer<br />
atrialen Arrhythmie und möglicherweise einer rechtsseitigen<br />
Herzinsuffizienz. Eine Trikuspidalklappenstenose geht im<br />
typischen Fall mit einer Trikuspidalklappendysplasie einher,<br />
einer erblichen Erkrankung beim Labrador. Fehlt eine begleitende<br />
Klappeninsuffizienz, haben die betroffenen Hunde oft<br />
sehr leise oder vollständig fehlende Herzgeräusche, und die<br />
Erkrankung kann unbemerkt bleiben, bis sich klinische<br />
Symptome entwickeln. Die perkutane Ballonvalvuloplastie der<br />
Trikuspidalklappe mit einem oder zwei Ballons (Abbildung 8)<br />
erfolgt über einen Jugular- oder Femoralvenenzugang und kann<br />
zu einer signifikanten Abnahme des Druckgradienten an der<br />
Klappe führen, einhergehend mit einer deutlichen Besserung<br />
der Hämodynamik und der klinischen Symptome (15).<br />
Mitralstenose<br />
Die Mitralklappendysplasie und –stenose (MS) ist ein seltener<br />
kongenitaler Defekt mit rassespezifischer Prädisposition beim<br />
Neufundländer und beim Bullterrier. Betroffene Hunde zeigen<br />
im typischen Fall klinische Symptome einer Leistungsintoleranz,<br />
Synkopen und Anzeichen einer kongestiven Herzinsuffizienz,<br />
und die meisten caninen Patienten mit Mitralklappenstenose<br />
überleben maximal bis zu einem Alter von zwei bis drei Jahren<br />
(16). Die perkutane Mitralvalvuloplastie ist die Behandlung der<br />
Abbildung 8.<br />
Laterale fluoroskopische Aufnahmen eines jungen Labradors mit<br />
Trikuspidalklappendysplasie und Trikuspidalklappenstenose.<br />
Durchgeführt wurde eine Ballonvalvuloplastie der stenotischen<br />
Trikuspidalklappe mit Hilfe der Doppelballontechnik. Zwei<br />
Führungsdrähte sind erkennbar in der V. cava cranialis, im rechten<br />
Atrium, im rechten Ventrikel und in die Pulmonalarterie eintretend.<br />
Zwei Ballondilatationskatheter wurden über die Führungsdrähte<br />
eingeführt und sind in der Trikuspidalklappenöffnung zu erkennen.<br />
In der linken Aufnahme ist eine durch die stenotischen Trikuspidalklappensegel<br />
hervorgerufene Einziehung im mittleren<br />
Abschnitt der simultan aufgepumpten Ballons zu erkennen. In<br />
der rechten Aufnahme sind beide Ballons vollständig inflatiert,<br />
und die nicht mehr vorhandene Einziehung weist auf eine<br />
erfolgreiche Dilatation der Stenose hin.<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 21
Wahl bei humanen Patienten mit symptomatischer Mitralstenose.<br />
Dieser bislang nur einmal beim Hund beschriebene<br />
Eingriff (17) ist schwieriger als andere Formen der Valvuloplastie,<br />
da der Zugang zum linken Atrium eine transseptale<br />
Punktion erfordert. Valvuläre und supravalvuläre Mitralstenosen<br />
kommen auch bei der Katze vor, eine Mitralvalvuloplastie<br />
wird bei dieser Spezies jedoch nicht beschrieben.<br />
<strong>Co</strong>r triatriatum<br />
Das <strong>Co</strong>r triatriatum dexter und das <strong>Co</strong>r triatriatum sinister sind<br />
gekennzeichnet durch eine perforierte oder nicht perforierte<br />
fibrotische Membran, die das rechte bzw. das linke Atrium in<br />
eine proximale und eine distale Kammer unterteilt. Die klinische<br />
Manifestation ist abhängig von der Lokalisation der Membran<br />
und dem Ausmaß der Kommunikation zwischen proximaler<br />
und distaler Kammer. Der Anstieg des Füllungsdrucks in der<br />
proximalen Kammer führt zu Symptomen einer kongestiven<br />
Herzinsuffizienz. Ein <strong>Co</strong>r triatriatum dexter kann palliativ<br />
behandelt werden durch eine perkutane Ballondilatation der<br />
abnormen Membran, mit dem Ziel, den Druckgradienten<br />
zwischen proximaler und distaler Kammer des rechten Atriums<br />
zu verringern (18). Eine Ballondilatation des <strong>Co</strong>r triatriatum<br />
sinister erfolgt über eine transseptale Punktion, um einen<br />
Zugang zum linken Vorhof zu erhalten, sie wird bei Kleintieren<br />
bislang jedoch nicht beschrieben.<br />
Kongenitale und erworbene Vena-cava-<br />
Stenosen<br />
Stenosen oder Strikturen der Vena cava können als kongenitale<br />
Defekte auftreten oder als erworbene, sekundäre Folge einer<br />
Endothelschädigung durch kardiovaskuläre Instrumente oder<br />
Zentralvenenkatheter. Die funktionellen Folgen einer Vena-cava<br />
Stenose hängen von der Lokalisation und dem Grad der Stenose<br />
ab. Die Behandlung symptomatischer Stenosen erfolgt auf<br />
perkutanem Weg durch eine Ballonangioplastie oder das<br />
Einsetzen intravaskulärer Stents.<br />
Bei der Katze werden eine kongenitale Stenose der Vena<br />
cava caudalis und das durch eine intraluminale fibrotische<br />
Membran hervorgerufene Budd-Chiari-Syndrom beschrieben<br />
(19). Betroffene Katzen entwickeln häufig einen hochgradigen<br />
Aszites infolge der Behinderung des venösen Rückflusses über<br />
die V. cava caudalis. In einem Bericht führte die Behandlung<br />
einer betroffenen Katze mittels Ballondilatation und Einsetzen<br />
eines endovaskulären Stents nicht zu einer Linderung des<br />
Aszites und endete letztlich fatal (19). Die Autoren haben<br />
jedoch eine erfolgreiche Ballondilatation einer obstruktiven<br />
intraluminalen Membran in der V. cava caudalis einer Katze<br />
durchgeführt, die mit hochgradigem, behandlungsresistentem<br />
Aszites vorgestellt worden war. Die Behandlung führte zu einer<br />
vollständigen Remission der zuvor über einen Zeitraum von 15<br />
Abbildung 9.<br />
Selektives Venogramm einer jungen, kastrierten, männlichen<br />
Kurzhaarhauskatze mit Budd-Chiari-Syndrom und hochgradigem<br />
Aszites infolge einer obstruktiven Membran in der Vena cava<br />
caudalis auf Höhe des Diaphragmas. In der linken Aufnahme<br />
wurde der Katheter über die Femoralvene eingeführt und<br />
unmittelbar kaudal des Diaphragmas in der Vena cava caudalis<br />
positioniert. Das Kontrastmittel füllt die dilatierte Vena cava, und<br />
nur ein schmaler Steifen des Kontrastmittels passiert durch die<br />
Membran in den kranial des Diaphragmas gelegenen Abschnitt<br />
der Vena cava (c). In der rechten Aufnahme erkennt man den<br />
durch die Membran geführten und aufgepumpten Ballon. Der<br />
Aszites bei dieser Katze bildete sich im Anschluss an die<br />
erfolgreiche Ballondilatation der Stenose zurück.<br />
Monaten persistierenden klinischen Symptome (Abbildung 9).<br />
Wir haben darüber hinaus eine erfolgreiche Venoplastie bei zwei<br />
Hunden mit Vena-cava-cranialis-Syndrom und Pleuraerguss<br />
infolge einer erworbenen Stenose und Thrombose der V. cava<br />
cranialis infolge einer Implantation transvenöser Schrittmacherelektroden<br />
durchgeführt.<br />
Supraventrikuläre Tachykardie im<br />
Zusammenhang mit akzessorischen<br />
Leitungsbahnen<br />
Akzessorische atrioventrikuläre (AV) Leitungsbahnen oder<br />
„Bypass tracts“ sind abnorme elektrische Kommunikationen<br />
über das bindegewebige Herzskelett, das neben seinen strukturellen<br />
Aufgaben normalerweise als elektrische Isolation zwischen<br />
den Atrien und den Ventrikeln dient. Die akzessorische Leitungsbahn<br />
kann eine schnelle, enge, komplexe, tachyarrhythmische<br />
kreisende Erregung ermöglichen, die auch als orthodrome<br />
atrioventrikuläre Re-entry Tachykardie (Orthodromic atrioventricular<br />
reciprocating tachycardia; OAVRT) bezeichnet<br />
wird. Die bei humanen Patienten mit OAVRT wirksamen<br />
therapeutischen Erstmaßnahmen wie vagale Manöver (z.B.<br />
Karotissinus-Massage) und die Gabe von Adenosin, sind beim<br />
Hund mit OAVRT im Allgemeinen unwirksam. Die Antwort von<br />
Reentry-Tachyarrhythmien auf antiarrhythmische Arzneimittel<br />
ist bei dieser Spezies inkonstant, wobei die betroffenen Hunde<br />
oft behandlungsresistent gegen zuvor wirksame antiarrhythmische<br />
Strategien werden. Eine behandlungsresistente Tachykardie<br />
führt zu einem reduzierten Herzzeitvolumen und bei<br />
ausbleibender Behandlung möglicherweise zur Entwicklung<br />
einer Tachykardiomyopathie und einer kongestiven Herzinsuffizienz.<br />
22 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
INTERVENTIONELLE THERAPIE KARDIOVASKULÄRER ERKRANKUNGEN<br />
Abbildung 10.<br />
Rechte laterale Röntgenaufnahme einer älteren <strong>Co</strong>cker Spaniel<br />
Hündin mit hochgradigem AV-Block zweiten Grades nach<br />
permanenter transvenöser Schrittmacherimplantation. Zu erkennen<br />
ist die durch die Vena cava cranialis und das rechte Atrium in die<br />
rechtsventrikuläre Apex geführte Schrittmacherelektrode, die im<br />
Myokard des rechten Ventrikels aktiv verankert ist.<br />
Bei der Hochfrequenz-Katheterablation wird Wechselstrom<br />
verwendet, um eine thermische Schädigung der akzessorischen<br />
Leitungsbahnen zu induzieren. Es handelt sich um die Standardbehandlung<br />
für humane Patienten mit Makroreentry-Tachykardien.<br />
Als hoch effizient hat sich diese Maßnahme auch bei<br />
der Ausschaltung akzessorischer Leitungsbahnen beim Hund<br />
erwiesen (20), sie wird aufgrund des notwendigen hochspeziellen<br />
Equipments und der speziellen Fachkenntnis des<br />
Operateurs jedoch nur von einigen wenigen spezialisierten<br />
Zentren durchgeführt. Bei der Elektroablation werden mehrere<br />
multipolare Elektrodenkatheter im rechten Atrium platziert.<br />
Anschließend folgt ein elektrisches Mapping zur Bestimmung<br />
der exakten Lokalisation der akzessorischen Leitungsbahnen.<br />
Die Hochfrequenzenergie wird nun durch die Elektroden an der<br />
Katheterspitze in den Bereich der akzessorischen Bahn<br />
geleitet und führt dort zu einer thermischen Schädigung<br />
der unerwünschten Bahn und einer Ablation der elektrischen<br />
Impulsleitung. Die Elektroablation wird bei humanen Patienten<br />
auch in der Behandlung des Vorhofflimmerns und Vorhofflatterns<br />
eingesetzt und besitzt durchaus das Potenzial für<br />
eine umfassendere Anwendung in der Behandlung dieser<br />
Arrhythmien bei Hunden.<br />
Bradyarrhythmien und<br />
Herzschrittmacher (Pacing)<br />
Hochgradige atrioventrikuläre Blocks zweiten und dritten<br />
Grades gehen mit Symptomen wie Leistungsintoleranz,<br />
Synkope, Kardiomegalie und einer hohen Inzidenz plötzlicher<br />
Todesfälle einher (21). Die Schrittmachertherapie ist die einzige<br />
wirksame Behandlungsoption zur Linderung der klinischen<br />
Symptome und zur Verlängerung der Überlebenszeit betroffener<br />
Hunde. Die Implantation eines Schrittmachers gilt heute als<br />
Therapiestandard für Patienten mit hochgradigem AV-Block,<br />
Vorhofstillstand und Sick-Sinus-Syndrom. Seit der Einführung<br />
epikardialer Schrittmacher beim Hund im Jahre 1967 konnte<br />
sich das transvenöse Pacing zu einem immer weiter verbreiteten<br />
Verfahren entwickeln und hat heute die Methode der chirurgischen<br />
Implantierung epikardialer Elektroden beim Hund<br />
weitgehend ersetzt (Abbildung 10). Ein permanentes transvenöses<br />
Pacing kann heute mit Hilfe einer großen Bandbreite<br />
verschiedener Modalitäten erreicht werden, einschließlich der<br />
Verwendung eines oder mehrerer Schrittmacherelektroden.<br />
Beim Hund wird am häufigsten das permanente transvenöse<br />
Einzelkammer-Pacing eingesetzt. Die Schrittmacherelektrode<br />
wird hierbei über eine Vene, in der Regel die V. jugularis, durch<br />
den rechten Vorhof in den rechten Ventrikel eingeführt. Die<br />
meisten Schrittmachersysteme ermöglichen heute eine aktive<br />
Fixierung der endokardialen Elektrode im Myokard des rechten<br />
Ventrikels und reduzieren dadurch die Gefahr einer Dislokation<br />
der Elektrodenspitze. Der Impulsgenerator wird subkutan<br />
implantiert, und der Schrittmachermodus, die Schrittmacherfrequenz,<br />
die Amplitude und die Pulsbreite des Impulses, sowie<br />
eine ganze Reihe weiterer hoch entwickelter Parameter werden<br />
anschließend über eine externe Programmiereinheit eingestellt.<br />
Viele Schrittmacher sind mit einem Sensor ausgestattet, der<br />
Vibrationen erkennt und eine Modulation der Frequenz mit<br />
zunehmender Aktivität gestattet. Trotz der zahlreichen potenziellen<br />
Komplikationen eines Schrittmachers, wie zum Beispiel<br />
Elektrodenbrüche oder Elektrodendislokationen, Infektionen,<br />
Batteriestörungen oder die Entwicklung kongestiver Symptome<br />
(z.B. Dyspnoe, Halsvenenstauung, Ödem) bei Patienten mit<br />
interkurrenter struktureller Herzerkrankung, zeigt die große<br />
Mehrzahl der Hunde (über 90%) nach Implantation des Schrittmachers<br />
ein gutes Allgemeinbefinden ohne eine Rezidivierung<br />
der Bradyarrhythmie bedingten klinischen Symptome (22).<br />
Die durchschnittliche Überlebenszeit von Hunden mit Schrittmacher<br />
beträgt mindestens zwei Jahre, und viele Hunde<br />
überleben nach der Implantation sogar mehr als 3 bis 5 Jahre<br />
(21, 22).<br />
Das physiologische Zweikammer-Pacing ermöglicht den<br />
Erhalt der atrioventrikulären Synchronizität und ist in der<br />
Humanmedizin weit verbreitet, obgleich sich die Programmierung<br />
des Schrittmachers bei diesem Verfahren deutlich<br />
komplexer gestaltet. Akute vorteilhafte hämodynamische<br />
und neurohormonelle Veränderungen werden bei Verwendung<br />
physiologischer Schrittmachermodalitäten beim Hund<br />
beschrieben (23). Unklar sind bislang jedoch die Langzeitvorteile<br />
des Zweikammer-Pacing bei veterinärmedizinischen<br />
Patienten. Implantierbare Cardioverter Defibrillatoren (ICD)<br />
werden in der Humanmedizin häufig eingesetzt, um den plötzlichen<br />
Herztod infolge lebensbedrohlicher Tachyarrhythmien<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 23
INTERVENTIONELLE THERAPIE KARDIOVASKULÄRER ERKRANKUNGEN<br />
wie ventrikulärer Tachykardie und Kammerflimmern zu verhindern.<br />
Ein plötzlicher arrhythmischer Herztod wird bei einigen<br />
Hunderassen (z.B. Boxer, Dobermann) häufig beobachtet. Die<br />
ICD-Technologie besitzt ein großes Anwendungspotenzial bei<br />
diesen Patienten, allerdings sind die gegenwärtig verfügbaren<br />
humanen ICD-Implantate nicht an die Verhältnisse beim<br />
Hund angepasst (24).<br />
Ergänzende interventionelle Maßnahmen<br />
und zukünftige Entwicklungen<br />
Zahlreiche weitere minimal-invasive Behandlungsmaßnahmen<br />
kommen gegenwärtig in der Behandlung erworbener kardiovaskulärer<br />
Erkrankungen bei Kleintieren zum Einsatz. Dazu<br />
gehören unter anderem die transjuguläre Entfernung von<br />
Herzwürmern bei Patienten mit fortgeschrittener Dirofilariose,<br />
das Einsetzen eines Katheters für eine lokale thrombolytische<br />
Therapie, die Thrombektomie zur Behandlung der arteriellen<br />
und venösen Thrombembolie, die endomyokardiale Biopsie und<br />
die Katheterisierung der Pulmonalarterie zur Messung des Herzzeitvolumens,<br />
des Pulmonalarteriendrucks und des Pulmonary<br />
capillary wedge pressure (Wedge-Druck oder Verschlussdruck).<br />
Die Mitralregurgitation infolge einer Endokardiose ist die häufigste<br />
Herzerkrankung beim Hund und zugleich die wichtigste<br />
Ursache der kongestiven Herzinsuffizienz bei dieser Spezies.<br />
Trotz jüngster Fortschritte im Bereich der medikamentösen<br />
Therapie liegt die durchschnittliche Überlebenszeit betroffener<br />
Hunde nach bestätigter Diagnose immer noch unter einem<br />
Jahr. Verschiedene perkutane Techniken zur Behandlung der<br />
Mitralregurgitation beim Menschen befinden sich gegenwärtig<br />
im Stadium der Forschung, und in vielen Fällen werden hierbei<br />
Tiermodelle eingesetzt. Eine erfolgreiche perkutane Therapie<br />
der Mitralregurgitation hätte einen gewaltigen Einfluss auf die<br />
Behandlung von Endokardiosen beim Hund.<br />
Die interventionelle Kardiologie ist ein sich stetig weiter<br />
