Es kommt Dicker - Marius Leutenegger
Es kommt Dicker - Marius Leutenegger
Es kommt Dicker - Marius Leutenegger
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Ihr persönliches<br />
Exemplar –<br />
mit Wettbewerb!<br />
Das Magazin der<br />
Orell Füssli Buchhandlungen<br />
Nr. 3/2013<br />
<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>Dicker</strong><br />
Sprung über den Röschtigraben:<br />
Joël <strong>Dicker</strong> startet durch<br />
«<strong>Es</strong> ist einfacher,<br />
für Erwachsene<br />
zu schreiben»<br />
Interview mit<br />
Federica dE Cesco<br />
Ein reicher Schatz an Leben<br />
Der neue Roman<br />
von Alex Capus<br />
Und ausserdem:<br />
Graphic Novels, Kinderbücher,<br />
Fantasyromane
Editorial | 3<br />
Inhalt<br />
Bücher erzählen die besten Geschichten<br />
Was vom Heute<br />
übrigbleibt<br />
Liebe Leserin<br />
Lieber Leser<br />
Eine News-Welle nach der anderen überrollt<br />
uns. Kurz bevor sie die Küste der Wahrnehmung<br />
erreichen, brechen sie und nennen sich «Breaking<br />
News». Dann überfluten sie besonders penetrant<br />
blinkend die Bildschirme. Denn im Fernsehen<br />
und Internet können News – wie nannte man sie<br />
eigentlich, bevor man diesen Anglizismus verwendete?<br />
– besonders schnell und ungehindert fliessen.<br />
Ein grosser Teil dessen, was uns als News täglich<br />
über dem Kopf zusammenschlägt, ist aber von sehr<br />
begrenzter Dauer oder Bedeutung.<br />
Das Spezial in dieser Ausgabe von «Books» trägt<br />
den Titel «Zeitgeschehen». Dieser schwer zu fassende<br />
Begriff steht vielleicht für jene Themen, die übrig<br />
bleiben, wenn News schon wieder kalter Kaffee<br />
geworden sind. Das Zeitgeschehen ist sozusagen<br />
das Destillat einer Zeit; es gibt ihr ihren Geschmack<br />
und Geruch. Um diese Eigenheiten zu erkennen,<br />
braucht es eine feine Nase, einen geübten Gaumen<br />
und etwas Zeit.<br />
Sind elektronische Medien der richtige Kanal für<br />
News, so ist das Zeitgeschehen in Büchern besonders<br />
gut aufgehoben. Denn die Materialität von Büchern<br />
prägt auch ihre Produktion: Sie dauert etwas<br />
länger. Und Zeit kann nicht schaden, wenn man das<br />
Wesentliche und Beständige erkennen will – ob als<br />
Autor oder als Leserin und Leser.<br />
Ihr Michele Bomio<br />
CEO Orell Füssli Thalia AG<br />
Graphic novels<br />
Kein Kinderzeugs<br />
Seite 14<br />
Zeitgeschehen-Spezial<br />
Das Heute festhalten<br />
Seite 23<br />
Brasilien<br />
Literatur vom Gastland<br />
der Buchmesse<br />
Seite 20<br />
4 Notizen<br />
10 «<strong>Es</strong> ist einfacher, für<br />
Erwachsene zu schreiben»<br />
Interview mit<br />
Federica de Cesco<br />
18 Im Schaufenster<br />
«Die Wahrheit über den Fall<br />
Harry Quebert» von Joël<br />
<strong>Dicker</strong><br />
32 kaffeepause Die Debatte<br />
36 Fantastisch!<br />
Fantasy-Neuerscheinungen<br />
40 Im Schaufenster<br />
«Der Fälscher, die Spionin<br />
und der Bombenbauer» von<br />
Alex Capus<br />
42 Kinderwelt Zum Lachen!<br />
45 Mein Buch<br />
46 Kochbücher<br />
Trendthema vegan<br />
48 Kreuzworträtsel<br />
49 Veranstaltungen<br />
50 Kolumne<br />
Darum schreibe ich – von<br />
Corinna T. Sievers<br />
Feiern Sie mit uns vom 9. September bis 5. Oktober !<br />
Alle Veranstaltungen und Aktionen finden Sie unter<br />
www.books.ch/kramhof<br />
Jetzt Fan werden:<br />
www.facebook.com/OrellFuessli<br />
Die nächste Ausgabe von Books, dem Magazin der Orell-Füssli-Buchhandlungen,<br />
erscheint am 15. November 2013. Sie erhalten Books kostenlos in jeder Filiale.<br />
Bestellungen nehmen wir gern entgegen über www.books.ch, orders@books.ch<br />
und Telefon 0848 849 848. Buchhandlungen von Orell Füssli finden Sie in Basel,<br />
Bern, Frauenfeld, St.Gallen, Winterthur und Zürich sowie am Flughafen Zürich.<br />
Preisänderungen vorbehalten. Unsere aktuellen Verkaufspreise und eine umfassende<br />
Auswahl an Büchern, Filmen und Spielen finden Sie auf www.books.ch.<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Orell Füssli Buchhandlungs AG, Dietzingerstrasse 3, Postfach, 8036 Zürich<br />
Gesamtherstellung: Media Tune AG, Zürich<br />
Redaktion: Die Blattmacher GmbH, Zürich<br />
Gestaltungskonzept/Layout: Strichpunkt GmbH, Winterthur<br />
Coverfoto: Jeremy Spierer<br />
Alle so gekennzeichneten Bücher sind auf www.books.ch<br />
auch als eBook erhältlich.
4 | NOTIzen Books Nr. 3/2013<br />
Alle Bücher finden Sie auch auf NOTIzen | 5<br />
Notizen<br />
<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />
<strong>Es</strong> soll noch immer Leute geben, denen Reisen im Kopf nicht reichen – und die nicht allein<br />
von schönen Destinationen lesen, sondern diese auch besuchen wollen. Solche Unverbesserlichen<br />
sollten den Weg in die Europaallee beim Hauptbahnhof Zürich unter die Füsse<br />
nehmen, denn dort hat der Transa Flagship Store seine Tore geöffnet. Er bietet alles, was<br />
man für einen Ausflug in die nahen Berge oder ans Ende der Welt braucht: Bekleidung und<br />
Kletterausrüstung, Zelte oder Rucksäcke. Und natürlich auch das passende Informationsmaterial:<br />
Orell Füssli unterhält im Laden auf 160 Quadratmetern die Buchabteilung<br />
TransaBooks mit einer berghohen und suezkanalbreiten Auswahl an Reiseführern, Outdoorguides<br />
und Bildbänden zu allen Destinationen der Erde. Eine rechte Weltreise beginnt<br />
also fortan immer an der Europaallee!<br />
«Books» kennt für Fantasy-Bücher zwar<br />
die Rubrik «Fantastisch!» – Sie finden sie<br />
in dieser Ausgabe ab Seite 36 –, ausnahmsweise<br />
schafft es eine fantastische<br />
Neuerscheinung aber in die «Notizen».<br />
Dann nämlich, wenn sie sich auch für ein<br />
Publikum eignet, das mit Gnomen, Zauberschulen<br />
und Vampiren wenig<br />
anfangen kann. Zwar enthält<br />
auch der Roman «Ein<br />
Wispern unter Baker Street»<br />
von Ben Aaronovitch, der bei<br />
dtv erschienen ist, genau solche<br />
Zutaten. Aber der englische<br />
Bestseller ist von so viel<br />
Witz und derart hübschen Beschreibungen<br />
des Alltags in<br />
London geprägt, dass ihm selbst Harry-<br />
Potter-Verächter eine Chance geben sollten.<br />
Hauptfigur ist der junge dunkelhäutige<br />
Polizist Peter Grant. Er wird einer<br />
Sondereinheit zugeteilt, die sich mit unerklärlichen<br />
Ereignissen auseinandersetzt.<br />
Bislang bestand diese Abteilung aus genau<br />
einer Person, nämlich aus dem letzten<br />
Zauberer Englands. Grant lernt von<br />
diesem distinguierten Herrn das Zauberhandwerk<br />
mehr schlecht als recht, trotzdem<br />
taucht der junge Polizist liebend gern<br />
in die Welt des Mysteriösen<br />
ein. Schliesslich wird diese<br />
nicht nur von einigen wirklich<br />
schrägen Kreaturen, sondern<br />
auch von allerhand faszinierenden<br />
Damen bevölkert. Autor<br />
Ben Aaronovitch ist eigentlich<br />
ein Drehbuchautor;<br />
mit den Peter-Grant-Romanen<br />
lässt er einen ziemlich schnell<br />
geschnittenen Film laufen. «Ein Wispern<br />
unter Baker Street» ist bereits der dritte<br />
Band der Reihe. Wer sich an die Bücher<br />
heranwagen möchte, sollte mit dem Erstling<br />
beginnen: «Die Flüsse von London».<br />
Die Lebensgeschichte von Emily<br />
Ruete ist bereits in mehreren Romanen<br />
verarbeitet worden. Kein Wunder,<br />
denn diese Biografie ist mehr als<br />
ungewöhnlich: Emily kam 1844 in<br />
Sansibar als Sayyida zur Welt – als<br />
Prinzessin des Inselreichs. Ihre Liebe<br />
zu einem Hamburger Kaufmann<br />
brachte sie als junge Frau nach<br />
Deutschland, wo sie einen neuen<br />
Namen annahm und drei Kinder<br />
gebar. Vorübergehend wurde die früh<br />
verwitwete Sayyida-Emily zu einem<br />
Spielball der Politik, als mehrere<br />
europäische Mächte die Herrschaft<br />
über Sansibar anstrebten. Die Frau,<br />
die immer an der<br />
Schwelle zwischen<br />
zwei Kulturen stand,<br />
starb 1924 in Jena.<br />
Lukas Hartmann hat<br />
sich jetzt ebenfalls des<br />
spannenden Stoffs<br />
angenommen. In<br />
«Abschied von<br />
Sansibar», erschienen bei Diogenes,<br />
richtet er den Fokus vor allem auf die<br />
drei Kinder der Prinzessin, die beiden<br />
Töchter Antonie und Rosalie sowie<br />
den Sohn Said, der sich später<br />
Rudolph nannte. Kunstvoll springt<br />
Hartmann zwischen seinen Figuren<br />
und ihren verschiedenen Lebensabschnitten<br />
hin und her, bis sich die<br />
verschiedenen Nahaufnahmen zu<br />
einem grossen Familiengemälde<br />
vereinigen. So etwas kann der Berner<br />
Autor gut, und es gelingt ihm, durch<br />
den Perspektivenwechsel zeitlos<br />
grosse Fragen zur Identität und<br />
Zugehörigkeit oder über die Bedeutung<br />
von Liebe und Familie vielfältig<br />
zu beleuchten. Stellenweise braucht<br />
man als Leserin oder Leser einen<br />
etwas längeren Atem, man wird aber<br />
fürs Durchhalten belohnt: Hartmann<br />
lässt einen immer tiefer in eine Welt<br />
eintauchen, die längst untergegangen<br />
ist und alles andere als eine «gute alte<br />
Zeit» war.<br />
Leute, die das mögen,<br />
mögen auch ...<br />
Oft ist die letzte Seite eines Buchs jene,<br />
die man am wenigsten mag – weil man<br />
nicht möchte, dass das Lesevergnügen<br />
schon zu Ende ist. Glücklicherweise<br />
gibt es Fachleute, die einem in solchen<br />
Momenten Bücher mit vergleichbaren<br />
Qualitäten empfehlen können – Fachleute<br />
wie Désirée Stucki von Orell Füssli<br />
Frauenfeld. Die 30-<br />
Jährige ist so begeisterte<br />
Buchhändlerin<br />
wie Leserin, «und wie<br />
viele andere habe auch<br />
ich Hermann Hesses<br />
‹Siddhartha› verschlungen.<br />
Das ist ja<br />
ein Buch, das man immer<br />
wieder lesen kann<br />
– und das einem bei jeder<br />
Wiederholung etwas<br />
anderes gibt. Als<br />
Buchhändlerin bin ich<br />
oft gefragt worden, ob<br />
ich etwas Ähnliches<br />
empfehlen könne. Vor<br />
ein paar Jahren entdeckte<br />
ich den Roman ‹Kaito oder Die<br />
Leichtigkeit des Glücks› von Hans Kruppa,<br />
der mich wegen seiner Märchenhaftigkeit<br />
sehr an ‹Siddhartha› erinnerte.<br />
Lange Zeit war das Buch nicht mehr<br />
erhältlich; jetzt aber ist bei Coppenrath<br />
eine wunderschön gemachte neue Ausgabe<br />
erschienen, die ich sehr empfehle.<br />
Kruppa erzählt die Geschichte des Buben<br />
Kaito, der in einer mausarmen Familie<br />
aufwächst und das Gefühl hat,<br />
nicht am richtigen Platz zu sein. Als er<br />
sich aufmacht in die Welt, erhält er von<br />
der Familie ein Medaillon mit auf den<br />
Weg. Dieses Medaillon enthält eine Beschriftung,<br />
die niemand lesen kann –<br />
ausser einem fahrenden Musikanten,<br />
dem Kaito auf seinem Weg begegnet.<br />
Der Musikant eröffnet dem Jungen, das<br />
Medaillon gehöre dem bekanntesten<br />
Flötisten des Landes. Gemeinsam machen<br />
sich die beiden auf den Weg zu<br />
diesem Flötisten. Unterwegs lernt Kaito<br />
ein stummes Mädchen kennen, mit dem<br />
er sich sofort tief verbunden<br />
fühlt. Als er<br />
beim Flötisten an<strong>kommt</strong>,<br />
spielt ihm dieser<br />
ein Musikstück vor.<br />
Kaito ist so tief berührt,<br />
dass ihn der Flötist zu<br />
seinem Schüler macht.<br />
Das eröffnet dem Jungen<br />
die Möglichkeit, zu<br />
einer besonderen Erleuchtung<br />
zu gelangen<br />
– und das stumme Mädche<br />
auf aussergewöhnliche<br />
Weise für sich zu<br />
gewinnen ... Die Parallelen<br />
zu ‹Siddhartha›<br />
liegen auf der Hand:<br />
Hier wie dort lässt einer alles hinter<br />
sich, um seine Bestimmung zu finden.<br />
Hier wie dort findet einer durch intensive<br />
Lehrjahre zum Glück. Aber es gibt<br />
auch Unterschiede: Die Sprache von<br />
Hesse ist viel literarischer als jene von<br />
Kruppa. ‹Kaito oder Die Leichtigkeit des<br />
Glücks› eignet sich deshalb auch für<br />
Leute, die niemals ein Buch von Hesse<br />
zur Hand nähmen, weil es ihnen zu<br />
kompliziert scheint. Und ein Unterschied<br />
ist auch, dass Kruppa nicht so<br />
deutlich den Zeigefinger hebt, wie es<br />
Hesse zuweilen tut. Er erzählt einfach<br />
eine sehr schöne Geschichte, von der<br />
man sich verzaubern lassen kann.»<br />
«Sofies Welt» des Norwegers Jostein<br />
Gaarder ist ein Dauerbrenner: Das 1991<br />
erschienene Buch wurde mittlerweile in<br />
95 Sprachen übersetzt. <strong>Es</strong> erzählt die<br />
Geschichte der 14-jährigen Sofie, die<br />
eines Tages einen mysteriösen Brief<br />
erhält und darin gefragt wird, wer sie<br />
eigentlich sei. Darauf beginnt für Sofie<br />
und die Leserschaft eine Reise durch die<br />
Welt der Philosophie – denn das Mädchen<br />
erhält weitere Briefe, die immer einer<br />
bestimmten Denkrichtung oder einem<br />
berühmten Philosophen gewidmet sind.<br />
«Sofies Welt» war eigentlich für ältere<br />
Kinder gedacht; weil es einen so charmanten<br />
wie nützlichen Crash-Kurs in<br />
Philosophie-Geschichte bietet, haben aber<br />
auch Erwachsene den Roman geradezu<br />
verschlungen. Jetzt, 22 Jahre später, hat<br />
Gaarder sein Erfolgskonzept noch einmal<br />
angewendet. «Noras Welt» handelt jedoch<br />
nicht von Philosophie, sondern von<br />
aktuellen Umweltproblemen. Die 16-jährige<br />
Protagonistin Nora reist träumend ins<br />
Jahr 2084 und erlebt dort als ihre eigene<br />
Urenkelin Nova, was wir Heutigen der<br />
Erde angetan haben. Diesen eher simplen<br />
Plot nutzt der Autor, um Kindern und<br />
Jugendlichen ökologische Zusammenhänge<br />
zu erklären und den Nachwuchs zu<br />
einem naturgerechten Handeln zu<br />
bewegen. Erneut gelingt es Gaarder, ein<br />
hochkomplexes Thema anschaulich zu<br />
behandeln; diesmal schimmern die<br />
pädagogischen Absichten des Autors aber<br />
etwas stark zwischen den Zeilen hindurch,<br />
was die Attraktivität des Romans<br />
für Erwachsene stellenweise<br />
reduziert – aber<br />
«Noras Welt» ist ja auch<br />
als Kinderbuch gedacht<br />
und sollte nicht unbedingt<br />
an «Sofies Welt»<br />
gemessen werden.<br />
© Niklas Lello
6 | NOTIzen Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf NOTIzen | 7<br />
Was lesen Sie gerade?<br />
Marco Fritsche, TV-Moderator:<br />
Vom 24. bis 27. Oktober 2013 findet<br />
zum dritten Mal das grösste Literaturfestival<br />
der Schweiz statt: «Zürich<br />
liest». <strong>Es</strong> bietet in diesem Jahr 140<br />
Lesungen und literarische Veranstaltungen<br />
mit über 200 nationalen und<br />
internationalen Autorinnen und Autoren.<br />
Mit dabei sind zum Beispiel Milena<br />
Moser und Franz Hohler, angekündigt<br />
ist auch der Schauspieler Bruno<br />
Ein echtes Buch aus schönem Papier hat viele Vorteile, doch auch das<br />
eBook kann zahlreiche Pluspunkte für sich verbuchen. Wofür soll man<br />
sich also entscheiden? Die gute Nachricht: Man muss keine Wahl mehr<br />
treffen – zumindest nicht, wenn man einen Titel von Kein & Aber haben<br />
will. Denn seit diesem Frühjahr erhalten alle Käuferinnen und Käufer eines Hardcovers<br />
aus diesem Verlag gleich kostenlos das entsprechende eBook dazu. In jedem<br />
gekauften Buch ist ein individueller Code angegeben; er kann auf der Internetseite<br />
des Verlags zusammen mit einer E-Mail-Adresse eingetippt werden – und schon<br />
lässt sich das eBook herunterladen. So ist ein guter Mix möglich: Daheim auf dem<br />
Sofa kann man die schöne Druckausgabe zur Hand nehmen, unterwegs greift man<br />
zum eReader.<br />
Cartoon-Romane<br />
zum Weglachen<br />
Respektlos,<br />
liebenswert,<br />
unwiderstehlich:<br />
Der absolut witzigste<br />
Detektiv der Welt<br />
ermittelt.<br />
© Adrian Portmann<br />
«Lesen dient mir sowohl dem kontemplativen<br />
‹Nichtstun› als auch der Informationsbeschaffung.<br />
Daher lese ich neben<br />
den drei mir wichtigen Sonntagszeitungen<br />
– was schon mal bis zur Wochenmitte<br />
dauern kann – auch oft verschiedene Bücher<br />
parallel und aus ganz unterschiedlichen<br />
Gründen.<br />
Da ich erst seit kurzem mein Glück als<br />
Hobby-Koch versuche, schmökere ich immer<br />
wieder in ‹Querbeet›, dem neuen<br />
Kochbuch von Susanne Bloch-Hänseler.<br />
Ein reich bebildertes und inspirierendes<br />
Schätzkästchen, wenn es um originelle<br />
und für mich einigermassen gut zu bewältigende<br />
Koch-Rezepte geht. Mein<br />
neustes ‹Coffee Table Book›, das mich im<br />
charmanten und einzigartigen Buchladen<br />
von Carol Forster in Appenzell auf<br />
den ersten Blick verzaubert hat, ist ‹Worte<br />
nicht in giftige Buchstaben einwickeln›<br />
von und über Meret Oppenheim – ja genau,<br />
das ist die mit der Fell-Tee-Tasse!<br />
Das Buch ist nicht nur höchst dekorativ<br />
im Wohnzimmer, sondern nimmt mir<br />
auch das schlechte Gewissen, wenn ich<br />
faul auf meinem Sofa liege, weil ich dann<br />
immer wieder darin stöbern kann. Dieses<br />
autobiografische Album mit unveröffentlichten<br />
Briefwechseln ist nicht nur etwas<br />
für Kunstinteressierte. Auch wer einfach<br />
gern ‹im Leben eines Menschen blättert›,<br />
wird viel Erstaunliches erfahren. Zu guter<br />
Letzt liegt neben meinem Bett noch<br />
‹Der Geisterfahrer›, ein Buch mit Erzählungen<br />
von Franz Hohler. Anregend und<br />
manchmal auch wohltuend irritierend,<br />
wie Hohler zum Glück ist!»<br />
Querbeet<br />
Susanne Bloch-Hänseler<br />
317 Seiten<br />
CHF 58.00<br />
Hänseler<br />
Worte nicht in giftige Buchstaben<br />
einwickeln<br />
Meret Oppenheim<br />
400 Seiten<br />
CHF 80.00<br />
Scheidegger & Spiess<br />
Der Geisterfahrer<br />
Franz Hohler<br />
576 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Luchterhand<br />
Ganz. Als besondere Attraktion werden<br />
«Lesungen an ungewohnten Orten»<br />
durchgeführt: im Prime Tower, in<br />
der Sternwarte, im Staatsarchiv oder<br />
in der Hafenkneipe. Auch bei Orell<br />
Füssli gibt es verschiedene Veranstaltungen.<br />
Zur gleichen Zeit findet übrigens<br />
auch «BuchBasel» statt. Die beiden<br />
Festivals haben eine strategische<br />
Partnerschaft vereinbart und arbeiten<br />
fortan eng zusammen.<br />
Schöne Architekturbücher gibt es<br />
glücklicherweise so viele wie Ameisen<br />
im Wald. Ein besonders kunstvolles<br />
beschäftigt sich jetzt aber genau<br />
mit diesen Ameisen – und allen<br />
anderen Tierchen und Tieren, von<br />
denen wir bezüglich Architektur<br />
noch viel lernen können. «Architektier»,<br />
gerade bei Knesebeck erschienen,<br />
zeigt die Werke der Baumeister<br />
der Natur in herrlichen Nahaufnahmen.<br />
Der renommierte<br />
Naturfotograf<br />
Ingo Arndt hat<br />
gestochen scharfe<br />
Bilder von Vogelnestern,<br />
Spinnennetzen,<br />
Termitenbauten und<br />
Kalkschalen geschossen,<br />
der Verhaltensforscher<br />
Jürgen Tautz begleitet die<br />
Bildstrecken mit spannenden Geschichten<br />
zu den vielbeinigen Architekten,<br />
ihren Werken, Methoden und<br />
Tricks. Ein Buch, an dem man sich<br />
kaum sattsehen kann.<br />
«<strong>Es</strong> gab kein anderes<br />
Buch in mir», hielt Urs<br />
Widmer kürzlich in einem<br />
NZZ-Beitrag über<br />
sein neuestes Werk «Reise<br />
an den Rand des Universums»<br />
fest. «Ich hatte<br />
in den letzten Jahrzehnten<br />
beim Schreiben meiner<br />
Bücher so radikal alle Stollen meiner<br />
Erinnerung ausgeräumt, dass mir nur<br />
noch eine Möglichkeit übrig zu bleiben<br />
schien: The truth, the truth, the truth<br />
and nothing but the truth.» Im Buch<br />
selbst begründet der 75-jährige Basler<br />
etwas anders, warum sein neues Buch<br />
ausgerechnet eine Autobiografie ist.<br />
«Erst träumen wir von der Zukunft, dann<br />
leben wir sie, und am Ende, wenn diese<br />
gelebte Zukunft vergangen ist, erzählen<br />
wir sie uns noch einmal.» Das klingt allerdings<br />
weit melancholischer, als die<br />
Autobiografie jetzt tatsächlich daher<strong>kommt</strong><br />
– diese riecht nämlich weder<br />
nach Aufguss noch nach Abschluss, sondern<br />
ist, typisch Urs Widmer, von einer<br />
leichten Ironie durchzogen und von einem<br />
lebhaft-weisen Ton geprägt. Der Autobiograf<br />
beschränkt sich auf die ersten<br />
30 Jahre seines Lebens, er gelangt also<br />
nur bis zu jenem Punkt, an dem er sein<br />
erstes Buch veröffentlicht hat. Über die<br />
jüngere Vergangenheit wollte Widmer<br />
nicht schreiben, weil es dann «links und<br />
rechts von meinem Schreibweg zu viele<br />
Verwundete, Gekränkte, Sich-verraten-<br />
Fühlende» geben könnte. So bleibt uns<br />
also nur dieses Porträt des Künstlers als<br />
junger Mann. Ob Widmer hier wirklich<br />
«nothing but the truth» erzählt, muss im<br />
Raum stehen bleiben. Die frühkindlichen<br />
und sogar vorgeburtlichen Erinnerungen<br />
stammen aus mindestens zweiter<br />
Hand, folgen aber dem schönen Grundsatz<br />
«Se non è vero, è ben trovato» – Widmer<br />
ist schliesslich Schriftsteller und<br />
kein Archivar.<br />
«Glück» war so etwas wie ein<br />
heimlicher Bestseller unter den<br />
Geschenkbüchern: 100 Glücksforscher<br />
aus der ganzen Welt gaben in<br />
je 1000 Worten Einblick in die<br />
Resultate ihrer Arbeit. Jetzt hat Leo<br />
Bormans, der Herausgeber von<br />
«Glück», bei Dumont so etwas wie<br />
eine Fortsetzung vorgelegt: «Liebe».<br />
Das Buch ist genauso faszinierend<br />
wie sein Vorgänger. 100 gestandene<br />
Forscher und Nachwuchswissenschaftler<br />
geben in wiederum je 1000<br />
Worten mögliche Antworten auf<br />
Fragen wie «Warum verlieben wir<br />
uns – und wie?», «Welches sind die<br />
besten Partner?», «Was passiert im<br />
Körper, wenn wir verliebt sind?»,<br />
«Welche Rolle spielen Hollywood<br />
und Co. für unsere Gefühlswelt?»,<br />
«Warum lügen wir in der Liebe?»<br />
oder «Wie wichtig ist Sex?». Die so<br />
fundierten wie flockig-leicht abgefassten<br />
Beiträge sind erst noch<br />
hübsch illustriert und am Ende<br />
lesefreundlich in<br />
wenigen Worten<br />
zusammengefasst<br />
– es scheint kaum<br />
vorstellbar, dass<br />
dieses Buch jemanden<br />
nicht interessiert.<br />
ISBN 978-3-7891-4506-3<br />
Ab 8 Jahren · 304 Seiten<br />
Volle Power ins Chaos! Brüllkomische<br />
Protagonisten im<br />
schulischen Alltagswahnsinn.<br />
ISBN 978-3-7915-0707-1<br />
Ab 10 Jahren · 240 Seiten
8 | NOTIzen Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf NOTIzen | 9<br />
JAHRESTAGE<br />
... und ausserdem<br />
© Roland Gretler<br />
Am 22. September jährt sich der Tod des<br />
1940 in St. Gallen geborenen Journalisten<br />
Niklaus Meienberg zum 20. Mal. Wenn Wikipedia<br />
behauptet, Meienbergs Werk habe<br />
«massgeblich zur öffentlichen Meinungsbildung<br />
der Schweiz im 20. Jahrhundert beigetragen»,<br />
ist das nicht allzu übertrieben. In<br />
einer Zeit, in der man auf so etwas noch<br />
stolz sein durfte, arbeitete Meienberg fünf<br />
Jahre lang für «Die Weltwoche» – als Korrespondent<br />
in Paris. Später wurde er Mitarbeiter<br />
des Schweizer Fernsehens, des «Tages-Anzeigers»,<br />
des Magazins «Stern» und<br />
der «Wochenzeitung». Diese Engagements<br />
endeten selten friedlich, denn Meienberg<br />
war nicht nur ein brillanter Kopf, sondern<br />
auch ein streitbarer und äusserst kritischer<br />
Zeitgenosse mit Hang zur Provokation und<br />
Polterei. Eine besonders innige Feindschaft<br />
verband ihn mit der Familie des superautoritären<br />
Generals der Schweizer Armee während<br />
des Ersten Weltkriegs, Ulrich Wille. Im<br />
Buch «Die Welt als Wille und Wahn» durchleuchtete<br />
Meienberg den Wille-Clan. Die<br />
Söhne des Generals zerrten den Journalisten<br />
schliesslich vor Gericht, vor allem wegen<br />
dessen Hauptwerk «Die Erschiessung des<br />
Landesverräters Ernst S.», in dem Wille<br />
ebenfalls eine Rolle spielte. Nach mehreren<br />
Schicksalsschlägen nahm sich Meienberg<br />
1993 das Leben. Sein Werk erscheint im<br />
Limmat-Verlag.<br />
Am 5. Oktober haben alle französischsprachigen<br />
Bücherfreundinnen und -freunde etwas<br />
zu feiern – aber nicht nur sie. Schliesslich<br />
zählt der Pariser Denis Diderot, dessen<br />
Geburtstag sich an diesem Datum zum 300.<br />
Mal jährt, zu den wichtigsten europäischen<br />
Denkern der Aufklärung. Gemeinsam mit<br />
zahlreichen Mitstreitern, darunter auch<br />
Montesquieu und Voltaire, schuf Diderot die<br />
grosse französische «Encylopédie ou dictionnaire<br />
raisonné des sciences, des arts et<br />
des métiers»; von den 72 000 Artikeln, die<br />
dieses Lexikon enthielt, verfasste er selber<br />
rund 6000. Diderot wuchs in der Bischofsstadt<br />
Langres auf und kam als junger Mann<br />
nach Paris, um dort ein Theologie-Vorstudium<br />
zu absolvieren. Anschliessend lebte er in<br />
der Hauptstadt als Bohémien, Intellektueller<br />
und Übersetzer englischsprachiger Bücher.<br />
Diese Tätigkeit öffnete ihm auch die Tür zum<br />
«Encylopédie»-Projekt: Ein Verleger wollte<br />
ein englischsprachiges Lexikon ins Französische<br />
