DELUXE PEOPLE 44 DELUXE
Das kragenlose Shirt, das Lederb<strong>and</strong> um den Hals, der Bart – Jochen Horst ist sich selbst stets treu geblieben als einer der wenig prätentiösen Vertreter seines Berufes. Dabei legt der Schauspieler eine beeindruckende Vita vor mit einer Fülle von Stationen im deutschen TV- und Spielfilm. Von Kommissar „Balko“, „Derrick“, „Der Alte“ und „Tatort“ über „Das Traumschiff“ und Rosamunde Pilcher-Verfilmungen bis zu „Luther“ oder „Nero“ liest sich seine Karriere bald wie ein Kompendium des deutschen Films. Wobei der 1961 geborene Mime, der unter <strong>and</strong>erem 1990 mit Burt Lancaster in der „Entführung der Achille Lauro“ vor der Kamera st<strong>and</strong>, stets dem klassischen (dramatischen) H<strong>and</strong>werk verbunden blieb: Mit einer Ausbildung an der Hochschule in Graz und am Lee-Strasberg-Institut (London) ist Horst Schauspieler – wenn man so will – der alten Schule. 1986 wurde er mit dem O.-E.-Hesse-Preis als „Bester Newcomer des Jahres“ ausgezeichnet, zehn Jahre später erhielt er für „Balko“ den Adolf-Grimme-Preis. Horst, verheiratet in zweiter Ehe, lebt heute auf Mallorca. Mit DELUXE sprach er über Schuld und Schicksal sowie über die Frage, welche Entwicklungschancen deutsche Schauspieler in Hollywood haben. Herr Horst, Sie haben im Dezember in Deutschl<strong>and</strong> im Erzgebirge gedreht … Ich war in dem wenig bekannten Ort Wolkenstein, wo es eine besondere Art gibt, Weihnachten zu feiern. Ich stehe dort für ein Familien-Drama vor der Kamera, an der Seite von Katharina Böhm, die Probleme mit ihrer Schwester hat, die nach Wolkenstein kommt. Bekannt wurden Sie für Ihre Rolle als Kommissar Balko. Das ist schon länger her. Dennoch zieht sich der Krimi durch ihr Berufsleben. Das ist nicht unbedingt mein favorisiertes Genre. Was mich an Figuren aber interessiert, ist die Schuldfrage. Wie viel Schuld lädt ein Mensch auf sich, das interessiert mich, ob ich nun den Kommissar spiele oder den Mörder, ob es sich um einen Krimi h<strong>and</strong>elt oder nicht. Das klingt nach griechischer Tragödie ... Das Schuld-Thema betrifft uns alle, wir tragen ja alle potenzial Schuld in uns. Aber ich glaube, erfolgreich im Leben sind diejenigen, die zwischen realer und vermittelter Schuld unterscheiden. Es gibt auch das Motiv, Schuldkomplexe bei <strong>and</strong>eren zu wecken. Ein großes Drama und ein großer Stoff im deutschen Kino war der Film „Luther“, in dem Sie mitgewirkt haben. Wie unterscheidet sich der Film von TV-Produktionen? Der Unterschied zwischen Filmset und TV ist zunächst, dass Sie bei TV-Produktionen fünf oder sechs Personen haben, die Einfluss auf den Dreh nehmen – Regisseur, Produzenten etc. Da gibt es viel mehr unterschiedliche Interessen. Bei einem Film wie „Luther“ haben DELUXE PEOPLE „MICH INTERESSIERT DIE SCHULDFRAGE“ JOCHEN HORST, DEUTSCHER TV- UND FILMSCHAUSPIELER MIT WOHNSITZ AUF MALLORCA, ÜBER VORABENDKRIMIS, „LUTHER“ UND DIE GLAUBWÜRDIGKEIT DES US-KINOS Sie nur einen Regisseur, und der hat ganz <strong>and</strong>ere Freiräume, um zu gestalten. Gibt es großes Schauspiel nur im Kino? Man muss wohl zwischen dem internationalen Film und dem deutschen Kino unterscheiden. Das deutsche Kino wie von Bully Herbig oder Till Schwaiger ist zum Teil sehr brav und strukturiert. Im US-Film wird inzwischen ganz <strong>and</strong>eres erzählt, auch bei TV-Serien, es hat sich hier sehr viel getan. Da haben Figuren eine enorme Glaubwürdigkeit. Ich würde behaupten, ein US-Cop überzeugt mehr als ein deutscher Tatort-Polizist. Haben Sie selbst Ambitionen, nach Hollywood zu gehen? Nein, keine. Das ist im Übrigen auch kein Markt, in den man mit einem Casting Eintritt erhält. Die deutschen Schauspieler, die in den USA Fuß gefasst haben, sind dort meist verheiratet. Sie brauchen eine Green Card, um in den USA zu arbeiten. Und die Rollen werden nicht unbedingt international vergeben. Sie leben seit sieben Jahren auf Mallorca, wie viele Ihrer Kollegen. Was zieht deutsche Filmschaffende auf die Insel? Ich kann da nur für mich reden. Ich halte mich gerne am Meer auf, mag es gerne warm. Luxus, große Autos etc. haben für mich keinen so großen Stellenwert. Zum Glück kann ich meine Arbeit mit dem Wohnort auf Mallorca verbinden. Vielleicht würde manches einfacher gehen, wenn ich in Düsseldorf oder München leben würde. In Deutschl<strong>and</strong> gibt es manchmal Neid, wenn jem<strong>and</strong> auf der Insel lebt, das hat wohl mit unserer Mentalität zu tun. Aber ich mag die Insel. TEXT: Now, FoTos: JürgEN Magg DELUXE 45