entwickelndes Gebiet, das sein Potenzial in der Veterinärmedizin<br />
bei weitem noch nicht ausgeschöpft hat. Bei den katheterbasierten<br />
Eingriffen handelt es sich um sehr erfolgreiche<br />
Alternativmethoden, die in hohem Maße zu einer Reduzierung<br />
der chirurgischen Morbidität und Mortalität bei unseren<br />
Kleintierpatienten beitragen. Mit der sich stetig weiter<br />
entwickelnden Technologie werden uns künftig ohne Zweifel<br />
weitere interessante neuartige Strategien für die minimalinvasive<br />
Behandlung kongenitaler und erworbener kardiovaskulärer<br />
Erkrankungen bei Kleintieren zur Verfügung stehen.<br />
Footnotes:<br />
a<br />
<strong>Co</strong>ok Stainless Steel Embolization <strong>Co</strong>ils, <strong>Co</strong>ok Medical Inc, Bloomington, IN<br />
b<br />
Amplatz Canine Duct Occluder (ACDO), Infiniti Medical, Malibu, CA<br />
c<br />
Amplatzer Septal Occluder, AGA Medical <strong>Co</strong>rp, Golden Valley, MN<br />
d<br />
Amplatzer Muscular VSD occluder, AGA Medical <strong>Co</strong>rp, Golden Valley, MN<br />
LITERATUR<br />
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nonphysiologic VVI pacing in canine 3rd-degree atrioventricular block.<br />
J Vet Intern Med 2006; 20: 257-271.<br />
24. Nelson OL, Lahmers S, Schneider T, et al. The use of an implantable<br />
cardioverter defibrillator in a boxer dog to control clinical signs of<br />
arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy. J Vet Intern Med 2006;<br />
20: 1232-1237.<br />
24 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
PERSÖNLICHE EMPFEHLUNGEN FÜR...<br />
Herzklappenerkrankungen<br />
beim Hund<br />
neben einer höheren Prävalenz dieser Erkrankung auch<br />
eine Neigung zu einem früheren Beginn sowohl der pathologischen<br />
Veränderungen, als auch der klinischen Symptome.<br />
Adrian Boswood, MA, VetMB, DVC,<br />
Dipl. ECVIM (Cardiology), MRCVS<br />
Department of Veterinary Clinical Sciences,<br />
The Royal Veterinary <strong>Co</strong>llege, London, UK<br />
Dr. Boswood schloss sein Studium 1989 an der University of<br />
Cambridge ab. Nach einer kurzen Zeit in der Allgemeinpraxis<br />
ging er an das Royal Veterinary <strong>Co</strong>llege als Intern und ist<br />
dort heute als Senior Lecturer (außerordentlicher Professor)<br />
tätig. Dr. Boswood’s klinisches Interesse gilt der Kardiologie,<br />
und seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind kardiale<br />
Biomarker und Herzklappenerkrankungen beim Hund.<br />
Erworbene Herzklappenerkrankungen sind die häufigste<br />
Ursache von Herzerkrankungen und Herzinsuffizienz<br />
in der Hundepopulation (1). Bei den Herzklappenerkrankungen<br />
des Hundes handelt es sich in der Regel um<br />
chronisch degenerative Erkrankungen verschiedener Bezeichnungen,<br />
unter anderem Endokardiose und myxomatöse<br />
Mitralklappenerkrankung. Am häufigsten betroffen ist die<br />
Mitralklappe, deren insuffiziente Funktion zur Entstehung<br />
einer Mitralregurgitation führt. Die Mitralregurgitation führt<br />
dazu, dass der linke Ventrikel ein erhöhtes Blutvolumen<br />
pumpen muss, da ein bestimmter Volumenanteil jeder<br />
ventrikulären Ejektion durch die insuffizienten Mitralklappen<br />
zurück in den linken Vorhof gelangt. Bei entsprechender<br />
Chronizität führt diese Überlastung zu einer Vergrößerung des<br />
linken Ventrikels und des linken Atriums, und bei einigen<br />
Tieren schließlich zur Entwicklung klinischer Symptome einer<br />
Herzinsuffizienz. Typischerweise betroffen sind ältere Hunde<br />
kleiner Rassen. Bei bestimmten Rassen, insbesondere dem<br />
Cavalier King Charles Spaniel, beobachtet man jedoch<br />
Bei Patienten, die regelmäßig tierärztlich untersucht werden, ist<br />
das erste auffällige klinische Anzeichen in der Regel das charakteristische<br />
linksseitige, systolische Herzgeräusch der Mitralinsuffizienz.<br />
Die Entwicklung eines Herzgeräusches geht der<br />
Entwicklung klinischer Symptome oft mehrere Jahre voraus. In<br />
der SVEP-Studie (2) zeigen Cavalier King Charles Spaniels mit<br />
Herzgeräusch, aber ohne Herzvergrößerung eine mediane<br />
symptomfreie Periode von deutlich über drei Jahren, bevor sie<br />
schließlich klinische Anzeichen einer Herzinsuffizienz entwickeln.<br />
In einem jüngst erschienenen Artikel berichten<br />
Borgarelli et al. (3), dass in einer gemischten Population<br />
asymptomatischer Hunde mit Mitralregurgitation weniger als<br />
50% der Hunde infolge ihrer Herzerkrankung in der Nachuntersuchungsperiode<br />
starben. Bei einer Mitralklappenerkrankung<br />
kann es sich in einigen Fällen also durchaus um einen relativ<br />
gutartigen und so langsam fortschreitenden Prozess handeln,<br />
dass klinische Symptome nicht erkennbar werden. Bei anderen<br />
Patienten wiederum kann die Erkrankung schließlich einen<br />
Punkt erreichen, an dem klinische Symptome einer Herzinsuffizienz<br />
manifest werden. Die Herausforderung für den mit<br />
dieser Erkrankung konfrontierten Kliniker besteht nun darin,<br />
eine richtige Diagnose zu stellen, zu erkennen, in welchem<br />
Stadium dieser progressiven Erkrankung sich der Patient zum<br />
aktuellen Zeitpunkt befindet, und eine optimale Behandlungsstrategie<br />
für diejenigen Patienten zu entwickeln, die tatsächlich<br />
behandlungsbedürftig sind.<br />
Die Verdachtsdiagnose einer Mitralregurgitation kann bei<br />
jedem Patienten mit links apikalem, systolischem Herzgeräusch<br />
gestellt werden, insbesondere, wenn es sich um einen Hund<br />
einer kleinen Rasse handelt. Es gibt aber auch einige große<br />
Hunderassen, die eine primäre Mitralklappenerkrankung<br />
entwickeln, dabei handelt es sich jedoch um eine eher seltene<br />
Form der Erkrankung. Hunde großer Rassen mit primärer<br />
Klappenerkrankung können einen geringfügig anderen<br />
Krankheitsverlauf haben, als Hunde kleiner Rassen (4).<br />
Die Bestätigung der Diagnose einer primären Klappenerkrankung<br />
erfolgt mit Hilfe der zweidimensionalen Echokardiographie<br />
und der Doppler-Echokardiographie. Das<br />
klinische Bild ist jedoch in aller Regel so typisch, und die<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 25
PERSÖNLICHE EMPFEHLUNGEN FÜR...<br />
In diesem Artikel werde ich ausschließlich auf die Langzeitbehandlung<br />
chronisch erkrankter Patienten mit Herzinsuffizienz<br />
eingehen, und nicht auf die akute Behandlung von Patienten<br />
mit plötzlich einsetzender hochgradiger Herzinsuffizienz. Die in<br />
Großbritannien gültigen Handelsbezeichnungen und Dosierungen<br />
aller genannten Arzneimittel sind in Tabelle 1 aufgelistet.<br />
Ich unterteile die Patienten in vier Stadien und diskutiere die in<br />
jedem Stadium nach meiner Ansicht am besten geeigneten und<br />
am besten wissenschaftlich belegten Behandlungsoptionen.<br />
Folgende Stadien werden unterschieden:<br />
• Frühstadium der Erkrankung: Patient ohne klinische<br />
Symptome und ohne signifikante Kardiomegalie.<br />
• Moderat fortgeschrittene Erkrankung: Patient ohne manifeste<br />
klinische Symptome, aber mit Hinweisen auf eine Kardiomegalie,<br />
die therapeutische Anpassungen an das erhöhte Blutvolumen<br />
notwendig macht, das zu einer vermehrten Belastung<br />
sowohl des linken Atriums als auch des linken Ventrikels führt.<br />
• Herzinsuffizienz: Der Patient zeigt Symptome einer kongestiven<br />
Herzinsuffizienz als Folge der Mitralklappenerkrankung.<br />
Die ersten Symptome der Herzinsuffizienz sind im<br />
typischen Fall die einer Linksherzinsuffizienz mit pulmonaler<br />
Kongestion (Lungenstauung) und Lungenödem.<br />
• Refraktorische (behandlungsresistente) Herzinsuffizienz:<br />
Der Patient entwickelt trotz Herzinsuffizienztherapie erneut<br />
klinische Symptome.<br />
Abbildung 1.<br />
Laterale Thoraxröntgenaufnahme eines Hundes mit fortgeschrittener<br />
Mitralklappenerkrankung. Ausgeprägte Kardiomegalie<br />
mit kraniokaudaler Ausdehnung der Herzsilhouette und Dorsalverschiebung<br />
der Luftröhre. Die Lungenfelder sind diffus verschattet<br />
durch ein alveolares Muster, das auf ein Lungenödem hinweist<br />
und in diesem Fall die sekundäre Folge der kongestiven Linksherzinsuffizienz<br />
ist. Es handelt sich um ein gutes Beispiel für die<br />
typischen radiographischen Veränderungen einer fortgeschrittenen<br />
Mitralklappenerkrankung.<br />
Erkrankung kommt so häufig vor, dass echokardiographische<br />
Untersuchungen zur Diagnosebestätigung nicht in jedem Fall<br />
zwingend erforderlich sind. Thoraxröntgenaufnahmen sind<br />
insbesondere sehr hilfreich für die Bestimmung des Stadiums<br />
der Erkrankung. Diagnostische Kriterien sind eine vorhandene<br />
oder fehlende Kardiomegalie, und das Vorhandensein bzw.<br />
Fehlen einer kongestiven Linksherzinsuffizienz (Abbildung 1).<br />
Links apikale, systolische Herzgeräusche können auch durch<br />
kongenitale Herzerkrankungen und eine sekundäre Mitralregurgitation<br />
anderer Ursachen, einschließlich einer dilatativen<br />
Kardiomyopathie und bakterieller Endokarditiden, hervorgerufen<br />
werden. Diese Erkrankungen treten jedoch seltener auf und<br />
kommen tendenziell eher bei Hunden anderer Rassetypen vor.<br />
Behandlung von Patienten mit<br />
Mitralregurgitation in Abhängigkeit<br />
vom Stadium der Erkrankung<br />
Frühstadium der Erkrankung<br />
Es gibt nur wenige Evidenzen, die für den klinischen Nutzen<br />
einer wie auch immer gearteten Behandlung eines Patienten<br />
mit Mitralklappenerkrankung im Frühstadium sprechen. Zwei<br />
veröffentlichte Studien evaluieren die Wirksamkeit einer<br />
Therapie mit Angiotensin <strong>Co</strong>nverting Enzyme Hemmern (ACE-<br />
Hemmer) bei Hunden im Frühstadium der Erkrankung (2, 5).<br />
Die Ergebnisse dieser Studien sind widersprüchlich. Bei der<br />
Studie von Kvart et al. handelt es sich um eine Placebo-kontrollierte,<br />
prospektive Doppelblindstudie, in der ausschließlich<br />
Cavalier King Charles Spaniels untersucht werden (2). Den<br />
Ergebnissen dieser Studie zufolge bringt die Applikation von<br />
ACE-Hemmern bei Hunden vor dem Einsetzen klinischer<br />
Symptome keine Vorteile, und zwar unabhängig davon, ob<br />
bereits eine Kardiomegalie besteht oder nicht. Die neuere Studie<br />
von Puchelon et al. (5) ist eine Retrospektivstudie über eine<br />
kleine und heterogenere Hundepopulation (Anmerkung des<br />
Herausgebers: 141 Hunde). Die Studie kommt zu der Schlussfolgerung,<br />
dass Benazepril bei Hunden mit Erkrankung im<br />
Frühstadium bei Rassen außer dem Cavalier King Charles<br />
Spaniel von Vorteil ist. Die Tatsache jedoch, dass es sich bei<br />
dieser Untersuchung um eine retrospektive, nicht geblindete<br />
Studie mit niedriger Ereignisrate (eine geringe Anzahl Tiere<br />
in der Studie erreicht die Endpunkte Herztod oder beginnende<br />
Herzinsuffizienz) und mit unterschiedlichen medianen Nachuntersuchungsperioden<br />
in den behandelten und unbehandelten<br />
Gruppen handelt, bedeutet, dass die Schlussfolgerungen<br />
sehr vorsichtig interpretiert werden sollten. Ich<br />
würde die Schlussfolgerungen dieser Arbeitsgruppe allenfalls<br />
als nützliche Hypothese betrachten, die in weiteren, Placebokontrollierten<br />
Doppelblindstudien geprüft werden sollte, bin<br />
aber nach wie vor nicht überzeugt vom Nutzen einer frühen<br />
Therapie bei Patienten dieser Gruppe.<br />
Meine Vorgehensweise bei caninen Patienten dieser Kategorie<br />
beinhaltet keine pharmakologischen Maßnahmen, sondern<br />
26 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
HERZKLAPPENERKRANKUNGEN BEIM HUND<br />
Tabelle 1.<br />
Medikamente und Dosierungen<br />
Generischer<br />
Name<br />
Enalapril<br />
Benazepril<br />
Pimobendan<br />
Frusemid<br />
Furosemid<br />
Dosierung und Dosierungsfrequenz (Die Dosierungen können<br />
von den Angaben der Produktinformationen abweichen)<br />
0,5 mg/kg 1-2x tägl.<br />
0,25-0,5 mg/kg 1-2x tägl.<br />
0,2-0,6 mg/kg/Tag, verteilt auf zwei Dosen<br />
Initial 1-2 mg/kg 2x tägl., dann steigernd bis maximal 4 mg/kg 3x tägl.<br />
Die im Text und in der Tabelle<br />
angegebenen Dosierungen können<br />
von den Angaben der jeweiligen<br />
Produktinformationen abweichen.<br />
Wir übernehmen keine Verantwortung<br />
für eventuell auftretende unerwünschte<br />
Nebenwirkungen nach<br />
Applikation der Arzneimittel in den<br />
hier empfohlenen Dosierungen.<br />
Es wird empfohlen, vor jeder Applikation,<br />
zusätzlich andere Quellen<br />
(z. B. BSAVA Small Animal Formulary)<br />
zu Rate zu ziehen.<br />
Spironolacton<br />
Digoxin<br />
1-3 mg/kg 2x tägl.<br />
0,22 mg/m 2 2x tägl. Kontrolle der Serumdigoxinkonzentration<br />
(8 Std. nach Tabletteneingabe) nach 5-7 Tagen, um eine therapeutische<br />
Dosierung sicherzustellen und eine Überdosierung zu vermeiden.<br />
Amlodipin<br />
0,05-0,1 mg/kg 1-2x tägl.<br />
Hydralazin<br />
Sildenafil<br />
0,5-3,0 mg/kg 2-3x tägl. (beginnen mit niedriger Dosierung und<br />
erhöhen nach Wirkung unter Blutdruckkontrolle)<br />
0,5-3,0 mg/kg 1-3x tägl.<br />
Theophyllin<br />
Etamiphyllinecamsylat<br />
20 mg/kg 1x tägl.<br />
10-33 mg/kg 3x tägl. (nach den Angaben der Produktinformation)<br />
Terbutalin<br />
Butorphanol<br />
<strong>Co</strong>dein<br />
1,25-5 mg/Hund 2-3x tägl.<br />
0,5 mg/kg 2-4x tägl.<br />
0,5-2,0 mg/kg 2x tägl.<br />
vielmehr die Beratung und Information der Besitzer. Bei<br />
übergewichtigen Tieren spielt Gewichtskontrolle eine wichtige<br />
Rolle. Auch die Aufrechterhaltung regelmäßiger körperlicher<br />
Bewegung ist bei diesen Patienten meiner Ansicht nach von<br />
Vorteil. Dagegen gibt es keine überzeugenden oder durch<br />
wissenschaftliche Daten untermauerbare Argumente für eine<br />
diätetische Natriumrestriktion in diesem Stadium. Wichtig ist<br />
eine Aufklärung der Besitzer über die Symptome, die auf<br />
die Entwicklung einer Herzinsuffizienz und damit auf die<br />
Notwendigkeit einer therapeutischen Intervention hindeuten.<br />
Zu nennen sind hier in erster Linie Leistungsintoleranz, erhöhte<br />
Atemfrequenz, Husten, Lethargie und unerklärlicher Gewichtsverlust.<br />
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen dieser Patienten<br />
stellen sicher, dass Verschlechterungen der frühen klinischen<br />
Symptome rechtzeitig erkannt werden und geben gleichzeitig<br />
dem Patientenbesitzer das Gefühl, dass eine eventuell<br />
auftretende klinische Erkrankung von tierärztlicher Seite sehr<br />
ernst genommen wird. Ein weiterer wichtiger Punkt ist ein eher<br />
beruhigendes Einwirken auf die Besitzer von Patienten in den<br />
frühen Stadien der Erkrankung. Wird die Wahrscheinlichkeit<br />
der Entwicklung von Problemen in der nahen Zukunft zu<br />
stark betont, so löst dies lediglich eine unnötige Beunruhigung<br />
beim Besitzer aus. Viele Hunde im frühen Stadium einer<br />
Mitralklappenerkrankung halten über viele Jahre hinweg einen<br />
bemerkenswert stabilen klinischen Zustand, und einige dieser<br />
Patienten erliegen eher einer herzunabhängigen Erkrankung,<br />
bevor sie die Gelegenheit bekommen, klinische Symptome<br />
einer Herzinsuffizienz an den Tag zu legen.<br />
Moderat fortgeschrittene Erkrankung<br />
Zwei Studien, die SVEP-Studie (2) und die VETPROOF-<br />
Studie (6), untersuchten die Wirkungen von ACE-Hemmern bei<br />
Hunden mit Kardiomegalie vor dem Eintreten klinischer Herzinsuffizienzsymptome.<br />
Beide Studien untersuchten, welche<br />
Effekte eine Behandlung von Hunden mit Mitralklappenerkrankung<br />
vor Beginn der klinischen Symptome hat. Einige<br />
Hunde in der SVEP-Studie wiesen eine Kardiomegalie auf,<br />