übertragen lassen und kam damit<br />
nicht recht vorwärts. Er machte Diderot<br />
zum Gesamtleiter – und dieser weitete das<br />
Projekt massiv aus. Die Encyclopédie wollte<br />
in über einem Dutzend Bänden das gesamte<br />
Wissen ihrer Zeit abbilden. Den Autoren<br />
ging es aber nicht um die Anhäufung von<br />
Fakten, sondern um die Verbesserung der<br />
Welt durch Bildung. Das kam bei der Leserschaft<br />
extrem gut an – das Lexikon war ein<br />
kostspieliger Bestseller –, beim Adel und<br />
Klerus wegen seines aufklärerischen Geists<br />
aber äusserst schlecht. Der Papst setzte das<br />
Werk sogar auf den Index der verbotenen<br />
Bücher. Nach 20 Jahren Arbeit schied Diderot<br />
im Streit mit den knauserigen Verlegern<br />
aus dem Projekt aus. Er schrieb zeitlebens<br />
auch Dramen, bedeutende philosophische<br />
Schriften, naturwissenschaftliche Bücher,<br />
Rezensionen und <strong>Es</strong>says. Doch die Encyclopédie<br />
blieb sein Hauptwerk. Jetzt gerade hat<br />
«Die andere Bibliothek» die Zusammenstellung<br />
«Diderots Enzyklopädie» veröffentlicht;<br />
sie enthält jene Lexikon-Beiträge von<br />
Diderot, die laut Verlag «zum geistigen<br />
Handgepäck für das dritte Jahrtausend gehören».<br />
Georg Büchner kam am 17. Oktober 1813<br />
zur Welt, also vor genau 200 Jahren. Er wurde<br />
zwar nur 23 Jahre alt, doch es blieb ihm<br />
genug Zeit, gleich drei Stücke zu verfassen,<br />
die zum internationalen Kanon gehören:<br />
«Dantons Tod», «Leonce und Lena» sowie<br />
«Woyzeck». Eigentlich sollte Büchner Arzt<br />
werden; während seines Medizinstudiums<br />
in Strassburg kam er aber mit dem liberalen<br />
Gedankengut der Juli-Revolution in Kontakt.<br />
In seine Heimatregion Hessen zurückgekehrt,<br />
rief er die Landbevölkerung zum<br />
Umsturz auf – mit dem berühmten Slogan<br />
«Friede den Hütten! Krieg den Palästen!».<br />
Innerhalb von nur fünf Wochen verfasste er<br />
«Dantons Tod», in dem er das Scheitern der<br />
Revolution verarbeitete; noch vor der ersten<br />
Aufführung des<br />
Stücks musste er<br />
aber fliehen, weil<br />
er als Aufwiegler<br />
galt. Erst gelangte<br />
er nach Strassburg,<br />
dann kam<br />
er nach Zürich.<br />
Die hiesige Universität<br />
machte<br />
ihn aufgrund seiner<br />
Dissertation «Abhandlung über das<br />
Nervensystem der Barbe» zum Doktor der<br />
Philosophie und ernannte ihn zum Dozenten<br />
für Anatomie. Doch der junge Professor<br />
erkrankte an Typhus; im Februar 1837<br />
starb Büchner in Zürich, noch ehe er sein<br />
Drama «Woyzeck» beenden konnte. Das<br />
Grab des Dramatikers befindet sich im<br />
Oberstrass-Quartier und wird in wohl jedem<br />
Zürich-Reiseführer erwähnt. Im Horlemann-Verlag<br />
ist anlässlich des Jubiläums<br />
der Roman «Das Herz so rot» von Udo Weinbörner<br />
als Taschenbuch erschienen; darin<br />
geht es ebenso um die bewundernswert<br />
emanzipierte Braut des Frühverstorbenen<br />
wie um diesen selbst. Die Verlobte ist auch<br />
ein wichtiges Thema in der dtv-Neuerscheinung<br />
«Georg Büchners Frauen» von Jan-<br />
Christoph Hauschild. Wer es umfassend<br />
mag, ist wohl mit der Büchner-Biografie<br />
«Geschichte eines Genies» von Hermann<br />
Kurze gut bedient; sie ist gerade bei C.H.<br />
Beck erschienen.<br />
Jener Geburtstag, der in diesem Bücherherbst<br />
wohl die meisten Neuerscheinungen<br />
auslöst, ist jener von Albert Camus. Der<br />
Franzose wäre am 7. November 100 Jahre<br />
alt geworden. Zur Welt kam er in Algerien,<br />
das damals zu Frankreich gehörte. Obwohl<br />
seine Familie arm war und er an Tuberkulose<br />
erkrankte, konnte Camus dank seiner<br />
vielfältigen Begabungen die Matura machen;<br />
danach studierte er Philosophie an<br />
der Universität von Algier. Eigentlich wollte<br />
er Gymnasiallehrer werden, wegen seiner<br />
Tuberkulose wurde er aber nicht zu den<br />
Prüfungen zugelassen. Seinem Frust über<br />
das berufliche Scheitern, das Ende seiner<br />
ersten Ehe und die politischen Entwicklungen<br />
machte er Luft, indem er einen Roman<br />
über einen tuberkulosekranken Mann<br />
schrieb: «La Mort heureuse». Das Buch<br />
wurde zwar nie fertig, Camus arbeitete das<br />
Material aber später um – zum Roman «Der<br />
Fremde», der als eines der Hauptwerke des<br />
Existenzialismus’ gilt. Während Camus zuerst<br />
noch als Journalist und Aushilfslehrer<br />
arbeitete, erlaubte ihm sein literarischer Erfolg,<br />
sich ab Mitte des Zweiten Weltkriegs<br />
ganz auf die Schriftstellerei zu konzentrieren.<br />
Mit seinen Werken zu den grossen Themen<br />
Freiheit, Schuld und Verantwortung<br />
prägte er schliesslich das Lebensgefühl einer<br />
ganzen Generation. Zu seiner Prominenz<br />
trug bei, dass er sich –<br />
wie Jean-Paul Sartre,<br />
der andere wichtige<br />
Existenzialist – auch<br />
als Philosoph und politisch<br />
betätigte: Er engagierte<br />
sich in der<br />
Résistance und setzte<br />
sich gegen Krieg oder<br />
Kolonialismus ein. Mit<br />
46 Jahren kam Camus<br />
bei einem Autounfall<br />
ums Leben. Aus den vielen Neuerscheinungen<br />
anlässlich des Hundertsten seien vier<br />
herausgegriffen: Martin Meyer, Leiter des<br />
Feuilletons der «Neuen Zürcher Zeitung»,<br />
zeigt in seiner bei Hanser erschienenen Biografie<br />
«Die Freiheit leben», wa rum Autor<br />
und Werk seine Zeitgenossen derart stark<br />
faszinierten und warum man Camus immer<br />
wieder entdecken sollte. Ebenso eindrücklich<br />
ist die von Rowohlt veröffentlichte Biografie<br />
«Das Ideal der Einfachheit»; Autorin<br />
ist Iris Radisch, die Literaturkritikerin der<br />
«Zeit». Und das Hörbuch «Leben heisst handeln»,<br />
erschienen bei DHV, bietet Originalton-Einspielungen<br />
des Nobelpreisträgers<br />
von 1957. Ganz besonders schön – und passend<br />
zu unserem Beitrag über Graphic Novels<br />
ab Seite 14 dieser Ausgabe – ist schliesslich<br />
die visuelle Umsetzung der<br />
Camus-Novelle «Jonas oder der Künstler bei<br />
der Arbeit» von Katia Fouquet, erschienen<br />
bei der Edition Büchergilde.<br />
Wer ein Rezept aus einem ausländischen<br />
Kochbuch ausprobieren<br />
will, steht manchmal vor dem Problem,<br />
dass man die erwähnten Zutaten<br />
in der Schweiz nicht kaufen<br />
kann. In englischen Kochbüchern<br />
wird zum Beispiel oft eine bestimmte<br />
Art Mehl erwähnt, die bei uns<br />
kaum zu finden ist. In «The Bookshop»<br />
von Orell Füssli an der Zürcher<br />
Bahnhofstrasse steht dieses<br />
Mehl aber direkt neben dem Kochbuchregal<br />
– gemeinsam mit «Marmite»-<br />
und «Vegemite»-Würzpasten,<br />
der Barbecue-Sauce von «Jack<br />
Daniels», dem «Buckwud»-Ahorn-<br />
Wettbewerbs-GewiNNer<br />
In der letzten Ausgabe von «Books» verlosten wir unter den Teilnehmenden unseres<br />
Kreuzworträtsel-Wettbewerbs drei Büchergutscheine. Gewonnen haben:<br />
1. Preis: Verena Reist, 8460 Marthalen<br />
2. Preis: Rosmarie Speich, 8405 Winterthur<br />
3. Preis: Eva Horvath, 8406 Winterthur<br />
Herzliche Gratulation!<br />
sirup und vielen anderen Spezialitäten.<br />
Dass die Food-Abteilung der<br />
Buchhandlung auch <strong>Es</strong>swaren anbietet,<br />
ist nicht neu – damit hat<br />
man im Bookshop vor etwa fünf<br />
Jahren begonnen. «Inzwischen ist<br />
diese Abteilung aber ein regelrechter<br />
Magnet für Menschen aus England,<br />
den USA und Australien»,<br />
sagt Assistant Manager Nick<br />
Schorp. Was in der grössten englischsprachigen<br />
Buchhandlung auf<br />
dem europäischen Festland als<br />
kundenfreundliche Dienstleistung<br />
gedacht gewesen sei, habe sich zu<br />
einem echten Hit entwickelt.<br />
Das Lösungswort lautete übrigens «Liebesgeheimnisse». Die Gewinnerinnen und Gewinner<br />
der Preise 4 bis 10 werden schriftlich benachrichtigt. Das aktuelle Kreuzworträtsel finden<br />
Sie in dieser Ausgabe auf Seite 48.
10 | Interview Books Nr. 3/2013<br />
Alle Bücher finden Sie auch auf Interview | 11<br />
«<strong>Es</strong> ist einfacher, für Erwachsene<br />
zu schreiben»<br />
Federica de Cesco gehen die Ideen niemals aus. Ihr neuer Erwachsenenroman «Tochter des<br />
Windes» vereinigt einmal mehr alle Elemente, die das Publikum an den Geschichten der<br />
Schweizer Autorin so liebt.<br />
Erik Brühlmann<br />
Peter Peitsch<br />
Books: Federica de Cesco, «Tochter des<br />
Windes» erzählt die Geschichte des<br />
Deutschen Rainer, der sich in die Japanerin<br />
Mia verliebt, ihr in die Heimat<br />
folgt und dort ein in jeder Hinsicht völlig<br />
neues Leben entdeckt. Dieser Roman<br />
liest sich wie eine Einführung in die<br />
Geschichte und Kultur Japans ...<br />
Federica de Cesco: Eine lockere Einführung,<br />
ja. <strong>Es</strong> gibt ja viele solche Romane,<br />
<strong>Es</strong>says und so weiter, die viel komplizierter<br />
sind. Ich hingegen habe versucht,<br />
das Thema mit dem Humor anzugehen,<br />
der den Japanern eigen ist. Hört man<br />
Japanern zu, wie sie über ihre Geschichte<br />
sprechen, lacht man sich schief!<br />
Haben Sie wegen des Charakters der<br />
Geschichte auf eine klassische Hauptfigur<br />
verzichtet und stattdessen eine<br />
Gruppe wichtiger Figuren eingeführt,<br />
von denen jede einen gleichwertigen<br />
Platz einnimmt?<br />
Genau! Ich wollte Japan anhand von<br />
Protagonisten aus vielen verschiedenen<br />
Schichten und Positionen porträtieren.<br />
Eine der Hauptfiguren ist Rainer Steckborn,<br />
ein Ausländer. Er fürchtet, von<br />
einem Fettnäpfchen ins andere zu treten,<br />
als er sich auf das Abenteuer Japan<br />
einlässt. <strong>Es</strong> geht wohl vielen Ausländern<br />
so ...<br />
Ja, alle Gaijin – Nichtjapaner – erleben<br />
die erste Begegnung mit Japan auf diese<br />
Weise. Als ich vor 40 Jahren das erste<br />
Mal nach Japan ging, fragte ich meinen<br />
japanischen Mann Kazuyuki Kitamura:<br />
Chéri, was darf ich in Japan nicht<br />
machen? Seine Antwort: Du darfst alles<br />
machen, was du willst, ausser in den<br />
Hauspantoffeln zur Toilette gehen. Dafür<br />
gibt es spezielle Plastikpantoffeln. Ich<br />
dachte erst an hygienische Gründe, doch<br />
mein Mann klärte mich auf, dass die<br />
Toilette ein heiliger Ort sei, den man nicht<br />
mit normalen Pantoffeln verunreinigen<br />
dürfe. Eigentlich kann man sich als Gaijin<br />
mühelos in Japan zurechtfinden, wenn<br />
man eines in Erinnerung behält: Leistet<br />
man sich einen Fauxpas, brechen die Einheimischen<br />
zwar in schallendes Gelächter<br />
aus. Allerdings lachen sie nicht über<br />
einen, sondern mit einem. Anschliessend<br />
erklären sie einem geduldig, was man<br />
falsch gemacht hat.<br />
Eine solche Erfahrung macht auch Rainer.<br />
Sind die Japaner also nicht so kühl<br />
und ernst, wie man immer denkt?<br />
Im Gegenteil ist es so, dass die Japaner<br />
die Ernsthaftigkeit der Gaijin nicht mögen!<br />
Die Japaner sind sehr stolz und sehr<br />
scheu und machen deshalb fast nie den<br />
ersten Schritt auf einen zu. Das empfinden<br />
wir mitunter als Reserviertheit. Geht<br />
man aber auf Japaner zu, sind sie sehr<br />
herzlich und geben sich die grösste Mühe,<br />
sich auf die Eigenheiten der Ausländer<br />
einzustellen.<br />
Überzeichnen Sie zuweilen Ihre Figuren,<br />
um Ihre Anliegen deutlich zu machen?<br />
Mia, Rainers japanische Freundin, wird<br />
ja zum Beispiel als schon fast tölpelhaft<br />
geschildert.<br />
Ich habe in 40 Jahren nur einmal eine<br />
ungeschickte Japanerin getroffen!<br />
Japanerinnen beherrschen in der Regel<br />
ihre Hände und Finger so gut, dass man<br />
sich wie ein Trampeltier vor<strong>kommt</strong>. Eine<br />
ungeschickte Japanerin ist also tatsächlich<br />
eine Exotin, da brauche ich nichts zu<br />
überzeichnen.<br />
Federica de Cesco<br />
br. Federica de Cesco wurde 1938 in<br />
Pordenone, Italien, geboren. Als Tochter<br />
eines Italieners und einer Deutschen<br />
wuchs sie mehrsprachig auf. Mit ihren<br />
Eltern bereiste sie die Welt von Äthiopien<br />
bis Deutschland, Frankreich und Belgien.<br />
An der Universität Lüttich studierte sie<br />
Kunstgeschichte und Psychologie, bevor<br />
sie 1962 mit ihrem ersten Ehemann in die<br />
Schweiz zog. Aus dieser Ehe stammen ihre<br />
beiden Kinder. Ihren jetzigen Ehemann,<br />
den japanischen Fotografen Kazuyuki<br />
Kitamura, heiratete sie 1973.<br />
Ihre literarische Karriere begann Federica<br />
de Cesco 1957 mit dem Jugendbuch «Der<br />
rote Seidenschal». Fast 40 Jahre lang<br />
widmete sie sich fast ausschliesslich der<br />
Kinder- und Jugendliteratur; im deutschsprachigen<br />
Raum gilt sie als meistgelesene<br />
Jugendbuchautorin. Ihre Bücher erzählen<br />
meist von fremden Ländern, fremden<br />
Kulturen, Religionen oder von anderen<br />
Weltanschauungen. 1994 veröffentlichte<br />
sie mit «Silbermuschel» ihr erstes Buch für<br />
Erwachsene. Mittlerweile hat Federica de<br />
Cesco über 80 Bücher veröffentlicht – und<br />
hat bereits eine Idee für den nächsten<br />
Roman.<br />
Und wie steht es mit Tante Azai, die<br />
trotz ihrer extrem schroffen, abweisenden<br />
Art von Mia fast schon verehrt<br />
wird?<br />
Auch hier beschreibe ich nur die japanische<br />
Mentalität. Das Alter ist verehrungswürdig,<br />
denn Alter bedeutet Erfahrung –<br />
und diese gilt als kostbares Gut. Deshalb<br />
haben die Seniorinnen und Senioren in<br />
Japan auch Narrenfreiheit, sie können<br />
sich «ungestraft» über Konventionen<br />
hinwegsetzen und werden trotzdem<br />
respektiert. Diesen Respekt fordern sie
12 | Interview Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf Interview | 13<br />
In ihrem neuen Roman porträtiert Federica de Cesco Japan anhand von Protagonisten aus verschiedenen<br />
Schichten und Positionen.<br />
auch unverhohlen ein. Allerdings ist die<br />
Lebenserwartung in Japan sehr hoch,<br />
sodass die ganz Alten den jüngeren Alten<br />
damit auch gehörig auf die Nerven gehen<br />
können.<br />
Sowohl Tante Azai als auch Mia entstammen<br />
einer Familie von Ninja. Wie<br />
kamen Sie auf diese Idee?<br />
Weil wir zwei Frauen in unserem Bekanntenkreis<br />
haben, die aus solchen Familien<br />
stammen. Eine ist wie Mia Architektin, die<br />
andere betreibt eine Sake-Brauerei.<br />
Allerdings stellen Sie die «Windmenschen»,<br />
wie die Ninja auch genannt werden,<br />
nicht als hinterhältige, Wurfsterne<br />
schleudernde Schattenkrieger dar ...<br />
Das waren sie schon auch. Ninja wurden<br />
häufig von Shogunen und Samurai dafür<br />
eingesetzt, ihnen den Weg zu ebnen, und<br />
sie arbeiteten auch als Spione. Aber sie<br />
waren eben auch hervorragende Architekten,<br />
Ärzte, Planer und Apotheker – diese<br />
Traditionen leben bei ihren Nachkommen<br />
fort. Ninja waren in der Regel überdurchschnittlich<br />
intelligente Menschen, was<br />
damals eine Frage des Überlebens war.<br />
Uns Europäer fasziniert Japan auch<br />
deswegen, weil es uns wie eine unmögli-<br />
che Mischung aus Zukunftsgläubigkeit,<br />
Konzentration auf den Moment und<br />
Verwurzelung in der Vergangenheit vor<strong>kommt</strong>.<br />
Diese «Dreifaltigkeit» <strong>kommt</strong><br />
in «Tochter des Windes» immer wieder<br />
zum Ausdruck.<br />
Sie ist auch Teil des japanischen Alltags.<br />
Ein Beispiel: Ein junger Mann kann zu<br />
einem Schrein gehen und ganz profan<br />
darum bitten, dass er sein Examen<br />
besteht. Damit beleidigt man die Götter<br />
nicht, denn sie sind ja dafür da, uns zu<br />
helfen. Im Gegenzug dafür macht man die<br />
Götter glücklich, indem man ihnen zeigt,<br />
wie schön und perfekt sie die Menschen<br />
geschaffen haben, wenn man ausgelassen<br />
feiert oder seiner Freude freien Lauf<br />
lässt. Sich vor den Göttern in den Staub zu<br />
werfen, <strong>kommt</strong> gar nicht in Frage! Etwas<br />
ernster wird es bei der Ahnenverehrung,<br />
denn die Ahnen lösen sich nicht einfach<br />
in Luft auf, sondern sind allgegenwärtig,<br />
leben in ihren Nachkommen weiter.<br />
... und melden sich manchmal in der<br />
Gegenwart – wie Yodo-dono, die Ahnin<br />
von Mia und Tante Azai ...<br />
Man schreibt Frauen besondere Kräfte<br />
zu, die es ihnen erlauben, positiv in<br />
die Gegenwart einzugreifen. Yodo-dono<br />
erscheint daher jeweils warnend, wenn<br />
Gefahr bevorsteht. Stirbt eine Frau aber<br />
im Zorn, kann sie auch viel Unheil anrichten,<br />
wie ich es in «Die Augen des Schmetterlings»<br />
beschrieben habe.<br />
Glauben Sie an solche übernatürlichen<br />
Begebenheiten?<br />
Einmal fragte mich eine Leserin, ob ich<br />
einen Draht zum Übersinnlichen habe.<br />
Ich sagte: Ja, aber der hängt locker! Im<br />
Allgemeinen halte ich es mit Shakespeare:<br />
«<strong>Es</strong> gibt mehr Dinge zwischen Himmel<br />
und Erde, als Eure Schulweisheit sich<br />
erträumen lässt.»<br />
Fast schon übernatürlich wirkt auch die<br />
Szene am Ende der Geschichte, als die<br />
Katzen die Bewohner der Insel Tashiro-<br />
Jima vor der Katastrophe warnen<br />
wollen, die letztlich zum Unglück in<br />
Fukushima führte ...<br />
Diese Geschichte ist authentisch! Die Katzen<br />
retteten die Inselbewohner, indem sie<br />
mit ihren Jungen zum Katzenschrein auf<br />
dem höchsten Punkt der Insel rannten.<br />
Da merkten die Menschen, dass etwas im<br />
Argen liegt, und folgten den Tieren zum<br />
Glück. In Japan herrscht sowieso eine<br />
«Neko-Mania», eine Katzenbegeisterung.<br />
Sie haben ja selbst auch eine Katze!<br />
Sie heisst Ninja und ist unsere Maneki-<br />
Neko – unsere Glückskatze.<br />
In diesem dramatischen Höhepunkt des<br />
Buchs zeigen Sie auch wieder einige<br />
typisch japanische Eigenschaften.<br />
Ja, die enorme Fähigkeit der Japaner zur<br />
Resilienz, ihren Fatalismus und wiederum<br />
die Wichtigkeit der Älteren. Nach der Katastrophe<br />
wussten die Älteren – wie zum<br />
Beispiel Mias Onkel Matsuo –, was zu tun<br />
ist. Sie brachten die Jungen dazu anzupacken,<br />
schützten sie aber gleichzeitig vor<br />
dem Schlimmsten. Das zeigt die Szene, in<br />
der die älteren Inselbewohner die Jungen<br />
daran hindern, ihnen beim Bergen der<br />
Leichen zu helfen. Dass es zu solchen<br />
Katastrophen kommen kann, nimmt man<br />
hin. Japan ist eben anfällig für Erdbeben,<br />
damit lebt man. <strong>Es</strong> ist zwar entsetzlich,<br />
aber nicht zu ändern.<br />
War Fukushima für Sie der Auslöser,<br />
«Tochter des Windes» zu schreiben?<br />
Nein, auch wenn mein Mann und ich zwei<br />
Wochen vor dem Ereignis in der Region<br />
waren und wir viele Betroffene kennen.<br />
Mein Mann gab mir vor etwa drei Jahren<br />
den Anstoss für das Buch, als er mir sagte,<br />
dass der Genbaku-Dom – heute eine<br />
Gedenkstätte für den amerikanischen<br />
Atombombenangriff – vom tschechischen<br />
Architekten Jan Letzel erbaut wurde. Das<br />
fand ich so interessant, dass mein Mann<br />
und ich zum Recherchieren nach Prag<br />
fuhren und dort feststellten, dass Letzel<br />
in seiner Heimat gar nicht bekannt ist.<br />
Daraus entstand schliesslich das Buch.<br />
Trotz allem Positiven, über das wir<br />
bisher gesprochen haben, üben Sie in<br />
«Tochter des Windes» auch Kritik an<br />
der japanischen Gesellschaft.<br />
Natürlich, das muss auch so sein. Japan<br />
ist keine perfekte Gesellschaft. Vor allem<br />
die Technokraten und Politiker stehen bei<br />
der Bevölkerung alles andere als hoch im<br />
Kurs. Das be<strong>kommt</strong> man als Aussenstehender<br />
jedoch nicht mit, da es den Japanern<br />
nicht liegt, mit Plakaten und Parolen<br />
auf die Strasse zu gehen und ihrem Ärger<br />
Luft zu machen. Szenen, wie sie sich in<br />
Griechenland und in der Türkei abgespielt<br />
haben, sind in Japan undenkbar.<br />
Auch den Technikglauben beurteilen Sie<br />
kritisch ...<br />
Ebenso wie die Japaner nach Fukushima,<br />
als klar wurde, dass Technik eben nicht<br />
nur Gutes bringt und dass man recht hilflos<br />
sein kann, wenn die Technik im entscheidenden<br />
Moment nicht mehr funktioniert.<br />
Das merken auch Rainer und Mia, als sie<br />
nach dem Beben auf der Insel festsitzen<br />
und alle Hände voll damit zu tun haben,<br />
einen Tag nach dem anderen zu überleben.<br />
Also glauben Sie, dass die Natur am<br />
Ende – Technik hin oder her – das letzte<br />
Wort haben wird?<br />
Aber natürlich! Wobei ich sowieso ziemlich<br />
überzeugt bin, dass der Mensch es<br />
irgendwann schaffen wird, sich selbst<br />
zu zerstören, ohne dass die Natur dabei<br />
nachhelfen muss.<br />
Steht für diese Übermacht der Natur in<br />
gewissem Sinn das intelligente Haus,<br />
in dem Mia wohnt und das nach dem<br />
Beben eigentlich auch nicht viel mehr<br />
als eine Wohnhöhle ist?<br />
Genau – und das Haus funktioniert ja<br />
allein deshalb nicht mehr, weil es keinen<br />
Strom mehr gibt. Die Szenen, die ich<br />
beschreibe, sind wirklich passiert: Nach<br />
dem Beben in Tokyo funktionierte bei<br />
all den schönen, teuren, intelligenten<br />
Häusern ohne Strom nichts mehr. Also<br />
mussten die Menschen mit ihren Einkäufen<br />
30 oder mehr Stockwerke zu Fuss<br />
hochgehen, nur um dann gleich wieder<br />
mit gefüllten Nachttöpfen nach unten zu<br />
marschieren.<br />
Szenen, die einen schmunzeln lassen,<br />
auch wenn sie im Grunde tragisch sind ...<br />
So ist doch das Leben. Tragik und Komik<br />
liegen manchmal so dicht beieinander!<br />
Genau das habe ich in «Tochter des Windes»<br />
darzustellen versucht.<br />
«Tochter des Windes» ist – auch wenn<br />
der Titel vielleicht anderes vermuten<br />
lässt – ein Buch für Erwachsene. Ist das<br />
schwieriger zu schreiben als ein Buch<br />
für Jugendliche?<br />
<strong>Es</strong> stimmt, der Titel ist etwas unglücklich<br />
und deutet auf Mädchenliteratur hin.<br />
Aber auf den Titel kann man als Autorin<br />
nicht immer Einfluss nehmen. Doch um<br />
die Frage zu beantworten: Erwachsenengeschichten<br />
sind wesentlich einfacher<br />
zu schreiben. Das liegt zum einen<br />
daran, dass ich für Erwachsene einfach<br />
drauflos schreiben kann in der Annahme,<br />
dass die Lesenden es dann schon<br />
verstehen werden. Für Jugendliche muss<br />
ich meine Sprache anpassen, sie bis<br />
zu einem gewissen Grad vereinfachen.<br />
Auch die Themensuche gestaltet sich für<br />
Jugendliche schwieriger. Man kann nur<br />
Themen behandeln, welche die Jugendlichen<br />
beschäftigen, und muss gleichzeitig<br />
Geschichten finden, die aus dem Leben<br />
gegriffen sind.<br />
Im Buch fragt sich Rainer, wie und in<br />
welcher Umgebung Autoren überhaupt<br />
schreiben. Wie schreiben Sie denn?<br />
Ich brauche Kaffee, schwarze Schokolade<br />
und einen Computer. Dazu kommen ein<br />
solider Lebenswandel und ein Mass an<br />
Selbstdisziplin, das ich von meiner Mutter<br />
vermittelt bekam. Das ist im Grund schon<br />
alles!<br />
Tochter des Windes<br />
445 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Blanvalet<br />
Weiterlesen: Ausgewählte<br />
Bücher von<br />
Federica de Cesco<br />
Kinder- und Jugendbücher<br />
Der rote Seidenschal<br />
(1957)<br />
200 Seiten<br />
CHF 11.90<br />
Arena<br />
Das Buch, mit dem für Federica de Cesco<br />
die Laufbahn als Schriftstellerin begann: Ein<br />
im Zug liegen gelassener Seidenschal bietet<br />
Ann Morrison Gelegenheit, aus ihrem alten<br />
Leben auszubrechen und Neues zu erleben.<br />
Shana, das Wolfsmädchen<br />
(2000)<br />
248 Seiten<br />
CHF 15.90<br />
Arena<br />
Die bewegende Geschichte eines jungen<br />
Indianermädchens und deren aussergewöhnliche<br />
Freundschaft zu einer Wölfin.<br />
Die goldene Kriegerin<br />
(2009)<br />
377 Seiten<br />
CHF 14.90<br />
Blanvalet<br />
Die junge Tomoe ist eine Samurai, die sich<br />
beim Versuch, den Respekt des Feldherrn<br />
Yoshinaka zu erringen, in ihn verliebt. Dieser<br />
begehrt allerdings Tomoes Schwester.<br />
Erwachsenenliteratur<br />
Silbermuschel (1994)<br />
764 Seiten<br />
CHF 11.90<br />
Blanvalet<br />
Im fernen Japan entflieht Julie nicht nur<br />
ihrer unglücklichen Ehe – sie verliebt sich<br />
auch in einen japanischen Trommler und<br />
entfacht das Feuer der Leidenschaft neu.<br />
Federica de Cescos Debüt als Autorin für<br />
Erwachsene.<br />
Die Augen des<br />
Schmetterlings (2005)<br />
509 Seiten<br />
CHF 14.90<br />
Blanvalet<br />
Die Finnin Agneta Pacius wird unvermittelt<br />
zur Kämpferin im Reich der Ahnen, als<br />
sie mit der magischen Weisheit des Sami-<br />
Volkes gegen böse japanische Nachtgeister<br />
angeht.<br />
Mondtänzerin (2011)<br />
541 Seiten<br />
CHF 13.90<br />
Blanvalet<br />
Vier maltesische Freunde schwören einander<br />
ewige Treue, doch das Leben zerstreut<br />
sie in alle Winde. Als sie Jahre später wieder<br />
aufeinander treffen, ist einiges gleich,<br />
aber auch vieles anders.