und in der VETPROOF-Studie war die Vergrößerung des<br />
linken Vorhofs eines der Einschlusskriterien. Deshalb wiesen<br />
alle Hunde in dieser Studie eine mehr oder weniger stark<br />
ausgeprägte Herzvergrößerung auf. Auch in diesem Fall<br />
scheinen die beiden Studien widersprüchliche Ergebnisse<br />
hervorzubringen. Die SVEP-Studie beschreibt keine Vorteile der<br />
ACE-Hemmer-Therapie gemessen an einer Verzögerung des<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 27
PERSÖNLICHE EMPFEHLUNGEN FÜR...<br />
Beginns der Herzinsuffizienz beim Cavalier King Charles<br />
Spaniel. Die VETPROOF-Studie zeigt keinerlei signifikante<br />
Effekte von Enalapril auf den primären Endpunkt der Studie,<br />
also den Zeitpunkt des Einsetzens einer kongestiven Herzinsuffizienz.<br />
Betrachtet man einen sekundären, kombinierten<br />
Endpunkt einer ursachenunabhängigen Mortalität und einer<br />
beginnenden Herzinsuffizienz, scheint es jedoch nach Ausschluss<br />
der Hunde, die innerhalb der ersten 60 Tage der Studie<br />
starben, einen signifikanten Unterschied zu geben. Diese<br />
Analyse war im Vorfeld der Studie nicht geplant, sie liefert aber<br />
eine faszinierende Hypothese, der zufolge es eine herzunabhängige<br />
vorteilhafte Wirkung von Enalapril auf die Überlebenszeit<br />
geben könnte. In der Kombination können mich die<br />
Ergebnisse aus diesen beiden Studien dennoch nicht davon<br />
überzeugen, dass eine Therapie Vorteile haben soll, selbst bei<br />
Hunden mit einer Kardiomegalie zum Zeitpunkt der Diagnose.<br />
An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, dass bislang<br />
lediglich ACE-Hemmer als potenziell vorteilhafte Behandlungsoption<br />
vor Beginn klinischer Symptome im Rahmen groß<br />
angelegter, gut kontrollierter Studien untersucht worden sind.<br />
Zweifellos gibt es noch weitere pharmakologische Kandidaten<br />
für eine frühzeitige Behandlung, die bislang aber noch nicht so<br />
konsequent untersucht wurden. Alles, was wir über solche<br />
alternativen Therapieoptionen gegenwärtig sagen können, ist<br />
deshalb, dass wir „nichts Genaues wissen“. In Zukunft kann sich<br />
die eine oder andere Therapieoption durchaus als vorteilhafte<br />
Alternative bei Erkrankungen in diesen frühen Stadien<br />
erweisen. Nehmen wir aber die Grundsätze der „evidenzbasierten<br />
Medizin“ als Maßstab, so stelle ich fest, dass es heute<br />
an ausreichender Evidenz für die Vorteile solcher Therapien<br />
fehlt, so dass ihre Anwendung bei Patienten in diesem Stadium<br />
gegenwärtig nicht befürwortet werden kann.<br />
Eine neuere und bislang noch unveröffentlichte Studie<br />
postuliert einen vorteilhaften Effekt von Spironolacton vor<br />
Beginn klinischer Symptome einer Herzinsuffizienz. Da<br />
diese Ergebnisse jedoch aufgrund der noch nicht erfolgten<br />
Veröffentlichung gegenwärtig als nicht vollständig evaluiert<br />
zu gelten haben, scheint eine weitere Bewertung zunächst<br />
ausgeschlossen, und bislang hat dieses Postulat keinen Einfluss<br />
auf meine Behandlungspraxis für diese Patienten.<br />
Die zentralen Aspekte meiner Strategie für Patienten in diesem<br />
Stadium der Erkrankung und ihre Besitzer sind, wie bereits<br />
oben erwähnt, Information, Beratung und Monitoring. Wichtig<br />
ist, dass die Symptome einer entstehenden Herzinsuffizienz<br />
sofort erkannt werden, wenn sie auftreten, damit die Behandlung<br />
zu dem Zeitpunkt eingeleitet werden kann, an dem sie<br />
bekanntermaßen am wirksamsten ist. Patientenbesitzer sollten<br />
deshalb so geschult werden, dass sie in der Lage sind, die<br />
Atemfrequenz zu Hause zu messen. Ferner sollten sie angewiesen<br />
werden, auf subtile Anzeichen einer beginnenden<br />
Leistungsintoleranz zu achten. Gleichzeitig sollten die Patientenbesitzer<br />
im Rahmen dieser Beratung jedoch auch darauf<br />
hingewiesen werden, dass viele Hunde mit Mitralklappenregurgitation<br />
und Kardiomegalie viele Jahre lang ohne Symptome<br />
einer Herzinsuffizienz leben können. Die Überbetonung<br />
der Wahrscheinlichkeit einer Entwicklung klinischer Symptome<br />
kann beim Besitzer zu unnötiger Verunsicherung und zahlreichen<br />
„falschen Alarmen“ führen.<br />
Beginnende Herzinsuffizienz<br />
Eine beginnende kongestive Herzinsuffizienz lässt sich am<br />
besten mit Hilfe von Thoraxröntgenaufnahmen dokumentieren.<br />
Bei Patienten mit Symptomen einer kongestiven Herzinsuffizienz<br />
infolge einer Mitralklappenregurgitation gibt es<br />
im Gegensatz zu den beiden oben erläuterten Stadien überzeugende<br />
Evidenzen für die Vorteile einer Therapie. Dies gilt<br />
nicht nur im Hinblick auf eine Verbesserung der Lebensqualität,<br />
sondern bei einigen Behandlungsoptionen auch für eine<br />
Verlängerung der Lebenserwartung. Aus den Ergebnissen<br />
einiger kontrollierter Studien können wir stichhaltige Schlussfolgerungen<br />
als Grundlage für unsere Therapie ziehen. So<br />
belegen zahlreiche Studien die Vorteile von ACE-Hemmern bei<br />
der Behandlung von Hunden mit Mitralklappenerkrankung.<br />
Die LIVE-Studie (7) und die BENCH-Studie (8) sind zwei<br />
der schon etwas länger zurückliegenden Untersuchungen. Sie<br />
zeigen, dass ACE-Hemmer die Überlebenszeit von Hunden mit<br />
Herzinsuffizienz im Vergleich zu einem Placebo verlängern,<br />
wenn sie als Ergänzung zu der aus Diuretika, in einigen Fällen<br />
kombiniert mit Digoxin und anderen Arzneimitteln, bestehenden<br />
Standardtherapie eingesetzt werden. Beide Studien<br />
schließen auch Hundepopulationen mit Mitralregurgitation<br />
ein. Eine Subanalyse der LIVE-Studie (7) zeigt insbesondere in<br />
der Gruppe der Hunde mit Mitralregurgitation Vorteile der<br />
ACE-Hemmer-Therapie. Schlussfolgernd kann festgestellt<br />
werden, dass ACE-Hemmer in der Behandlung von Hunden mit<br />
Herzinsuffizienz infolge Mitralklappenerkrankung eine<br />
bessere Wirkung erzielen als Placebos.<br />
Etwas neueren Datums ist die Feststellung, dass Pimobendan<br />
in diesem Zusammenhang wirksam ist. Studien über Mitralklappenerkrankungen<br />
zeigen unter der Behandlung mit<br />
Pimobendan Verbesserungen der Lebensqualität und Verbesserungen<br />
von zeitlichen Aspekten bestimmter Ereignisse, wie<br />
zum Beispiel der Hospitalisation (9). Die VetSCOPE-Studie<br />
kommt zu dem Ergebnis, dass die vorteilhaften Wirkungen von<br />
Pimobendan die vorteilhaften Wirkungen der ACE-Hemmer<br />
übertreffen (10), allerdings gibt die Schlussfolgerung dieser<br />
Studie Anlass für eine substanzielle kontroverse Debatte.<br />
Die jüngst veröffentlichte QUEST-Studie (11), eine positiv<br />
kontrollierte, prospektive Einzelblindstudie, in der Benazepril<br />
und Pimobendan miteinander verglichen wurden, kommt<br />
zu der Schlussfolgerung, dass die Vorteile von Pimobendan<br />
28 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
HERZKLAPPENERKRANKUNGEN BEIM HUND<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Hunde, die in der Studie blieben (%)<br />
Log-Rank Test, P=0,0099<br />
Pimobendan-Gruppe<br />
267 Tage, IQR 122-523 Tage<br />
Benazepril-Gruppe<br />
140 Tage, IQR 67-311 Tage<br />
0<br />
100<br />
200 300 400 500 600 700 800 900 1000 1100<br />
Zeit (Tage)<br />
Abbildung 2.<br />
Kaplan-Meier-Analyse der Überlebenszeit aus der QUEST-Studie. Die mediane Zeit zum Erreichen des primären Endpunktes lag bei 267 Tagen in der<br />
Pimobendan-Gruppe, verglichen mit 140 Tagen in der Benazepril-Gruppe. Demzufolge erreicht die Pimobendan-Gruppe eine 91% ige Verlängerung<br />
der Zeit bis zum Erreichen des primären Endpunktes (Herztod oder Euthanasie aus kardiologischen Gründen oder Scheitern der Therapie).<br />
diejenigen von Benazepril (und wahrscheinlich auch die<br />
anderer ACE-Hemmer) übertreffen, was sich in einer 91%<br />
igen Verlängerung der Zeitspanne bis zum Erreichen eines<br />
zusammengesetzten Endpunktes (Tod, Euthanasie aufgrund<br />
der Herzerkrankung oder Scheitern der Behandlung) ausdrückt<br />
(Abbildung 2). Diese Studie legt nahe, dass Pimobendan<br />
vorzuziehen ist, wenn ACE-Hemmer oder Pimobendan, entweder<br />
allein oder in Kombination mit Diuretika oder anderen<br />
Behandlungsoptionen eingesetzt werden. Ungeklärt bleibt, ob<br />
nicht eine Kombination eines ACE-Hemmers mit Pimobendan<br />
eine noch bessere Wirkung erzielen kann. Jüngsten, noch<br />
unveröffentlichten Erkenntnissen zufolge, zeigt Spironolacton<br />
bei Hunden mit Mitralregurgitation und Symptomen einer<br />
Herzinsuffizienz vorteilhafte Wirkungen.<br />
Meine Behandlungsstrategie für Patienten in diesem Stadium<br />
ist zum Teil abhängig von den Vorlieben und Einstellungen der<br />
Besitzer und der Frage, ob es möglich ist, diese Patienten mit<br />
mehreren verschiedenen Medikamenten zu behandeln. Eine<br />
optimale Behandlung könnte aus bis zu vier verschiedenen<br />
Arzneimitteln bestehen. Außer Zweifel steht sicherlich die<br />
Notwendigkeit, Patienten mit kongestiver Herzinsuffizienz<br />
gewissermaßen als Basistherapie mit Furosemid zu behandeln.<br />
Auf dieser Grundlage kommen folgende Arzneimittelkombinationen<br />
in Frage:<br />
• Furosemid plus Pimobendan<br />
• Furosemid plus Pimobendan plus ACE-Hemmer<br />
• Furosemid plus Pimobendan plus ACE-Hemmer plus<br />
Spironolacton.<br />
In Fällen, in denen entweder aus finanziellen Gründen oder<br />
aufgrund des Risikos einer schlechten <strong>Co</strong>mpliance eine<br />
Minimaltherapie erforderlich wird, ist die erste Variante mit<br />
zwei Medikamenten ausreichend. Optimal wäre natürlich eine<br />
Behandlung mit der Dreier- oder Viererkombination, obgleich<br />
wissenschaftliche Nachweise für einen zusätzlichen Nutzen<br />
einer Ergänzung der Zweierkombination mit den beiden<br />
anderen Arzneimitteln bislang nicht vorliegen. Unter Kardiologen<br />
ist jedoch die Ansicht weit verbreitet, dass eine Mehrfachtherapie<br />
tatsächlich zusätzliche Vorteile bringt.<br />
Refraktäre Herzinsuffizienz<br />
Sobald ein Patient nach dem Einsetzen der klinischen Herzinsuffizienzsymptome<br />
die für ihn optimal geeignete Behandlung<br />
erhält, beobachtet man oft eine mehrmonatige Periode, die<br />
durch eine relative Stabilität des Patienten und eine erfolgreiche<br />
Kompensation der Herzinsuffizienz gekennzeichnet ist (vorausgesetzt,<br />
die Behandlung wird konsequent aufrechterhalten).<br />
Leider erreichen die meisten dieser Hunde einen Punkt, an dem<br />
die klinischen Symptome trotz fortgesetzter Behandlung<br />
rezidivieren. In dieser Situation ist eine Modifikation des<br />
Behandlungsschemas erforderlich. Diese Modifikation besteht<br />
zum einen darin, die Dosierung der bereits verabreichten<br />
Arzneimittel anzupassen und zum anderen zusätzliche Behand-<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 29
PERSÖNLICHE EMPFEHLUNGEN FÜR...<br />
lungsmaßnahmen einzuleiten. Für dieses Spätstadium der<br />
Erkrankung herrscht ein Evidenzmangel für die Wirksamkeit<br />
einer bestimmten Therapie, und in diesem Zusammenhang gibt<br />
es unzählige verschiedene Expertenmeinungen. Erhält der<br />
Patient nur zwei oder drei der oben aufgelisteten Arzneimittel,<br />
würde ich an dieser Stelle zusätzlich die anderen, noch nicht<br />
applizierten Komponenten aus der oben genannten Liste<br />
verabreichen, um zunächst sicherzustellen, dass der Patient<br />
alle vier Medikamente – Furosemid, Pimobendan, einen ACE-<br />
Hemmer und Spironolacton – erhält. Ist das Ergebnis nicht<br />
zufrieden stellend, besteht zusätzlich zu dieser Viererkombination<br />
die Möglichkeit, weitere Diuretika, weitere Vasodilatatoren<br />
und/oder Digoxin zu verabreichen. Digoxin ist insbesondere<br />
bei Patienten mit Vorhofflimmern angezeigt. Ich führe<br />
folgende Modifikationen des Behandlungsschemas durch:<br />
• Erhöhung der Dosierung und der Dosierungsfrequenz von<br />
Furosemid bis auf ein Maximum von 4 mg/kg dreimal täglich.<br />
• Erhöhung der Spironolacton-Dosierung auf maximal 2-3 mg/<br />
kg zweimal täglich.<br />
• Verdopplung der Dosierungsfrequenz des ACE-Hemmers<br />
(von einmal täglich auf zweimal täglich).<br />
Im Anschluss an diese Maßnahmen können zusätzliche<br />
Diuretika, insbesondere die in anderen Zielstrukturen im<br />
Nephron wirkenden Thiazid-Diuretika (sequenzielle Nephronblockade),<br />
und weitere Vasodilatatoren, wie zum Beispiel<br />
Amlodipin und Hydralazin, in Betracht gezogen werden. Entwickeln<br />
die Patienten Anzeichen einer kongestiven Rechtsherzinsuffizienz,<br />
so kann es sich hierbei um die sekundäre Folge<br />
einer pulmonalen Hypertonie handeln. Einige Autoren befürworten<br />
in diesen Fällen eine Behandlung mit Sildenafil (12).<br />
Eine multiple medikamentöse Behandlung von Patienten mit<br />
fortgeschrittener Herzklappenerkrankung ist mit zahlreichen<br />
Risiken verbunden. Zu den häufigsten Komplikationen gehören<br />
eine eingeschränkte Nierenfunktion und Elektrolytstörungen<br />
(13). Ich empfehle deshalb bei Patienten mit Mitralregurgitation<br />
eine Kontrolle des biochemischen Profils vor Behandlungsbeginn,<br />
sowie 7 bis 10 Tage nach jeder signifikanten<br />
Modifikation des Behandlungsschemas. In den späteren<br />
Stadien der Erkrankung ist die Entwicklung einer mehr oder<br />
weniger stark ausgeprägten Azotämie nahezu unvermeidlich.<br />
Handelt es sich um eine eher geringgradige Azotämie, so kann<br />
die Behandlung fortgesetzt werden. Bei einigen Patienten kann<br />
sich die Entwicklung einer signifikanten Nierendysfunktion<br />
jedoch als ein limitierender Faktor für die Fortsetzung der<br />
Behandlung erweisen.<br />
Letztlich wird die Mehrzahl der Patienten mit Symptomen<br />
einer Herzinsuffizienz infolge einer Mitralregurgitation der<br />
Erkrankung trotz fortgesetzter therapeutischer Bemühungen<br />
erliegen (75% der Hunde in der QUEST-Studie erreichten den<br />
primären Endpunkt (11)). In vielen Fällen stellt sich früher<br />
oder später die Frage einer Euthanasie, und die Entscheidung<br />
hierüber sollte stets objektiv unter dem Aspekt der Lebensqualität<br />
des Patienten unter der Behandlung getroffen werden,<br />
aber auch die Wünsche des Patientenbesitzers berücksichtigen.<br />
Zusätzliche Probleme<br />
Die oben erläuterte Klassifikation kann zwei Probleme aufwerfen.<br />
Eines dieser Probleme ist das durch die Klassifikation<br />
künstlich geschaffene Gefühl der Gewissheit einer Einstufung<br />
eines Hundes, der sich unter Umständen eher im Grenzbereich<br />
zwischen zwei Kategorien bewegt. Das zweite Problem betrifft<br />
das klinische Symptom eines hartnäckigen Hustens, das bei<br />
vielen Hunden mit Herzklappenerkrankung zu beobachten ist.<br />
Jede Form der Kategorisierung einer Erkrankung unterteilt auf<br />
künstliche Weise ein kontinuierliches Spektrum von Patienten<br />
in eine Reihe offensichtlich unterschiedlicher Kategorien.<br />
Probleme entstehen oft bei Hunden, deren Zustand sich im<br />
Grenzbereich zwischen zwei Kategorien bewegt. Bei einigen<br />
Patienten gestaltet sich eine eindeutige Beurteilung oft sehr<br />
schwierig, beispielsweise bei Patienten mit mittel- bis hochgradiger<br />
Leistungsintoleranz oder Patienten mit Hinweisen auf<br />
ein geringgradiges interstitielles Lungenmuster im Röntgenbild:<br />
Haben diese Patienten eine Herzinsuffizienz oder nicht?<br />
Möglicherweise erhalten wir in Zukunft bei der Unterscheidung<br />
von Hunden, die mehr oder weniger wahrscheinlich Symptome<br />
einer Herzinsuffizienz zeigen werden, Unterstützung durch die<br />
Anwendung von Biomarkern. NTproBNP scheint in dieser<br />