14 | GrapHIC Novels Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf GrapHIC Novels | 15<br />
Kein Kinderzeugs<br />
Beim Schlendern durch eine Filiale von Orell Füssli fällt auf: Graphic Novels haben sich aus dem<br />
Comicständer verabschiedet und tauchen mittlerweile überall auf – bei der Belletristik ebenso<br />
wie bei den Biografien und Sachbüchern. Mit den klassischen Superhelden- oder Entencomics<br />
haben die Bildgeschichten kaum noch etwas zu tun.<br />
Kein vernünftiger Mensch würde heute<br />
noch unterschreiben, was einst unsere<br />
Grosseltern behaupteten: dass Comics per<br />
se Schund seien. Carl Barks, der Erfinder<br />
von Dagobert Duck und Schöpfer vieler<br />
hundert erstklassiger Donald-Geschichten,<br />
ist schon seit Jahren eine regelrechte Kultfigur.<br />
Über das Werk von Charles M. Schulz,<br />
den Vater der Peanuts, werden mittlerweile<br />
Doktorarbeiten geschrieben. Und Hergé,<br />
dessen Tim-und-Struppi-Bücher ganze Generationen<br />
von Leserinnen und Lesern –<br />
und erst recht von Zeichnern – prägten,<br />
wurde im Pariser Centre Georges Pompidou<br />
mit einer grossen Ausstellung gewürdigt.<br />
<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />
Neues Image dank neuem Namen<br />
Trotzdem: So richtig den Kinderschuhen<br />
entwachsen sind Comics wohl immer noch<br />
nicht. Sie gelten weiterhin eher als Freizeitunterhaltung<br />
für Halbwüchsige denn<br />
als ernstzunehmende literarische Gattung,<br />
die auch Erwachsene begeistern kann –<br />
zumindest in unserem Kulturkreis. Wer<br />
sich mit Bildergeschichten auskennt, weiss<br />
zwar, wie wenig dieser Ruf der Comics gerechtfertigt<br />
ist: <strong>Es</strong> gibt schon seit eh und je<br />
herausragende Werke, die auch hohen Ansprüchen<br />
genügen. Doch weil sich das Vorurteil,<br />
Comics seien Kinderkram, so hartnäckig<br />
hält, wollten sich manche Verleger<br />
und Zeichner von Superman & Co. abgrenzen.<br />
Sie kreierten deshalb vor einigen<br />
Jahrzehnten einen neuen Begriff für eine<br />
Untergattung des Mediums: «Graphic Novel».<br />
Damit werden gezeichnete, erzählerisch<br />
komplexe Romane für ein erwachsenes<br />
Publikum bezeichnet. Jede Graphic<br />
Novel ist ein Comic, aber nicht jeder Comic<br />
ist eine Graphic Novel.<br />
Wurzeln in den 1920er-Jahren<br />
Die Grenzen der Gattung sind allerdings<br />
unscharf – um so mehr, seit die Graphic<br />
Novels kommerziell erfolgreich sind und<br />
viele auf diesen Zug aufspringen wollen.<br />
Die Unschärfe macht es auch nicht einfach,<br />
eine Geschichte der Graphic Novels zu<br />
skizzieren. Zu den Vätern der Gattung gehört<br />
sicherlich der belgische Grafiker<br />
Frans Masereel, der in den 1920-Jahren<br />
Zyklen von Holzschnitten veröffentlichte.<br />
Seine Arbeiten inspirierten den US-Amerikaner<br />
Lynd Ward in den 1930er-Jahren,<br />
ebenfalls Geschichten mit Holzschnitten<br />
und ohne Worte zu erzählen. Wards sechs<br />
Bücher mit Holzschnitten zwischen Expressionismus<br />
und Jugendstil kommen<br />
schon sehr nah an die modernen Graphic<br />
Novels heran. Gemeinhin gilt aber das<br />
Buch «Ein Vertrag mit Gott» als erstes<br />
Werk der Gattung. <strong>Es</strong> erschien 1978 und<br />
stammt von Will Eisner. Der 1917 geborene<br />
US-Amerikaner verwendete auf dem<br />
Cover von «Ein Vertrag mit Gott» erstmals<br />
den Begriff «Graphic Novel», um sich von<br />
den Comics abzugrenzen. Er war allerdings<br />
kein Comic-Verächter, denn von ihm<br />
stammte auch die Detektiv-Serie «The Spirit»<br />
– ein Comic-Klassiker, der von 1940 bis<br />
1952 in Zeitungen erschien. Doch bereits<br />
«The Spirit» hob sich inhaltlich, erzählerisch<br />
und grafisch von den üblichen Tierfiguren-<br />
und Muskelprotz-Bildgeschichten<br />
jener Zeit ab. Eisner arbeitete mit ungewöhnlichen<br />
Perspektiven und Blickwinkeln,<br />
berichtete vom Innenleben seiner Figuren<br />
und thematisierte den Alltag in der<br />
Grossstadt.<br />
Formale Freiheiten<br />
In «Ein Vertrag mit Gott» erzählt Eisner<br />
vier Geschichten aus einer Mietskaserne in<br />
New York. Die Figuren sind zwar leicht karikierend<br />
gezeichnet, ihre Erlebnisse spielen<br />
sich aber in einem glaubwürdigen Alltag<br />
ab. «Jede dieser Geschichten wurde<br />
ohne Rücksicht darauf geschrieben, wie<br />
viel Platz sie braucht, und jede konnte ihre<br />
Gestalt aus sich selbst entwickeln», hielt<br />
Eisner im Vorwort des Buchs fest. Diese<br />
Abkehr von den Comic-Regeln prägt die<br />
meisten Graphic Novels. Während jeder<br />
Asterix- oder Lucky-Luke Band genau<br />
gleich lang ist – nämlich 48 Seiten –, sind<br />
Graphic Novels so umfangreich, wie sie<br />
aufgrund der Geschichte sein müssen; für<br />
sie gibt es so wenig eine Standardlänge wie<br />
für einen geschriebenen Roman. Und während<br />
bei Comics die Seiten zumeist in klassische<br />
Panels eingeteilt sind, also in rechteckige<br />
Bilder, kennen die Graphic Novels<br />
auch diesbezüglich keine Standards. In<br />
«Ein Vertrag mit Gott» gibt es oft überhaupt<br />
keine Bilderrahmen, manche Seiten<br />
zeigen nur eine einzige Situation, andere<br />
geben Abläufe sozusagen im Zeitraffer mit<br />
vielen kleinen Bildern wieder. Die Form<br />
folgt ganz dem Inhalt.<br />
Die Autoren stehen im Vordergrund<br />
Als Eisner 1978 «Ein Vertrag mit Gott» veröffentlichte,<br />
war die Zeit für diese neue<br />
Form der Comics offenbar reif – denn nur<br />
drei Jahre später wurde in Zürich der<br />
wichtigste Schweizer Verlag für Graphic<br />
Novels gegründet: die Edition Moderne.<br />
Drei hochkarätige Graphic Novels. Links: «Jimmy<br />
Corrigan – der klügste Junge der Welt» von Chris<br />
Ware. Mitte: «Persepolis» von Marjane Satrapi.<br />
Rechts: «Tod eines Bankiers» von Matthias<br />
Gnehm.<br />
Ihr grösster Erfolg sind zwar klassische<br />
Comics, nämlich die Bände «Zürich by<br />
Mike» des 2009 verstorbenen Mike van<br />
Audenhove. Daneben publiziert die Edition<br />
Moderne aber vor allem Graphic Novels<br />
einer schweizerischen und internationalen<br />
Autorenschaft; zu ihren bekanntesten<br />
Künstlern gehören Matthias Gnehm, Jacques<br />
Tardi oder Marjane Satrapi. David<br />
Basler war Mitbegründer der Edition Moderne,<br />
inzwischen gehört ihm der Verlag.<br />
«Bei Graphic Novels gefällt mir vor allem,<br />
dass sie eine zweite Sichtweise eröffnen»,<br />
meint der 59-Jährige. «Bei einem literarischen<br />
Roman muss ich mir die Bilder im<br />
Kopf zusammenbauen, bei einer Graphic<br />
Novel bekomme ich durch die Zeichnungen
16 | GrapHIC Novels Books Nr. 3/2013<br />
Alle Bücher finden Sie auch auf GrapHIC Novels | 17<br />
eine zweite Dimension geliefert – und dadurch<br />
entsteht eine ganz besondere Atmosphäre.»<br />
Als Fan der ersten Stunde kann<br />
David Basler genau sagen, was eine Graphic<br />
Novel auszeichnet: «Anders als bei<br />
Comicserien wie Lucky Luke oder Micky<br />
Maus, die oft von verschiedenen Zeichnern<br />
und Autoren oder gar ganzen Studios produziert<br />
werden, stehen bei Graphic Novels<br />
die Autoren und deren persönlicher Stil im<br />
Vordergrund. Eine Graphic Novel erzählt<br />
in der Regel eine abgeschlossene Geschichte,<br />
sie ist oft kleinformatig und eher dick –<br />
ab 80 Seiten aufwärts.» Vor allem aber<br />
richte sich eine Graphic Novel an ein Publikum<br />
ab mindestens 16, 17 Jahren – und<br />
sie behandle andere Stoffe als ein Comic.<br />
«Graphic Novels verkaufen sich übers Thema»,<br />
sagt der Verleger. So seien zum Beispiel<br />
die gezeichneten Reportagen von Joe<br />
Sacco, die in der Edition Moderne erscheinen,<br />
ein Dauerbrenner – denn sie beschäftigen<br />
sich unter anderem mit Palästina und<br />
interessieren daher viele Leute.<br />
Holocaust als Fabel – das funktioniert!<br />
Generell zählen historische Themen zu<br />
den wichtigsten Stoffen von Graphic Novels.<br />
Auch das international wohl bekannteste<br />
Werk der Gattung bereitet ein tatsächliches<br />
Geschehen auf: In «Maus – die<br />
Geschichte eines Überlebenden» erzählt<br />
der New Yorker Autor Art Spiegelman die<br />
Geschichte seiner jüdischen Familie im<br />
Holocaust. Er nutzt dazu die Form der Fabel:<br />
Die Juden sind Mäuse, die Nazis Katzen,<br />
die Polen Schweine. Für den aufwühlenden,<br />
erzählerisch perfekt gebauten und<br />
zeichnerisch aufs Minimum reduzierten<br />
Roman erhielt Spiegelman 1992 den Pulitzerpreis,<br />
die wichtigste Literaturauszeichnung<br />
der USA. Spiegelman hat wohl mehr<br />
als jeder andere zur breiten Akzeptanz der<br />
Graphic Novels beigetragen – indem er<br />
zeigte, dass es nun wirklich kein Thema<br />
gibt, dass sich nicht auf künstlerisch hochwertige<br />
Weise mit Zeichnungen und<br />
Sprechblasen umsetzen lässt. Durch die<br />
Empfehlenswerte Neuerscheinungen. Links: «Reportagen» von<br />
Joe Sacco. Rechts: «Bleierne Hitze» von Baru.<br />
Tür, die Spiegelman weit aufstiess, sind<br />
seither viele Künstler gegangen. Und viele<br />
Künstlerinnen: Während der klassische<br />
Comic vorwiegend eine Männerangelegenheit<br />
war, gibt es auch zahlreiche erfolgreiche<br />
Graphic-Novel-Autorinnen. Eine davon<br />
ist Marjane Satrapi. In «Persepolis»<br />
behandelt sie ihre Kindheit und Jugend im<br />
Iran; das Buch ist der Bestseller unter den<br />
Graphic Novels, die bislang bei der Edition<br />
Moderne erschienen sind.<br />
Trotz Erfolg ein Randprodukt<br />
Dass «Persepolis» seinen Siegeszug von<br />
Frankreich aus antrat, hat nicht nur damit<br />
zu tun, dass Marjane Satrapi in Paris lebt.<br />
Die Heimat von Asterix und Spirou ist seit<br />
jeher ein guter Nährboden für Bildgeschichten.<br />
David Basler: «In Frankreich haben<br />
Comics nie einfach als Kinderzeugs gegolten,<br />
es gibt dort eine ganz andere Tradition.»<br />
Als in Frankreich kürzlich die neue<br />
Graphic Novel von Jacques Tardi erschien –<br />
«Stalag» –, war die Startauflage von 60'000<br />
Stück innerhalb einer Woche ausverkauft.<br />
Auf Deutsch verlegt die Edition Moderne<br />
die Werke von Tardi – und David Basler ist<br />
froh, wenn er von den deutschsprachigen<br />
Büchern jeweils eine Auflage von 3000<br />
Stück absetzen kann. «Trotz aller Erfolgs-<br />
meldungen muss man festhalten, dass<br />
Graphic Novels bei uns nach wie vor ein<br />
Randprodukt sind», sagt der Verleger. «Die<br />
erfolgreichsten davon verkaufen sich auf<br />
Deutsch vielleicht 20'000 Mal.» Doch die<br />
Gesamtauflage von Graphic Novels steigt<br />
unentwegt. Längst sind es nicht mehr nur<br />
Kleinverlage, die auf dieses Medium setzen<br />
– auch Suhrkamp oder Knesebeck und<br />
Carlsen publizieren Graphic Novels. «Die<br />
«Schweizer<br />
Graphic Novels<br />
können international<br />
mithalten.»<br />
Strategie, mit dem Begriff ‹Graphic Novel›<br />
diese Art von Büchern aus den Kinderabteilungen<br />
und aus dem Comicständer herauszuholen,<br />
ist auf jeden Fall aufgegangen»,<br />
meint David Basler überzeugt. Das<br />
Publikum reagiere heute ganz anders auf<br />
Graphic Novels als noch vor einigen Jahren.<br />
«An Buchmessen kam es früher oft<br />
vor, dass Leute ein Buch sofort weglegten,<br />
wenn sie sahen, dass es eine Geschichte in<br />
Bildern erzählt. Heute <strong>kommt</strong> es kaum<br />
noch vor, dass sich jemand an der Form<br />
stört.»<br />
Schweiz ein gutes Pflaster<br />
Das Interesse an Graphic Novels ist also da –<br />
doch die Produktion ist vorderhand noch immer<br />
eher gering. David Basler schätzt, dass<br />
pro Jahr kaum 500 neue Titel auf Deutsch<br />
erscheinen. Der Aufwand, ein solches Buch<br />
zu zeichnen, sei eben sehr gross –<br />
und nur wenige talentierte Künstlerinnen<br />
und Künstler würden wirklich durchhalten.<br />
Die Schweiz ist aber ein recht gutes<br />
Pflaster für Kunstschaffende. Anders als<br />
zum Beispiel in Deutschland gibt es bei uns<br />
einigen Support für Graphic Novels. David<br />
Basler verweist auf Druckzuschüsse durch<br />
die Stadt Zürich, die Migros oder den Kanton<br />
Aargau. Solche Unterstützung habe<br />
das Niveau zweifellos angehoben, sagt der<br />
Verleger. «Schweizer Graphic Novels können<br />
international mithalten, was sich allein<br />
schon in der Tatsache zeigt, dass die<br />
Werke von Matthias Gnehm jetzt auch in<br />
Frankreich erscheinen.» Also dort, wo<br />
Graphic Novels schon lange das sind, was<br />
sie bei uns allmählich werden: eine Selbstverständlichkeit.<br />
5 Klassiker,<br />
die alle haben sollten<br />
Ein Vertrag mit Gott<br />
Will Eisner<br />
508 Seiten<br />
CHF 53.00<br />
Carlsen<br />
Will Eisners «Miethausgeschichten»<br />
von 1978 gelten als erste<br />
Graphic Novel überhaupt – und<br />
sind in diesem Band mit zwei weiteren literarischen<br />
Bildergeschichten des Pioniers vereint worden. Ein idealer<br />
Einstieg ins Graphic-Novel-Universum!<br />
Maus<br />
Art Spiegelman<br />
293 Seiten<br />
CHF 24.90<br />
Fischer<br />
Das Unaussprechliche Tieren in<br />
den Mund gelegt: Art Spiegelman<br />
erzählt die Geschichte seines<br />
Vaters, der Auschwitz überlebte, als Fabel. Dafür gewann<br />
er 1992 den Pulitzer-Preis – und damit ebnete er der<br />
Graphic Novel den Weg ins Feuilleton und zu einem<br />
erwachsenen Publikum.<br />
Jimmy Corrigan – der<br />
klügste Junge der Welt<br />
Chris Ware<br />
384 Seiten<br />
CHF 55.00<br />
Reprodukt<br />
Chris Ware ist ein Meister der minutiösen Gestaltung: Er<br />
zieht auf Papier alle filmischen Register vom Zoom über<br />
die Totale bis zum Zeitraffer und konzipiert jede Seite als<br />
Bild für sich. Ein feiner Stil für eine feinsinnige Geschichte<br />
über einen linkischen Enddreissiger. Endlich liegt dieses<br />
Meisterwerk auch auf Deutsch vor!<br />
Persepolis<br />
Marjane Satrapi<br />
356 Seiten<br />
CHF 39.90<br />
Edition Moderne<br />
Eine geradezu prototypische Graphic<br />
Novel: In holzschnittartigen<br />
Bildern berichtet Marjane Satrapi<br />
von ihrer Kindheit in Iran zur Zeit der Revolution. Die<br />
Künstlerin hat das leicht zugängliche Buch, das man kaum<br />
noch aus der Hand legen will, selber verfilmt.<br />
Stadt aus Glas<br />
Paul Auster und<br />
David Mazzucchelli<br />
135 Seiten<br />
CHF 23.90<br />
Reprodukt<br />
Viele Graphic Novels adaptieren<br />
literarische Vorlagen. Ein geglücktes<br />
Beispiel dafür ist «Stadt aus Glas» – dem früheren<br />
Superhelden-Zeichner David Mazzucchelli gelang hier die<br />
kongeniale Umsetzung eines Romans aus Paul Austers<br />
New-York-Trilogie.<br />
Herausragende<br />
Neuerscheinungen<br />
Reportagen<br />
Joe Sacco<br />
196 Seiten<br />
CHF 33.90<br />
Edition Moderne<br />
Joe Sacco bezeichnet sich als zeichnenden<br />
Journalisten und gilt als<br />
Erfinder der Comic-Reportage: Er<br />
verbindet tatsächliche aktuelle Ereignisse mit subjektiven<br />
Eindrücken. Der neue Band vereint seine Doku-Geschichten<br />
aus Den Haag, Palästina, Irak, Malta, Indien und dem<br />
Kaukasus.<br />
Marx<br />
Corinne Maier und Anne Simon<br />
64 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Knesebeck<br />
Biografien zählen zu den beliebtesten<br />
Stoffen von Graphic Novels.<br />
Eine geglückte Neuerscheinung in<br />
diesem Bereich ist «Marx»: Die französischen Autorinnen<br />
bringen einem auf leichte Weise das Leben und die Überzeugungen<br />
des Philosophen näher.<br />
Huck Finn<br />
Olivia Vieweg<br />
141 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Suhrkamp<br />
Suhrkamp fährt vor allem mit<br />
Literatur-Adaptionen auf dem<br />
Graphic-Novel-Zug mit. Die junge<br />
Zeichnerin Olivia Vieweg hat Mark Twains Klassiker<br />
nach Ostdeutschland verlegt – und das funktioniert<br />
überraschend gut.<br />
Bleierne Hitze<br />
Baru<br />
109 Seiten<br />
CHF 32.90<br />
Edition 52<br />
Der Franzose Baru gehört zu den<br />
wichtigsten europäischen Graphic-<br />
Novel-Autoren. Sein neuestes,<br />
schön buntes Werk erzählt von einem Bauernbub, der<br />
von einer Karriere als Mafiaboss träumt – und wegen<br />
eines geheimnisvollen Funds tatsächlich auf die schiefe<br />
Bahn gerät.<br />
Game of Thrones 1.<br />
Das Lied von Eis und Feuer<br />
GEORGE R.R. MARTIN<br />
DANIEL ABRAHAM<br />
109 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Panini Manga und Comics<br />
Martins episches Fantasy-Werk als Comic – geeignet auch<br />
für alle, die mit möglichst wenig Aufwand wissen wollen,<br />
warum «Game of Thrones» gegenwärtig derart abräumt.