Hinsicht am vielversprechendsten zu sein (14, 15) (siehe auch<br />
Artikel von Oyama und Reynolds in dieser Ausgabe). Wenn<br />
klinische Symptome und radiologische oder echokardiographische<br />
Befunde auf eine fortgeschrittene Erkrankung<br />
hinweisen, ist es in einigen Fällen notwendig, eine empirische<br />
Behandlung in Betracht zu ziehen, um zu überprüfen, ob sich<br />
die Symptome bessern. Nicht selten ist eine solche empirische<br />
Strategie jedoch von einer gewissen Unsicherheit geprägt, da<br />
für die vorliegenden Symptome auch begleitende Erkrankungen<br />
verantwortlich sein könnten, die sich entweder unter<br />
derselben Therapie bessern oder aber mit der Zeit spontan<br />
zurückgehen. Ein offensichtliches Ansprechen auf die Behandlung<br />
ist also eher ein sehr schwaches Argument, um einen Hund<br />
zu einer lebenslangen Therapie zu verurteilen. Als sehr unwahrscheinlich<br />
gilt, dass ein Hund mit einem relativ leisen Herzgeräusch<br />
und ohne Anzeichen einer Herzvergrößerung irgendwelche<br />
klinischen Symptome als Folge seiner Erkrankung zeigt.<br />
Husten ist ein sehr spezifisches klinisches Symptom bei Hunden<br />
mit Mitralklappenerkrankung. Es kann sich um eine Folge der<br />
Erkrankung handeln, aber nicht unbedingt um ein Anzeichen<br />
für eine Herzinsuffizienz. Weithin wird angenommen, dass der<br />
den Symptomen einer Herzinsuffizienz oftmals vorausgehende<br />
Husten bei Hunden mit Mitralklappenerkrankung eine Folge<br />
30 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
HERZKLAPPENERKRANKUNGEN BEIM HUND<br />
mechanischer Auswirkungen des vergrößerten linken Atriums<br />
ist, das zu einer Kompression des linken Hauptstammbronchus<br />
führt. Unter diesen Voraussetzungen führt eine lediglich auf die<br />
Kontrolle der Symptome der kongestiven Herzinsuffizienz<br />
ausgerichtete Behandlung unter Umständen nicht zu einer<br />
Remission des Hustens, da dadurch nicht notwendigerweise<br />
auch die Größe des linken Vorhofs abnimmt. Verschiedene<br />
Strategien werden für diese Patienten vorgeschlagen, mit dem<br />
Ziel, die Symptome zu lindern. Sämtliche dieser Optionen<br />
können bei einem solchen Patienten getestet werden, in vielen<br />
Fällen erweist sich der Husten jedoch trotz dieser therapeutischen<br />
Bemühungen als behandlungsresistent. Folgende<br />
Behandlungsstrategien bieten sich an:<br />
• Bronchodilatation: Theophyllin, Etamiphyllin und Terbutalin<br />
kommen in Frage.<br />
• Veränderungen des Managements (Lebensweise, Fütterung,<br />
Haltungsbedingungen etc.): Gewichtsreduktion, Vermeidung<br />
rauchiger, staubiger Umgebungen, Halsband durch Brustgeschirr<br />
ersetzen, um eine weitere Reizung der Atemwege zu<br />
vermeiden.<br />
• Vasodilatatoren oder Diuretika in geringer Dosierung mit<br />
dem Ziel, die Größe des linken Vorhofs zu reduzieren.<br />
• Husten unterdrückende Arzneimittel: Butorphanol oder<br />
<strong>Co</strong>dein können intermittierend eingesetzt werden, um<br />
besonders problematischen Husten zu unterdrücken.<br />
• Antiinflammatorische Arzneimittel: Einige Autoren befürworten<br />
in dieser Situation die intermittierende Gabe gering<br />
dosierter Kortikosteroide oder Steroide über einen Inhalator.<br />
Zukünftige Entwicklungen<br />
Eine jüngste aufregende Entwicklung, die signifikante Auswirkungen<br />
auf die Diagnose und Behandlung von Herzerkrankungen<br />
bei Hunden mit Mitralklappenerkrankung (und<br />
anderen Herzerkrankungen) haben kann, ist die Entwicklung<br />
von Assays für kardiale Biomarker (siehe Artikel Seite 2).<br />
Besonders viel versprechend in diesem Zusammenhang scheint<br />
die Bestimmung des NTproBNP. Mehrere neuere Studien<br />
unterstreichen die diagnostischen Vorteile dieses Markers beim<br />
Erkennen von Patienten mit Herzerkrankung und Herzinsuffizienz<br />
(14, 15). In der Humanmedizin unterstützt die<br />
Bestimmung von Biomarkern sowohl das Erkennen von<br />
Patienten mit weiter fortgeschrittener Erkrankung, als auch die<br />
Entscheidungsfindung hinsichtlich ihrer Therapie. Beim<br />
Menschen lassen erhöhte NTproBNP-Konzentrationen darüber<br />
hinaus prognostische Schlussfolgerungen zu, und auch bei<br />
Hunden weisen erste vorläufige Daten darauf hin, dass es einen<br />
starken prädiktiven Zusammenhang zwischen der NTproBNP-<br />
Konzentration und der Prognose gibt.<br />
Denkbar ist in Anbetracht dieser Entwicklungen, dass wir in<br />
Zukunft in der Lage sein werden, die Behandlung von Patienten<br />
mit Mitralklappenerkrankung und erhöhter NTproBNP-Konzentration<br />
mit deutlich mehr Zuversicht in Angriff zu nehmen. In der<br />
Humanmedizin wird bereits die Möglichkeit einer gezielten und<br />
spezifischen Reduktion der Konzentration des natriuretischen<br />
Peptides untersucht (16, 17), und dies ist zweifellos ein Weg,<br />
dessen weitere Verfolgung sich auch beim Hund lohnen würde.<br />
LITERATUR<br />
1. Buchanan JW. Prevalence of Cardiovascular Disorders. In: Fox PR, Sisson<br />
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Investigation of Veterinary Enalapril (LIVE) Study Group. J Am Vet Med<br />
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Results of a multicenter, prospective, randomized, double-blinded,<br />
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dogs. J Vet Cardiol 2006; 8: 1-9.<br />
14. Boswood A, Dukes-McEwan J, Loureiro J, et al. The diagnostic accuracy<br />
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disease. J Small Anim Pract 2008; 49: 26-32.<br />
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pro-B-type natriuretic peptide concentration for identifying cardiac disease<br />
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guided by plasma aminoterminal brain natriuretic peptide (N-BNP)<br />
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drug treatment for chronic heart failure: design and methods in the<br />
"BATTLESCARRED" trial. Eur J Heart Fail 2006; 8: 532-538.<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 31
<strong>ROYAL</strong> <strong>CANIN</strong> STANDPUNKT...<br />
Diätetische Behandlung von<br />
Herzerkrankungen im<br />
Frühstadium: ACT with SPEED<br />
Daniel Baker, DVM<br />
Scientific <strong>Co</strong>mmunications, Royal Canin USA<br />
Dr. Baker schloss sein Studium 1999 an der University of<br />
Massachusetts-Amherst mit dem Grad eines Bachelor of<br />
Science in Biologie mit Auszeichnung ab. Als Student<br />
(undergraduate) nahm er als eines von 18 Mitgliedern<br />
weltweit am East/West marine biology program der<br />
Northeastern University teil. Im Rahmen dieses Projektes<br />
hatten die Studenten die Möglichkeit, die marine Flora<br />
und Fauna in drei unterschiedlichen Regionen der Erde<br />
zu untersuchen und zu vergleichen. Nach Abschluss<br />
seines klinischen Jahres an der University of Minnesota<br />
errang Daniel Baker 2003 den Grad des DVM an der Ross<br />
University. Nach seiner Approbation arbeitete er über vier<br />
Jahre als Kleintierpraktiker. Während dieser Zeit<br />
beschäftigte er sich hauptsächlich mit der Notfall- und<br />
Intensivmedizin. Zurzeit ist Dr. Baker Mitglied des Teams<br />
Scientific <strong>Co</strong>mmunications bei Royal Canin, USA.<br />
Denise Elliott, BVSc (Hons), PhD,<br />
Dipl. ACVIM, Dipl. ACVN<br />
Scientific Affairs, Royal Canin USA<br />
Dr. Elliott schloss ihr Tiermedizinstudium im Jahr 1991 an der<br />
University of Melbourne mit Auszeichnung ab. Nach einem<br />
Internship in den Bereichen Kleintiermedizin und – chirurgie<br />
an der University of Pennsylvania ging Dr. Elliott an die<br />
University of California in Davis, wo sie eine Residency in<br />
Kleintiermedizin und Klinischer Diätetik der Kleintiere<br />
absolvierte. Im Jahr 1996 erhielt Dr. Elliott die Board<br />
Certification des American <strong>Co</strong>llege of Veterinary Internal<br />
Medicine und im Jahr 2001 das entsprechende Zertifikat des<br />
American <strong>Co</strong>llege of Veterinary Nutrition. Für ihre<br />
Dissertation zum Thema „Multifrequency Bioelectrical<br />
Impedance Analysis in Healthy Cats and Dogs“ erhielt sie im<br />
Jahre 2001 den Doktorgrad (PhD) im Fachbereich Ernährung<br />
der University of California, Davis. Gegenwärtig ist Dr. Elliott<br />
Leiterin der Abteilung Scientific Affairs bei Royal Canin, USA.<br />
Die genaue und rechtzeitige Diagnose der frühen<br />
Stadien (Grad 1 & 2, Tabelle 1) einer Herzerkrankung<br />
gilt seit jeher als eine schwierige Herausforderung. In<br />
dieser Phase der Erkrankung zeigen die meisten Patienten keine<br />
nach außen hin erkennbaren Krankheitsanzeichen. Klinische<br />
Symptome, die auf eine pathologische Veränderung im<br />
kardiologischen Bereich zurückzuführen wären, werden von<br />
Besitzern in der Regel erst dann beschrieben, wenn das Tier<br />
bereits eines der späteren Krankheitsstadien erreicht hat. In den<br />
meisten Fällen einer Herzerkrankung im Frühstadium wird<br />
keine Behandlung durchgeführt, sondern vielmehr eine regelmäßige<br />
Überwachung der Herzfrequenz, des Herzrhythmus<br />
und der Herzgröße, sowie assoziierter klinischer Symptome in<br />
sechs- bis zwölfmonatigen Intervallen. Die zentrale Frage, die in<br />
diesem Zusammenhang gestellt werden muss, ist Gegenstand<br />
einer intensiven Diskussion innerhalb der veterinärmedizinischen<br />
Gemeinde: „Wenn ein Patient keine nach außen<br />
sichtbaren klinischen Symptome zeigt, zum Beispiel bei einer<br />
Herzerkrankung im Frühstadium, welche Maßnahmen sollten<br />
auf klinischer Ebene ergriffen werden, um eine Verbesserung<br />
der Gesundheit des Tieres zu unterstützen“?<br />
Dank der Zusammenarbeit mit einigen der weltweit führenden<br />
Kardiologen und Ernährungswissenschaftlern und der innovativen<br />
Forschung bei Royal Canin und am WALTHAM Centre for<br />
Pet Nutrition sind wir heute in der Lage, die vorteilhaften Wirkungen<br />
einer frühzeitigen diätetisch-therapeutischen Unterstützung<br />
von Patienten mit kardiologischen Erkrankungen zu<br />
verstehen. Die Ernährung kann tief greifende vorteilhafte Wirkungen<br />
haben, insbesondere im Hinblick auf eine Reduzierung<br />
metabolischer Störungen, und gleichzeitig für eine Verbesserung<br />
der allgemeinen Lebensqualität des Patienten sorgen.<br />
32 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
Tabelle 1.<br />
Klassifikation von Herzerkrankungen<br />
Grad<br />
Grad I<br />
Grad II<br />
Grad III<br />
Grad IV<br />
Herzerkrankungen sind heute die zweithäufigste Todesursache<br />
bei Hunden. Chronische Herzklappenerkrankungen haben<br />
einen Anteil von 75% an diesen Fällen, während die dilatative<br />
Kardiomyopathie (DCM) für 10-15% aller beobachteten<br />
Fälle verantwortlich zeichnet. Dank der Entwicklungen der<br />
vergangenen Jahrzehnte verfügt der Allgemeinpraktiker heute<br />
in der Regel über zahlreiche fortschrittliche diagnostische<br />
Verfahren, wie zum Beispiel die Elektrokardiographie (E<strong>KG</strong>),<br />
den Holter-Monitor (Langzeit-E<strong>KG</strong>) und die Echokardiographie.<br />
Diese Verfahren bieten die Möglichkeit einer frühzeitigen<br />
Diagnose von Herzerkrankungen im Frühstadium<br />
und damit einer frühzeitigen therapeutischen Intervention.<br />
Die primäre Rolle der Ernährung bei der Prävention und Behandlung<br />
von Herzerkrankungen ist multimodalen Charakters.<br />
Durch die Zufuhr von Schlüsselnährstoffen versucht die klinische<br />
Diätetik, eine optimale <strong>Energie</strong>versorgung zu sichern,<br />
oxidativen Stress zu minimieren, entzündliche Ereignisse<br />
zu reduzieren, das Elektrolytgleichgewicht zu erhalten und<br />
schließlich die Herzleistung zu verbessern. Das Akronym<br />
„ACT with SPEED“ hilft uns dabei, die Rolle der wichtigsten<br />
Schlüsselnährstoffe bei der Verlangsamung des Fortschreitens<br />
einer Herzerkrankung besser zu verstehen.<br />
ACT<br />
Klinische Beschreibung<br />
Keine Einschränkung der körperlichen Aktivität.<br />
Normale körperliche Aktivität verursacht keine übermäßige<br />
Ermüdung, Herzfrequenzsteigerung oder Dyspnoe.<br />
Geringfügige Einschränkung der körperlichen Aktivität.<br />
Keine Einschränkung in Ruhe, aber normale körperliche<br />
Aktivität führt zu Ermüdung, Herzfrequenzsteigerung<br />
oder Dyspnoe.<br />
Ausgeprägte Einschränkung der körperlichen Aktivität.<br />
Keine Einschränkung in Ruhe, aber bereits eine geringe<br />
körperliche Aktivität verursacht Ermüdung,<br />
Herzfrequenzsteigerung oder Dyspnoe.<br />
Unfähigkeit zu jeglicher körperlicher Aktivität ohne<br />
Beschwerden. Herzinsuffizienzsymptome in Ruhe. Bei<br />
jeglicher körperlicher Anstrengung steigern sich die<br />
Beschwerden.<br />
Arginin, eine essenzielle Aminosäure, ist eine Vorstufe des<br />
endogen synthetisierten Stickstoffmonoxids (NO). Gut bekannt<br />
ist die Funktion von Stickstoffmonoxid als endothelialer<br />
Relaxationsfaktor, der für den Erhalt eines physiologischen<br />
Gefäßtonus verantwortlich ist (1). Beim Menschen und beim<br />
Hund wird eine endotheliale Dysfunktion mit einer kongestiven<br />
Herzinsuffizienz in Verbindung gebracht (2). Eine<br />
Argininsupplementierung scheint das Herzzeitvolumen bei<br />
Patienten mit Herzerkrankung zu verbessern, indem die<br />
Vorlast und die Nachlast positiv beeinflusst werden (HZV<br />
[Herzzeitvolumen] = HF [Herzfrequenz] x Kontraktilität x<br />
Vorlast/Nachlast).<br />
Carnitin, ein quaternäres Amin, besteht aus den beiden<br />
essenziellen Aminosäuren Lysin und Methionin. In höheren<br />
Konzentrationen kommt Carnitin sowohl im Skelett-, als auch im<br />
Herzmuskel vor. L-Carnitin (die biologisch aktive Form) ist<br />
ein entscheidender Faktor für die Fettsäureoxidation in den<br />
Mitochondrien. Es dient als Shuttle für den Transport von<br />
Fettsäuren von der Außenseite der Mitochondrien zu deren<br />
innerer Membran, und ist eine Schlüsselkomponente bei<br />
der Regulation des Citratzyklus (3). Zudem ist L-Carnitin<br />
verantwortlich für den Transport von potenziell kardiotoxischen<br />
Stoffwechselabfallprodukten aus den Mitochondrien. Normalerweise<br />
erfolgt eine ausreichende Versorgung des Körpers mit<br />
L-Carnitin über die intestinale Absorption oder die hepatische<br />
und renale Synthese. Bei bestimmten Rassen (Boxer, Dobermann<br />
und American <strong>Co</strong>cker Spaniel) wird ein myokardialer Carnitinmangel<br />
beschrieben (4, 5). In der überwiegenden Mehrzahl<br />
dieser Fälle liegen die Carnitinkonzentrationen im Plasma<br />
jedoch innerhalb ihres physiologischen Referenzbereiches.<br />
Diese Befunde sprechen für einen Defekt des Membrantransports,<br />
der verhindert, dass L-Carnitin aus dem Plasma in<br />
die Herzmuskelzellen eintritt. Eine bedarfsgerechte diätetische<br />
Versorgung mit optimalen Carnitinmengen kann zu einer<br />
Verbesserung der Gesamtfunktion der Herzmuskelzellen<br />
beitragen.<br />
Taurin, eine beim Hund nicht-essenzielle Aminosäure, ist gut<br />
bekannt für seine starken antioxidativen Wirkungen im gesamten<br />
Körper. Darüber hinaus ist Taurin ein Schlüsselnährstoff in<br />
der Behandlung bestimmter Kardiomyopathien (6-8). Jüngste<br />
Untersuchungen legen nahe, dass die Fütterung bestimmter<br />
Futtermittel auf Lammbasis und eine hochgradig proteinarme<br />
Ernährung zu einem stark ausgeprägten Taurinmangel mit den<br />
entsprechenden klinischen Symptomen führen kann (9-10).<br />
Rasseassoziierter Taurinmangel (z.B. American <strong>Co</strong>cker Spaniel,<br />
Portugiesischer Wasserhund) manifestiert sich in Form einer<br />
dilatativen Kardiomyopathie. In mehreren dieser Fälle kam es zu<br />
einer klinischen Besserung, wenn die Nahrung einen ausreichenden<br />
Tauringehalt aufwies (5-11). Bei Tieren mit experimentell<br />
induzierter Herzinsuffizienz besitzt Taurin darüber<br />
hinaus einen positiv inotropen Effekt (12). Diese Ergebnisse<br />
sprechen dafür, dass eine Taurinsupplementierung sich auch<br />
bei Herzpatienten ohne echten Taurinmangel als vorteilhaft<br />
erweisen kann.<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 33
<strong>ROYAL</strong> <strong>CANIN</strong> STANDPUNKT...<br />
With<br />
SPEED<br />
Sodium: Eine Natriumrestriktion (Sodium) gilt seit langer<br />
Zeit als ein diätetischer Grundpfeiler der Behandlung von<br />
Herzerkrankungen. Zwar hat die Natriumrestriktion ohne<br />
Frage ihren Platz als ergänzende Maßnahme neben anderen<br />
diätetischen Maßnahmen, eine entscheidende Rolle spielt<br />
dabei jedoch die auf dem Schweregrad der Herzerkrankung<br />
basierende Höhe der Natriumrestriktion. So kann eine übertriebene<br />
Restriktion in einem frühen Stadium des Krankheitsprozesses<br />
zu einer übermäßigen Reaktion des Renin-<br />
Angiotensin-Aldosteron-Systems führen (13-18), deren Folge<br />
eine Verstärkung der klinischen Symptome und letztlich das<br />
Fortschreiten der Erkrankung ist. Seit Einführung der ACE-<br />
Hemmer ist die Notwendigkeit einer hochgradigen Natriumrestriktion<br />
bei den meisten Patienten weiter zurückgegangen<br />
(19). Auf der Grundlage unseres aktuellen Verständnisses der<br />
Zusammenhänge zwischen Natrium und der Herzphysiologie in<br />
bestimmten Stadien von Herzerkrankungen, wird heute vor<br />
allem der maßgeschneiderten, individuellen Anpassung des<br />
Grades der Natriumrestriktion eine herausragende Bedeutung<br />
beigemessen.<br />
Protein: Die Proteinrestriktion hat irrtümlicherweise über viele<br />
Jahre ihren Weg in die Behandlung von Herzerkrankungen<br />
gefunden. Viele der heute verfügbaren Diäten sind auf der<br />
Grundlage eines obsoleten Denkmusters formuliert, nach dem<br />
eine Proteinrestriktion zu einer Abnahme der metabolischen<br />
Belastung von Niere und Leber führt (20). Begutachtete<br />
Veröffentlichungen, die diese Hypothese bestätigen, gibt es<br />
jedoch nicht. Noch gravierender als diese fehlende Evidenz ist<br />
die Tatsache, dass proteinarme Diäten die Entwicklung einer<br />
kardialen Kachexie begünstigen. Diese Kachexie wiederum<br />
kann auf Seiten des Besitzers zur Wahrnehmung einer<br />
Tabelle 2.<br />
Kachexie-Scoring-System<br />
Kachexie-<br />
Score<br />
0<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
*Modifiziert nach Freeman (29).<br />
`<br />
Beschreibung<br />
Guter Muskeltonus ohne Anzeichen einer<br />
Muskelatrophie<br />
Frühe, geringgradige Muskelatrophie,<br />
insbesondere im Bereich der Hinterhandund<br />
Lendenmuskulatur<br />
Mittelgradige Muskelatrophie, in allen<br />
Muskelgruppen sichtbar<br />
Hochgradige Muskelatrophie aller<br />
Muskelgruppen<br />
Höchstgradige Muskelatrophie<br />
schlechten Lebensqualität seines Tieres führen, und schließlich<br />
die Entscheidung in Richtung einer Euthanasie beschleunigen.<br />
Herzdiäten sollten nach heutigem Wissensstand optimale<br />
Mengen hoch verdaulicher Proteine enthalten, die den Erhalt<br />
der fettfreien Körpermasse sicherstellen.<br />
<strong>Energie</strong>: Der <strong>Energie</strong>bedarf von Patienten mit Herzerkrankung<br />
sollte stets unter Berücksichtigung des Body <strong>Co</strong>ndition<br />
Score (BCS) und des Grades der kardialen Kachexie (Tabelle 2)<br />
beurteilt werden. Ziel ist es, eine Kalorienzufuhr sicherzustellen,<br />
die sowohl die Entstehung einer Adipositas, als auch eine<br />
Auszehrung verhindert und gleichzeitig den Erhalt der fettfreien<br />
Körpermasse gewährleistet. Besondere Aufmerksamkeit<br />
verlangen Herzpatienten mit bereits bestehendem niedrigen<br />
BCS und/oder kardialer Kachexie. Ein schlechtes Allgemeinbefinden<br />
ist bei Herzpatienten nicht selten auf eine Anorexie<br />
zurückzuführen. So zeigt eine neuere Studie, dass die tägliche<br />
Kalorienaufnahme bei Hunden mit dilatativer Kardiomyopathie<br />
bei 72-84% ihres erwarteten täglichen <strong>Energie</strong>bedarfes liegt<br />
(21). Herzdiäten müssen deshalb Nährstoffe enthalten, die<br />
eine hohe Verdaulichkeit und eine hohe Bioverfügbarkeit<br />
aufweisen.<br />
Eikosapentaensäure (EPA)<br />
&<br />
Dokosahexaensäure (DHA) sind essenzielle langkettige Fettsäuren<br />
aus marinen Quellen, wie zum Beispiel Seefischen.<br />
Diese Fettsäuren haben tief greifende antiinflammatorische<br />
Wirkungen im gesamten Körper, insbesondere aber im Herzen.<br />
Studien zeigen, dass Hunde mit kongestiver Herzinsuffizienz<br />
im Vergleich zu gesunden Hunden niedrigere EPA/DHA-<br />
Konzentrationen im Plasma haben (21). Die kombinierten<br />
Effekte dieser Fettsäuren zielen auf eine Reduktion der Wirkungen<br />
proinflammatorischer Mediatoren auf die kardiale<br />
Infrastruktur (21). Die Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren<br />
mariner Herkunft führt bei Hunden mit Herzerkrankung<br />
nachweislich zu einer Verbesserung der kardialen Kachexie.<br />
Eine neuere Studie zeigt zudem, dass EPA/DHA aus Fischölen,<br />
die über einen Zeitraum von sechs Wochen verabreicht werden,<br />
den Grad und die Frequenz von Arrhythmien bei Boxern mit<br />
arrhythmogener rechtsventrikulärer Kardiomyopathie (ARVC)<br />
reduzieren (22).<br />
Mehrere weitere Schlüsselnährstoffe mit kardiologischer<br />
Bedeutung sollten im Rahmen der diätetischen Behandlung<br />
von Patienten mit Herzerkrankungen ebenfalls in Betracht<br />
gezogen werden. So besitzt beispielsweise Vitamin E hemmende<br />
Wirkungen auf die Lipidperoxidation der Zellmembranen von<br />
Herzzellen. Vitamin E kann zudem als Biomarker für oxidativen<br />
Stress eingesetzt werden. So hat man herausgefunden, dass<br />
34 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
DIÄTETISCHE BEHANDLUNG VON HERZERKRANKUNGEN IM FRÜHSTADIUM: ACT WITH SPEED<br />
niedrige Vitamin-E-Konzentrationen bei Herzpatienten<br />
negativ mit dem Grad der Erkrankung korrelieren (23).<br />
Beschrieben wird darüber hinaus ein Vitamin-B-Mangel bei<br />
Katzen mit Kardiomyopathie (24). Hypomagnesämie kann<br />
Herzarrhythmien potenzieren, die Herzmuskelkontraktilität<br />
herabsetzen und zu Muskelschwäche beitragen (25, 26).<br />
Dieser Zusammenhang wird gehäuft beim Cavalier King<br />
Charles Spaniel beobachtet (27). Kalium wurde in den früher<br />
propagierten Herzdiäten übersupplementiert, um die infolge<br />
der diuretischen Therapie erhöhten renalen Kaliumverluste zu<br />
kompensieren. Heute wird diese hohe Supplementierung nicht<br />
mehr als notwendig erachtet. Seit der Einführung der ACE-<br />
Hemmer, die zu einer Steigerung der renalen Kaliumabsorption<br />
beitragen, sollten moderne Herzdiäten „normale“ Kaliumkonzentrationen<br />
aufweisen (28).<br />
Zusammenfassend betrachtet steht an erster Stelle natürlich<br />
die richtige Diagnose einer Herzerkrankung im Frühstadium.<br />
Anschließend müssen wir dem Besitzer des betroffenen Tieres<br />
erläutern, dass eine im Frühstadium unbehandelte Herzerkrankung<br />
unter Umständen drastische lebenslange Komplikationen<br />
nach sich ziehen kann. Viele dieser Komplikationen<br />
sind Folgen des subklinischen Krankheitsprozesses, der sich<br />
nicht notwendigerweise in Form von äußerlich erkennbaren<br />
klinischen Symptomen manifestieren muss. Als Kliniker haben<br />
wir heute die Möglichkeit, unseren Patientenbesitzern eine<br />
frühzeitige diätetische Therapie in Verbindung mit einer engen<br />
Überwachung des Gesundheitszustandes ihres Tieres anzubieten.<br />
Heute sind wir in der Lage, den Besitzern und ihren<br />
Tieren das diätetische Rüstzeug an die Hand zu geben, mit<br />
dessen Hilfe wir die Behandlung von Herzerkrankungen<br />
unterstützen und die Aussichten auf ein längeres, gesünderes<br />
Leben deutlich verbessern können.<br />
LITERATUR<br />
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Special Edition Advances in Clinical Nutrition, 2000; 36-42.<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 35
PERSÖNLICHE EMPFEHLUNGEN FÜR...<br />
Synkopen beim<br />
Hund– ein Syndrom,<br />
keine Krankheit<br />
Marianne Skrodzki, DVM<br />
Berlin, Deutschland<br />
Studium der Rechtswissenschaft und der Veterinärmedizin<br />
in Berlin, Habilitation sowie Privatdozentur mit der<br />
Lehrbefugnis für das Fach Kleintierkrankheiten; seit 2002<br />
eine eigene kardiologische Kleintierpraxis in Berlin.<br />
Gastdozentin an den Universitäten in Riga, St. Petersburg,<br />
Moskau und Tirana und Studienaufenthalte an den<br />
Universitäten in Philadelphia, Utrecht und Edinburgh.<br />
Ihre Hauptinteressen sind Diagnostik und Therapie<br />
angeborener und erworbener Herz-Kreislauferkrankungen<br />
beim Kleintier. Dr. Skrodzki ist international tätig, z.B. bei<br />
der WSAVA oder dem Canine Heart-failure International<br />
Expert Forum (CHIEF).<br />
Eberhard Trautvetter, DVM<br />
Berlin, Deutschland<br />
Prof. Dr. Trautvetter arbeitet seit 1967 auf dem Gebiet der<br />
Kleintierkardiologie. Nach Forschungsaufenthalten an der<br />
Universität Pennsylvania wurde er 1972 an der Freien<br />
Universität Berlin zum Universitätsprofessor berufen, 1984<br />
übernahm er die Leitung der Kleintierklinik, im Jahre 2000<br />
wurde er pensioniert, seitdem arbeitet er bei Berlin in einer<br />
Praxis und betreut Doktoranden aus dem In- und Ausland.<br />
Sein wissenschaftliches Hauptinteresse gilt Stammbaumanalysen<br />
zu genetisch bedingten Herz-Kreislauferkrankungen<br />
bei Rassehunden und –katzen; für seine Forschungserfolge<br />
erhielt er weltweite Auszeichnungen, z.B. den Centennial<br />
Award of Merit der University of Pennsylvania oder die<br />
Ehrenmedaille der französischen Spezialistenvereinigung.<br />
Einleitung<br />
Das Gehirn hat als Steuerorgan vieler Körperfunktionen<br />
Präferenz in der Blutversorgung. Im Gegensatz zu anderen<br />
Organsystemen, die bereits früh Funktionseinbußen erleiden,<br />
wird das Gehirn selbst bei mittleren arteriellen Drücken von<br />
60-70 mmHg noch ausreichend mit Blut versorgt. Ein Blutdruckabfall<br />
auf ca. 40 mmHg bedingt eine Reduktion der<br />
cerebralen Sauerstoffaufnahme, der CO 2 - Produktion und der<br />
Glucose-Utilisation. Unterhalb dieses Druckwertes kommt<br />
die Gehirnfunktion allmählich zum Erliegen.<br />
Infolge regionaler oder globaler zerebraler Minderperfusion<br />
kann es zu Schwindelanfällen bzw. zum spontanen reversiblen,<br />
kurzzeitigen Bewusstseinsverlust kommen, der<br />
definitionsgemäß als Synkope (Ohnmacht) bezeichnet wird.<br />
Eine Unterbrechung des zerebralen Blutflusses von 8-10<br />
Sekunden und mehr führt zur Bewusstlosigkeit und in<br />
schweren Fällen auch zum Tod des Patienten.<br />
Eine Synkope ist keine Krankheit, sondern ein Symptom, das<br />
bei vielen Zuständen und Erkrankungen auftreten kann<br />
(Tabelle 1). Kardial bedingte Synkopen werden durch<br />
Arrhythmien verursacht oder durch Obstruktionen der ventrikulären<br />
Ausflussbahnen, angeborene Vitien mit Zyanose<br />
sowie durch Herzerkrankungen, die zur Abnahme des Herzminutenvolumens<br />
führen mit globaler bzw. regionaler<br />
Minderperfusion. Da die Bewusstlosigkeit von Tonusverlust<br />
der Haltemuskulatur begleitet wird, stürzen die Patienten<br />
oder sacken in sich zusammen. Schließlich kann die zerebrale<br />
Hypoperfusion auch zu Krampfanfällen in Seitenlage führen.<br />
Damit einhergehend können ein Opisthotonus, spontane<br />
Lautäußerungen, sowie unkontrollierter Harn- und/oder<br />
Kotabsatz beobachtet werden. Verschiedene Anfallsformen<br />
können ineinander übergehen bzw. zusammen auftreten.<br />
Zu den extrakardialen Ursachen, die zu einer plötzlich<br />
auftretenden Störung der physiologischen Körperhaltung und<br />
36 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
Tabelle 1.<br />
Einteilung von Anfällen nach Ursache<br />
Arrhythmogen<br />
Asystolie<br />
Bradykardie<br />
Tachykardie<br />
Kardiale Genese<br />
Organische Herzkrankheiten<br />
Obstruktion des ventrikulären<br />
Ausflusstraktes<br />
- Aorten-, Pulmonalstenose<br />
- Hypertroph obstruktive<br />
Kardiomyopathie<br />
- Herzwurmerkrankung<br />
Fallot`sche Tetralogie (Zyanose)<br />
Vermindertes Herzminutenvolumen<br />
- Klappeninsuffizienz<br />
- Dilatative Kardiomyopathie<br />
Herztamponade<br />
Myxom<br />
Medikamenteninduziert<br />
Extrakardiale Genese<br />
Pulmonal<br />
Pulmonale Hypertension<br />
Hustensynkope<br />
Hypoxämie verursachende<br />
Krankheiten<br />
Neurologisch / Neurovaskulär<br />
Epilepsie<br />
Ischämie<br />
zentrale Blutung<br />
zerebrale Vasokonstriktion<br />
Enzephalitis (z.B. Staupe)<br />
Portosystemischer Shunt<br />
Metabolisch / Endokrin<br />
Hypoglykämie<br />
Hypokalzämie<br />
Hypoadrenokortizismus<br />
Medikamenteninduziert<br />
Andere<br />
Anämie<br />
Tumoren<br />
Bewegung führen, aber nicht der strengen Definition einer<br />
Synkope entsprechen, gehören neben der primär zentral<br />
bedingten Epilepsie, vor allem Hypoglykämien, Hypokalzämien,<br />
der portosystemische Shunt, ZNS-Erkrankungen<br />
und Ateminsuffizienzen mit schweren Hypoxien (Tabelle 1).<br />
Anamnese<br />
Die differentialdiagnostische Abklärung eines Anfallsgeschehens<br />
ist in vielen Fällen schwierig, Dennoch kann<br />
bereits mit einer gezielten Anamnese bei vielen Patienten die<br />
Ursache einer Synkope identifiziert werden. Dabei stellt sich<br />
zunächst die Frage, ob es sich überhaupt um eine Synkope<br />
handelt oder z.B. auch nur um einen Schwindelanfall bzw. um<br />
Epilepsie. Von erheblicher Bedeutung ist die Information,<br />
ob der Patient nachgewiesen herzkrank ist, oder ob nur ein<br />
Herzgeräusch bekannt ist, ohne dass bisher eine weitere<br />
Diagnostik oder Therapie erfolgte.<br />
Mit dem Anfallsgeschehen unvorbereitet konfrontiert, werden<br />
die Besitzer, insbesondere, da sie meist Laien sind, in<br />
Angst oder sogar in Panik versetzt, so dass eine objektive<br />
Beschreibung des Geschehens kaum oder gar nicht zu<br />
erwarten ist. Besonders ungenau sind Angaben über die<br />
Anfallsdauer. Auch die Frage nach einem Bewusstseinsverlust<br />
wird meist mit: „Mein Hund hat mich angeschaut“, verneint<br />
und damit häufig fehlinterpretiert. Entsprechend sollte man<br />
Angaben zum Anfallsgeschehen nicht einfach übernehmen,<br />
sondern kritisch hinterfragen. Suggestivfragen sind jedoch<br />
unbedingt zu vermeiden.<br />
Von großem Interesse ist der Zeitpunkt des Anfallsgeschehens.<br />
Epileptische Anfälle treten in der Regel<br />
spontan oder aus der Ruhe bzw. dem Schlaf heraus<br />
auf. Dagegen werden kardiale Synkopen oft durch<br />
charakteristische Auslöser, wie physische oder<br />
psychische Belastungen provoziert. Hustensynkopen<br />
werden ausschließlich während oder unmittelbar<br />
nach Husten bemerkt, wohingegen die meisten<br />
anderen Anfälle extrakardialer Genese situationsunabhängig<br />
sind.<br />
Charakteristisch für die Epilepsie sind anhaltende,<br />
über 20 Sekunden dauernde tonisch-klonische<br />
Bewegungen sowie, ein länger dauernder postiktaler<br />
Dämmerzustand, Letzteres im Unterschied zu einer<br />
mit Krämpfen einhergehenden Synkope. Das Auftreten<br />
von Kaukrämpfen spricht ebenfalls für eine<br />
Epilepsie. Nach einer Synkope sind die Patienten<br />
innerhalb von Sekunden reorientiert. Auch nach<br />
länger dauernden Anfällen von ein bis zwei Minuten<br />