18 | Im Schaufenster Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf Im Schaufenster | 19<br />
<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>Dicker</strong><br />
Der Genfer Autor Joël <strong>Dicker</strong> erzählt den Fall Harry Quebert –<br />
und danach gleich auch noch die Wahrheit über den Fall<br />
Harry Quebert. Der Krimi ist ein vielschichtiges, unterhaltendes<br />
Verwirrspiel.<br />
Benjamin Gygax<br />
Jeremy Spierer<br />
Im kleinen Schweizer Literaturzirkus sind<br />
Sensationen eher selten. 2012 gab es aber<br />
eine zu bestaunen: «La verité sur l’affaire<br />
Harry Quebert» des Genfers Joël <strong>Dicker</strong>.<br />
Der 700 Seiten starke Krimi wurde in der<br />
Romandie begeistert aufgenommen und in<br />
Frankreich mit Lob und Preisen überhäuft.<br />
Der erst 28-jährige Autor erhielt den<br />
Grand Prix du Roman der Académie Française<br />
zugesprochen und gleich auch noch<br />
den Prix Goncourt des Lycéens und den<br />
Prix littéraire de la Vocation. Die Ver leihung<br />
dieser renommierten Auszeichnungen<br />
blieb nicht folgenlos: Joël <strong>Dicker</strong>s Roman<br />
ging in Frankreich über 600'000-mal über<br />
die Verkaufstheke, die Übersetzungsrechte<br />
wurden in über 30 Sprachen verkauft.<br />
Jetzt erreicht die Sensation auch die<br />
Deutschschweiz: Piper hat die Übersetzung<br />
«Die Wahrheit über den Fall Harry<br />
Quebert» herausgebracht.<br />
Asyl in Neuengland<br />
Womit hat der Autor solche Begeisterungsstürme<br />
entfacht? Thema und Ort der<br />
Handlung erinnern ein wenig an die grossen<br />
amerikanischen Autoren Philip Roth<br />
oder Jonathan Franzen: Der junge Schriftsteller<br />
Marcus Goldman brütet in New York<br />
über seinem zweiten Werk. «Zu Beginn des<br />
Jahres 2008, also rund anderthalb Jahre<br />
nachdem ich dank meines ersten Romans<br />
zum neuen Hätschelkind der amerikanischen<br />
Literaturszene geworden war, ereilte<br />
mich eine fürchterliche Schaffenskrise,<br />
ein Syndrom, das bei Schriftstellern, die<br />
einen sofortigen, durchschlagenden Erfolg<br />
erlebt haben, offenbar nicht selten vor<strong>kommt</strong>»,<br />
berichtet der Protagonist. «Die<br />
Krankheit befiel mich allerdings nicht<br />
schlagartig, sondern nistete sich ganz<br />
langsam ein. <strong>Es</strong> war, als würde mein Gehirn,<br />
einmal befallen, nach und nach einfrieren.»<br />
Jetzt sitzt Goldman sein Agent im<br />
Genick und sein Verleger wirft ihm an den<br />
Kopf: «Verstehst du was von Wirtschaft,<br />
Marc? Bücher sind ein austauschbares<br />
Produkt geworden. Die Leute wollen ein<br />
Buch, das ihnen gefällt, sie ablenkt und<br />
unterhält. Und wenn du ihnen das nicht<br />
lieferst, tut es dein Nachbar, und du bist<br />
abgemeldet.» In seiner Not besinnt sich<br />
Marcus Goldman auf Harry Quebert. Dieser<br />
war nicht nur sein College-Professor<br />
und Boxtrainer, sondern ist selber einer<br />
der angesehensten Autoren Amerikas und<br />
hatte Marcus als Mentor dazu gebracht,<br />
seinen Traum vom Schreiben mit Biss zu<br />
verfolgen. Also fährt der Jungautor zu seinem<br />
Mentor in die verschlafene Küstenstadt<br />
Aurora in New Hampshire.<br />
«Joël <strong>Dicker</strong> deckt<br />
seinen Plot Schicht<br />
um Schicht auf<br />
und vollzieht dabei<br />
mehr als einmal<br />
eine atemberaubende<br />
Kehrtwende.»<br />
Eine verbotene Liebe und ihre Folgen<br />
Während sich Marcus bei Harry in dessen<br />
Strandhaus ausweint, platzt die Bombe:<br />
Auf dem Anwesen wird die Leiche von Nola<br />
Kellergan gefunden. Sie verschwand 1975,<br />
erst 15-jährig. Seither liegt ein Schatten<br />
über der beschauliche Gemeinde. Und jetzt<br />
erfährt Marcus: Den Teenager und den arrivierten<br />
Autor in seinen Dreissigern verband<br />
eine innige Beziehung – und Harry<br />
Queberts gefeierter Roman «Der Ursprung<br />
des Übels» ist die literarische Verarbeitung<br />
jener verbotenen Liebe. Quebert ist der<br />
Hauptverdächtige und wird in Haft genommen.<br />
Gegen jeden gutgemeinten Rat bleibt<br />
Marcus in Aurora und recherchiert auf eigene<br />
Faust, weil er nicht an die Schuld seines<br />
väterlichen Freunds glauben will. Also<br />
befragt er alle Bewohner der kleinen Stadt,<br />
die vor 33 Jahren schon hier ansässig wa-<br />
ren – Nolas Vater und Freundinnen, ihre<br />
Arbeitgeberin im lokalen Diner, die Polizeibeamten.<br />
Nach und nach erfahren wir mit<br />
Marcus Goldman, dass viele von ihnen etwas<br />
mehr wissen oder ein bisschen stärker<br />
in die Geschichte verwickelt sind, als es<br />
zunächst den Anschein macht. Joël <strong>Dicker</strong><br />
deckt seinen Plot Schicht um Schicht auf<br />
und vollzieht dabei mehr als einmal eine<br />
atemberaubende Kehrtwende, bis Marcus<br />
Goldmann sich endlich von seiner Schreibblockade<br />
lösen und «Die Wahrheit über den<br />
Fall Harry Quebert» schreiben kann.<br />
Das Spiel mit dem Alter Ego<br />
Ein Buch im Buch und beide mit identischem<br />
Titel. Ein junger Erfolgsautor mit<br />
seinem zweiten Werk: Die Parallelen scheinen<br />
offensichtlich! Ist Marcus Goldman<br />
das Alter Ego von Joël <strong>Dicker</strong>? Der Genfer<br />
verneint ausdrücklich und sagt, er habe<br />
über einen Erfolgsautor geschrieben, während<br />
zu dieser Zeit mehrere seiner Manuskripte<br />
abgelehnt worden waren. «Was<br />
mich mit Marcus verbindet, ist die Begeisterung<br />
für Sport, aber auch die obsessive<br />
Suche nach der Wahrheit und seinen Blick<br />
auf das Leben, der zuweilen noch etwas<br />
verschwommen ist.» <strong>Dicker</strong> dementiert<br />
also und scheint Vergleiche dennoch nachgerade<br />
zu provozieren. Er spielt vergnügt<br />
mit der Erwartung seiner Leserinnen und<br />
Leser, vieles davon spiegelt sich in kurzen<br />
Rückblenden auf die Vergangenheit von<br />
Mentor und Schüler. Einmal lässt <strong>Dicker</strong><br />
Harry sagen: «Ich werde Ihnen einunddreissig<br />
Ratschläge geben, und zwar im<br />
Lauf der nächsten Jahre. Nicht alle auf einmal.»<br />
Und auf Marcus Frage hin, wieso es<br />
gerade einunddreissig sind: «Weil einunddreissig<br />
ein wichtiges Alter ist. Das erste<br />
Jahrzehnt formt Sie als Kind. Das zweite<br />
als Erwachsener. Und das dritte macht Sie<br />
zum Mann oder auch nicht. Mit einunddreissig<br />
sind Sie aus dem Gröbsten raus.»<br />
Joël <strong>Dicker</strong> ist zwar erst 28 Jahre alt,<br />
scheint aber das Gröbste auch schon hinter<br />
sich zu haben. Er sagt: «Ich habe das<br />
Gefühl, in den letzten zwei Monaten um<br />
zehn Jahre gealtert zu sein und gleich noch<br />
einmal zehn am Tag der Preisverkündigung<br />
des Goncourt.» Der Sohn eines Französischlehrers<br />
und einer Buchhändlerin<br />
gründete mit zehn Jahren eine Tierzeitschrift,<br />
die immerhin fünf Jahre lang erschien.<br />
Nach der Matura zog er nach Paris,<br />
wo er ein Jahr lang am Cours Florent<br />
Schauspiel studierte. 2010 schloss er an<br />
der Universität Genf sein Jurastudium ab.<br />
2012 erschien sein Erstling «Les Derniers<br />
Jours de nos pères», ein historischer Roman<br />
aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.<br />
Vom Leben, Schreiben und Fallen<br />
Bei einem so raffiniert verschlungenen Plot<br />
wie jenem von «Die Wahrheit über den Fall<br />
Harry Quebert» kann man kaum glauben,<br />
dass er nicht auf dem Reissbrett entworfen<br />
wurde. Doch <strong>Dicker</strong> beteuert: «<strong>Es</strong> gibt keinen<br />
Plan. Meine Methode besteht vielmehr<br />
darin, mir zu vertrauen und voran zu gehen.<br />
Das ist eine lange und bisweilen entmutigende<br />
Arbeit.» Vielleicht hat diese Arbeitsweise<br />
zu einem Motiv geführt, welches<br />
das ganze Buch durchzieht. Harry vergleicht<br />
das Leben und das Schreiben mit<br />
dem Fallen: «Schauen Sie sich doch an,<br />
Marcus: Sie trauen sich nicht zu fallen. Und<br />
genau deshalb werden Sie, wenn Sie das<br />
nicht ändern, ein hohler, nichtssagender<br />
Mensch werden. Wie kann man leben,<br />
wenn man nicht fallen kann?» <strong>Es</strong> sind solche<br />
Abschnitte, die den Krimi zu einer interessanten<br />
Reflexion über das Schreiben<br />
machen. Andere Leserinnen und Leser sehen<br />
ihn vor allem als Spiegel Amerikas, wo<br />
Metropolen und Kleinstädte, Offenheit und<br />
Bigotterie oder Erfolg und Verdammnis so<br />
nahe nebeneinander existieren. Joël <strong>Dicker</strong><br />
kennt Neuengland von regelmässigen<br />
und längeren Aufenthalten gut und liebt es.<br />
Grosser Roman oder Strandlektüre?<br />
Bei allem Erfolg – «Die Wahrheit über den<br />
Fall Harry Quebert» fand nicht nur Gefallen.<br />
Zwar sagte Bernard Pivot, Literaturjournalist<br />
und Jurymitglied des Goncourt:<br />
«Wenn Sie die Nase mal in diesen grossen<br />
Roman gesteckt haben, sind Sie hin und<br />
«Wenn Sie die<br />
Nase mal in diesen<br />
grossen Roman gesteckt<br />
haben, sind<br />
Sie hin und weg.»<br />
weg.» Ein anderes Jurymitglied, der Autor<br />
Patrick Rambaud, fand gleich nach der<br />
Preisverkündigung weniger schmeichelhafte<br />
Worte. Er bezeichnete das Buch als<br />
«Strandlektüre mit schlechten Dialogen».<br />
Abgesehen davon, dass Lesen am Strand<br />
eine schöne Sache ist, hat er einen wunden<br />
Punkt erwischt: Die Szenen zwischen dem<br />
ungleichen Liebespaar Harry und Nola wirken<br />
hin und wieder tatsächlich etwas pathetisch.<br />
Ob das wirklich Joël <strong>Dicker</strong>s Verschulden<br />
ist, ob es an der Übersetzung liegt<br />
oder ob der Autor mit diesem Stil sogar das<br />
Alter des Mädchens hervorheben will,<br />
muss der Leser selbst beurteilen. Dass sich<br />
der Schriftsteller in diesen Teenager verlieben<br />
soll, wird mit diesen Dialogen nicht<br />
plausibler. Definitiv unglaubwürdig ist dagegen,<br />
dass sich der bärbeissige Ermittler<br />
so auf Marcus einlässt, ihn über Ermittlungsergebnisse<br />
informiert und ihn gar an<br />
offiziellen Zeugeneinvernahmen teilnehmen<br />
lässt. Aber wen kümmert das bei einem<br />
Krimi? Bei einem so voluminösen und<br />
vielschichtigen Buch wäre es kleinlich, dem<br />
Autor eine Ungenauigkeit vorzuhalten, die<br />
eine packende Kriminalgeschichte vorwärts<br />
treibt – bis zur verblüffenden Wahrheit<br />
im Fall Harry Quebert.<br />
Die Wahrzeit über den<br />
Fall Harry Quebert<br />
724 Seiten<br />
CHF 35.90<br />
Piper
20 | Brasilien Books Nr. 3/2013<br />
Alle Bücher finden Sie auch auf Brasilien | 21<br />
Zeugnisse einer<br />
Welt im Wandel<br />
Die brasilianische Literatur bietet weit mehr als den Exportschlager Paulo Coelho. Nun kann man<br />
ihre Vielfalt noch besser erkunden – denn anlässlich der Frankfurter Buchmesse, an der Brasilien<br />
zum zweiten Mal Ehrengast ist, wurden viele Bücher neu ins Deutsche übersetzt.<br />
Eine eigenständige Schriftkultur hat Brasilien<br />
noch nicht sehr lang. Im Jahr 1500 soll<br />
der Steuermann des portugiesischen Seefahrers<br />
und Brasilien-Entdeckers Pedro<br />
Alvares Cabral als erster über diese Weltgegend<br />
geschrieben haben. In einem 27<br />
Seiten langen Brief beschrieb er dem portugiesischen<br />
König Manuel I. die Tropenwelt<br />
und deren Bewohner, welche die<br />
Schiffmannschaft an der Küste von Salvador<br />
da Bahia vorfand. Noch lange sollte der<br />
portugiesische Blickwinkel die schriftliche<br />
Wahrnehmung von Brasilien prägen, denn<br />
es waren zunächst vor allem portugiesische<br />
Reisende und Missionare, die Land<br />
und Leute beschrieben. Aber auch die ersten<br />
Schriftsteller urteilten meist aus kolonialer<br />
Sicht.<br />
Als der portugiesische König Joao IV. 1808<br />
auf der Flucht vor Napoleon in Brasilien<br />
ankam, soll es dort noch keine gedruckte<br />
Presse gegeben haben. Erst als das Land<br />
1822 unabhängig wurde, begann man sich<br />
von europäischen Traditionen zu emanzipieren.<br />
<strong>Es</strong> entstand eine brasilianische<br />
Schriftkultur, die stark vom Schmelztiegel-<br />
Charakter des Lands geprägt ist und auch<br />
den Hintergrund der afrikanischen und<br />
indigenen Minderheiten aufgenommen<br />
hat. Geschrieben wird allerdings bis heute<br />
Portugiesisch – die Sprache der ehemaligen<br />
Kolonialmacht, wenn auch in brasilianischer<br />
Ausprägung. 97 Prozent der Einwohner<br />
bezeichnen das brasilianische<br />
Portugiesisch als Muttersprache, nur<br />
0,1 Prozent sprechen eine Indianersprache.<br />
Unschlagbare Klassiker<br />
Paulo Coelho ist nicht nur der bekannteste<br />
Schriftsteller Brasiliens, sondern auch einer<br />
der erfolgreichsten Autoren der Welt.<br />
Bereits mit seinem zweiten Buch gelang<br />
Markus Ganz<br />
dem 1947 geborenen Schriftsteller der<br />
ganz grosse Wurf. Der Roman «Der Alchimist»<br />
erschien 1988, entwickelte sich jedoch<br />
erst in den 1990er-Jahren zum weltweiten<br />
Bestseller, der in über 60 Sprachen<br />
übersetzt wurde. Rund 30 Millionen Exemplare<br />
sollen sich bisher verkauft haben,<br />
davon eine Million in deutscher Sprache.<br />
Anfangs dieses Jahrs erschien der neuste<br />
Roman von Coelho: «Die Schriften von<br />
Accra». Er handelt von einem geheimnisvollen<br />
Fremden, der auf der Suche nach<br />
Abenteuern und Reichtum in die Welt geht<br />
und Antworten auf die grossen Fragen der<br />
Menschheit findet.<br />
Zu den populärsten lateinamerikanischen<br />
Autoren des 20. Jahrhunderts gehört auch<br />
der 1912 geborene Jorge Amado. Bis zu<br />
seinem Tod 2001 gelang es ihm immer<br />
wieder, ernste Anliegen in Komödien zu<br />
verpacken. Derart thematisierte er in seinen<br />
35 Büchern immer wieder auch die<br />
rassistische Diskriminierung in seiner Heimat.<br />
«Zwei Geschichten von der See» zeigt,<br />
wie zeitlos und höchst vergnüglich seine<br />
lebensnahen Schilderungen sind. Komisch<br />
ist besonders die neu übersetzte Erzählung<br />
«Der Tod und der Tod des Quincas Berro<br />
Dágua» von 1959. Heisst es bei James<br />
Bond, man lebe nur zweimal, so muss der<br />
Antiheld hier gleich dreimal sterben. Die<br />
Geschichte bekundet zum einen die absolute<br />
Sympathie für die Aussenseiter dieser<br />
Welt. Sie ist aber auch ein Manifest für das<br />
Anrecht aller Menschen, ihre Lebensweise<br />
selber bestimmen zu können – und dazu<br />
gehört auch die Art ihres Tods.<br />
Leidenschaft und Tod<br />
Neben existentiellen Fragen spielt in der<br />
brasilianischen Literatur auch die Liebe<br />
immer wieder eine herausragende Rolle.<br />
Brasilien<br />
mg. Die Dimensionen von Brasilien sind<br />
in mancherlei Hinsicht aussergewöhnlich.<br />
Das südamerikanische Land ist sowohl<br />
bezüglich der Fläche wie auch der Bevölkerung<br />
der fünftgrösste Staat der Erde. <strong>Es</strong><br />
leben dort fast 25-mal mehr Leute als in<br />
der Schweiz, unser Land fände allerdings<br />
200-mal Platz in Brasilien. Rund die Hälfte<br />
der fast 200 Millionen Brasilianer haben<br />
afrikanische Vorfahren, die zwischen dem<br />
16. und 19. Jahrhundert als Sklaven nach<br />
Südamerika kamen. 2005 bezeichnete sich<br />
die Hälfte der Brasilianer als Weisse, 43<br />
Prozent als Mischlinge, 6,3 Prozent als<br />
Schwarze und 0,7 Prozent als Asiaten oder<br />
Indigene. Brasilien erlebte in den letzten<br />
Jahrzehnten einen gewaltigen Aufstieg zur<br />
sechstgrössten Volkswirtschaft der Welt.<br />
Wirtschaftsexperten gehen aber davon<br />
aus, dass die goldenen Zeiten für Brasiliens<br />
Wirtschaft bereits wieder vorbei sind.<br />
Marçal Aquino verbindet in seinem Roman<br />
«Flieh. Und nimm die Dame mit.»<br />
die beiden Themenkomplexe dramatisch.<br />
Im Mittelpunkt des Buchs steht eine Frau,<br />
die zwei Seiten hat: eine dunkle selbstzerstörerische<br />
und eine helle verführerische.<br />
Zwei Männer verfallen ihr: ein am Fernsehen<br />
vor der gesellschaftlichen Fäulnis warnender<br />
Pater und der Erzähler, ein Journalist<br />
in der Sinnkrise. Dem 1958 geborenen<br />
Autor gelingt es, die abgründige Art dieser<br />
Beziehungen mit der spannungsgeladenen<br />
Stimmung in einer Goldgräberstadt zu<br />
grundieren.<br />
Spiegel der Entwicklung<br />
Goldgräberstädte gibt es zwar noch heute<br />
im modernen, boomenden Brasilien. Der<br />
Literaturkritiker Manuel da Costa Pinto<br />
© KEYSTONE / Ayse Yavas<br />
Brasilien ist ein riesiges Land – und seine Literatur daher ausserordentlich vielseitig. Brasilianische Autorinnen und Autoren im Uhrzeigersinn von links oben:<br />
Paulo Coelho, Ana Paula Maia, Jorge Amado, Marçal Aquino, Luiz Ruffato, Andréa del Fuego und Daniel Galera.<br />
© Marcelo Correa
22 | Brasilien Books Nr. 3/2013<br />
Alle Bücher finden Sie auch auf Spezial – Zeitgeschehen | 23<br />
betonte in einer Vorschau auf die Frankfurter<br />
Buchmesse aber, wie rasant sich<br />
Brasilien seit Mitte des 20. Jahrhunderts<br />
modernisiert und urbanisiert habe. Viele<br />
Autoren wirkten als Chronisten dieses dynamischen<br />
Prozesses, der sich faszinierend<br />
in der Gesellschaft widerspiegle. Zu<br />
diesen Schriftstellern darf man auch Andréa<br />
del Fuego zählen, die 1975 geboren<br />
wurde und aus dem Journalismus <strong>kommt</strong>.<br />
In «Geschwister des Wassers» erzählt sie<br />
nicht nur das berührende Schicksal dreier<br />
Geschwister, die in einer archaisch gebliebenen<br />
Welt plötzlich ihre Eltern verlieren.<br />
Luiz Ruffato entwirft<br />
in 69 Szenen<br />
ein kaleidoskopisches<br />
Abbild der<br />
Megacity São Paulo<br />
mit ihrem Glamour<br />
und ihrem Elend.<br />
Sie schildert auch beklemmend die Verstrickungen<br />
dieser Familie mit dem Gutsbesitzer,<br />
der so herrisch über die Kinder wie<br />
über das Leben seiner Angestellten verfügt.<br />
Der Bau einer Staumauer verändert<br />
das Leben aller, doch trotz Einzug der<br />
Elektrizität verlieren die Menschen ihren<br />
Sinn für das Übersinnliche nicht.<br />
Zeichen der Moderne<br />
Auch Daniel Galera gehört mit Jahrgang<br />
1979 zur jüngeren Generation der brasilianischen<br />
Schriftsteller. Das merkt man<br />
auch seinen Themen an; sie haben oft mit<br />
Problemen von Jugendlichen im modernen<br />
Brasilien zu tun. Im Mittelpunkt von<br />
Galeras Roman «Flut» steht ein junger<br />
Mann, dessen Vater sich direkt vor ihm<br />
erschiesst. Daraufhin lässt der junge Mann<br />
die schwerverletzte Hündin des Vaters<br />
nicht einschläfern, wie dieser von ihm verlangt<br />
hat. Er päppelt sie vielmehr auf und<br />
zieht mit ihr in den Süden. Dort will er ergründen,<br />
wieso sein Grossvater einst verschwand.<br />
In die Quere <strong>kommt</strong> ihm dabei,<br />
dass er Gesichter vergisst, sie nicht wiedererkennen<br />
kann. Dies führt im Alltag zu<br />
schwierigen, manchmal aber auch angenehmen<br />
Situationen. Einer Freundin schildert<br />
er die eigenartigen Folgen so: «Ich<br />
kann mich erinnern, dass du sehr schön<br />
warst. Da freue ich mich natürlich, dich<br />
wiederzusehen».<br />
<strong>Es</strong> wundert einen nicht, dass Ana Paula<br />
Maia als Jugendliche in einer Punkband<br />
gespielt hat. Denn in «Krieg der Bastarde»<br />
spart die 1977 geborene Schriftstellerin<br />
nicht mit drastischen Bildern und direkter<br />
Sprache. Sie beschreibt die<br />
Geschichte von Amadeu, der eine Tasche<br />
voll Kokain aus der Pornoproduktionsfirma<br />
entwendet, für die er arbeitet. Er macht<br />
den Stoff zu Bargeld, um seine Geliebte –<br />
eine illegale Preisboxerin – von ihren<br />
Schulden zu befreien und mit ihr ein neues<br />
Leben zu beginnen. Doch dann wird Amadeu<br />
überfahren. Und da dies kaum jemand<br />
weiss, führt die Suche nach ihm zu immer<br />
groteskeren Situationen.<br />
Megacity und Fussball<br />
Luiz Ruffato gilt als Ausnahmetalent. Mit<br />
seinem ersten Roman «<strong>Es</strong> waren viele<br />
Pferde» habe er die brasilianische Literatur<br />
revolutioniert. Eine Jury von Literaturkritikern<br />
der Zeitung «Globo» bezeichnete<br />
das 2001 erschienene und nun auch auf<br />
Deutsch erhältliche Buch als einen der<br />
zehn besten brasilianischen Romane der<br />
letzten Dekade. Der 1961 geborene Schriftsteller<br />
entwirft in 69 Szenen ein kaleidoskopisches<br />
Abbild der Megacity São Paulo<br />
mit ihrem Glamour und ihrem Elend, ihrer<br />
Verlogenheit und ihrem Schmerz. Die verschiedenen<br />
Schlaglichter fügen sich zur<br />
Geschichte eines Lands, das von Gewalt<br />
und Entwurzelung gezeichnet ist.<br />
Brasilien ist ohne den Fussball undenkbar<br />
– und umgekehrt. Luiz Ruffato hat<br />
15 brasilianische Kolleginnen und Kollegen<br />
gebeten, darüber Geschichten zu verfassen.<br />
In der Anthologie «Der schwarze<br />
Sohn Gottes. 15 Fussballgeschichten aus<br />
Brasilien» beschreiben die Schriftstellerinnen<br />
und Schriftsteller nicht nur die zuweilen<br />
zauberhafte Magie des Balls und die<br />
Unvorhersehbarkeiten eines Spielverlaufs,<br />
sie erzählen auch von den Träumen, Hoffnungen<br />
und Wünschen, die mit dem Fussball<br />
verbunden sind. Dabei kann man zur<br />
tröstlichen Erkenntnis kommen, dass sogar<br />
Fussballnieten imstande sind, ein<br />
glückliches Leben zu führen.<br />
Die Schriften von<br />
Accra<br />
Paulo Coelho<br />
CHF 27.90<br />
183 Seiten<br />
Diogenes<br />
Zwei Geschichten<br />
von der See.<br />
Der Tod und der<br />
Tod des Quincas<br />
Berro Dágua. Die<br />
Abenteuer des<br />
Kapitäns Vasco<br />
Moscoso<br />
Jorge Amado<br />
500 Seiten<br />
CHF 39.90<br />
S. Fischer<br />
Flieh. Und nimm<br />
die Dame mit.<br />
Marçal Aquino<br />
284 Seiten<br />
CHF 21.90<br />
Unionsverlag<br />
Geschwister des<br />
Wassers<br />
Andréa del Fuego<br />
203 Seiten<br />
CHF 28.90<br />
Hanser<br />
Flut<br />
Daniel Galera<br />
425 Seiten<br />
CHF 36.90<br />
Suhrkamp<br />
Krieg der<br />
Bastarde<br />
Ana Paula Maia<br />
208 Seiten<br />
CHF 28.90<br />
A 1<br />
<strong>Es</strong> waren viele<br />
Pferde<br />
Luiz Ruffato<br />
158 Seiten<br />
CHF 28.90<br />
Assoziation A<br />
Der schwarze<br />
Sohn Gottes. 15<br />
Fussballgeschichten<br />
aus Brasilien<br />
Diverse, Luiz Ruffato<br />
(Hrsg.)<br />
144 Seiten<br />
CHF 22.90<br />
Assoziation A<br />
Books<br />
Spezial<br />
Felsen in der<br />
Brandung<br />
der Zeit<br />
Elektronische Medien wie Internet oder Fernsehen sind dem Sachbuch<br />
immer ein paar Schritte voraus. Doch sie sind im Grunde nichts<br />
anderes als ein nie endender News ticker. Hintergrundinformationen,<br />
Zusammenhänge und vertiefte Betrachtungen bleiben oft auf der Strecke.<br />
Vorteil: Buch! Natürlich dauert es Wochen oder gar Monate, bis<br />
Bücher zu einem aktuellen Ereignis in den Regalen stehen. Dafür erhalten<br />
diese dann auch gründlich recherchierte Fakten, Zusammenhänge,<br />
Karten, Bilder, Meinungen, Grafiken und Statistiken, eben alles,<br />
wofür in der digitalen Hektik einfach keine Zeit bleibt. Auf den<br />
folgenden Seiten zeigen wir Ihnen wichtige Neuerscheinungen im<br />
Bereich des Zeitgeschehens – und suchen Antworten auf die Frage,<br />
wie solche Bücher entstehen.