sind die Tiere meist nur wenige Sekunden benommen<br />
oder verwirrt. Eine länger anhaltende Orientierungsstörung<br />
spricht eher für einen epileptischen Anfall.<br />
Erschöpfung und Müdigkeit kommen auch nach Synkopen<br />
vor, sind nach epileptischen Anfällen jedoch häufiger<br />
und ausgeprägter. Weniger entscheidend ist, ob während<br />
der Bewusstlosigkeit "Zuckungen" beobachtet wurden.<br />
Unwillkürliche Bewegungen treten nicht nur bei einem<br />
Krampfanfall auf, sondern kommen auch bei Synkopen<br />
vor. Unkontrollierter Kot- und/oder Harnabsatz sind bei<br />
generalisierten tonischklonischen und synkopalen Anfällen<br />
etwa gleich häufig.<br />
Die Farbe der Schleimhäute bzw. der Zunge, sowie Atemtyp<br />
und Atemfrequenz während eines Anfalls, sind wichtige<br />
Informationen zur differentialdiagnostischen Abgrenzung<br />
beispielsweise einer Anämie infolge einer pulmonalen<br />
Erkrankung.<br />
Zur Einschätzung des genetischen Risikos der Anfallsursache<br />
ist die Familienanamnese hilfreich. Wissenswert ist, ob mit<br />
dem Patienten verwandte Tiere am plötzlichen Herztod<br />
starben, oder ob eine familiäre Häufung angeborener Herzerkrankungen<br />
oder von Epilepsie bekannt ist.<br />
Im Falle einer Wiederholung des Anfalls muss man sich über<br />
Häufigkeit, Anfallsbild und Dauer der vorausgegangenen<br />
Episoden informieren.<br />
Ist der Patient bekanntermaßen herzkrank und wird bereits<br />
therapiert, so ist die Medikamentenanamnese von erheblicher<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 37
PERSÖNLICHE EMPFEHLUNGEN FÜR...<br />
Bedeutung. Medikamente können entweder durch einen<br />
unerwünschten vasodilatierenden Effekt oder durch die<br />
bradykardisierende bzw. tachykardisierende Wirkung einen<br />
synkopalen Anfall hervorrufen. Neben vasodilatierenden<br />
Antihypertensiva (ACE-Hemmer, Kalziumantagonisten<br />
und Dihydralazin) können auch Herzglykoside, sowie die<br />
meisten Antiarrhythmika und Diuretika für eine Synkope<br />
verantwortlich sein.<br />
Diagnostisches Vorgehen<br />
Patienten mit Synkopen und kardialer Grunderkrankung<br />
weisen eine wesentlich höhere Mortalität auf als Hunde mit<br />
extrakardialen Synkopen und Synkopen unklarer Genese.<br />
Im Mittelpunkt der Diagnostik stehen nach Erhebung der<br />
Anamnese eine gründliche Allgemeinuntersuchung, die<br />
Auskultation von Herz und Lunge, das Elektrokardiogramm,<br />
sowie die Blutdruckmessung und eine allgemeine neurologische<br />
Untersuchung. Bei der körperlichen Untersuchung<br />
wird neben der Bestimmung der kapillären Füllungszeit und<br />
der Beurteilung der Schleimhautfarbe, besonderes Augenmerk<br />
auf die Pulsfrequenz und –qualität, sowie die Symmetrie<br />
der Pulswellen an beiden Hinterextremitäten gerichtet.<br />
Auskultatorisch ist besonders auf Herzgeräusche, aber auch<br />
auf pathologisch veränderte Herztöne zu achten. Beispielsweise<br />
kann ein betonter zweiter Herzton bei pulmonaler<br />
Hypertonie hörbar sein. Bei längerer Auskultation werden<br />
auch paroxysmal auftretende Bradykardien bzw. Arrhythmien<br />
erkannt. Durch gleichzeitige Erfassung von Puls- und Herzfrequenz<br />
kann ein Pulsdefizit Hinweis auf eine klinisch<br />
relevante Arrhythmie sein.<br />
Eine längere Registrierung des Ruhe-E<strong>KG</strong> gehört unbedingt<br />
zur Basisdiagnostik. Das stets wache Tier wird während der<br />
E<strong>KG</strong>-Aufzeichnung von einer Hilfsperson in rechter Seitenlage<br />
gehalten. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass<br />
man zwar im E<strong>KG</strong> aufgrund charakteristischer Indizes auf<br />
eine Herzkrankheit schließen kann, andererseits kann das<br />
Ruhe-E<strong>KG</strong>, selbst bei Patienten mit schwerer Herzkrankheit,<br />
unauffällig sein. Da bei einigen Hunden erst während körperlicher<br />
Belastung Zeichen der myokardialen Minderperfusion<br />
bzw. Herzrhythmusstörungen sichtbar werden, sollte man in<br />
fraglichen Fällen bzw. bei unklaren Synkopen während oder<br />
kurz nach Belastung des Patienten ein weiteres E<strong>KG</strong> aufnehmen.<br />
Hier geht es nur darum, Herzrhythmusstörungen zu<br />
erkennen und die Herzschlagfrequenz zu erfassen. Entsprechend<br />
ist die Lagerung des Tieres unwichtig. Jedoch<br />
muss auf die Analyse der E<strong>KG</strong>-Amplituden verzichtet werden.<br />
Ein konventionelles E<strong>KG</strong> wird in der Regel maximal einige<br />
Minuten abgeleitet und stellt mehr oder weniger eine<br />
„Momentaufnahme“ dar. Seltenere Ereignisse, wie z.B. höhergradige<br />
Rhythmusstörungen oder nur sporadisch auftretende<br />
Arrhythmien, können oft erst im Langzeit-E<strong>KG</strong> festgestellt<br />
werden. Beim Langzeit-E<strong>KG</strong> bzw. Holter-E<strong>KG</strong> erfolgt die E<strong>KG</strong>-<br />
Registrierung kontinuierlich über 24 Stunden und wird<br />
gespeichert. Jedoch kann selbst nach 24 Stunden Registrierung<br />
die „Momentaufnahme“ noch zu kurz sein.<br />
In der Anfallsdiagnostik sind durch Laboruntersuchungen<br />
lediglich Zusatzinformationen zu erwarten. Dennoch sollten<br />
ein Blutbild (Anämie), sowie die Bestimmung des Blutzuckers<br />
(Hypoglykämie) und der Elektrolyte (Hyperkaliämie, Hypokalzämie)<br />
veranlasst werden.<br />
Bei allen Tieren mit synkopalen Anfällen ist zum Ausschluss<br />
bzw. Erkennen eines Herzfehlers auch eine echokardiographische<br />
Untersuchung ratsam. Bei Verdacht auf eine Herzkrankheit<br />
oder Erkrankung der Atemwege zählt das Thorax-<br />
Röntgen zur Standarduntersuchung. Spezielle neurologische<br />
Untersuchungen können differentialdiagnostisch notwendig<br />
sein und ggf. durch ein CT oder MRT ergänzt werden.<br />
Kardiogene Synkope<br />
Die zerebrale Perfusion ist vom systemischen Blutdruck, d.h.<br />
von der Auswurfleistung des Herzens und dem peripheren<br />
Gefäßwiderstand abhängig. Daher kann die Verminderung<br />
der kardialen Auswurfleistung aufgrund verschiedener Herzerkrankungen<br />
allein, oder infolge von Rhythmusstörungen<br />
sowie das Absinken des peripheren Gefäßwiderstandes,<br />
beispielsweise durch reflexvermittelte Vasodilatation, das<br />
Auftreten von Synkopen begünstigen.<br />
Adams-Stokes-Syndrom<br />
Jede Form der Herzrhythmusstörung, die zur zentralen<br />
Hypoxie führt, kann kardialbedingte Anfälle auslösen. Diese<br />
Anfälle wurden erstmals im vorigen Jahrhundert von zwei<br />
Dubliner Ärzten beschrieben (Robert Adams und William<br />
Stokes), weshalb sie als Adams-Stokes-Anfälle bezeichnet<br />
werden. Dazu zählen die Asystolie, ausgeprägte Bradykardien<br />
sowie supraventrikuläre und/oder ventrikuläre Tachykardien<br />
und das Kammerflimmern. Auch Mischformen kommen<br />
vor (Tabelle 2). Während beim herzgesunden Hund eine<br />
Rhythmusstörung über ein weites Maß durch Anpassung des<br />
Schlagvolumens kompensiert werden kann, ist dies bei den<br />
meisten herzkranken Hunden mit einer Arrhythmie nicht<br />
möglich. Als Folge treten Synkopen auf. Kennzeichnend<br />
für eine Synkope sind der abrupte Beginn und ihre Positionsunabhängigkeit.<br />
Mit Eintreten einer rhythmogenen Synkope<br />
werden die Patienten meist blass und können tonischklonische<br />
Krämpfe zeigen. Bestimmend für das Anfallsbild<br />
sind nur die Schwere und Dauer der Herzrhythmusstörung<br />
bzw. der Grad der Durchblutungsstörung des Gehirns.<br />
38 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
SYNKOPEN BEIM HUND – EIN SYNDROM, KEINE KRANKHEIT<br />
Tabelle 2.<br />
Rhythmusstörungen mit Manifestation als<br />
Synkope<br />
Asystolie<br />
Bradykardie<br />
Sinusbradykardie<br />
hochgradiger AV-<br />
Block<br />
Sick-Sinus-Syndrom<br />
Tachykardie<br />
Vorhofflimmern<br />
supraventrikuläre<br />
Tachykardie<br />
ventrikuläre Tachykardie<br />
Kammerflattern,<br />
-flimmern,<br />
WPW- Syndrom<br />
Das Anfallsbild während paroxysmaler Brady- oder Tachyarrhythmien<br />
kann bei Erhalt der Mindestdurchblutung<br />
des Gehirns variieren. Kurzzeitiges Schwanken oder<br />
allmähliches Zusammenbrechen des Tieres treten besonders<br />
bei ständigen Arrhythmien auf, wie z.B. dem Vorhofflimmern<br />
oder dem totalen AV-Block, meist jedoch nur bei physischer<br />
Anstrengung oder bei Erregung. Generell müssen rhythmogene<br />
Synkopen als Abortivform oder Vorläufer eines<br />
plötzlichen Herztodes angesehen werden.<br />
Asystolie<br />
Das vollständige Fehlen der elektrischen und mechanischen<br />
Herzaktion bezeichnet man als Asystolie (Dying heart).<br />
Aufgrund der fehlenden Systole, im E<strong>KG</strong> als Nulllinie<br />
erkennbar, ist die Blutzirkulation gestört. Der Blutdruck sinkt<br />
plötzlich ab. Eine Asystolie von wenigen Sekunden verursacht<br />
meist nur ein Taumeln. Plötzliches und vollständiges Sistieren<br />
der Gehirndurchblutung kann aber auch zum schlagartigen<br />
Zusammenbrechen des Patienten führen. Bei einem Herzstillstand<br />
von zehn Sekunden kommt es bereits zum Kollaps,<br />
zu Muskelklonien und zu blassen Schleimhäuten. Hunde mit<br />
längerdauernder Asystolie krampfen, sind zyanotisch und<br />
haben oft infolge einer Sphinkterschwäche unkontrollierten<br />
Harn- und/oder Kotabsatz. Der Puls ist nicht mehr fühlbar,<br />
wobei das alleinige Fehlen eines spürbaren Pulses noch kein<br />
sicheres Zeichen für eine Asystolie ist, da auch ein Kammerflimmern<br />
(pulslose Tachykardie) das gleiche Symptom zeigen<br />
kann. Herzgeräusche sind bei Asystolie nicht hörbar. Bei einer<br />
über dreiminütigen Asystolie sterben die meisten Patienten.<br />
Kardialbedingte Asystolien können z.B. bei Kardiomyopathien,<br />
Herztumoren oder Myokarditiden auftreten. Nicht<br />
selten geht der Asystolie ein Kammerflimmern voraus, das<br />
seinerseits durch jede kardiovaskuläre Erkrankung ausgelöst<br />
werden kann. Nicht kardiale Ursachen sind unter anderem<br />
metabolische Veränderungen, wie eine hochgradige Azidose<br />
bei D. mellitus, Elektrolytimbalanzen (Hyper- und Hypokaliämie)<br />
oder Medikamentenintoxikationen.<br />
AV-Blockierungen<br />
Verzögerungen, zeitweise Unterbrechungen oder dauerhafte<br />
Blockierungen der Erregungsüberleitung von den Atrien zu<br />
den Ventrikeln werden als Atrioventrikulärer- (AV-) Block<br />
bezeichnet. Während AV-Blockierungen Grad I bzw. Grad II<br />
Typ I symptomlos bleiben und lediglich Hinweise auf die<br />
Gefahr einer höhergradigen Blockierung sind, kann es<br />
beim AV-Block Grad II Typ II, infolge der Bradykardie mit<br />
regelmäßigem oder unregelmäßigem Ausfall von Kammerkomplexen,<br />
zum Präkollaps, seltener zu Anfällen kommen.<br />
Ein Übergehen in den AV-Block III. Grades ist möglich.<br />
Beim AV-Block III. Grades, auch als kompletter bzw. totaler<br />
AV-Block bezeichnet, kommt es durch totale Leitungsunterbrechung<br />
zwischen Vorhof und Kammer zu einer vollständigen<br />
Separation von Vorhof- und Kammererregung<br />
(Abbildung 1). Die Atrien und die Ventrikel schlagen völlig<br />
unabhängig voneinander, wobei die Vorhoffrequenz sehr<br />
viel höher als die Kammerfrequenz ist. Die Frequenz des<br />
ventrikulären Ersatzrhythmus liegt meist unter 40 Schlägen/<br />
min. Entsprechend sollte man bei Pulsfrequenzen unter<br />
40/min sofort an einen totalen AV-Block denken. Das klinische<br />
Bild reicht von asymptomatischer Bradykardie bei ausreichend<br />
schnellem Ersatzrhythmus (sehr selten!) über Schwindelzustände<br />
bis zum Kollaps. Eine sehr niedrige Kammerfrequenz<br />
von beispielsweise 25 Schlägen/min reicht nicht mehr aus, um<br />
ein normales Minutenvolumen zu erzielen, was sich klinisch<br />
oft durch einen Adams-Stokes-Anfall bemerkbar macht. Die<br />
Häufigkeit der Anfälle ist sehr unterschiedlich und kann von<br />
vereinzelten Synkopen bis zu mehrfachen Anfällen pro Tag<br />
reichen. Da immer die Gefahr besteht, dass die Kammerautomatie<br />
ebenfalls ausfällt, sind die betroffenen Patienten<br />
stets in Lebensgefahr, unabhängig von der Anfallshäufigkeit.<br />
Als Ursache höhergradiger AV-Blockierungen kommen<br />
Herzmuskelerkrankungen, sowie angeborene oder erworbene<br />
Klappenvitien und andere Erkrankungen, die das Erregungsleitungssystem<br />
miterfassen (Ventrikelseptumdefekt, Myokarditis,<br />
degenerative Erkrankungen) in Betracht. Rassespezifische<br />
Veränderungen, wie beim Dobermann im Bereich<br />
des His`schen Bündels, kommen selten vor. Weiterhin können<br />
verschiedene, die Erregungsüberleitung hemmende Medikamente<br />
(z.B. Betarezeptorenblocker, Digitalis, Kalziumantagonisten),<br />
aber auch Einflüsse des autonomen Nervensystems<br />
und Elektrolytverschiebungen (Hyperkaliämie) ursächlich für<br />
einen totalen AV-Block verantwortlich sein.<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 39
PERSÖNLICHE EMPFEHLUNGEN FÜR...<br />
Abbildung 1.<br />
Totaler AV-Block bei einem Hund mit AV-Insuffizienz infolge chronisch degenerativer Mitralklappenerkrankung; regelmäßige<br />
Vorhofkontraktionen vorhanden, totale Überleitungsblockade, Vorhof und Kammer kontrahieren unabhängig voneinander, Ersatzrhythmus<br />
mit breiten, bizarren QRS-Komplexen, Vorhoffrequenz 120/min; Papiervorschub 25 mm/s, Eichung: 0,5 cm = 1mV.<br />
Sick-Sinus-Syndrom<br />
Das Sick-Sinus-Syndrom, auch als "Syndrom des kranken<br />
Sinusknotens" bezeichnet, ist der Oberbegriff für verschiedene<br />
bradykarde Herzrhythmusstörungen, aber auch für den<br />
pathologischen Wechsel von Bradykardie zu Tachykardie<br />
(Bradykardie-Tachykardie-Syndrom). Dabei handelt es sich<br />
ursächlich um eine Ermüdungserscheinung bzw. Fehlfunktion<br />
des Sinusknotens infolge Überdehnung des linken Atriums<br />
oder degenerativer Veränderungen im Bereich der Erregungsleitung<br />
auf Vorhofebene. Das isolierte oder kombinierte<br />
Auftreten von Sinusbradykardie, Sinusstillstand, SA-Block,<br />
Vorhof- oder AV-Knotenersatzrhythmus, Extrasystolen mit<br />
tachykarden Episoden, paroxysmalem Vorhofflimmern,<br />
Vorhofflattern, sowie dem Tachy-/Bradykardiesyndrom<br />
mit wechselnden Vorhofrhythmen führen zu Ataxien bzw.<br />
Synkopen infolge zerebraler Minderdurchblutung. Typisch ist<br />
der fehlende oder unzureichende Frequenzanstieg unter<br />
Belastung.<br />
Vorhofflimmern<br />
Beim Vorhofflimmern tritt der Sinusknoten als normaler<br />
Schrittmacher außer Kraft (Abbildung. 2). Die elektrischen<br />
Impulse zur Erzeugung der Herzkontraktion entstehen in<br />
verschiedenen Stellen der Vorhöfe. Im E<strong>KG</strong> ist keine regelmäßige<br />
Vorhofaktivität erkennbar. Die Flimmerwellen unterscheiden<br />
sich in ihrer Form, Amplitude und Richtung. Die<br />
Überleitung auf die Kammern erfolgt unregelmäßig. Hämodynamisch<br />
bedeutet Vorhofflimmern für den Vorhof einen<br />
Stillstand, denn die Pumpfunktion für den Vorhof fällt aus. Bei<br />
kurz aufeinander folgenden Schlägen ist die Diastolendauer<br />
zum Teil so gering, dass die Ventrikelfüllung nur unzureichend<br />
ist und das Schlagvolumen keine Pulswelle auslösen kann,<br />
klinisch am Pulsdefizit erkennbar.<br />
Abbildung 2.<br />
Hund mit dilatativer Kardiomyopathie; Vorhofflimmern mit<br />
unregelmäßigen Vorhofflimmerwellen (f-Wellen) und unregelmäßigen<br />
RR-Abständen; HF 240/min, Papiervorschub 25 mm/s,<br />
Eichung 1 cm = 1 mV.<br />
Das Vorhofflimmern an sich ist nicht lebensbedrohlich, führt<br />
aber auch beim primär gesunden Myokard zur Insuffizienz.<br />
Bei Patienten mit myokardialer Vorschädigung oder Herzinsuffizienz<br />
kann das tachykarde Vorhofflimmern in sehr<br />