24 | Spezial – Zeitgeschehen Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf Spezial – Zeitgeschehen | 25<br />
Das Heute festhalten<br />
Was wir als «Zeitgeschehen» bezeichnen, soll ein deutliches Bild<br />
der Gegenwart zeichnen. Was eignet sich heute für diese Kategorie?<br />
«Books» hat aus der Fülle der Neuerscheinungen zu Gesellschaft,<br />
Politik und Kultur einige Themen herausgegriffen.<br />
Benjamin Gygax<br />
Zeit ist ein faszinierendes Phänomen, das<br />
nicht nur Sportler, Philosophen und Physiker<br />
beschäftigt, sondern uns alle im Alltag.<br />
Vielleicht hat die deutsche Sprache deshalb<br />
in Kombination mit dem Wort «Zeit»<br />
einige ebenso eigentümliche wie prägnante<br />
Begriffe hervorgebracht. Der Dichter<br />
und Philosoph Johann Gottfried Herder<br />
prägte 1769 den Begriff «Zeitgeist» für die<br />
vorherrschende und typische Art, wie zu<br />
einer bestimmten Zeit gedacht und gefühlt<br />
wird. Seine Wortschöpfung war so eingängig,<br />
dass sie es sogar als Lehnwort in mehrere<br />
andere Sprachen geschafft hat, zum<br />
Beispiel ins Englische. Hans Magnus<br />
Enzensberger äusserte sich zwar verächtlich<br />
über diesen ominösen Geist, der eine<br />
Zeit durchweht: «Etwas Bornierteres als<br />
den Zeitgeist gibt es nicht. Wer nur die<br />
Gegenwart kennt, muss verblöden.» Vielleicht<br />
verkennt Enzensberger dabei aber,<br />
dass man den «Zeitgeist» oft nur unter einer<br />
Lupe erkennen kann, die «Geschichtsbewusstsein»<br />
heisst – schliesslich macht ja<br />
erst der Vergleich eine Besonderheit erkennbar.<br />
Ein Bild der Gegenwart zeichnen<br />
Mit dem «Zeitgeist» verwandt ist auch das<br />
«Zeitgeschehen». Dieser Begriff hat die<br />
Aufgabe, aktuelle Ereignisse von historischen<br />
abzugrenzen. Deshalb findet er auch<br />
rege Verwendung dort, wo es um Aktualität<br />
geht: Als Rubrik in Zeitungen und Zeitschriften.<br />
Daraus zu schliessen, dass alles<br />
gerade Aktuelle sich als «Zeitgeschehen»<br />
qualifiziert, wäre falsch. Die Kategorie<br />
«Zeitgeschehen» adelt sozusagen jene Aktualität,<br />
die prägend und dauerhaft, ja vielleicht<br />
sogar epochenbildend ist. «Zeitgeschehen»<br />
soll mit wenigen klaren und<br />
kräftigen Strichen ein Bild der Gegenwart<br />
skizzieren.<br />
«Zeit» ist zeitlos<br />
Was charakterisiert unsere Zeit? Ein Thema,<br />
das zwar in gewisser Weise zeitlos ist,<br />
uns heutzutage aber besonders stark beschäftigt,<br />
ist die Zeit selber. Einen äusserst<br />
anregenden und auch anspruchsvollen<br />
Blick auf dieses Phänomen präsentiert<br />
Aleida Assmann mit «Ist die Zeit aus den<br />
Fugen?» Sie ist Professorin für Anglistik<br />
und Literaturwissenschaften in Konstanz<br />
und vertritt eine interessante These. Ihr<br />
Ausgangspunkt: «Das Auseinanderbrechen<br />
und neu Zusammensetzen des temporalen<br />
Zeitgefüges von Vergangenheit,<br />
Gegenwart und Zukunft.» Sie mute ihren<br />
Lesern zu, schreibt die Kulturwissen-<br />
schaftlerin, «Befunde aus verschiedenen<br />
Geschichtsepochen und kulturellen Bereichen<br />
zu besichtigen in der Erwartung, dass<br />
sich aus diesen konkreten Fragmenten ein<br />
Bild dessen aufbaut, was ich mit einem<br />
abstrakten Begriff das ‹Zeitregime der Moderne›<br />
nenne». Der Niedergang dieses<br />
Zeitregimes sei der Grund für ein temporales<br />
Chaos in unserer Zeit. Bisher hatte es<br />
uns auf die Zukunft ausgerichtet und liess<br />
uns die Vergangenheit vergessen. Heute sei<br />
Geschichte «Vergangenheit, die nie vergeht»<br />
und uns damit nicht mehr loslässt –<br />
und der Glaube an die Zukunft ist vielen<br />
abhanden gekommen.<br />
Der Einzelne und das Imperium<br />
Vielleicht lässt sich diese These zum Zeitregime<br />
gerade anhand des nächsten Buchs<br />
illustrieren? Swetlana Alexijewitsch, die<br />
1948 in der Ukraine geboren wurde, hat<br />
ihr neues Buch «Secondhand-Zeit» genannt.<br />
Die Journalistin und Buchautorin<br />
ist eine der profiliertesten Zeitzeuginnen<br />
der postsowjetischen Gesellschaft. Ihre Bücher<br />
wurden unter anderem mit dem<br />
«Kurt-Tucholsky-Preis» des schwedischen<br />
PEN, mit dem «Triumph-Preis für Kunst<br />
und Literatur Russlands» und mit dem<br />
«Leipziger Buchpreis zur Europäischen<br />
Verständigung» ausgezeichnet. 2013 erhält<br />
Swetlana Alexijewitsch den Friedenspreis<br />
des Deutschen Buchhandels. Für ihr<br />
Werk hat die Autorin Gespräche mit Männern<br />
und Frauen aufgezeichnet, die sich an<br />
die Sowjetzeit erinnern. Zwar sehen jüngere<br />
Menschen diese Ära nur im Nebel der<br />
Geschichte, doch der Kalte Krieg, die Sowjetunion<br />
und der kommunistische Staatsterror<br />
leben in der Erinnerung vieler Russinnen<br />
und Russen weiter. «Ich kenne<br />
diesen Menschen, er ist mir vertraut, ich<br />
habe viele Jahre Seite an Seite mit ihm<br />
gelebt. Er ist ich», schreibt die Autorin.<br />
Diesem «Ich» ist sie auf der Spur – und sie<br />
nähert sich ihm mit den Mitteln der Journalistin.<br />
«Ich schreibe mit, ich suche Körnchen<br />
für Körnchen, Krume für Krume nach<br />
der Geschichte unseres ‹alltäglichen›, unseres<br />
‹inneren› Sozialismus. Danach, wie<br />
er in der Seele der Menschen wirkte. Dieser<br />
Massstab hat mich schon immer fasziniert<br />
– der Mensch ... der einzelne Mensch.<br />
Denn im Grunde passiert dort alles.» Und<br />
was passiert zurzeit? Vielen gilt Stalin wieder<br />
als grosser Staatsmann, die sozialistische<br />
Vergangenheit wird nostalgisch verklärt.<br />
Dieses Leben mit gebrauchten Ideen<br />
und Worten nennt Swetlana Alexijewitsch<br />
«Secondhand-Zeit». In ihren Gesprächen<br />
stellt sie die Brutalisierung von Menschen<br />
fest, die «immer entweder gekämpft oder<br />
sich auf einen Krieg vorbereitet haben».<br />
Das Buch ist keine leichte Kost, aber vielfältig<br />
und berührend. <strong>Es</strong> zeigt, wie die Sowjetunion<br />
bis ins Heute nachwirkt.<br />
Kapitalismus oder Demokratie?<br />
Der Kalte Krieg ist Geschichte und die Konkurrenz<br />
zwischen kommunistischem und<br />
kapitalistischem Block weitgehend vorüber.<br />
Doch damit rückt zunehmend eine andere<br />
Bruchstelle ins Bewusstsein: jene zwischen<br />
Kapitalismus und Demokratie. So<br />
zumindest sieht es Jakob Augstein in seinem<br />
Buch «Sabotage». Der Sohn von<br />
«Spiegel»-Gründer Rudolf Augstein ist im<br />
Untertitel sehr klar: «Warum wir uns zwischen<br />
Demokratie und Kapitalismus entscheiden<br />
müssen». Der streitbare und umstrittene<br />
linke Publizist hält ein Plädoyer<br />
dafür, Gerechtigkeit, Gesetz, Gleichheit,<br />
Demokratie und Freiheit zu verteidigen,<br />
sonst gehe die Gesellschaft kaputt. «Aber<br />
wenn die Gesellschaft kaputt ist, geht auch<br />
der Mensch kaputt. Das wollten die Ideologen<br />
des Neoliberalismus lange Zeit nicht<br />
wahrhaben.» Die Bedrohung sieht er im<br />
Finanzkapitalismus. Auch wenn Augstein<br />
von der Deutschen Politik ausgeht, wirft er<br />
Fragen auf, die von globaler Bedeutung<br />
sind. Die Lösungsvorschläge sind nicht so<br />
eindeutig, doch Augstein kreist um den Begriff<br />
der Gewalt und bringt den französischen<br />
Begriff der «Sabotage» ins Spiel:<br />
Dieser bezeichnet nicht Gewalt gegen Menschen,<br />
sondern gegen Sachen.<br />
Das Leben zurückgewinnen<br />
Kapitalismus oder Demokratie? Diese gesellschaftliche<br />
Frage könnte auf individueller<br />
Ebene vielleicht auch lauten: Arbeit<br />
oder Leben? So legt es uns zumindest Ulrich<br />
Renz in «Die Tyrannei der Arbeit»<br />
nahe. Und diese oder eine ähnliche Frage<br />
hat uns alle in der rastlosen Leistungsgesellschaft<br />
schon einmal beschäftigt. Ulrich<br />
Renz’ Buch verspricht nicht weniger als<br />
die Antwort darauf, «wie wir die Herrschaft<br />
über unser Leben zurückgewinnen».<br />
Doch zunächst zur Problemstellung:<br />
Heute ist das, was wir einen Lebenslauf<br />
«Aber wenn die<br />
Gesellschaft kaputt<br />
ist, geht auch der<br />
Mensch kaputt. Das<br />
wollten die Ideologen<br />
des Neoliberalismus<br />
lange Zeit<br />
nicht wahrhaben.»<br />
nennen, in Wirklichkeit ein Berufslauf. Arbeit<br />
bestimmt unser ganzes Dasein. Mit<br />
dieser Feststellung provoziert der Autor<br />
zwei Fragen: Was soll daran schlecht sein?<br />
Und wie sollen wir sonst unsere Bedürfnisse<br />
erfüllen? Ulrich Renz schreibt in seiner<br />
Einleitung: «Zwar ist der Autor hoffnungsloser<br />
Romantiker und Freund von Utopien.<br />
Aber er ist nicht doof. Er weiss, dass wir<br />
alle von unserer Hände Arbeit leben, als<br />
Einzelne wie als Gesellschaft.» Doch die<br />
Glaubensgewissheiten der Leistungsgesellschaft<br />
seien inzwischen so fest in die<br />
Hirne einbetoniert, dass wir sie bedenkenlos<br />
an unsere Kinder weitergäben: Ihr<br />
Spiel soll sinnvoll sein, wir «fördern» sie<br />
und merken gar nicht, dass wir ihnen ihre<br />
Kindheit nehmen, indem wir sie zu Hoffnungsträgern<br />
auf dem Arbeitsmarkt machen.<br />
Der Autor prangert aber an, dass wir<br />
uns keine Pausen mehr gönnen, weil wir<br />
glauben, das Rad bleibe dann stehen. Seine<br />
eigene Auflehnung gegen die Tyrannei der<br />
Arbeit hat der Arzt Ulrich Renz hinter sich:<br />
Er schmiss seinen Job als Leiter eines medizinischen<br />
Fachverlags und wurde freier<br />
Autor. Das ist keine Lösung für alle. Wichtig<br />
sei aber, sich aus der Erfolgsfalle zu befreien:<br />
«<strong>Es</strong> gehört zu den Gründungsmythen<br />
der Leistungsgesellschaft, dass Erfolg mit<br />
Glück, ja mit Seelenheil identisch ist.»<br />
Nur die Fakten<br />
Seelenheil ist ein gutes Stichwort für das<br />
nächste Buch, denn es könnte diesem beträchtlichen<br />
Schaden zufügen. Zu Beginn<br />
seines Buchs «Zehn Milliarden» gestattet<br />
sich Stephen Emmott Emotionen: «Dies<br />
ist ein Buch über uns. <strong>Es</strong> ist ein Buch über<br />
Sie, Ihre Kinder, Ihre Eltern, Ihre Freunde.<br />
<strong>Es</strong> geht um jeden Einzelnen von uns. Und<br />
um unser Versagen. Unser Versagen als Individuen,<br />
das Versagen der Wirtschaft und<br />
das unserer Politiker. <strong>Es</strong> geht um einen<br />
beispiellosen Notfall planetarischen Ausmasses.<br />
Und um unsere Zukunft.» Der<br />
Mann, der sich zu so alarmistischen Tönen<br />
hinreissen lässt, ist kein ideologieverblendeter<br />
Umweltaktivist, sondern Professor in<br />
Oxford und Leiter eines von Microsoft aufgebauten<br />
Forschungslabors für computer-<br />
ISBN 978-3-404-16833-0
26 | Spezial – Zeitgeschehen Books Nr. 3/2013<br />
Alle Bücher finden Sie auch auf Spezial – Zeitgeschehen | 27<br />
gestützte Naturwissenschaften. Deshalb<br />
wird er nach der Einleitung ganz sachlich.<br />
Er präsentiert neueste, zum Teil noch nicht<br />
veröffentlichte Fakten zur Lage des Planeten<br />
und seiner Bewohner. Er leitet her, wie<br />
die Erdbevölkerung in kürzester Zeit von<br />
einer auf sieben Milliarden Menschen angewachsen<br />
ist und schon bald die Schwelle<br />
von zehn Milliarden überschreiten wird.<br />
Für die Herstellung eines Burgers braucht<br />
man 3000 Liter Wasser. Wir produzieren in<br />
einem Jahr mehr Russ als die Menschheit<br />
im gesamten Mittelalter und fliegen allein<br />
in diesem Jahr sechs Billionen Kilometer.<br />
Besserung verspricht sich Emmott weniger<br />
von der Technik als von einem radikal<br />
umgekrempelten Wirtschaftssystem, Kinder<br />
sollten wir möglichst wenige in die<br />
Welt setzen. Der faktengestützte Pessimist<br />
meint: «Ich glaube, wir sind nicht zu retten.<br />
Ich hoffe ja selbst, dass ich mich irre.<br />
Aber alle Erkenntnisse, die die Wissenschaft<br />
uns derzeit liefert, deuten darauf<br />
hin, dass ich richtig liege.» Das Buch ist<br />
leicht zu lesen und überzeugt – aber vielleicht<br />
sollte man es bei depressiven Verstimmungen<br />
nicht zur Hand nehmen.<br />
Ist die Zeit aus den Fugen?<br />
Aufstieg und Fall des Zeitregimes<br />
der Moderne<br />
Aleida Assmann<br />
272 Seiten<br />
CHF 36.90<br />
Hanser<br />
Secondhand-Zeit<br />
Leben auf den Trümmern des<br />
Sozialismus<br />
Swetlana Alexijewitsch<br />
592 Seiten<br />
CHF 42.90<br />
Hanser<br />
Sabotage<br />
Warum wir uns zwischen Demokratie<br />
und Kapitalismus entscheiden<br />
müssen<br />
Jakob Augstein<br />
304 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Hanser<br />
Die Tyrannei der Arbeit<br />
Wie wir die Herrschaft über unser<br />
Leben zurückgewinnen<br />
Ulrich Renz<br />
240 Seiten<br />
CHF 28.90<br />
Ludwig<br />
Zehn Milliarden<br />
Stephen Emmott<br />
220 Seiten<br />
CHF 24.90<br />
Suhrkamp<br />
«Der Erste erzielt<br />
höhere Auflagen»<br />
Zeitgeschehen in Buchform festzuhalten, ist eine Kunst für sich –<br />
eine Kunst, die nicht nur von den Autorinnen und Autoren, sondern<br />
auch von den Verlagen viel abverlangt. Sebastian Ullrich, Lektor für<br />
Zeitgeschichte und Politik im Verlag C.H.Beck sowie Programmleiter<br />
Paperback, gewährt einen Einblick in seine Arbeit.<br />
Erik Brühlmann<br />
«Books»: Sebastian Ullrich, was zum<br />
«Zeitgeschehen» gehört, ist schier uferlos.<br />
Wie definieren Sie den Begriff?<br />
Sebastian Ullrich: Ich würde ihn so<br />
uferlos belassen, wie er ist. Für die Programmmacher<br />
der Verlage geht es darum,<br />
in den unendlichen Weiten des Zeitgeschehens<br />
die Inseln des Publikumsinteresses<br />
auszumachen. Und selbst wenn man<br />
diese Inseln durch das Fernrohr erspäht<br />
hat, ist nicht gesagt, dass man sie mit<br />
den vom Stapel gelassenen Büchern auch<br />
erreicht.<br />
Wer entscheidet nach welchen Kriterien,<br />
welche Themen für ein Buch in Frage<br />
kommen?<br />
Um im Gleichnis zu bleiben: Man kann<br />
sich das vorstellen wie eine frühneuzeitliche<br />
Entdeckungsfahrt in die aussereuropäische<br />
Welt. Natürlich gibt es grobe<br />
Vorstellungen davon, welche Themen<br />
sich eher für ein Buch eignen und für<br />
welche ein Zeitschriftenartikel ausreicht.<br />
Langjährige Erfahrungen mit aktuellen<br />
Büchern und ausgiebige Zeitungslektüre<br />
helfen zudem, ein Gespür für marktgängige<br />
Themen und Buchtypen zu entwickeln.<br />
Aber es ist doch jedes Mal ein Aufbruch<br />
ins Ungewisse. Scheitern und Schiffbruch<br />
sind immer möglich, ebenso wie auch<br />
Zufallsfunde und unerwartete Erfolge.<br />
Wer Sicherheit will und feste Kriterien<br />
für seine Entscheidungsfindung braucht,<br />
sollte vom aktuellen Sachbuch eher die<br />
Finger lassen. Ein bisschen Neugierde<br />
und Risikobereitschaft gehören dazu. Mit<br />
dem Erwartbaren wird man eher keinen<br />
Erfolg haben – es sei denn, der Autor oder<br />
die Autorin ist so beliebt, dass man auch<br />
ein Telefonbuch aus ihrer oder seiner<br />
Feder kaufen würde.<br />
Wie <strong>kommt</strong> man zu den entsprechenden<br />
Autoren? Werden zum Beispiel nach<br />
einem Ereignis wie 9/11 automatisch<br />
mehr Manuskripte zu diesem Thema<br />
eingereicht, oder geht man als Verlag<br />
auch aktiv auf die Suche?<br />
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28 | Spezial – Zeitgeschehen Books Nr. 3/2013<br />
Alle Bücher finden Sie auch auf Spezial – Zeitgeschehen | 29<br />
«Man braucht in<br />
diesem Segment<br />
Titel, die schnell<br />
hohe Auflagen<br />
erzielen. Themenwahl<br />
und Design<br />
der Bücher müssen<br />
also sitzen und einen<br />
Nerv treffen.»<br />
im Segment des aktuellen Sachbuchs die<br />
unverlangt eingesandten Manuskripte<br />
nur äusserst selten zur Veröffentlichung.<br />
In der Regel gehen die Anregungen von<br />
den Verlagen oder den Agenten aus, die<br />
gezielt geeignete Autorinnen und Autoren<br />
für die von ihnen für attraktiv gehaltenen<br />
Themen suchen.<br />
Wie schnell muss man reagieren können,<br />
um ein Thema nicht zu verpassen? Und<br />
werden Manuskripte zu hochaktuellen<br />
Themen schneller bearbeitet als solche<br />
zu «zeitlosen» Themen?<br />
Der Zeitfaktor spielt bei aktuellen Themen<br />
eine sehr grosse Rolle. <strong>Es</strong> ist ein bisschen<br />
wie bei den grossen Konquistadoren:<br />
Wer zuerst seine Flagge in die Erde der<br />
neuen Welt rammte, dem gehörte das<br />
Gebiet. Wer bei einem aktuellen Thema<br />
als erster auf dem Markt ist, der erzielt<br />
deutlich höhere Auflagen. Deswegen sind<br />
natürlich die Produktionsfristen in diesem<br />
Segment viel kürzer. Man muss dann den<br />
Schreibtisch frei räumen und das Buch<br />
in kürzester Zeit durchschleusen – nach<br />
Möglichkeit ohne Abstriche bei der Qualität<br />
zu machen. Das ist für alle Beteiligten<br />
jedes Mal aufs Neue eine grosse Herausforderung.<br />
Wie ist die «Halbwertszeit» solcher Bücher,<br />
oder anders: Geht man davon aus,<br />
dass es von den allermeisten Veröffentlichungen<br />
nur eine Auflage geben wird?<br />
Die Halbwertszeit ist deutlich kürzer als<br />
etwa bei einer Gesamtdarstellung zur<br />
römischen Geschichte. Aktuelle Themen<br />
unterliegen einer schnellen Veränderung,<br />
und in unserer Mediengesellschaft ist die<br />
Aufmerksamkeitsspanne nicht mehr allzu<br />
lang, auch bei wichtigen Themen. Das<br />
heisst aber nicht, dass man generell nur<br />
mit einer Auflage rechnet. Wäre das titelübergreifend<br />
der Fall, liessen sich diese<br />
Bücher nicht kalkulieren. Man braucht<br />
in diesem Segment Titel, die schnell hohe<br />
Auflagen erzielen. Themenwahl und<br />
Design der Bücher müssen also sitzen und<br />
einen Nerv treffen.<br />
Kommt man als Buchverlag gegen die<br />
Geschwindigkeit des Internets noch an?<br />
Wie hebt man sich von den Internet-<br />
Infos ab?<br />
In der Tat ist das Internet neben Zeitungen<br />
und Zeitschriften eine grosse<br />
Konkurrenz für das aktuelle Sachbuch.<br />
Bloss die wichtigsten Informationen zu<br />
einem aktuellen Thema zusammen zu<br />
stellen, reicht daher schon lange nicht<br />
mehr aus. Damit ein Buch in diesem<br />
Segment erfolgreich ist, muss mehr dazu<br />
kommen. Eine originelle These etwa oder<br />
ein neuer Blickwinkel, die geeignet sind,<br />
gesellschaftliche oder politische Debatten<br />
anzustossen. Sehr wichtig ist auch der<br />
Autor oder die Autorin. Er oder sie muss<br />
das Thema oder die These glaubwürdig<br />
vertreten können. Und auch die Art der<br />
Darbietung ist wichtig. Die Zeiten, in<br />
denen man sich auf eine Art Bildungsverpflichtung<br />
des Publikums zurückziehen<br />
konnte, sind definitiv vorbei. Wer sein<br />
Publikum erreichen will, sollte zugänglich<br />
und unterhaltsam schreiben können.<br />
Insgesamt bin ich aber sehr optimistisch,<br />
was die Zukunft des aktuellen Sachbuchs<br />
angeht. Immer wieder regen solche<br />
Bücher auch in unserer auf das Internet<br />
fixierten Zeit Debatten an und halten das<br />
Publikum in Atem. Mir scheint sogar, dass<br />
sie dies besser schaffen als etwa Zeitungen<br />
und Zeitschriften.<br />
Welches sind die gerade aktuellen<br />
Themen?<br />
Da gibt es viele. Bei uns erscheint etwa in<br />
den nächsten Tagen ein aktuelles Buch zu<br />
Syrien aus der Feder von Rupert Neudeck,<br />
dem Gründer der Hilfsorganisationen<br />
Cap Anamur und Grünhelme. Er hat<br />
dort unter schwierigsten Bedingungen<br />
humanitäre Hilfe geleistet. Ein dramatischer<br />
und berührender Bericht aus dem<br />
Inneren eines Bürgerkriegs. Innenpolitisch<br />
ist natürlich die wachsende gesellschaftliche<br />
Ungleichheit ein wichtiges<br />
Thema. Das Buch des grossen Historikers<br />
Hans-Ulrich Wehler über «Die neue Umverteilung»<br />
etwa ist seit Wochen auf der<br />
deutschen Bestsellerliste. Und wir haben<br />
die erste zeithistorische Einordnung der<br />
rot-grünen Jahre unter Bundeskanzler<br />
Gerhard Schröder im Programm. Der<br />
Historiker Edgar Wolfrum hat sich durch<br />
Berge exklusiven Archivmaterials gewühlt<br />
und mit allen Protagonisten ausführlich<br />
gesprochen. Aber da sieht man schon,<br />
wie sehr die Aktualität eines Themas von<br />
Land zu Land unterschiedlich sein kann.<br />
In Deutschland steht Rot-Grün im Zentrum<br />
aktueller Debatten – wie das in der<br />
Schweiz aussieht, kann ich schon nicht<br />
mehr beurteilen.<br />
Sebastian Ullrich, Lektor für Zeitgeschichte<br />
und Politik im Verlag C.H.Beck<br />
sowie Programmleiter Paperback.<br />
C.H.Beck<br />
Der Verlag C.H.Beck – benannt nach seinem<br />
Gründer Carl Gottlob Beck – zählt zu<br />
den grössten und renommiertesten Verlagen<br />
Deutschlands. Bekannt ist er vor allem<br />
für seine Publikationen in den Bereichen<br />
(Zeit-)Geschichte, Ethnologie, Literatur-<br />
und Sprachwissenschaften, Religion,<br />
Philosophie, Politik- und Sozialwissenschaften<br />
sowie Kunst und Architektur. C.H.Beck<br />
wurde 1763 gegründet und feiert somit<br />
dieses Jahr sein 250-jähriges Bestehen.<br />
BILDBAND<br />
SWISS VISION<br />
Mit Swiss Vision hat der renommierte Landschaftsfotograf<br />
Patrick Loertscher ein wahres Meisterwerk der Extraklasse<br />
geschaffen, sozusagen eine Liebeserklärung an seine Heimat,<br />
das die besonderen Werte der Schweiz in ihrer ganzen<br />
Ursprünglichkeit und Schönheit festhält.<br />
Ein aussergewöhnlicher Bildband, der sich an alle Menschen<br />
wendet, welche die Schweiz lieben und mit viel Freude<br />
die visuelle Schönheit dieses einzigartigen Landes mitten in<br />
Europa geniessen oder weiterreichen möchten.<br />
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Lichtvisionen Schweiz 2014<br />
von Patrick Loertscher<br />
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30 | BuCHtipps Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf BUCHtipps | 31<br />
Thomas Koebner<br />
Roman Polanski –<br />
Der Blick der<br />
Verfolgten. Eine<br />
Biographie<br />
Die Filme von Roman Polanski<br />
haben selten ein Happy End, aber<br />
sie baden auch nicht in der Lust an<br />
der Katastrophe. Die Konstellation<br />