kurzer Zeit den fortschreitenden Krankheitsprozess beschleunigen.<br />
Die hämodynamischen und somit auch die klinischen<br />
Auswirkungen, sind umso stärker, je schneller die Herzaktionen<br />
sind, da der Anteil des Blutvolumens der Vorhofkontraktion<br />
am Schlagvolumen des Ventrikels fehlt. Wird die,<br />
bereits durch die Grundkrankheit verminderte Herzleistung,<br />
beim tachykarden Vorhofflimmern zusätzlich reduziert,<br />
können Synkopen infolge peripherer bzw. zerebraler Hypoxie<br />
auftreten.<br />
Meist sekundär tritt das Vorhofflimmern bei Hunden mit einer<br />
dilatativen Kardiomyopathie, einem Mitralklappenvitium oder<br />
einem persistierenden Ductus arteriosus, infolge einer ausgeprägten<br />
Vorhofdilatation, auf. Relativ selten wird idiopathisches<br />
Vorhofflimmern gesehen.<br />
Ventrikuläre Tachykardien (VT)<br />
Ventrikuläre Tachykardien haben ihren Ursprung im rechten<br />
oder linken Tawara-Schenkel des Erregungsleitungssystems<br />
oder im Myokard und haben stets eine gravierende kardiale<br />
oder extrakardiale Ursache (Tabelle 3). Bei Deutschen<br />
Schäferhunden werden ventrikuläre Tachykardien genetisch<br />
bedingt als primäre Arrhythmie beobachtet. Hochfrequente<br />
ventrikuläre Tachykardien führen, insbesondere bei kardialer<br />
Grunderkrankung, sehr schnell zu einem Versagen der<br />
Pumpfunktion mit Adams-Stokes-Anfällen, kardiogenem<br />
40 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
SYNKOPEN BEIM HUND – EIN SYNDROM, KEINE KRANKHEIT<br />
Tabelle 3.<br />
Die häufigsten Arrhythmieursachen<br />
Kardiale<br />
Kardiomyopathie<br />
Neoplasie<br />
Erworbene Klappenerkrankungen<br />
Kongenitale Vitien<br />
Genetisch (DSH)<br />
Myokarditis<br />
Extrakardiale<br />
Magendrehung, Volvulus<br />
Neoplasie (z.B. Milztumor,<br />
Phäochromozytom)<br />
Septikämie<br />
Fieber<br />
Trauma, Schmerz<br />
Pulmonale Erkrankungen<br />
Hypoxie<br />
Anämie<br />
Urämie<br />
Azidose<br />
Elektrolytimbalancen<br />
Medikamente<br />
Schock und u.U. plötzlichem Herztod. Besonders gefährdete<br />
Rassen sind Boxer und Dobermann. Bei diesen Rassen kann<br />
der plötzliche Herztod infolge ventrikulärer Tachykardie<br />
als erstes und einziges „Symptom“ der Dilatativen Kardiomyopathie<br />
auftreten.<br />
Im E<strong>KG</strong> wird eine ventrikuläre Tachykardie als mindestens<br />
drei abnorme, nacheinander auftretende d.h. deformierte<br />
Kammerkomplexe registriert (Abbildung 3). Die ventrikuläre<br />
Tachykardie kommt meist durch einen Re-Entry-Mechanismus<br />
zustande. Bei der normalen Herzaktion wird ein Aktionspotential<br />
im Sinusknoten generiert, über die Atrien und<br />
den AV-Knoten in das Kammermyokard geleitet und verebbt<br />
im Bereich der Herzspitze, weil das umgebende Myokard<br />
noch nicht wieder erregungsfähig ist (Refraktärphase).<br />
Vorhoferregungen können retrograd, also unabhängig von der<br />
Kammeraktion, erfolgen. In Form und Richtung normal,<br />
sind in den Kammerrhythmus gelegentlich eingestreute<br />
P-Wellen sichtbar.<br />
Lebensbedrohliche Rhythmusstörungen sind das Kammerflattern<br />
und das Kammerflimmern. Während beim Kammerflattern<br />
in Ruhe das kardiale Auswurfvolumen für begrenzte<br />
Zeit ausreichend ist, kann bei Belastung des Patienten die<br />
Volumenabnahme zum Adams-Stokes-Anfall, als ein vorübergehendes<br />
Ereignis, führen. Ohne therapeutische Maßnahmen<br />
geht das Kammerflattern nicht selten ins Kammerflimmern<br />
über.<br />
Beim Kammerflimmern bleibt die Herzaktion hämodynamisch<br />
ineffektiv. Die Auswurfleistung des Herzens sinkt<br />
so schnell ab, dass es bereits nach wenigen Minuten zu<br />
irreversiblen Schäden am Gehirn und Herzen kommen kann.<br />
Während sich das Kammerflattern im E<strong>KG</strong> als wellenförmige<br />
QRS-Komplexe von annähernd gleicher Form, Größe und<br />
Frequenz darstellt, werden beim Kammerflimmern QRS-<br />
Komplexe von stark wechselnder Form, Größe und Frequenz<br />
registriert.<br />
Wolff-Parkinson-White-Syndrom<br />
(WPW-Syndrom)<br />
Beim gesunden Herzen kann sich die Erregung von den<br />
Vorhöfen zu den Herzkammern nur über den AV-Knoten<br />
ausbreiten. Beim Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW-<br />
Syndrom) handelt es sich um eine Arrhythmie, bei der es in<br />
der Regel einen zweiten, selten mehrere, elektrisch leitende<br />
Wege zwischen Vorhöfen und Kammern gibt. Bei dieser<br />
Rhythmusstörung wird ein Teil der Kammern durch eine<br />
kreisende elektrische Erregung über akzessorische Leitungsbahnen<br />
zwischen den Atrien und den Ventrikeln, z.B. das sog.<br />
Kent-Bündel, vorzeitig aktiviert. Der Sinusknotenimpuls wird<br />
also nicht über den AV-Knoten und das His’sche Bündel zu den<br />
Kammern weitergeleitet.<br />
Im E<strong>KG</strong> ist oft eine Hebung kurz vor der, die Q-Zacke überlagernden<br />
R-Zacke sichtbar. Dabei handelt es sich um die sog.<br />
Deltawelle. Paroxysmale Tachykardien, mit normalen oder<br />
verbreiterten und bizarren QRS-Komplexen, treten aufgrund<br />
der kreisenden Erregung auf (Re-Entry-Mechanismus). Die<br />
P-Wellen sind unauffällig, aber oft nicht erkennbar. Die<br />
PQ-Dauer ist verkürzt. ST-Veränderungen sind möglich. Das<br />
WPW-Syndrom tritt kongenital isoliert auf, wird aber auch<br />
bei AV-Klappendysplasien, bei Mitralinsuffizienzen infolge<br />
chronisch degenerativer Klappenerkrankung und bei der<br />
Hypertrophen Kardiomyopathie beobachtet.<br />
Behandlung von<br />
arrhythmiebedingten Synkopen<br />
Primär sollte bei der Behandlung von arrhythmiebedingten<br />
Synkopen immer die Ursache von Herzrhythmusstörungen<br />
bedacht und erkannt werden, da eine kausale Behandlung<br />
immer die beste Therapie darstellt. Nicht selten macht bereits<br />
die Therapie der ursächlichen Erkrankung die zusätzliche Gabe<br />
eines Antiarrhythmikums unnötig. Dies gilt für alle Patienten<br />
mit arrhythmiebedingten Anfällen, unabhängig, ob kardialer<br />
oder extrakardialer Genese. Erhält das Tier bereits ein Antiarrhythmikum<br />
oder ein Herzglykosid, sind mögliche Nebenwirkungen<br />
des Medikamentes ursächlich abzuklären (Tabelle<br />
4), und u.U. die bestehende Therapie sofort zu ändern, bevor<br />
weitere therapeutische Maßnahmen ergriffen werden.<br />
Aufgrund ihrer pro-arrhythmischen sowie negativen inotropen<br />
Eigenschaften und anderer weitreichender Nebenwirkungen,<br />
sind Antiarrhythmika nicht ungefährlich. Sie sollten daher<br />
eher zurückhaltend und bei bestehender Stauungsinsuffizienz<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 41
PERSÖNLICHE EMPFEHLUNGEN FÜR...<br />
grundsätzlich erst nach deren Beseitigung, verordnet werden.<br />
Bradykarde Herzrhythmusstörungen mit synkopalen Episoden<br />
lassen sich durch Medikamente höchstens vorübergehend<br />
ändern. Nur für die Akutbehandlung kommt die intravenöse<br />
Atropininjektion infrage (Tabelle 4). Ist beim symptomatischen<br />
Patienten mit bradykarden Arrhythmien oder z.B. beim<br />
Sick-Sinus-Syndrom eine ursächliche Therapie nicht möglich,<br />
so ist die Schrittmacherimplantation zur kontinuierlichen<br />
Frequenzanhebung Mittel der Wahl.<br />
Wenn synkopale Anfälle bei Patienten mit Vorhofstillstand<br />
oder einem totalen AV-Block infolge ausgeprägter Hyperkaliämie<br />
auftreten, muss möglichst schnell der Kaliumspiegel<br />
im Blut abgesenkt werden. Hierzu empfiehlt sich z.B. die<br />
intravenöse Gabe einer 10%igen Kalziumgluconatlösung (0,1-<br />
0,3 ml/kg langsam i.v.). Die Behandlung der ursächlichen<br />
Erkrankung, wie z.B. dem akuten Nierenversagen, einer<br />
chronischen Niereninsuffizienz oder eines Morbus Addison<br />
muss sich anschließen.<br />
Treten Synkopen infolge Asystolie, einer lebensbedrohlichen<br />
Situation auf, erfordert dies die sofortige Reanimation mit<br />
Beatmung und Herzdruckmassage. Die Asystolie kann<br />
dagegen nicht durch Defibrillation therapiert werden, da<br />
für deren Funktionieren noch eine irreguläre Herztätigkeit<br />
vorhanden sein muss.<br />
Eine Indikation zur sofortigen intravenösen Gabe eines<br />
Antiarrhythmikums ist die symptomatische Tachyarrhythmie<br />
bei Patienten, die akut vom plötzlichen Herztod bedroht sind.<br />
Bei Hunden mit ventrikulären Tachyarrhythmien kommt<br />
primär Lidocain intravenös als Bolus bzw. als Dauertropfinfusion<br />
zur Anwendung. Auch die Gabe von Mexiletin ist<br />
möglich, wobei die ausgeprägte negative Inotropie dieser<br />
Substanz unbedingt berücksichtigt werden muss.<br />
Als parenterale Behandlungsmöglichkeit von Patienten<br />
mit Synkopen infolge tachykarder Arrhythmie kann, unter<br />
Ausschluss bzw. nach Beseitigung einer Stauungsinsuffizienz<br />
(!!), der gezielte Einsatz eines Antiarrhythmikums die<br />
Lebensqualität und die Prognose erheblich verbessern<br />
und die Rezidivgefahr des Anfalls verringern (Tabelle 4).<br />
Herzglykoside werden hauptsächlich bei supraventrikulären<br />
Tachykardien bzw. beim Vorhofflimmern oder –flattern zur<br />
Senkung der Herzfrequenz eingesetzt und müssen, soweit<br />
nötig, durch eine Kalium- und Magnesiumsubstitution<br />
ergänzt werden.<br />
Bei Hunden mit einem WPW-Syndrom ist zur dauerhaften<br />
Beseitigung des akzessorischen Bündels eine Katheterablation<br />
mittels Radiotherapie notwendig.<br />
Abbildung 3.<br />
Hund mit Magendrehung: Rhythmuskontrolle, 1. Zeile: tachykarder<br />
Rhythmus, HF 220/min mit normalen QRS-Komplexen,<br />
P-Wellen vorhanden aber z.T. durch vorangehende T-Wellen<br />
überdeckt. 2. Zeile: supraventrikuläre Tachykardie mit 2 vorzeitig<br />
einfallenden ventrikulären Extrasystolen; 3. Zeile: ventrikuläre<br />
Tachykardie mit deformierten QRS-Komplexen, HF 300/min,<br />
P-Wellen nicht erkennbar; Papiervorschub 25 mm/s. Eichung:<br />
0,5 cm = 1mV.<br />
Synkopen infolge organischer<br />
Herzerkrankungen<br />
Bei Hunden mit strukturellen Veränderungen am Herzen bzw.<br />
den großen herznahen Gefäßen (Tabelle 1), also mit organischen<br />
Herzkrankheiten, treten Synkopen überwiegend unter<br />
physischer oder psychischer Belastung auf und sind nahezu<br />
immer von einem Herzgeräusch begleitet. Klinische Symptome<br />
einer Herzinsuffizienz bzw. Zeichen der Grunderkrankung<br />
können in unterschiedlicher Ausprägung bereits vor<br />
dem Anfall beobachtet werden.<br />
Die häufigsten Ursachen für Synkopen sind Aorten- und<br />
Pulmonalstenosen mit Obstruktion des ventrikulären Ausflusstraktes,<br />
sowie Dilatative Kardiomyopathien und schwere<br />
Mitralinsuffizienz infolge des verminderten Minutenvolumens.<br />
In Deutschland sind kardialbedingte Anfälle infolge einer<br />
Herzwurmerkrankung mit rechtsventrikulärer Ausflusstraktobstruktion<br />
selten. Auch die Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie<br />
wird bei Hunden kaum diagnostiziert. Ursache<br />
der seltenen Synkopen kann sowohl ein Missmatch der Baroreflexafferenzen<br />
bei einer belastungsinduzierten Verstärkung<br />
der Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes sein<br />
oder aber ein arrhythmogener Auslöser, der sich meist als<br />
ventrikuläre Tachykardie manifestiert.<br />
42 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
SYNKOPEN BEIM HUND – EIN SYNDROM, KEINE KRANKHEIT<br />
FALLBESCHREIBUNG<br />
Ein dreijähriger Boxer (25 kg Körpergewicht) wurde in der Praxis vorgestellt, nachdem er eine Stunde zuvor<br />
beim intensiven Spiel mit anderen Hunden kollabiert war. Zu Beginn des Anfalls stand das benommen<br />
wirkende Tier schwankend da und sank dann allmählich in der Hinterhand zusammen. Schließlich fiel er<br />
auf die Seite. Die Extremitäten waren schlaff und die Atmung langsam. Nach ca. einer halben bis einer<br />
Minute wurde die Atmung wieder frequenter. Das Tier erhob sich, war wieder ansprechbar und lief langsam<br />
zu seinem Besitzer.<br />
Bei dem ansonsten bisher symptomlosen Hund, waren Ausdauer und Belastbarkeit retrospektiv in den<br />
letzten drei Monaten etwas limitiert. Dies war vom Besitzer auf die hohen Außentemperaturen<br />
zurückgeführt worden. Während der freudigen Begrüßung seines Besitzers an der Haustür, war das Tier an<br />
zwei verschiedenen Tagen zuvor, kurzzeitig mit beiden Hinterextremitäten eingeknickt. Erst nach<br />
eingehender Befragung fielen dem Besitzer diese Ereignisse wieder ein. Bisher hatte er dem Geschehen keine<br />
Bedeutung zugemessen, da es sich seiner Meinung nach nur um die Folge einer ungeschickten Bewegung<br />
handelte. Bei dem aus Polen stammenden Hund mit unbekannter Familienanamnese, war ein Herzgeräusch<br />
bekannt. Weitergehende Untersuchungen wurden jedoch nicht durchgeführt. Medikamente erhielt er keine.<br />
Die klinische Allgemeinuntersuchung war ohne besonderen Befund. Nur der, an beiden Hinterextremitäten<br />
symmetrische arterielle Puls, war zeitweise nur unregelmäßig (P. irregularis) mit einer kleinen<br />
Druckamplitude (P. parvus) fühlbar.<br />
Auskultatorisch wurde ein systolisches Austreibungsgeräusch Grad IV/VI über der Aortenregion mit dem<br />
P.max. im 4. Interkostalraum links mit Fortleitung in die Karotiden festgestellt. Das Herzgeräusch war auch<br />
kranial über der rechten Thoraxhälfte hörbar. Der dominierende Sinusrhythmus wurde paroxysmal von<br />
kurzen Serien von Extrasystolen unterbrochen. Während dieser Paroxysmen war z.T. ein Pulsdefizit<br />
palpabel. Die Lunge war auskultatorisch unauffällig. Im E<strong>KG</strong> konnten bei einer Herzfrequenz von 180<br />
Schlägen/min kurze und längere Salven von ventrikulären Extrasystolen dokumentiert werden (Abbildung 1).<br />
Während dieser ersten E<strong>KG</strong>-Registrierung war das Tier aufmerksam und in seinem Verhalten ungestört.<br />
Anschließend wurde der Hund zum forcierten Treppensteigen veranlasst. Dabei kam er sehr schnell in<br />
Atemnot und fiel plötzlich auf die Seite. Laut Besitzer entsprach dieses Anfallsbild dem Anfall zuvor im<br />
Wald. Das noch im Anfall innerhalb weniger Sekunden abgeleitete E<strong>KG</strong> mit ventrikulärer Tachykardie<br />
illustriert die Abbildung 2.<br />
Echokardiographisch waren die konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie mit normaler systolischer<br />
Funktion und der dilatierte linke Vorhof erkennbar. Dopplersonographisch wurde eine maximale<br />
Geschwindigkeit des transvalvulären Blutflusses von 4.8 m/sec gemessen, was einer schweren Aortenstenose<br />
Abbildung 1.<br />
Boxer, männlich, 3 Jahre mit subvalvulärer Aortenstenose. E<strong>KG</strong>-<br />
Ableitung I, II, III, links erstes Bilddrittel linksventrikuläre Extrasystolen,<br />
Bildmitte Sinusrhythmus mit drei normotopen Kammerkomplexen<br />
gefolgt von rechtsventrikulären Extrasystolen, beginnend<br />
mit einer supraventrikulären Extrasystole, Papiervorschub 25 mm/s,<br />
0,5 cm= 1 mV.<br />
Abbildung 2.<br />
E<strong>KG</strong> des Boxer wie in Abbildung 1 Ventrikuläre Tachykardie (210<br />
Schläge/min) nach kurzer körperlicher Belastung mit Kollaps /<br />
Synkope in der allmählichen Ruhephase; nach weiteren 2 Minuten<br />
stellte sich ein Sinusrhythmus ein.<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 43
PERSÖNLICHE EMPFEHLUNGEN FÜR...<br />
mit einem maximalen Gradienten von etwa 92 mmHg entspricht. Die Mitralklappe war verdickt mit<br />
dopplersonographisch nachweisbarer mittelgradiger Mitralinsuffizienz. Die rechte Herzhälfte sowie die<br />
Trikuspidal- und die Pulmonalklappe waren dagegen makroskopisch und dopplersonographisch unauffällig.<br />
Röntgenologisch stellte sich die vergrößerte Herzsilhouette dar. Im Vergleich zu den Arterien erschien die V.<br />