von Verfolger und Verfolgten, Macht<br />
und Ohnmacht prägt alle grossen<br />
Filme des Regisseurs, und eines bleibt<br />
immer gleich: Polanski sieht die Welt<br />
durch die Augen der Opfer. Kaum<br />
einem Künstler seiner Generation<br />
wurde so viel Ruhm und Glück für<br />
sein umfangreiches Schaffen zuteil –<br />
und keinem sind in seinem Leben so<br />
tiefe Wunden geschlagen worden.<br />
Die grosse Biografie zum 80. Geburtstag<br />
des gebürtigen Polen nimmt<br />
die wechselvolle Lebenserfahrung und<br />
das vielgestaltige Werk zusammen in<br />
den Blick und lässt es sich wechselseitig<br />
erklären.<br />
Susannah Cahalan<br />
Feuer im Kopf<br />
Kann man über Nacht verrückt werden?<br />
Ja, man kann. Dies hat die junge<br />
Journalistin Susannah Cahalan am<br />
eigenen Leib – oder besser: im eigenen<br />
Kopf – erlebt. Auf schmerzhafte,<br />
lebensbedrohliche und schliesslich gut<br />
ausgehende Art und Weise.<br />
In «Feuer im Kopf» erzählt sie<br />
ihre Geschichte zwischen Leben,<br />
Wahnsinn und Rettung mitreissend,<br />
eindrucksvoll und fesselnd.<br />
Ihr authentischer Erfahrungs- und<br />
Schicksalsbericht ist so spannend wie<br />
bewegend. Hier bricht sich ein großes<br />
Schreibtalent Bahn!<br />
Daniela Schwegler<br />
Traum Alp –<br />
Älplerinnen im<br />
Porträt<br />
Mit dem Alpauftrieb zieht es jedes<br />
Jahr etliche Stadt- und Landmenschen<br />
hinauf auf die Alp – besonders<br />
Frauen. Dort machen sie den<br />
Sommer über Käse und hüten sie<br />
Ziegen, Kühe, Rinder, Pferde, Schafe<br />
oder neuerdings auch Lamas. Daniela<br />
Schwegler hat Älplerinnen unterschiedlichster<br />
Couleur auf der Alp<br />
besucht. Die 15 Frauen zwischen 20<br />
und 75 Jahren erzählen, wie sie den<br />
Alpsommer erleben und erleiden und<br />
wie sie sich an Natur, Tieren, Sonne<br />
und dem Himmel erfreuen. Das Buch<br />
gibt Einblicke in den gelebten Traum<br />
von der Alp, der für einige allzu<br />
Blauäugige auch schnell zum Albtraum<br />
werden kann. Jedes Porträt wird mit<br />
einem attraktiven Wandervorschlag<br />
von der jeweiligen Alp aus und mit einem<br />
Älplerinnen-Rezept abgerundet.<br />
Mit 180 Farbfotos von Vanessa<br />
Püntener.<br />
Gabriela Vetter<br />
Fremdgehen<br />
– Was dann?<br />
Sie stecken in einer schwierigen<br />
Lebenssituation, die Sie verheimlichen<br />
müssen. Sie fühlen sich allein,<br />
ausgeliefert und verloren. Ihr «böses»<br />
Geheimnis quält Sie. <strong>Es</strong> spricht Ihnen<br />
jemand in dieser Angelegenheit<br />
aus der Seele, sieht Auswege, die<br />
Sie ermutigen, Ihr Leiden konkret<br />
anzugehen. <strong>Es</strong> werden Ihnen Wege<br />
aufgezeigt, sowohl die momentane<br />
Situation als auch deren Ursachen zu<br />
klären. Das Buch schildert mit der<br />
Liebesgeschichte zwischen Dagmar<br />
und Fabian eine gesellschaftlich<br />
verpönte, versteckte Beziehung: eine<br />
Aussenbeziehung. <strong>Es</strong> will die Angelegenheit<br />
nicht gutheissen, sondern bietet<br />
dem Leser mittels psychologischer<br />
Betrachtungen und Übungen Impulse<br />
an, sich selbst zu helfen und sich neu<br />
zu orientieren. Dem nicht persönlich<br />
betroffenen Leser kann es helfen<br />
innezuhalten und zu sich zu finden.<br />
Peter Allmend<br />
Elision – Begegnung<br />
mit einer<br />
Weisen<br />
Ein Zürcher Anwalt zieht sich für<br />
einige Tage in die Berge zurück und<br />
trifft dort vor einer Almhütte völlig<br />
unerwartet eine ungewöhnliche Frau.<br />
Er erkennt allmählich, dass er es mit<br />
einer Meisterseele zu tun hat, die ihn<br />
in die grossen Geheimnisse des Lebens<br />
einweiht. Was diese Wesenheit,<br />
die sich ihm gegenüber Elision nennt,<br />
ihm über Verzeihen und Güte, über<br />
Glück und den Sinn des Lebens, über<br />
Tiere und Pflanzen, über die Geistige<br />
Welt und das innere Erwachen oder<br />
über das Geheimnis der Liebe erzählt,<br />
lässt ihn zu einem neuen Menschen<br />
reifen. «Das grösste Glück jedoch<br />
ist, überhaupt die Fähigkeit zu haben,<br />
glücklich zu sein. Vielen Menschen begegnet<br />
das Glück, aber sie sind nicht<br />
in der Lage, es zu erkennen.»<br />
Christine Fivian<br />
Das Bild<br />
«Das Bild» ist ein Buch über die Ambivalenz<br />
des Lebens und der Liebe;<br />
über Machtverhältnisse zwischen<br />
den Geschlechtern; über Beziehungen<br />
– zwischen Paul, dem Maler<br />
des Bildes, und drei Frauen: Alma,<br />
seiner Lebenspartnerin, Lisa, seiner<br />
ersten Liebe, und Mona, mit der er<br />
eine leidenschaftliche Affäre hatte.<br />
Und zwischen den drei Frauen, die<br />
so verschieden und doch untrennbar<br />
miteinander verbunden sind. Sie<br />
erinnern sich an Brüche in ihrem Leben.<br />
Brüche, die nicht nur das Leben<br />
verändern, sondern sich prägend auf<br />
die Vorstellungswelt auswirken. Eine<br />
Vorstellungswelt, die manchmal so<br />
ganz anders aussieht, als die Realität.<br />
Oder die vermeintliche Realität.<br />
Wanderwelt & Co.:<br />
Die schönsten<br />
Wanderungen<br />
Schweiz<br />
Der nächste Herbst <strong>kommt</strong> bestimmt –<br />
und damit auch die schönste Zeit,<br />
die Schweiz auf einer Wanderung zu<br />
entdecken. Mit diesem bebilderten<br />
Führer wird bereits die Auswahl der<br />
nächsten Tour zum wahren Vergnügen<br />
und macht Lust auf mehr. Die<br />
Auswahl an verschiedenen Routen ist<br />
gross: Das handliche Werk stellt 50<br />
Touren vor, verteilt über die ganze<br />
Schweiz. Keine wichtige Information<br />
fehlt. Schwierigkeitsgrade, Wanderzeit,<br />
Anfahrtsroute sowie Verpflegungs-<br />
und Übernachtungsmöglichkeiten<br />
werden beschrieben. Praktische<br />
Kartenausschnitte, Erklärungen zu<br />
den Signalisationen der Wanderwege<br />
und selbst ein kleines Handbuch zur<br />
Wetterkunde sind in diesem unverzichtbaren<br />
Führer zu finden.<br />
Niklas Böwer<br />
tiptoi ® Wieso?<br />
Weshalb?<br />
Warum?<br />
Die Welt der<br />
Fahrzeuge<br />
Schon ganz kleine Jungs – und manchmal<br />
auch Mädchen – sind fasziniert<br />
von allem, was einen Motor hat. Ob<br />
Formel-1-Rennwagen, Sattelschlepper<br />
oder Traktor, hier brummt, knattert<br />
und röhrt es. Mit tiptoi ® , dem interaktiven<br />
klingenden Lernspiel, erfahren<br />
die Kinder Wissenswertes über die<br />
verschiedenen Fahrzeuge und ihre<br />
Aufgaben. Beim Besuch in einer<br />
Autofabrik sind sie bei der Produktion<br />
eines Autos hautnah dabei. Dann<br />
nehmen sie die Rettungsfahrzeuge<br />
ganz genau unter die Lupe. Und beim<br />
Formel-1-Rennen flitzen die Autos<br />
nur so an ihnen vorbei, und sie hören<br />
beim Boxenstopp die gut abgestimmten<br />
Befehlsrufe des Rennteams.<br />
256 Seiten<br />
CHF 37.90<br />
Reclam<br />
ISBN 978-3-15-010936-6<br />
304 Seiten<br />
CHF 28.90<br />
MVG<br />
ISBN 978-3-86882-467-4<br />
256 Seiten<br />
CHF 41.90<br />
Rotpunktverlag<br />
ISBN 978-3-85869-557-4<br />
138 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
FO-Publishing<br />
ISBN 978-3-905681-80-2<br />
160 Seiten<br />
CHF 23.90<br />
Aquamarin<br />
ISBN 978-3-89427-625-6<br />
160 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Xanthippe<br />
ISBN 978-3-905795-26-4<br />
140 Seiten<br />
CHF 21.90<br />
Hallwag Kümmerly + Frey<br />
ISBN 978-3-259-03721-8<br />
Ab 4 Jahren, 16 Seiten<br />
CHF 35.90<br />
Ravensburger<br />
ISBN 978-3-473-32912-0
32 | Kaffeepause Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf Kaffeepause | 33<br />
Last Exit to El Paso<br />
Fritz Rudolf Fries<br />
192 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Wallstein<br />
Der Weg des Falken<br />
Jamil Ahmad<br />
186 Seiten<br />
CHF 34.90<br />
Hoffmann und Campe<br />
Gleis 4<br />
Franz Hohler<br />
219 Seiten<br />
CHF 26.90<br />
Luchterhand<br />
Die Debatte<br />
Was machen Buchhändler in der Kaffeepause? Sie plaudern<br />
über Bücher. «Books» hat sich im Starbucks im Kramhof<br />
an der Zürcher Bahnhofstrasse zu den Orell-Füssli-Mitarbeitenden<br />
Bettina Zeidler und Dario Widmer gesetzt.<br />
<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />
Erik Brühlmann<br />
«Books»: Ladies first: Bettina, welches<br />
Buch hast du mitgebracht?<br />
Bettina Zeidler (BZ): «Last Exit to El<br />
Paso» des ostdeutschen Schriftstellers<br />
Fritz Rudolf Fries. Die Hauptfigur, Pierre<br />
Arronax, ist wohl etwa so alt wie der<br />
77-jährige Autor. Er lebt zurückgezogen<br />
in seinem Haus, betreut von seinem<br />
Hausmädchen Kathleen, mit der er gern<br />
eine erotische Beziehung hätte. Regelmässig<br />
trifft sich Arronax mit seinem alten<br />
Freund Arcimboldo, mit dem er fantastische<br />
Szenarien für nie geschriebene<br />
Romane oder Filmdrehbücher entwirft.<br />
Eines Tages erfahren die beiden per<br />
Telefon, dass sie eine Weltreise gewonnen<br />
haben. Diese Reise entpuppt sich aber als<br />
Wettrennen von New York nach El Paso –<br />
Arronax wird von Kathleen begleitet und<br />
nimmt die Ostroute, Arcimboldo reist<br />
mit seinem Sohn, einem Drehbuchautor,<br />
die Westküste hinunter. Die Reisenden<br />
kommen in billigen Hotelketten unter,<br />
werden in einen Kunstraub verwickelt,<br />
bei dem vielleicht auch Kathleen ihre<br />
Hände im Spiel hat, es geht um Spionage<br />
und Affären. Allerdings weiss man nie<br />
genau, was sich wirklich ereignet und was<br />
nur eine Vision von Arronax ist. «Last Exit<br />
to El Paso» ist ein Schelmenroman, bei<br />
dem uns der Autor immer wieder in die<br />
Irre führt.<br />
Und ein Road Movie?<br />
Dario Widmer (DW): Ja, auf jeden Fall.<br />
Ein wichtiges Element des Buchs sind die<br />
zahlreichen Bezüge auf literarische Werke<br />
und Filme. Eine Rolle spielt zum Beispiel<br />
das Kritikertrio aus dem Roman «2666»<br />
von Roberto Bolaño. Der Aufbau des<br />
Buchs erinnert mich an Fellinis Filme,<br />
bei manchen Szenen sehe ich Bogart vor<br />
mir – und über der ganzen Geschichte<br />
steht ein Motto aus dem Märchen mit den<br />
Bremer Stadtmusikanten: «Etwas Besseres<br />
als den Tod findest du überall.»<br />
BZ: Auch die Figuren selbst sind Anlehnungen:<br />
Pierre Arronax ist der Name<br />
der Hauptfigur in Jules Vernes Roman<br />
«20‘000 Meilen unter dem Meer»; dort<br />
ist Arronax ein Forscher, der in die<br />
Tiefe geht. Und Arcimboldo ist jener<br />
Renaissance-Maler, der auf seinen Bildern<br />
Gemüse so arrangierte, dass daraus ein<br />
Porträt wurde. In Bolaños «2666» nennt<br />
sich eine Figur nach diesem Maler. Der<br />
Autor führt uns also ständig wieder auf<br />
neue Fährten, lässt uns in fantastische<br />
Welten reisen – und am Ende ist nicht<br />
einmal mehr klar, ob diese Reise überhaupt<br />
stattfindet. Das Buch ist schwierig<br />
zu beschreiben, man muss sich einfach<br />
darauf einlassen.<br />
Du hast dich darauf einlassen müssen,<br />
Dario. Wie hast du das denn erlebt?<br />
DW: Am Anfang wusste ich nicht recht,<br />
wie ich mit diesem Buch umgehen sollte.<br />
Ich dachte, das ist ähnlich wie der Bestseller<br />
«Der Hundertjährige, der aus dem<br />
Fenster stieg und verschwand» von Jonas<br />
Jonasson. Auch der Klappentext des<br />
Buchs verspricht einen Roman in diese<br />
Richtung. Aber der Vergleich stimmt nicht.<br />
«El Paso» ist wesentlich anspruchsvoller<br />
als der «Hundertjährige». Fries hätte mit<br />
seinem Stoff einen Riesenroman schreiben<br />
können – hat jetzt aber unglaublich<br />
viele Informationen in ein kleines Buch<br />
gepackt.<br />
BZ: <strong>Es</strong> ist wirklich faszinierend, wie viele<br />
Hinweise auf Literatur und Film er untergebracht<br />
hat. Mich hat das zu Recherchen<br />
animiert; ich begann im Internet nachzu-<br />
forschen, woher er die Figuren hat.<br />
DW: Bei mir hat er die Fantasie angeregt<br />
und Interesse an anderen Stoffen geweckt.<br />
Ich werde zum Beispiel jetzt auch noch<br />
den Bolaño lesen. Die vielen Andeutungen<br />
machen neugierig, und man merkt, wie<br />
sehr sich der Autor selber für die Dinge<br />
interessiert, die er thematisiert.<br />
BZ: Für mich sprengt das schmale Buch<br />
sämtliche Rahmen – es hat mich echt<br />
gefordert.<br />
DW: Ja, es ist anspruchsvoll, das kannst<br />
du nicht jedem in die Hand drücken. Aber<br />
wenn man einmal mit Lesen begonnen<br />
hat, schlägt es einen in den Bann. Am<br />
Anfang hat mich genervt, dass Bettina<br />
dieses Buch für unsere Debatte aussuchte;<br />
jetzt bin ich froh darüber. Ich finde, alle<br />
Buchhändler sollten «Last Exit to El Paso»<br />
lesen, weil es so viele literarische Bezüge<br />
hat.<br />
Wie bist du denn auf dieses Buch gestossen,<br />
Bettina?<br />
BZ: Zuerst hat mich einfach das Cover<br />
angesprochen. Dann las ich den Klappentext,<br />
mir fiel ein, dass ich von diesem Autor<br />
schon einmal gehört habe, ich begann<br />
ein paar Seiten zu lesen – und konnte<br />
nicht mehr aufhören.<br />
Für wen eignet sich der Roman?<br />
BZ: Für alle, die einen gewissen Zugang<br />
zur Literatur haben. Man kann das Buch<br />
auch ohne Vorwissen lesen, aber es macht<br />
sicher viel mehr Spass, wenn man die<br />
Andeutungen entschlüsseln kann.<br />
Kommen wir zum Buch, das Dario mitgebracht<br />
hat: «Der Weg des Falken» von<br />
Jamil Ahmad.<br />
DW: <strong>Es</strong> spielt in einem zusammenhängenden<br />
Gebiet in der Grenzregion von<br />
Pakistan, Afghanistan und Iran. Der rote<br />
Faden ist die Geschichte eines Paars, das<br />
mit seiner Liebe gegen die Stammesregeln<br />
verstossen hat und auf der Flucht ist. Die<br />
beiden jungen Leute finden Unterschlupf<br />
in einem Militärfort, wo sie auch einen<br />
Sohn bekommen – Tor Baz, was so viel<br />
heisst wie schwarzer Falke. Doch das<br />
Paar wird aufgespürt und getötet. Tor<br />
Baz bleibt allein zurück. Sein weiterer<br />
Lebensweg bietet dem Autor die Möglichkeit,<br />
ganz verschiedene Geschichten zu<br />
erzählen, die kaum in einem Zusammenhang<br />
zueinander stehen. Der rote Faden<br />
ist sehr fein; man könnte auch sagen,<br />
es handle sich bei diesem Buch um eine<br />
Sammlung von Kurzgeschichten.<br />
Worum geht es in den Geschichten?<br />
DW: Um die Menschen, die in dieser Region<br />
leben. Ein Beispiel ist die Geschichte<br />
Bettina Zeidler, 48, lebt in St. Gallen. Sie<br />
arbeitet in der Abteilung Belletristik der St.<br />
Galler Buchhandlung Rösslitor, die zu Orell<br />
Füssli gehört. Am liebsten liest sie skandinavische<br />
Krimis und Thriller.<br />
Bettina Zeidler:<br />
«Den Anfang des<br />
Romans fand ich<br />
sehr gut, aber danach<br />
häuften sich<br />
die Zufälle und<br />
Unwahrscheinlichkeiten.<br />
Das fand ich<br />
dann schon recht<br />
konstruiert.»<br />
Dario Widmer:<br />
«Ich fand das Buch<br />
trotzdem spannend.<br />
<strong>Es</strong> liest sich leicht,<br />
es geht schnell<br />
voran, viele Situationen<br />
werden schön<br />
beschrieben.»<br />
Dario Widmer, 21, lebt in Bühler in<br />
Appenzell Ausserrhoden. Seine Lehre zum<br />
Buchhändler absolvierte er im Rösslitor,<br />
heute arbeitet er in der Abteilung Belletristik<br />
im Kramhof in Zürich. Er hat schon seit<br />
jeher ein grosses Interesse an Literatur.<br />
von Familien, die herumziehen müssen,<br />
damit ihr Vieh immer genug zu fressen<br />
hat. Diese Leute haben aber keine Pässe.<br />
Bislang spielten Landesgrenzen keine<br />
Rolle, jetzt aber können sie nicht mehr<br />
von einem Land ins andere ziehen – und<br />
werden beim Grenzübertritt erschossen.<br />
Einmal geht es um Frauenhandel. Oder<br />
um Entführungen, mit denen sich manche<br />
Familien über Wasser halten.<br />
Das klingt jetzt aber alles reichlich<br />
dramatisch und nicht nach Literatur, die<br />
man sich vor dem Einschlafen zu Gemüte<br />
führen will.<br />
DW: Das Buch geht einem weniger unter<br />
die Haut, als man aufgrund meiner Schilderung<br />
vielleicht annehmen könnte. Der<br />
Autor hat eine gute Distanz zu seinem<br />
Thema gefunden: Seine Geschichten sind<br />
keine sachlichen Dokumentationen, aber<br />
auch keine hochdramatischen Schilderungen,<br />
die Mitleid auslösen. Man nimmt<br />
einfach wahr, wie das Leben in dieser<br />
Region spielt. In einer Region notabene,<br />
von der wir sehr wenig wissen und über<br />
die es kaum Bücher gibt.<br />
BZ: Zum Genuss wird dieses Buch vor allem<br />
durch die Sprache; sie ist sehr schön,<br />
sehr poetisch. Alles fliesst, die Beschreibungen<br />
der kargen und öden Landschaften<br />
sind sehr bildhaft, man kann sich alles<br />
genau vorstellen. Mich faszinierte vor<br />
allem die Rahmenhandlung mit Tor Baz,<br />
und ich hätte gern noch etwas mehr über<br />
ihn erfahren; manchmal empfand ich den<br />
Schnitt von der Rahmenhandlung zur<br />
nächsten Geschichte etwas hart.<br />
Aber alles in allem hast du das Buch<br />
gern gelesen?<br />
BZ: Ja, vor allem auch, weil mir die<br />
Gegend, in der es spielt, überhaupt nicht<br />
bekannt war. Als ich mit dem Buch fertig<br />
war, dachte ich: Jetzt habe ich einen Roman<br />
in wunderschöner Sprache gelesen<br />
und erst noch viel gelernt.<br />
DW: Zu Beginn kam es mir fast ein wenig<br />
vor, als würde ich ein Buch von Karl May<br />
lesen: Über den wilden Westen im Osten.<br />
<strong>Es</strong> war unterhaltsam und faszinierend.<br />
Als ich das Buch erstmals in der Hand<br />
hatte, schlug ich es irgendwo auf und las<br />
einen Abschnitt, der mir ziemlich esoterisch<br />
vorkam, aber zum Glück war er eine<br />
Ausnahme – das Buch ist überhaupt nicht<br />
spirituell ausgerichtet.<br />
BZ: Ja, hier wird auch nichts glorifiziert.<br />
Jamil Ahmad bleibt bei den Fakten. Er<br />
will nicht moralisieren, sondern uns<br />
einfach zeigen, wie es dort ist. Er hat die<br />
Begabung, uns die Welt zu öffnen. Von mir<br />
aus hätte ich dieses Buch nicht gelesen,
34 | Kaffeepause Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf BUCHtipps | 35<br />
jetzt bin ich aber froh, dass ich es für die<br />
Debatte lesen musste.<br />
Kommen wir zum dritten Buch, über das<br />
wir heute reden: «Gleis 4» von Franz<br />
Hohler, dem Zürcher Schriftsteller, der<br />
gerade 70 Jahre alt wurde.<br />
BZ: Der Roman erzählt von Isabelle, die<br />
eine Italienreise antritt. In Oerlikon will<br />
sie in den Zug zum Flughafen steigen,<br />
der Koffer ist schwer, ein älterer Herr<br />
<strong>kommt</strong> und will ihr helfen. Als der Koffer<br />
an seinem Platz ist, bricht der Mann<br />
zusammen und stirbt. Die Polizei <strong>kommt</strong>,<br />
Isabelle verpasst den Flieger und hat auch<br />
gar keine Lust mehr auf eine Ferienreise.<br />
Wieder daheim angekommen, merkt sie,<br />
dass sie aus Versehen eine braune Mappe<br />
des Toten mitgenommen hat. In dieser<br />
Mappe steckt ein Mobiltelefon, das immer<br />
wieder klingelt. Dieser Anfang ist schon<br />
einmal sehr gut, finde ich.<br />
DW: Das Telefon klingelt immer wieder.<br />
Isabelle weiss, dass sie es eigentlich zur<br />
Polizei bringen sollte, aber ihre Neugier<br />
ist stärker: Irgendwann nimmt sie einen<br />
Anruf entgegen. Der Anrufer sagt nur,<br />
Marcel dürfe keinesfalls an der Beerdigung<br />
auftauchen. Isabelle wird noch neugieriger.<br />
Schliesslich geht sie selber auf<br />
den Friedhof, findet heraus, um welche<br />
Beerdigung es geht und wer der anonyme<br />
Anrufer war. Von da an entwickelt sich<br />
fast so etwas wie ein Krimi: Isabelle ermittelt<br />
auf eigene Faust, welches Geheimnis<br />
den verstorbenen Marcel umweht.<br />
BZ: Dabei wird sie auch von Marcels Frau<br />
begleitet, die aus Kanada angereist ist. <strong>Es</strong><br />
stellt sich heraus, dass Marcel einst Martin<br />
hiess – und dass er eine himmeltraurige<br />
Familienbiografie hat. Wie gesagt,<br />
den Anfang des Romans fand ich sehr gut,<br />
aber danach häuften sich die Zufälle und<br />
Unwahrscheinlichkeiten. Das hat mich gestört.<br />
Diese ganzen Funde immer wieder,<br />
plötzlich steckt eine Telefonnummer im<br />
Koffer oder taucht eine neue Person auf –<br />
das fand ich dann schon recht konstruiert.<br />
DW: Da hast du Recht. Aber ich fand das<br />
Buch trotzdem spannend. <strong>Es</strong> liest sich<br />
leicht, es geht schnell voran, viele Situationen<br />
werden schön beschrieben. Und<br />
Franz Hohler ist ja auch dafür bekannt,<br />
dass er groteske Elemente in seine Texte<br />
einbaut. Wie Isabelles Tochter Sarah<br />
gegen Schluss des Buchs wegen einer<br />
Voodoo-Puppe zu einem Medizinmann<br />
geht, fand ich zum Beispiel sehr witzig.<br />
BZ: Jaja, das Buch ist nicht schlecht, aber<br />
die vielen Zufälle störten mich eben. Ich<br />
kenne das Werk von Franz Hohler nicht<br />
gut, doch ich denke, seine Fans werden<br />
diese Neuerscheinung auf jeden Fall<br />
mögen.<br />
DW: Den Fans kann man es sicher<br />
empfehlen. Hohlers beliebter Roman «<strong>Es</strong><br />
klopft» ist recht ähnlich wie «Gleis 4». Mir<br />
hat dieses Buch aber so gut gefallen, dass<br />
ich jetzt sicher noch mehr von Hohler<br />
lesen werde.<br />
BZ: Für mich ist «Gleis 4» dennoch die<br />
Nummer drei unter den drei Büchern, die<br />
wir hier vorgestellt haben. Aber das ist<br />
am Ende natürlich Geschmacksache.<br />
DW: Man kann die Bücher nicht miteinander<br />
vergleichen. Die anderen beiden<br />
haben einen tiefgründigen Inhalt, «Gleis<br />
4» ist ein Unterhaltungsroman. Aber ich<br />
finde ihn eine perfekte Sommerlektüre –<br />
ich habe ihn am See gelesen, und ich<br />
kann allen nur empfehlen, das auch zu<br />
tun.<br />
Die Geschichte des Kaffees<br />
erzählt in deinem Caffè Latte.<br />
T. C. Boyle<br />
San Miguel<br />
Eine einsame Insel vor der Küste von<br />
Kalifornien: für die einen die Hölle,<br />
für die anderen das Paradies. Die<br />
schwindsüchtige Marantha verschlägt<br />
es 1888 nach San Miguel. Während<br />
sie sich – geplagt vom rauen Klima,<br />
von Monotonie und Einsamkeit – dem<br />
Leben entzieht, schafft es Adoptivtochter<br />
Edith, dem tyrannischen Vater<br />
und der verhassten Insel zu entfliehen.<br />
Jahrzehnte später zieht Elise Lester<br />
dorthin und findet mit ihrer Familie ihr<br />
Glück. Die Presse in den USA feiert<br />
die Lesters mitten in der Weltwirtschaftskrise<br />
als Sinnbild vom Mythos<br />
der Pioniere, doch die Idylle trügt.<br />
Boyle gelingt es meisterhaft, in dieser<br />
grossen Saga das Schicksal dreier<br />
starker Frauen lebendig werden zu<br />
lassen.<br />
Khaled Hosseini<br />
Traumsammler<br />
Abdullah ist zehn und liebt seine<br />
kleine dreijährige Schwester Pari über<br />
alles. Die beiden leben in den erhabenen<br />
kargen Weiten Afghanistans und<br />
fürchten nur eines: den Dämon aus<br />
den fernen Bergen, der in Sturmnächten<br />
auf die Dächer der Häuser klopft<br />
und sich eines der Kinder holt. Eines<br />
Tages bringt der Vater die Geschwister<br />
auf einem Fussmarsch quer<br />
durch die Wüste nach Kabul – in der<br />
grossen Stadt sucht er nach einem<br />
besseren Leben. Doch die beiden<br />
Kinder werden getrennt ...<br />
Ein grosser Roman, dessen emotionale<br />
Intensität und Erzählkunst neue<br />
Massstäbe setzen. Fesselnder, reicher,<br />
persönlicher als je zuvor – und noch<br />
bewegender als «Drachenläufer».<br />
Irena BreŽnÁ<br />
Die undankbare<br />
Fremde<br />
Auf der Suche nach einer besseren<br />
Welt verschlägt es eine Jugendliche<br />
1968 in die Schweiz, ins Land des<br />
harten Käses. Zuhause ist da, wo<br />
man motzen darf, hier aber soll sie<br />
dankbar sein. Die neue Umgebung<br />
scheint ihr sperrig, distanziert, sie<br />
rebelliert gegen das Gastland, das<br />
sie unter seine Regeln zwingt und sie<br />
nicht sie selbst sein lässt. Aber sie<br />
trifft auch auf viele andere Gestrandete,<br />
die hoffen, etwas aus ihrem Leben<br />
machen zu können: kleine Diebe,<br />
Depressive, Schlawiner, Kriegsflüchtlinge,<br />
Ausgebeutete, Überangepasste<br />
und Naive. Und sie lernt, Exil und<br />
Fremdheit als Reichtum zu erfahren,<br />
sie wird Brückenbauerin zwischen den<br />
Kulturen.<br />
Uwe Timm<br />
Vogelweide<br />
Ein Mann hat alles verloren, seine Geliebte,<br />
seinen Beruf, seine Wohnung,<br />
er ist hoch verschuldet. Nun lebt er<br />
für eine Weile ganz allein auf einer<br />
Insel in der Elbmündung und versieht<br />
dort den Dienst als Vogelwart. Ein<br />
geradezu eremitisches Dasein, das<br />
durch einen Anruf durcheinandergewirbelt<br />
wird. Anna kündigt ihren<br />
Besuch an – jene Anna, die vor sechs<br />
Jahren vor ihm geflohen ist und zuvor<br />
sein Leben komplett aus den Angeln<br />
gehoben hatte. Während <strong>Es</strong>chenbach<br />
sich auf das Wiedersehen mit ihr<br />
vorbereitet und seinen Alltagsritualen<br />
folgt, besuchen ihn die Geister der<br />
Vergangenheit ... Uwe Timm lässt ein<br />
konturscharfes Bild unserer Gegenwart<br />
entstehen, in der die Partnerwahl<br />
einerseits von Optimierungsstrategien,<br />
andererseits von entfesselter<br />
Irrationalität geleitet wird und immer<br />
auf dem Prüfstand steht.<br />
Besuche auch unsere Coffeehouses<br />
in den Orell Füssli Buchhandlungen<br />
im Westside in Bern sowie im Kramhof<br />
und am Bellevue in Zürich.<br />
448 Seiten<br />
CHF 35.90<br />
Hanser<br />
ISBN 978-3-446-24323-1<br />
448 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
S. Fischer<br />
ISBN 978-3-10-032910-3<br />
144 Seiten<br />
CHF 14.90<br />
Kiepenheuer & Witsch<br />
ISBN 978-3-462-04591-8<br />
336 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Kiepenheuer & Witsch<br />
ISBN 978-3-462-04571-0
36 | FantastisCH! Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf FantastisCH! | 37<br />
Fantastisch!<br />
Ein Mitarbeiter von Orell Füssli präsentiert Neuerscheinungen und Geheimtipps aus dem<br />
Fantasy-Genre: Bücher für alle, die sich gern in fremde Welten entführen lassen.<br />
<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />
ist ein schräger Antiheld. Der Katzenliebhaber<br />
reist mit einem Saatschiff durch die<br />
Galaxien – das ist ein ehemaliges Kriegsschiff,<br />
mit dem einst Genproben von in<br />
Schlachten einsetzbaren Monstern eingesammelt<br />
wurden. Diese Proben sind immer<br />
noch da, Haviland Tuf nutzt sie aber,<br />
um damit Gutes zu tun – und um zum Beispiel<br />
einen Planeten von einer Riesenkraken-Plage<br />
zu befreien. <strong>Es</strong> passiert zwar<br />
ständig etwas, aber in diesem Buch geht’s<br />
nicht unbedingt um die Action. Haviland<br />
Tuf wird mit immer neuen Problemen konfrontiert,<br />
und man ist stets gespannt, wie<br />
er sie löst.<br />
«Der Schreibstil<br />
von Miles Cameron<br />
hat mich positiv<br />
überrascht. Vieles<br />
wird zwar sehr<br />
detailliert und ausführlich<br />
geschildert,<br />
aber es gibt<br />
kaum Längen.»<br />
Auf das dritte Buch, das ich vorstelle, bin<br />
ich durch den Klappentext gestossen. Dort<br />
wird eine Dystopie angekündigt, also eine<br />
Anti-Utopie. ‹Das Testament der Jessie<br />
Lamb› von Jane Rogers erzählt davon,<br />
wie ein Virus in nicht allzu ferner Zukunft<br />
dafür sorgt, dass alle schwangeren Frauen<br />
mit ihren Föten sterben – das bedeutet,<br />
dass der Menschheit das baldige Ende<br />
droht. Mir gefallen solche Endzeit-Dramen,<br />
bei denen die Autorin oder der Autor<br />
der Frage ‹Was wäre wenn› nachgeht. <strong>Es</strong><br />
macht mich oft neugierig, welche Antworten<br />
angeboten werden. Ein gutes Beispiel<br />
für diese Art von Büchern ist ‹Die Stadt der<br />
Blinden› von José Saramago. Bei Jane Rogers<br />
suchen die Forscher mit Hochdruck<br />
ein Mittel gegen den Virus. Schliesslich<br />
wird klar, dass man wenigstens den Nachwuchs<br />
retten kann, wenn sich die Frauen<br />
in ein Wachkoma versetzen lassen und am<br />
Ende ihr Leben hergeben. Die 16-jährige<br />
Protagonistin Jessie Lamb fällt den Entscheid,<br />
sich zu opfern und damit zum Weiterbestehen<br />
der Menschheit beizutragen.<br />
Ihre Eltern stehen dem völlig machtlos gegenüber.<br />
Die Diskussionen zwischen ihnen<br />
und Jessie sind spannend und clever gemacht.<br />
Das Buch eignet sich für Leserinnen, die<br />
sich mit einer 16-jährigen Hauptfigur identifizieren<br />
können. Denn es ist aus der Sicht<br />
von Jessie geschrieben, und manchmal<br />
hatte ich etwas Mühe, deren Gedankengänge<br />
nachzuvollziehen. Darüber hinaus<br />
gefällt ‹Das Testament der Jessie Lamb›<br />
sicher allen, die Dystopien mögen. Ich werde<br />
es daher jenen Kundinnen und Kunden<br />
empfehlen, die von der ‹Panem›-Trilogie<br />
angetan waren.»<br />
Marino Castelli, 28, wohnt in Ruswil<br />
und arbeitet bei Orell Füssli am Bellevue.<br />
Buchhändler wurde er, weil «ich ein leidenschaftlicher<br />
Leser bin und mein Hobby zum<br />
Beruf machen wollte». An seiner Tätigkeit<br />
schätzt er vor allem, dass er immer neue<br />
Bücher entdecken kann – auch dank<br />
der Kundinnen und Kunden, die etwas<br />
Bestimmtes suchen. Marino liest querbeet,<br />
vor allem Krimis und Fantasy-Romane.<br />
«Jetzt will ich mich aber noch stärker der<br />
Literatur widmen – und die wichtigsten<br />
Bücher der bekanntesten Autoren lesen.»<br />
Der rote<br />
Krieger<br />
Miles Cameron<br />
1166 Seiten<br />
CHF 25.90<br />
Heyne<br />
«Heute stelle ich drei Bücher vor, die zufälligerweise<br />
alle im gleichen Verlag erschienen<br />
sind – Heyne trifft offenbar meinen<br />
aktuellen Geschmack. Die dickste der drei<br />
Neuerscheinungen ist ‹Der rote Krieger›<br />
von Miles Cameron. Die Menschen leben<br />
im durch hohe Mauern geschützten Königreich<br />
Alba. Ausserhalb der Mauern befindet<br />
sich die Wildnis voller Dämonen und Drachen.<br />
Als eine Nonne in Alba bestialisch<br />
ermordet wird, macht sich Angst breit –<br />
und alle fragen sich, wie so viel Böses in<br />
den geschützten Bereich kommen konnte.<br />
Schliesslich wenden sich die Menschen an<br />
den roten Krieger. Sie trauen ihm zwar<br />
nicht richtig und er ist ihnen auch nicht<br />
wirklich sympathisch, aber der rote Krieger<br />
gilt als stark, klug und mutig. Er scheint<br />
der einzige zu sein, der diesen Mordfall<br />
aufklären kann. Bald zeigt sich, dass ein<br />
Zauberer seine dunkle Seite in Alba auslebt.<br />
Und es <strong>kommt</strong> zu überraschenden<br />
Wendungen, die ich hier nicht verraten<br />
will. <strong>Es</strong> gibt grossartige, zuweilen etwas<br />
gar blutige Schlachten, die wunderbar<br />
plastisch beschrieben sind – man <strong>kommt</strong><br />
sich vor wie im Kino. Und ich bin mir auch<br />
ziemlich sicher, dass dieses Buch irgendwann<br />
verfilmt werden wird.<br />
‹Der rote Krieger› ist High-Fantasy vom<br />
Feinsten. Man sagt ja gern, ein Buch habe<br />
einen von der ersten Seite an gepackt, aber<br />
hier war das wirklich der Fall: Ich konnte<br />
das Buch nicht mehr weglegen, kaum hatte<br />
ich mit dem Lesen begonnen. Der Schreibstil<br />
von Miles Cameron hat mich positiv<br />
überrascht. Vieles wird zwar sehr detailliert<br />
und ausführlich geschildert, aber es<br />
gibt kaum Längen, auch wenn sich die Er-<br />
eignisse erst auf den letzten 400 Seiten<br />
überstürzen. Auf dem Buch steht, es werde<br />
allen Fans von ‹Games of Thrones› empfohlen,<br />
der Kultserie von George R.R. Martin,<br />
und das kann ich als solcher nur unterschreiben<br />
– ‹Der rote Krieger› kann man<br />
jedem Martin-Fan unbesehen in die Hand<br />
legen. Das Buch wird aber auch sonst allen<br />
gefallen, die epische Fantasy-Romane<br />
schätzen. <strong>Es</strong> gibt ja viele Leute, denen kein<br />
Buch zu dick ist!<br />
Martin-Fans sind wohl auch mit meiner<br />
nächsten Empfehlung gut bedient: ‹Planetenwanderer›,<br />
ein Science-Fiction-Abenteuer<br />
des Meisters persönlich. Ich liebe<br />
Martins Charaktere und ironisch-tapferen<br />
Helden; der Engländer hat eine coole Art,<br />
seine Protagonisten lebhaft zu gestalten.<br />
Auch der Planetenwanderer Haviland Tuf<br />
Geschrieben wurde ‹Planetenwanderer›<br />
bereits in den 1980er-Jahren. Bis ich erfuhr,<br />
dass die Geschichten bereits 30 Jahre<br />
alt sind, habe ich von ihrem Alter nichts<br />
gespürt. Der Roman erschien damals in<br />
Fanzines als Fortsetzungsgeschichte; die<br />
Kapitel sind daher einzelne Episoden, die<br />
sich aber zu einem grossen Ganzen mit<br />
Anfang und Ende fügen. Dass die Episoden<br />
jetzt erstmals zusammen zwischen zwei<br />
Buchdeckeln erscheinen, hat mit dem ungeheuren<br />
Erfolg von Martins ‹Games of<br />
Thrones› zu tun. Da ich diese Serie momentan<br />
geradezu verschlinge, habe ich<br />
mir jetzt auch den ‹Planetenwanderer› zu<br />
Gemüte geführt – als allerersten Sciencefiction-Roman,<br />
den ich gelesen habe. Jedenfalls<br />
würde ich sofort wieder eine Geschichte<br />
dieses Stils lesen.<br />
Planetenwanderer<br />
George R.R.<br />
Martin<br />
511 Seiten<br />
CHF 23.90<br />
Heyne<br />
Das Testament<br />
der Jessie<br />
Lamb<br />
Jane Rogers<br />
382 Seiten<br />
CHF 23.90<br />
Heyne
38 | FantastisCH! Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf BUCHtipps | 39<br />
Junge Mitarbeitende von Orell Füssli<br />
geben weitere Tipps:<br />
Tim Lenny George,<br />
18, lebt in einem<br />
Dorf ausserhalb<br />
von Bern, hat gerade<br />
seine Buchhändler-Lehre<br />
im<br />
Zürcher Kramhof<br />
abgeschlossen<br />
und will jetzt die<br />
Berufsmatura machen.<br />
Künftig arbeitet er in der Filiale<br />
Westside in Bern. Sein Tipp: «Silber» von<br />
Kerstin Gier. «Seltsame Träume lassen Liv<br />
immer wieder aufschrecken. Sie handeln<br />
von grünen Türen, deren Türklinken aus<br />
Eidechsen bestehen, und von Jungs, die<br />
um Mitternacht Rituale auf Friedhöfen<br />
durchziehen. Wieso fühlen sich diese Träume<br />
so besonders an? Und wieso scheinen<br />
die mysteriösen Friedhofsjungen geheime<br />
Dinge über Liv zu wissen? Das ist rätselhaft<br />
– doch Rätseln konnte Liv noch nie<br />
widerstehen ... Ich habe das Buch auf<br />
Drängen einer Kollegin gelesen, die davon<br />
absolut begeistert war. Mit seinem guten<br />
Mix aus High-School-Erlebnissen und zauberhaften<br />
Traumwelten hat es auch mich<br />
restlos überzeugt. Die Hauptperson Liv ist<br />
eher Mauerblümchen als Cheerleaderin;<br />
liebenswert-tollpatschig und selbstironisch<br />
stolpert, fällt und tapst sie durch die<br />
Geschichte. Kerstin Giers Talent, mit einfacher<br />
Sprache viel Emotion und Spannung<br />
zu erzeugen, gefällt mir sehr. Vor allem der<br />
Tittle-Tattle-Blog, das schuleigene Boulevardmagazin,<br />
hat mich immer wieder zum<br />
Schmunzeln gebracht. ‹Silber› kreuzt ‹Inception›<br />
mit ‹Gossip Girl› – und eignet sich<br />
für alle Fans der ‹Edelsteintrilogie›, mit der<br />
Kerstin Gier auch schon überzeugte, sowie<br />
für die Leserschaft von ‹Panem›. Meines<br />
Erachtens ist dieser Auftakt zu einer Trilogie<br />
absolute Pflichtlektüre für Fantasy-<br />
Freundinnen und -Freunde!»<br />
Manuela Bigler,<br />
25, arbeitet in der<br />
Kinder- und Jugendbuchabteilung<br />
von Orell<br />
Füssli im Berner<br />
Einkaufszentrum<br />
Westside. Am<br />
liebsten mag sie<br />
Fantasy-Romane.<br />
«Bei diesem Genre kann ich am besten abschalten»,<br />
sagt die Bernerin. Ihr Tipp:<br />
«Mystic City» von Theo Lawrence. «Durch<br />
die Erderwärmung sind die Polkappen geschmolzen,<br />
weite Flächen der Erde sind<br />
überschwemmt. In New York leben die Reichen<br />
und Schönen glamourös hoch oben in<br />
den Wolkenkratzern, der arme Teil der Bevölkerung,<br />
vorwiegend magiebegabte Mystiker,<br />
haust unten in der fast unerträglichen<br />
Hitze der Tiefe. Mystiker sorgen<br />
durch die gesetzlich bestimmte Abschöpfung<br />
ihrer magischen Kraft für die Energieversorgung<br />
der Stadt. Aria, Tochter aus<br />
reichem Haus, hat ihr Gedächtnis verloren.<br />
Nun steht sie an ihrer eigenen Verlobungsfeier<br />
und kennt ihren Verlobten nicht mehr.<br />
Aber sie muss ihn sehr geliebt haben –<br />
denn sie wollte für ihn alles aufgeben und<br />
mit ihm in die Tiefe fliehen. Als Aria auf der<br />
Suche nach des Rätsels Lösung nach unten<br />
geht und den gut aussehenden Mystiker<br />
Hunter trifft, fühlt sie sich zu ihm hingezogen.<br />
Auf ihrer Suche stösst sie auf immer<br />
mehr Geheimnisse und Intrigen ... Eines<br />
der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen<br />
habe. Die Zutaten sind so einfach wie<br />
genial: eine Romanze à la Romeo und Julia,<br />
gepaart mit einer sich stetig steigernden<br />
Spannung. Klar, die Geschichte ist oft vorhersehbar,<br />
aber die wenigen Überraschungen<br />
sorgen dafür, dass der Spannungsbogen<br />
niemals abflaut. Spannend wie ein<br />
Thriller, bildgewaltig wie ein Film und<br />
kämpferisch wie ‹Panem›.»<br />
Angelina Rubli,<br />
28, ist im Kanton<br />
Schaffhausen aufgewachsen,<br />
wohnt<br />
in Dachsen und<br />
arbeitet bei Orell<br />
Füssli am Bellevue<br />
in der Kinder- und<br />
Jugendbuchabteilung,<br />
weil «ich das<br />
die spannendste Literatur finde – sie ist extrem<br />
vielseitig, jeden Monat gibt es neue Strömungen».<br />
Angelina liest etwa drei bis vier<br />
Bücher pro Woche. Ihr Tipp: «Bitterzart»<br />
von Gabrielle Zevin. «New York im Jahr<br />
2083. Anya Balanchine ist die Tochter des<br />
Mafiabosses, der in der zu dieser Zeit verbotenen<br />
Schokoladenproduktion tätig ist. Der<br />
Boss wird allerdings ermordet, und nun<br />
stellt sich die Frage nach seiner Nachfolge.<br />
Anya verliebt sich in Win, den Sohn des<br />
Oberstaatsanwalts, doch den beiden ist vorerst<br />
kein Glück beschieden: Unwillentlich<br />
verabreicht Anya nämlich ihrem ehemaligen<br />
Freund Gable eine vergiftete Schokolade, die<br />
Polizei ermittelt, und Anya wird in ein Mädchengefängnis<br />
gesteckt. Der Vater von Win<br />
haut sie zwar raus und kann auch ihre Unschuld<br />
beweisen, doch er verbietet seinem<br />
Sohn, mit dieser Tochter eines Mafiabosses<br />
weiterhin Kontakt zu haben. Werden sich die<br />
Verliebten über dieses Verbot hinwegsetzen?<br />
Wer übernimmt die Familiengeschäfte der<br />
Balanchine? Ich fand die Geschichte super.<br />
Sie ist so süss wie Schokolade und so herb<br />
wie ein guter Whiskey, der in der Geschichte<br />
ebenfalls verboten ist. Empfehlen würde ich<br />
‹Bitterzart› vor allem Mädchen, die gern Romane<br />
voller erstaunlicher Wendungen lesen<br />
und unübliche Liebesgeschichten mit starken<br />
Protagonistinnen sowie süssen Söhnen<br />
von Oberstaatsanwälten schätzen. Wer diese<br />
Geschichte mag, kann sich das Warten auf<br />
die Fortsetzung mit der ‹Arkadien-Trilogie›<br />
von Kay Meyer verkürzen.»<br />
Gillian Flynn<br />
Gone Girl – Das<br />
perfekte Opfer<br />
«‹Was denkst du gerade, Amy?› Das<br />
habe ich sie oft gefragt. Was denkst<br />
du? Wie geht es dir? Wer bist du?<br />
Wie gut kennt man eigentlich den<br />
Menschen, den man liebt?» Genau<br />
das fragt sich Nick Dunne am sonnigen<br />
Morgen seines fünften Hochzeitstags.<br />
An diesem Morgen verschwindet<br />
seine Frau Amy spurlos. Die<br />
Polizei verdächtigt Nick sofort. Amys<br />
Freunde berichten, dass sie Angst<br />
vor ihm hatte. Auf der Festplatte<br />
seines Computers entdeckt die Polizei<br />
merkwürdige E-Mails. Ausserdem hat<br />
Nick Amys Geld verwendet, um sein<br />
Geschäft aufzubauen – und nebenbei<br />
ihre Lebensversicherung erhöht. Aber<br />
vielleicht ist ja auch alles gar nicht<br />
so, wie es scheint. Was geschah mit<br />
Nicks wunderbarer Frau Amy?<br />
Nora Roberts<br />
Sommerflammen<br />
Liebe ist Spannung pur: der neue<br />
Roman von Nora Roberts erstmals<br />
im Taschenbuch!<br />
Rowan liebt die Gefahr. Wann immer<br />
die Feuerspringerin zu einem Einsatz<br />
mit Fallschirmen gerufen wird, um die<br />
tödlichen Flammen in den Wäldern<br />
Montanas zu bekämpfen, riskiert sie<br />
ihr Leben. Doch dann stirbt ihr Kollege<br />
Jim bei einem Einsatz. War Rowan<br />
wirklich machtlos, wie der attraktive<br />
Gull ihr immer wieder versichert? Fast<br />
ist sie bereit, sich Gulls Fürsorge hinzugeben,<br />
als kurz hintereinander zwei<br />
verkohlte Leichen gefunden werden.<br />
Der Verdacht fällt auf Rowan. Wird<br />
sie ihre Unschuld beweisen und Gull<br />
je vertrauen können?<br />
Tom clancy<br />
Gegen alle<br />
Feinde<br />
Eine neue Bedrohung. Ein neuer Held.<br />
Ein neuer Tom Clancy.<br />
Seit Jahren tobt der Konflikt im<br />
Mittleren Osten. Nun sieht es danach<br />
aus, als dass sich der Kriegsschauplatz<br />
verlagert hätte. Die Taliban bedienen<br />
sich für ihre Machenschaften eines<br />
mexikanischen Drogenkartells und<br />
tragen den Kampf ins Heimatland des<br />
Erzfeinds: in die Vereinigten Staaten<br />
von Amerika. Tom Clancy, der Meister<br />
des internationalen Politthrillers,<br />
stellt uns seinen neuen Helden vor:<br />
Ex-Navy-SEAL Max Moore. Und<br />
dieser steht allein gegen alle Feinde.<br />
Karin Slaughter<br />
Tote Augen<br />
Dr. Sara Linton, Krankenhausärztin in<br />
Atlanta, Georgia, will ihr Leben neu<br />
ordnen. Doch als es zu einer Reihe<br />
grausamer Folterungen und Morde<br />
<strong>kommt</strong>, kann die ehemalige Rechtsmedizinerin<br />
aus Grant County nicht<br />
tatenlos zusehen. Sie schaltet sich in<br />
die Ermittlungen von Will Trent und<br />
Faith Mitchell vom Georgia Bureau<br />
of Investigation ein – auch wenn die<br />
Ereignisse schmerzhafte Erinnerungen<br />
in ihr wecken, die sie eigentlich hinter<br />
sich lassen wollte. Die Ermittlerin<br />
Faith Mitchell hat neben dem Fall<br />
noch ganz private Probleme, die sie in<br />
den Griff bekommen muss. Der Täter<br />
nimmt darauf aber keine Rücksicht<br />
und mordet einfach weiter ...<br />
Silber<br />
Kerstin Gier<br />
410 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Fischer FJB<br />
Mystic City 01.<br />
Das gefangene Herz<br />
Theo Lawrence<br />
410 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Ravensburger<br />
Bitterzart<br />
Gabrielle Zevin<br />
540 Seiten<br />
CHF 26.90<br />
Fischer FJB<br />
576 Seiten<br />
CHF 27.90<br />
FISCHER Scherz<br />
ISBN 978-3-502-10222-9<br />
623 Seiten<br />
CHF 15.90<br />
Diana<br />
ISBN 978-3-453-35740-2<br />
864 Seiten<br />
CHF 15.90<br />
Heyne<br />
ISBN 978-3-453-43719-7<br />
587 Seiten<br />
CHF 15.90<br />
Blanvalet<br />
ISBN 978-3-442-37478-6
40 | im schaufenster Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf im sCHaufenster | 41<br />
Ein reicher Schatz<br />
an Leben<br />
Mit «Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer» liefert Alex<br />
Capus einen weiteren Beleg seiner stupenden Erzählkunst.<br />
<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />
Marco Grob<br />
ausgeprägtem Gespür für aussagekräftige<br />
Details. Und ähnlich wie bei «Leon und<br />
Louise» schöpft Capus auch beim neuen<br />
Roman aus tatsächlichen Geschehnissen –<br />
die drei Personen, die im Titel genannt<br />
werden, haben alle gelebt. Der Fälscher ist<br />
Emile Gilliéron, der 1851 in Villeneuve am<br />
Genfersee zur Welt kam, mit dem Archäologen<br />
Heinrich Schliemann nach Griechenland<br />
ging und sich dort als «Restaurator»<br />
betätigte – Gilliéron gestaltete die Fantasien<br />
seiner Auftraggeber, schuf Fresken oder<br />
entwarf anhand einzelner Fundstücke<br />
grandiose Altertümer, die es so wohl nie<br />
gab. «Steht man vor dem Palast von Knossos,<br />
an dem Gilliéron arbeitete, fühlt man<br />
sich irgendwie an Art déco erinnert», erzählt<br />
Capus. «Kein Wunder: Das ist Art<br />
déco! Gilliéron und später auch sein Sohn<br />
prägten mit ihrem Stil unsere Vorstellung<br />
vom alten Griechenland, sie erfanden eine<br />
ganze Hochkultur – und das ist eine Leistung,<br />
die Respekt verdient.»<br />
Recherchiert in den USA<br />
Bei der Spionin im Buch handelt es sich um<br />
Laura d’Oriano, Tochter von Musikanten,<br />