lobaris im Bereich der Spitzenlappen der Lunge etwas verbreitert. Ein Lungenödem war nicht erkennbar.<br />
Die Ergebnisse der Blutuntersuchungen (Blutbild, Elektrolyte, Blutzucker, Leberenzyme, Kreatinin und<br />
Harnstoff) lagen innerhalb der biologischen Varianz.<br />
Zur Myokardentlastung und zur Rhythmusregulation wurde dem 25 kg schweren Hund Propranolol in einer<br />
Dosierung von 0,8 mg/kg 3 x täglich verordnet und zusätzlich, zur Beseitigung der venösen Stauung, 2x<br />
täglich 40 mg Furosemid.<br />
Trotz der Empfehlung, körperliche Anstrengungen zu vermeiden, ließ der Besitzer den Rüden nur zwei Tage<br />
nach Erstvorstellung neben dem Fahrrad herlaufen und zwar bei einer Außentemperatur von ca. 26°C.<br />
Bereits kurz nach Beginn der Fahrradtour kollabierte der Hund und hatte wieder einen, wie zuvor<br />
beschriebenen Anfall. Das Tier starb innerhalb weniger Minuten auf der Straße.<br />
Die postmortale Untersuchung bestätigte die Diagnose einer schweren subvalvulären Aortenstenose.<br />
Bei Patienten mit einer Fallot`schen Tetralogie können<br />
hypoxische Anfälle als Hinweis auf die ausgeprägte Zyanose<br />
auftreten.<br />
Vorhofmyxome sind meist im linken Vorhof lokalisiert.<br />
Abhängig von Größe und Lage der Umfangsvermehrung kann<br />
es durch intermittierende Verlegung der Mitralöffnungsfläche<br />
zu einem plötzlichen Abfall des linksventrikulären Füllungsvolumens<br />
und damit des Herzminutenvolumens mit synkopalen<br />
Episoden kommen.<br />
Bei der Herzbeuteltamponade stehen unter anderem infolge<br />
rechtsventrikulärer Füllungsbehinderung Symptome des<br />
Rechtsherzversagens mit Leistungsschwäche und Synkopen<br />
im Vordergrund. Neben einer Sinustachykardie werden<br />
sowohl atriale als auch ventrikuläre Tachykardien registriert.<br />
Bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz und vermindertem<br />
Herzminutenvolumen infolge dilatativer Kardiomyopathie<br />
(DCM) bzw. schwerer Mitralklappeninsuffizienz sind maligne<br />
Herzrhythmusstörungen die häufigste Ursache synkopaler<br />
Episoden.<br />
Aufgrund schwerer ventrikulärer Arrhythmien kommen beim<br />
Dobermann und beim Boxer mit DCM Synkopen oder<br />
Kollaps häufiger vor als bei anderen Hunderassen. Die<br />
Kardiomyopathie der Boxer entspricht weitgehend der<br />
arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie des<br />
Menschen. Bei dieser Form der DCM, wahrscheinlich mit<br />
autosomalem Erbgang, führt unter anderem der zunehmende<br />
Ersatz der rechtsventrikulären Muskulatur durch Fettgewebe<br />
bis zum Funktionsverlust zu Störungen der elektrischen<br />
Erregungsleitung. Während anfänglich nur vereinzelte<br />
ventrikuläre Extrasystolen auftreten, kommt es im Verlauf der<br />
Erkrankung zu schweren ventrikulären Tachykardien mit<br />
Synkopen und zum Linksherzversagen. Im Finalstadium kann<br />
das Kammerflimmern zu plötzlichen Todesfällen führen.<br />
Bei der Aortenstenose handelt es sich um eine fixierte<br />
Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes, meist<br />
subvalvulär, seltener valvulär oder extrem selten supravalvulär<br />
lokalisiert. Abhängig vom Schweregrad der<br />
Veränderung kommt es zur erhöhten Druckbelastung<br />
des linken Ventrikels. Zur Aufrechterhaltung des Herzzeitvolumens<br />
entwickelt sich eine konzentrische Linkshypertrophie,<br />
die oftmals mit einer diastolischen Funktionsstörung<br />
der Kammer verbunden ist.<br />
Zur kritischen Verminderung des Herzzeitvolumens kommt<br />
es jedoch nicht allein durch die konstante Obstruktion<br />
des linksventrikulären Ausflusstraktes, sondern diese wird<br />
hauptsächlich durch eine paradoxe Baroreflex-Vasodilatation<br />
verursacht. Durch invasive Untersuchungen konnte das<br />
44 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
SYNKOPEN BEIM HUND – EIN SYNDROM, KEINE KRANKHEIT<br />
Tabelle 4.<br />
Therapie von Herzrhythmusstörungen beim Hund<br />
Arzneimittel<br />
Indikation<br />
Nebenwirkungen<br />
Kontraindikation<br />
Parasympatholytikum<br />
Atropin im Notfall<br />
0,02-0,4 mg/kg i.v., s.c.<br />
Bradykarde<br />
Arrhythmie<br />
Einsatz nur bei<br />
lebensbedrohlichen<br />
Situationen, daher<br />
Kontraindikationen relativ<br />
Lokalanästhetikum<br />
Lidocain im Notfall<br />
2-4 (-6) mg/kg i.v.<br />
DTI*: 50-80 µg/kg/min in den ersten<br />
24 Std. i.v.<br />
V Tachyk.<br />
Kammerflimmern,<br />
ZNS-Störungen (Synkope,<br />
Koma)<br />
AV Block (2.° und 3.°),<br />
Bradykardie<br />
Natriumkanalblocker<br />
Mexiletin im Notfall<br />
30 µg/kg/min in<br />
den ersten 24 Std.i.v.,<br />
danach DTI* 5 µg/kg/min i.v.<br />
Dauertherapie: 3-5 (-10) mg/kg<br />
2-3x tägl. oral<br />
V Tachyk.<br />
Negativ inotrope Effekte!<br />
Herzinsuffizienz, bradykarde<br />
Arrhythmien,<br />
Schenkelblockade,<br />
polymorphe V Tachyk.,<br />
gastrointestinale oder ZNS-<br />
Störungen<br />
Kongestive Herzinsuffizienz,<br />
verlängerte QT-Zeit, SA-, AVoder<br />
intraventrikuläre<br />
Leistungsstörungen<br />
Digitalis<br />
Digoxin<br />
0,01 mg/kg/d i.v., oral<br />
AF,<br />
SV Tachyk.<br />
AV-Blockierung,<br />
Schenkelblockade, Anorexie,<br />
Vomitus, Apathie<br />
Sick-Sinus-Syndrom,<br />
AV-Block (1.°, 2.°, 3.°),<br />
WPW-Syndrom,<br />
HCM, HOCM, AS<br />
Kalziumkanalblocker<br />
Verapamil<br />
0,1 mg/kg 3x tägl. i.v.<br />
1,0 mg/kg 3x tägl. oral<br />
AF<br />
Bradykardie, Asystolie, AV-<br />
Blockierung, Verstärkung<br />
einer Herzinsuffizienz,<br />
Blutdruckabfall, Inappetenz,<br />
Übelkeit, Schwindel,<br />
Obstipation<br />
Kongestive Herzinsuffizienz,<br />
Schock, Bradykardie,<br />
Sick-Sinus-Syndrom, SA-Block,<br />
AV-Block, WPW-Syndrom<br />
Vorhofflimmern bei Hypotonie,<br />
Gleichzeitige Gabe von<br />
ß- Blockern,<br />
Lebererkrankungen<br />
Kalziumkanalblocker<br />
AF<br />
wie Verapamil<br />
wie Verapamil<br />
Diltiazem<br />
0,5-1,5 (-2) mg/kg 3x tägl. oral<br />
ß-Rezeptorenblocker<br />
Propranolol<br />
0,2 -1,0 mg/kg 3x tägl. oral<br />
SV Tachyk.<br />
V Tachyk.<br />
Kardiodepressiver Effekt,<br />
Herzinsuffizienz, Hypotonie,<br />
Bronchialobstruktion.<br />
gastrointestinale Störungen<br />
Dekomp. Herzinsuffizienz,<br />
Sick-Sinus-Syndrom,<br />
höhergradiger AV-Block<br />
obstruktive<br />
Atemwegserkrankungen<br />
ß-Rezeptorenblocker<br />
Atenolol<br />
0,25-1,0 mg/kg 2x tägl. oral<br />
AF,<br />
V Arrhythm.<br />
s. Propranolol<br />
s. Propranolol<br />
ß-Rezeptorenblocker (nicht selektiv)<br />
Sotalol<br />
1-2 (-2,5) mg/kg 2 x tägl. oral<br />
AF,<br />
V Arrhythm.<br />
Brady- u. Tachyarrhythmien,<br />
ZNS-Störungen,<br />
bronchiale Obstruktion<br />
Kardiogener Schock,<br />
Bradykardie,<br />
AV-Block (2.° und 3.°),<br />
obstruktive Bronchitis<br />
DTI*: Dauertropfinfusion; AF: Vorhofflimmern; SV Tachyk.: supraventrikuläre Tachykardie; V Tachyk.: ventrikuläre Tachykardie;<br />
V Arrhythm.: ventrikuläre Arrhythmie.<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 45
SYNKOPEN BEIM HUND – EIN SYNDROM, KEINE KRANKHEIT<br />
zumindest für den Menschen bewiesen werden. Es handelt<br />
sich auch um eine spezielle Form der neurokardiogenen<br />
Synkope, bei der es zu einer Diskrepanz der Baroreflexafferenzen<br />
des Ventrikels (hoher Druck) und der Gefäße<br />
(niedriger Druck) mit Vasodilatation der nicht arbeitenden<br />
Muskulatur kommt. Die Steigerung des Herzzeitvolumens<br />
unter Belastung ist bei schwereren Aortenstenosen meist<br />
nicht adäquat möglich. Die hohe Druckbelastung und die<br />
verminderte Koronardurchblutung führen zum myokardialen<br />
Sauerstoffmangel mit Verstärkung der linksventrikulären<br />
Insuffizienz und induzieren schwere ventrikuläre Arrhythmien.<br />
Die sich entwickelnde Kontraktilitätsschwäche des Myokards<br />
führt isoliert oder zusammen mit einer Aortenklappenund/oder<br />
Mitralklappeninsuffizienz zur kongestiven Linksherzinsuffizienz.<br />
In einigen Fällen treten erst jetzt Herzrhythmusstörungen<br />
auf oder bereits vorhandene Arrhythmien<br />
werden verstärkt.<br />
Eine Rassendisposition ist beim Boxer, Golden Retriever,<br />
Bernhardiner, Deutschen Schäferhund, Neufundländer,<br />
Bullterrier, Deutschen Kurzhaar Vorstehhund, bei Deutschen<br />
Doggen und beim Rottweiler bekannt.<br />
WEITERFÜHRENDE LITERATUR<br />
Hainsworth R. Syncope and fainting: classification and<br />
pathophysiological basis. In: Mathias CJ, Bannister R, Hrsg.:<br />
Autonomic failure. A textbook of clinical disorders of the<br />
autonomic nervous system, 4th edition Oxford: Oxford University Press<br />
1999, pp. 428-436.<br />
Schaller B, Lyrer Ph. Synkopen bei neurologischen<br />
Erkrankungen. Geriatrie Praxis 2001; 5: 36-41<br />
Tobias R, M Skrodzki, M. Schneider. Kleintierkardiologie<br />
Kompakt; 1 Auflage: Schlütersche Verlagsgesellschaft, 2008.<br />
46 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008
VETERINARY FOCUS- GUIDE...<br />
Elektrokardiographie<br />
beim Hund<br />
Michael Johnson, MRCVS, MVB, DVC,<br />
Veterinary Cardiorespiratory Centre, Kenilworth, UK<br />
Michael Johnson schloss sein Studium an der UCD Dublin ab und war anschließend über zehn Jahre in der<br />
Gemischtpraxis (Schwerpunkt Großtiere) in Irland, Wales, Australien und Kanada tätig. Anschließend arbeitete<br />
er über einen Zeitraum von sechs Jahren in einer Kleintierpraxis in Manchester, England, und errang in diesem<br />
Zeitraum das Certificate für Small Animal Medicine und Veterinary Cardiology. In den vergangenen sieben Jahren<br />
hat sich Mike Johnson in einer Überweisungspraxis in England (Martin Referrals) im Bereich „Cardiorespiratory<br />
Medicine“ spezialisiert und errang in dieser Zeit sein Diplom in Veterinary Cardiology.<br />
Bei der E<strong>KG</strong>-Aufzeichnung unterscheiden wir<br />
in der Regel zwei Formen. Das Standard-E<strong>KG</strong><br />
registriert den Herzrhythmus über einen Zeitraum<br />
von wenigen Minuten. Beim Holter-E<strong>KG</strong> (Langzeit-<br />
E<strong>KG</strong>) wird der Herzrhythmus mit Hilfe eines tragbaren<br />
Aufzeichnungsgerätes über einen Zeitraum von einem<br />
bis sieben Tagen aufgezeichnet.<br />
Verwendet werden Einkanal- oder Mehrkanalaufzeichnungen.<br />
Letztere zeichnen in der Regel drei oder sechs<br />
Ableitungen simultan auf. Die am besten geeigneten<br />
Papiergeschwindigkeiten sind 25 oder 50 mm/Sekunde.<br />
Die am besten geeignete Sensitivität beträgt 1 cm/mV<br />
(Standardeinstellung [Abbildung 1-10] mit 1 /2 cm/mV<br />
für große Komplexe und 2 cm/mV für sehr kleine<br />
Komplexe (oft bei der Katze zu sehen)).<br />
Kontraindikationen für ein E<strong>KG</strong><br />
E<strong>KG</strong>s werden wahrscheinlich öfter aufgezeichnet als dies<br />
aus klinisch-diagnostischer Sicht tatsächlich notwendig<br />
wäre. Keine Vorteile bringt ein E<strong>KG</strong> beispielsweise bei<br />
der Diagnose der Ursache eines Herzgeräusches bei Kleintieren.<br />
Auch bei Patienten mit auskultatorisch physiologischer<br />
Herzfrequenz und physiologischem Herzrhythmus<br />
dürfte ein E<strong>KG</strong> nur wenig hilfreich sein. Das<br />
E<strong>KG</strong> liefert zudem in der Regel keine aussagekräftigen<br />
Hinweise auf die Herzgröße. Bei Verdacht auf eine<br />
Kardiomegalie sollten vielmehr andere Diagnoseverfahren<br />
an erster Stelle stehen, insbesondere Röntgenaufnahmen.<br />
Bei einem Patienten mit einem vermutlich<br />
kardial bedingten Kollaps liefert ein E<strong>KG</strong> in der Regel nur<br />
dann wertvolle Informationen, wenn gleichzeitig eine<br />
auskultatorisch deutlich vernehmbare Anomalie vorhanden<br />
ist. Sinnvoller wäre in diesen Fällen ein Langzeit-<br />
E<strong>KG</strong>, zum Beispiel ein Holter-E<strong>KG</strong> über einen oder<br />
mehrere Tage.<br />
Indikationen für ein E<strong>KG</strong><br />
Bei Patienten mit ausgeprägter auskultatorischer Bradykardie<br />
oder Tachykardie ist das E<strong>KG</strong> eine wertvolle Hilfe<br />
bei der Klärung der Ätiologie. Chaotische Rhythmen sind<br />
in der Regel Ausdruck eines Vorhofflimmerns, sämtliche<br />
dieser Rhythmen sollten jedoch mittels E<strong>KG</strong> dokumentiert<br />
werden. Extrasystolen können ebenfalls mit Hilfe eines<br />
E<strong>KG</strong> charakterisiert werden. Bei relativ infrequenten<br />
Arrhythmien ist es dagegen eher unwahrscheinlich, dass<br />
die Diagnose mit Hilfe eines Standard-E<strong>KG</strong>s gestellt<br />
werden kann. Besser geeignet in solchen Fällen sind<br />
Langzeit-E<strong>KG</strong>s.<br />
Lagerung des Patienten für das E<strong>KG</strong><br />
Die konventionelle E<strong>KG</strong>-Aufzeichnung erfolgt am Patienten<br />
in rechter Seitenlage. Aufzeichnungen in anderen<br />
Positionen sind aber durchaus akzeptabel. So kann sich<br />
beispielsweise bei nervösen oder großen Hunden die<br />
Aufzeichnung in stehender Position als besser geeignet<br />
erweisen. Veränderungen der Position des Patienten<br />
führen zu gewissen Veränderungen der Morphologie<br />
der aufgezeichneten Komplexe. Klinisch ist dies jedoch<br />
nicht von Bedeutung, da der Rhythmus, also der wichtigste<br />
Parameter der E<strong>KG</strong>-Aufzeichnung, unverändert<br />
bleibt.<br />
✂<br />
Vol 18 No 3 / / 2008 / / Veterinary Focus / / 47
ELEKTROKARDIOGRAPHIE BEIM HUND<br />
Abbildung 1.<br />
Dieses E<strong>KG</strong> zeigt einen normalen Sinusrhythmus bei 140 Schlägen<br />
pro Minute.<br />
Abbildung 2.<br />
West Highland White Terrier mit ausgeprägter Depression, Anorexie<br />
und auskultatorisch nachweisbarer Bradykardie. Durchschnittliche<br />
Herzfrequenz: 35 Schläge/Minute. Keine P-Wellen erkennbar.<br />
Diagnose: Vorhofstillstand infolge einer Hyperkaliämie, verursacht<br />
durch einen Hypoadrenokortizismus.<br />
Abbildung 3.<br />
Bernhardiner mit Vorhofflimmern infolge DCM. Hohe Herzfrequenz<br />
(180 Schläge/Minute), chaotischer Rhythmus und<br />
fehlende P-Wellen.<br />
Abbildung 4.<br />
Gelegentlich liefert die veränderte Morphologie der Komplexe<br />
wertvolle Informationen. Hier sind deutlich alternierende<br />
Amplituden der QRS-Komplexe zu erkennen. Dieser Hund<br />
hatte einen Perikarderguss, ein Befund, der oft zu der hier dargestellten<br />
elektrischen Alternanz führt.<br />
Abbildung 5.<br />
Sieben Jahre alter Shetland Sheepdog, vorgestellt aufgrund von<br />
Lethargie. Zu erkennen ist eine niedrige Herzfrequenz (45<br />
Schläge/Minute) und P-Wellen ohne Zusammenhang mit den<br />
QRS-Komplexen, auf einen AV-Block 3. Grades hinweisend.<br />
Abbildung 7.<br />
Persistierende Sinustachykardie mit 180 Schlägen/Minute bei einem<br />
Hund mit Herzinsuffizienz.<br />
Abbildung 6.<br />
Einzelne supraventrikuläre Extrasystole bei einem Hund mit<br />
Vorhofvergrößerung. Solche Komplexe ähneln normalen QRS-<br />
Komplexen, treten aber verfrüht auf.<br />
Abbildung 8.<br />
Dieser Hund mit DCM zeigt initial zwei ventrikuläre Extrasystolen<br />
(VES), gefolgt von einer hochfrequenten ventrikulären Tachykardie.<br />
Zu beachten ist, dass sich die VES von den normalen<br />
Sinuskomplexen unterscheiden.<br />
Abbildung 9.<br />
Gesunder Hund mit wanderndem Schrittmacher. Die Amplitude<br />
und die Morphologie der P-Wellen variieren von Schlag zu<br />
Schlag. Es handelt sich jedoch nicht um eine pathologische<br />
Veränderung.<br />
Abbildung 10.<br />
West Highland White Terrier mit gelegentlichen Kollapsen. Zu<br />
erkennen ist ein Sinusarrest (Sinusstillstand/ Sinuspause), in<br />
diesem Fall die Folge eines Sick Sinus Syndroms, eines bei älteren<br />
Westies gut bekannten Krankheitsbildes.<br />
48 / / Veterinary Focus / / Vol 18 No 3 / / 2008