die im osmanischen Reich herumtingelten<br />
dessen Heimatdorf Bottighofen zog. Weil<br />
ihr der Thurgau zu eng war, flüchtete Laura<br />
nach kurzer Zeit wieder zurück ans Mittelmeer,<br />
wo sie durch Zufall Spionin für die<br />
Alliierten wurde. Doch lange dauerte ihr<br />
Leben als Mata Hari nicht – 1943 kam ihr<br />
die zweifelhafte Ehre zu, als einzige Frau<br />
im Königreich Italien hingerichtet zu werden.<br />
«Ich las alle Verhörprotokolle», erzählt<br />
Capus, «eine sehr reiche Quelle! Leider<br />
schickte mir das Archiv in Rom Scans<br />
aller Protokolle auf einer CD, so dass sich<br />
meine geplante Italienreise erübrigte.»<br />
Trotzdem konnte Capus für sein neues<br />
Buch ins Ausland reisen: In den USA recherchierte<br />
er über seine dritte Figur, den<br />
Bombenbauer. Dabei handelt es sich um<br />
den Zürcher Felix Bloch, der 1951 den Nobelpreis<br />
für Physik gewann. Die Gräuel des<br />
Ersten Weltkriegs stiessen Bloch als jungen<br />
Mann derart ab, dass er eine Tätigkeit<br />
suchte, die sich mit Sicherheit nie für den<br />
Krieg verwenden liesse. Er glaube, sie bei<br />
der jungen Quantenphysik gefunden zu haben<br />
– am Ende landete er aber dennoch<br />
beim Manhattan-Projekt, das die erste<br />
Atombombe hervorbrachte. «Bloch steckte<br />
in einem ethischen Dilemma», sagt Alex<br />
Capus: «Sollte er helfen, die schlimmste<br />
Waffe zu bauen, um damit den Holocaust<br />
zu stoppen? Immerhin gehörte er dann<br />
aber zu den wenigen Leuten, die aus dem<br />
Manhattan-Projekt ausstiegen.»<br />
Begegnung wäre denkbar gewesen<br />
Der neue Roman handelt also von drei Leben<br />
und hat drei Handlungsfäden. Was haben<br />
die drei Figuren miteinander zu tun?<br />
Zur Antwort erzählt Alex Capus aus seiner<br />
Kindheit in Olten. «Ich sass oft am Bahnhof<br />
und beobachtete die Leute; es gefällt mir<br />
immer noch, einfach dort zu sitzen und<br />
diesen reichen Schatz an Leben an mir<br />
vorbeiziehen zu lassen. <strong>Es</strong> hat mich immer<br />
beeindruckt, wie viele Menschen meinen<br />
Lebensweg kreuzen, ohne dass wir voneinander<br />
Notiz nehmen – und als Kind stellte<br />
ich mir manchmal vor, wie es wäre, einfach<br />
einmal mit Leuten mitzugehen und sie<br />
durchs Leben zu begleiten.» Mit dem neuen<br />
Buch richtet er jetzt den Fokus auf drei<br />
Leute, deren Wege sich vielleicht auch einmal<br />
kreuzten – 1924 am Bahnhof in Zürich.<br />
«Eine Begegnung wäre zumindest<br />
möglich gewesen», sagt der Autor. «Ich<br />
halte allerdings schon ganz am Anfang des<br />
Buchs fest, dass die drei Handlungsstränge<br />
nicht zusammenkommen werden.» Dennoch<br />
bleiben die drei Hauptfiguren miteinander<br />
verbunden: «Am Ende dreht sich<br />
alles um die Frage, ob man seine Lebensträume<br />
und Ideale verwirklichen<br />
kann oder nicht. Der eine ist Künstler und<br />
will es nicht sein. Die andere will Künstlerin<br />
sein und ist es nicht. Der Dritte will einer<br />
Sache ausweichen und gerät dann<br />
doch in sie hinein. Ich selber bin jetzt 52<br />
Jahre alt, und in diesem Alter stellt man<br />
sich natürlich gewisse Fragen: Hat man<br />
wirklich die Begabung, das zu tun, was<br />
man gern macht? Tut man das Richtige?»<br />
Als Leser glaubt man im Fall von Alex Capus<br />
die Antwort zu kennen: Als Schriftsteller<br />
ist er am richtigen Platz.<br />
Der Fälscher, die Spionin<br />
und der Bombenbauer<br />
272 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Hanser<br />
Das letzte Buch von Alex Capus, der Roman<br />
«Leon und Louise», war ein Knüller: Die<br />
Kritik überschlug sich fast vor Euphorie,<br />
und die Verkaufszahlen schossen sozusagen<br />
durch die Decke des Buchhandels. Die<br />
zarte, zwei ganze Menschenleben dauernde<br />
Liebesgeschichte von Leon und Louise,<br />
die vor dem Hintergrund eines schrecklichen<br />
europäischen Jahrhunderts spielt,<br />
sprach offenbar ein sehr breites Publikum<br />
an. «Nach einem solchen Buch ein neues<br />
Projekt an die Hand zu nehmen, ist nicht<br />
leicht», gibt Alex Capus unumwunden zu.<br />
Kein Schriftsteller möchte schliesslich zu<br />
hören bekommen, sein letztes Buch habe<br />
besser gefallen – daher ist auch die Versuchung<br />
gross, ein Erfolgskonzept wieder<br />
und wieder zu kopieren. Alex Capus ist dieser<br />
Versuchung zum Glück nicht erlegen:<br />
Sein neuestes Buch «Der Fälscher, die Spionin<br />
und der Bombenbauer» – nach seiner<br />
Aussage sein ungefähr fünfzehntes – ist in<br />
vielerlei Hinsicht ganz anders als «Leon<br />
und Louise».<br />
Beschreibungen, die haften bleiben<br />
Parallelen gibt es natürlich schon: Auch<br />
mit dem neuen Buch zeigt Alex Capus,<br />
welch hervorragender Schriftsteller er ist.<br />
Müsste man diesen Text kürzen, würde<br />
man wohl scheitern – jedes Wort sitzt, die<br />
Sprache scheint so ideal gemeisselt wie<br />
eine Statue von Praxiteles. Nie spürt man<br />
schriftstellerische Koketterie, alles fliesst<br />
ganz wunderbar. Und immer wieder stösst<br />
man auf kurze Beschreibungen, die haften<br />
bleiben; Capus erweist sich in diesen Passagen<br />
als aufmerksamer Beobachter mit<br />
Alex Capus<br />
ml. Alex Capus kam 1961 in der Normandie<br />
als Sohn eines Franzosen und<br />
einer Schweizerin zur Welt. Die ersten<br />
fünf Lebensjahre verbrachte er bei seinem<br />
Grossvater in Paris. Dann zog er mit seiner<br />
Mutter nach Olten. Er studierte Geschichte,<br />
Philosophie und Ethnologie in Basel<br />
und arbeitete als Journalist und Redakteur<br />
bei verschiedenen Tageszeitungen sowie<br />
bei der Schweizer Depeschenagentur.<br />
Sein erster Erzählband erschien 1994:<br />
«Diese verfluchte Schwerkraft». Seither<br />
hat er rund ein Dutzend weiterer Bücher<br />
publiziert, die in viele Sprachen übersetzt<br />
wurden und zahlreiche Preise gewannen.<br />
Oft verbindet Capus in seinen Werken<br />
sorgfältig recherchierte Fakten mit fiktiven<br />
Erzählebenen; einige seiner Publikationen<br />
sind Sammlungen literarischer Porträts<br />
und historischer Miniaturen. Einen Namen<br />
gemacht hat sich Capus auch als Übersetzer<br />
der Romane von John Fante und John<br />
Kennedy Toole.<br />
Alex Capus lebt noch immer in Olten.<br />
Dort besitzt er mit dem «Flügelrad» auch<br />
eine eigene Beiz – gemeinsam mit seinem<br />
Schriftstellerfreund Pedro Lenz («Der<br />
Goalie bin ig»). Capus ist verheiratet und<br />
Vater von fünf Kindern.<br />
und schliesslich in Südfrankreich sesshaft<br />
wurden. Laura wollte Sängerin werden,<br />
war aber nicht gut genug. Vom Studium in<br />
Paris nach Südfrankreich zurückgekehrt,<br />
lernte sie einen Schweizer kennen, mit<br />
dem sie während der Wirtschaftskrise in<br />
512 Seiten, Leinen, sFr 32.90*<br />
Ein junges marokkanisches Fußballteam<br />
hält Amsterdam in Atem. Ein dubioser<br />
jüdischer Geschäftsmann entdeckt plötzlich<br />
sein gutes Herz. Väter und Söhne<br />
finden schicksalhaft zueinander, eine alte<br />
Liebesgeschichte flackert wieder auf…<br />
Der neue atemberaubende Thriller von<br />
Leon de Winter!<br />
Neue Bücher bei Diogenes<br />
352 Seiten, Leinen, sFr 32.90* 336 Seiten, Leinen, sFr 32.90*<br />
»Kein Schriftsteller, der bei Trost ist,<br />
schreibt eine Autobiographie«, lautet der<br />
erste Satz. Urs Widmer hat die eigene<br />
Warnung in den Wind geschlagen und<br />
ein großartiges Erinnerungsbuch verfasst.<br />
Eine persönliche Geschichte aus<br />
den für die Weltgeschichte so entscheidenden<br />
Jahren 1938 – 1968.<br />
Eine Prinzessin von Sansibar, die mit<br />
einem Hamburger Kaufmann durchbrennt.<br />
Mit dieser verbotenen Liebe<br />
beginnt die spannende Saga einer westöstlichen<br />
Familie zwischen Europa und<br />
der arabischen Welt. Ein historischer<br />
Roman nach der wahren Geschichte von<br />
Emily Ruete.<br />
*unverbindliche Preisempfehlung
42 | Kinderwelt Books Nr. 3/2013<br />
Alle Bücher finden Sie auch auf Kinderwelt | 43<br />
© Beltz & Gelberg<br />
Zum Lachen!<br />
Kinder sind fröhliche Wesen – deshalb gibt es für sie auch viele ausnehmend humorvolle<br />
Bücher. Unsere Fachfrau für Kinderbücher hat einige der witzigsten Neuerscheinungen aus<br />
dem Regal gezupft.<br />
<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />
«Als Buchhändlerin und Mutter weiss ich,<br />
wie sehr Kinder und Jugendliche lustige<br />
Bücher mögen. Und ich bewundere oft, mit<br />
wie viel Humor gute Autorinnen und Autoren<br />
auch ernsthafte Themen behandeln<br />
können. Meine erste Empfehlung ist allerdings<br />
ein reiner Spass: ‹Pollys Piratenparty›<br />
des Hamburger Illustrators Matthias<br />
Weinert. Dieses comicartige Bilderbuch<br />
hat so viel Atmosphäre! <strong>Es</strong> erzählt von einer<br />
Gruppe von Piraten, die von der kleinen<br />
Polly zu einer Geburtstagsparty eingeladen<br />
werden – und die sich jetzt riesig auf<br />
den Kuchen freuen. Doch Fred, der Bordkakadu,<br />
wird zum Spielverderber. ‹Kein<br />
Bad, kein Kuchen›, sagt er. Also baden die<br />
Piraten. Doch das reicht Fred nicht. ‹Kein<br />
Schick, kein Kuchen›, ‹Kein Geschenk, kein<br />
Kuchen› – so geht es ständig weiter. Als die<br />
Piraten dann geschniegelt und mit einer<br />
schön eingepackten Puppe bei Polly eintreffen,<br />
ist das Mädchen ausser sich: <strong>Es</strong><br />
wollte mit einem Haufen Piraten feiern und<br />
nicht mit diesen sauberen Herren! Im Moment<br />
muss ich dieses Buch meinem dreijährigen<br />
Bub jeden Abend erzählen. Ihm<br />
gefällt besonders, wie entsetzt die Piraten<br />
darüber sind, dass sie baden müssen. Und<br />
natürlich liebt er, wie Fred am Schluss an<br />
den Masten gefesselt wird.<br />
‹Pollys Piratenparty› ist das Lieblingsbuch<br />
meines Sohns – meine eigene Lieblings-<br />
Neuerscheinung ist ‹Familie Grunz hat<br />
Ärger› von Philip Ardagh, übersetzt von<br />
Harry Rowohlt und illustriert von Axel<br />
Scheffler. Vater und Mutter Grunz sind<br />
zwei stinkende, streitsüchtige, betrügerische<br />
Ekelpakete, die einem sofort ans Herz<br />
wachsen. Zusammen mit ihrem Sohnemann<br />
– der aber gar nicht ihr richtiger<br />
Sohn ist – machen sie sich in einem Wohnwagen<br />
auf den Weg, einen Elefanten zu<br />
kaufen. Unterwegs begegnen sie den seltsamsten<br />
Gestalten. Zum Beispiel einem<br />
Mann, der in einer grossen Gummitomate<br />
lebt. Oder dem Herrn Schlecht, der einen<br />
gierigen Grossgrundbesitzer namens von<br />
Guuth bekämpft. Die Geschichte führt zu<br />
einem regelrechten Showdown, bei dem<br />
Solche Piraten will Polly im<br />
Buch von Matthias Weinert an<br />
ihrer Geburtstagsparty sehen.<br />
alle Handlungsfäden zusammenkommen –<br />
für jedes skurrile Element und jede Figur<br />
gibt es dann eine Erklärung. Dieses Buch<br />
ist spannend, witzig, liebenswert, humorvoll,<br />
da steckt einfach alles drin. Man kann<br />
es Kindern ab dem Kindergartenalter vorlesen.<br />
Oder es gleich selber verschlingen.<br />
Auch das nächste Buch ist ein Volltreffer:<br />
‹Pow!› von Michael Fry. Ein gutes Beispiel<br />
dafür, wie humorvoll man ein eigentlich<br />
ernstes Thema behandeln kann – vor allem,<br />
wenn man Engländer ist. ‹Pow!› gefällt sicher<br />
allen ‹Greg›-Lesern, denn es ist comicund<br />
tagebuchartig gestaltet. Hauptfigur ist<br />
der elfjährige Paul, der leider viel zu klein<br />
ist für sein Alter. Er wird ständig von Roy<br />
gehänselt und jeden Morgen ins Schliessfach<br />
gesteckt. Irgendwann beschliesst die<br />
Schulpsychologin, Paul zusammen mit der<br />
Bohnenstange Molly und dem Nerd Karl in<br />
eine Bande zu stecken – in der Überzeugung:<br />
Halten die Unbeliebtesten zusammen,<br />
werden sie stärker. Die drei bekommen<br />
den Wachdienst übertragen. Vor allem<br />
© NordSüd<br />
Im Buch von Autor Philip Ardagh und lllustrator<br />
Axel Scheffler hat die Familie Grunz tatsächlich<br />
viel Ärger!<br />
aber beschliessen sie, Roy auf eigene Faust<br />
das Handwerk zu legen ... An diesem Buch<br />
gefällt mir besonders, dass der Autor seine<br />
Figuren nicht schwarz-weiss gestaltet. Roy<br />
ist nicht einfach böse, sondern er hat einen<br />
Grund, warum er sich so verhält. Darüber<br />
hinaus ist das Buch aber einfach umwerfend<br />
komisch.<br />
Dasselbe lässt sich auch von der nächsten<br />
Neuerscheinung sagen: ‹Amanda Babbel<br />
und die platzende Paula› von Kjartan Poskitt.<br />
In der Schulklasse von Amanda war in<br />
diesem Jahr noch niemand krank, und die<br />
Lehrerin verspricht: Wenn ihr das bis Ende<br />
Jahr durchhaltet, gehen wir zur Belohnung<br />
ins Mumienmuseum. Darauf freut sich die<br />
ganze Klasse. Doch eines Abends überes-<br />
Testleserinnen und Testleser von 8 bis 12 gesucht!<br />
Niemand weiss besser, was jungen Lesern gefällt, als die jungen Leser selbst. Deshalb<br />
sucht Orell Füssli gemeinsam mit dem Kindermagazin «Spick» Buben und Mädchen<br />
für die Testleser-Gruppe. Sie dürfen während eines halben Jahrs bei uns so viele<br />
druckfrische Bücher ausleihen, wie sie möchten. Zu jedem Buch schreiben sie eine<br />
kurze Besprechung, die dann – zusammen mit einem Porträtbild – in den Buchhandlungen<br />
und im «Spick» veröffentlicht wird.<br />
Sich für die Testlese-Gruppe zu bewerben, ist ganz einfach: Bist du zwischen 8 und<br />
12 Jahre alt, schickst du uns bitte ein Foto von dir und eine kurze Besprechung deines<br />
Lieblingsbuchs. Bitte sag uns in fünf Sätzen, worum es im Buch geht, was dir daran<br />
gefallen hat und wem du dieses Buch empfiehlst. Foto und Besprechung – sowie deine<br />
Adresse – kannst du uns per E-Mail oder Post schicken:<br />
isabel.hammer@books.ch<br />
Orell Füssli Buchhandlung, Kramhof, Füsslistrasse 4, 8001 Zürich<br />
sen sich Amanda und zwei ihrer<br />
Freundinnen an einer Pizza. Paula<br />
geht es tags darauf hundsmiserabel,<br />
und sie kann nicht zur Schule<br />
gehen. Amanda und ihre Freundin<br />
bauen darauf eine Paula aus Ballonen,<br />
damit niemand merkt, dass<br />
die echte Paula gar nicht da ist.<br />
Und diese Ballon-Paula, die nicht<br />
platzen darf, schleppen die Mädchen<br />
nun von einer Lektion zur<br />
nächsten ... Diese grandiose Ausgangslage<br />
nutzt Kjartan Poskitt für<br />
geniale Szenen und Dialoge. Ein<br />
Jugendbuch mit so originellen<br />
Ideen habe ich noch nie gelesen –<br />
es ist einfach total unterhaltsam<br />
und eignet sich vor allem für Mädchen<br />
ab etwa 10 Jahren.<br />
Auch das nächste Buch richtet sich wohl<br />
eher an Leserinnen: ‹Widerspruch zwecklos<br />
oder Wie man eine polnische Mutter<br />
überlebt› von Emmy Abrahamson. Grandios<br />
witzig! In erster Linie geht es um eine<br />
Mutter-Tochter-Beziehung, der Vater arbeitet<br />
gerade irgendwo in Amerika. Dass<br />
die Mutter aus Polen stammt, spielt keine<br />
Rolle – sie ist einfach eine Frau, die in<br />
schwierigen Zeiten aufgewachsen, supersparsam<br />
und eigentlich total schräg ist.<br />
Tochter Alicja ist aber selber megaschräg.<br />
Sie gerät ständig in superpeinliche Situationen,<br />
in die sie oft von ihrer Mutter getrieben<br />
wurde; einmal muss Alicja ihre Cousine<br />
zum Papstbesuch begleiten, und da geht<br />
alles schief. Trotzdem halten Mutter und<br />
Tochter am Ende eisern zusammen – denn<br />
man kann natürlich nur so schön streiten<br />
wie Alicja und ihre polnische Mutter, wenn<br />
man einander wirklich liebt.»<br />
Nicole Stäuble, 40, ist Buchhändlerin bei<br />
Orell Füssli in Frauenfeld; sie hat einen<br />
dreijährigen Sohn. «Ich machte bereits<br />
meine Lehre zur Buchhändlerin bei Orell<br />
Füssli», erzählt sie. Schon in der Lehre<br />
seien Kinder- und Jugendbücher für sie das<br />
Grösste gewesen, denn «dieser Bereich<br />
ist so vielseitig – und fast so etwas wie<br />
eine Buchhandlung in der Buchhandlung!»<br />
Ausserdem könne man die Kundinnen<br />
und Kunden, die Kinderbücher suchten,<br />
richtig beraten: «Die meisten Leute sind<br />
dankbar für Empfehlungen, weil sie sich<br />
mit den Neuerscheinungen nicht so gut<br />
auskennen.»<br />
Pollys Piratenparty<br />
Matthias Weinert<br />
32 Seiten<br />
CHF 23.90<br />
NordSüd<br />
Familie Grunz hat<br />
Ärger<br />
Philip Ardagh, Axel<br />
Scheffler (Illustrationen)<br />
240 Seiten<br />
CHF 19.90<br />
Beltz & Gelberg<br />
Pow!<br />
Michael Fry<br />
240 Seiten<br />
CHF 19.90<br />
Dressler<br />
Amanda Babbel<br />
und die platzende<br />
Paula<br />
Kjartan Poskitt,<br />
David Tazzyman<br />
(Illustrationen)<br />
208 Seiten<br />
CHF 21.90<br />
Sauerländer<br />
Widerspruch<br />
zwecklos oder Wie<br />
man eine polnische<br />
Mutter überlebt<br />
Emmy Abrahamson<br />
214 Seiten<br />
CHF 19.90<br />
dtv
44 | BuCHtipps Books Nr. 3/2013<br />
Alle Bücher finden Sie auch auf Mein Buch | 45<br />
Marisha Pessl<br />
Die amerikanische<br />
Nacht<br />
Ashley ist tot – gerade einmal 24 Jahre<br />
alt, eine Leiche in einer verlassenen<br />
Lagerhalle Manhattans. Tief unten im<br />
Schacht leuchtet rot ihr Mantel. Ein<br />
Unfall? Oder Selbstmord? Und was<br />
hat Cordova, der übermächtige Vater<br />
und besessene Filmemacher, mit<br />
ihrem Tod zu tun? Der Schlüssel zum<br />
Geheimnis liegt in seinen magischen<br />
Filmen, die nach und nach zu einer<br />
Wirklichkeit werden, aus der es kein<br />
Entkommen gibt. «Die alltägliche<br />
Physik des Unglücks» machte Marisha<br />
Pessl 2006 weltberühmt – jetzt kehrt<br />
die New Yorkerin mit einem donnernden<br />
Paukenschlag zurück.<br />
Milena Moser<br />
Das wahre<br />
Leben<br />
Zwei Frauen in der Mitte ihres<br />
Lebens, beide in der Krise: Nevada<br />
ist krank und lernt gerade damit<br />
umzugehen. Immer noch unterrichtet<br />
sie Yoga, und das so erfolgreich, dass<br />
ihr eine Klasse mit schwierigen, absturzgefährdeten<br />
Mädchen anvertraut<br />
wird. Erika dagegen beschliesst, angesichts<br />
ihres Versagens als Mutter und<br />
Ehefrau das zu tun, was ihr niemand<br />
zutraut: Sie verlässt ihr luxuriöses Zuhause<br />
am Zürichberg und zieht in eine<br />
heruntergekommene Vorstadtsiedlung.<br />
Dort lernt sie Nevada kennen,<br />
die sich unverhofft verliebt.<br />
Mit Witz, Verve und voller Zuneigung<br />
lockt Moser ihre Figuren durch<br />
existentielle Höhen und Tiefen. Eine<br />
intensive Liebesgeschichte rund um<br />
Schmerz, Krankheit und Trennung.<br />
Ka Hancock<br />
Tanz auf Glas<br />
Vielleicht hätten Lucy Houston und<br />
Mickey Chandler sich nie verlieben<br />
dürfen. Und erst recht nicht heiraten<br />
sollen. Denn beide haben ein<br />
schweres Schicksal zu tragen. Doch<br />
die Liebe geht ihre eigenen Wege,<br />
und so führen Lucy und Mickey<br />
eine ungewöhnliche, aber glückliche<br />
Ehe. Als ihr Leben eine dramatische<br />
Wendung nimmt, wird die Kraft ihrer<br />
Gefühle jedoch einer harten Prüfung<br />
unterzogen.<br />
Nicholas Sparks<br />
Mein Weg zu dir<br />
Mit 17 verlieben sich Dawson und<br />
Amanda ineinander. Sie werden ein<br />
Paar – obwohl ihre Familien nicht<br />
unterschiedlicher sein könnten und<br />
die Beziehung nach Kräften bekämpfen.<br />
Ein Jahr lang hält die Liebe, dann<br />
trennen widrige Umstände und ein<br />
Schicksalsschlag die beiden. Erst als<br />
25 Jahre später ein gemeinsamer<br />
Freund stirbt, sehen sich Dawson und<br />
Amanda wieder. Erneut sind sie von<br />
den Gefühlen füreinander überwältigt,<br />
aber mit beiden hat es das Leben<br />
nicht nur gut gemeint. Sie haben wichtige<br />
Entscheidungen getroffen, die sie<br />
nachträglich bereuen. Kann ihre Liebe,<br />
die schon einmal ihr Leben verändert<br />
hat, die Vergangenheit überwinden<br />
und die Zukunft von Dawson und<br />
Amanda prägen?<br />
Nur noch schnell<br />
ein Buch kaufen<br />
Wir möchten von Orell-Füssli-Kundinnen und -Kunden wissen: Welches ist<br />
Ihr liebstes Buch? Heute antwortet Fabienne Dirbach aus Zürich.<br />
Erik Brühlmann<br />
Ferienzeit – Lesezeit! Das gilt auch für die<br />
15-jährige Fabienne Dirbach, die sich zusammen<br />
mit ihrer Mutter in der Orell Füssli<br />
Filiale am Flughafen Zürich mit Ferienlektüre<br />
eindeckt. «In letzter Zeit bin ich<br />
ziemlich oft hier, da wir öfter mal fliegen»,<br />
sagt sie. Diesmal geht es erst nach London,<br />
dann nach Schweden und Finnland. «Und<br />
bald reisen wir sogar nach Japan!», freut<br />
sich die Schülerin.<br />
Fabienne Dirbach liest viel, zum Teil natürlich<br />
gezwungenermassen die Pflichtlektüre<br />
in der Schule. «In meiner Freizeit mag ich<br />
lieber Krimis und Fantasy-Geschichten<br />
wie die ‹Panem›-Saga.» Allzu viele Bücher<br />
stehen trotzdem nicht bei ihr zu Hause –<br />
vielleicht, weil sie E-Books vorzieht? «Nein,<br />
denn vom Lesen von E-Books bekomme<br />
ich Kopfschmerzen», erzählt sie. Vielmehr<br />
sei es so, dass sie Bücher häufig aus der<br />
Bibliothek hole oder dass sie mit ihren Kameradinnen<br />
und Kameraden Bücher austausche.<br />
«Mal hat jemand dieses Buch, ein<br />
anderer jene Trilogie – so hat man immer<br />
Lesestoff.» Apropos Trilogie: Fantasy-Autoren<br />
haben ja einen Hang, ihre Serien ins<br />
Unendliche fortzusetzen ... «Und meist folge<br />
ich den Serien auch bis zum Schluss»,<br />
sagt Fabienne. An eine Serie könne sie sich<br />
allerdings erinnern, bei der sie vorzeitig<br />
aufgab. «Da habe ich nach dem fünften<br />
Band aufgehört, weil es irgendwie immer<br />
dasselbe war.»<br />
Für unsere Rubrik empfiehlt Fabienne Dirbach<br />
den Krimi «Flavia de Luce – Mord im<br />
Gurkenbeet» von Alan Bradley. «Ich habe<br />
das Buch vor ein oder zwei Jahren gelesen,<br />
und die Geschichte ist mir einfach geblieben<br />
– nicht nur, weil meine Cousine auch<br />
Flavia heisst!» In der Geschichte, die mit<br />
dem renommierten «Dagger Award» ausgezeichnet<br />
wurde, geht es um ein Mädchen,<br />
das eines Morgens im Gurkenbeet<br />
eine Leiche findet. Verdächtigt wird Flavias<br />
Vater, der sich am Vortag mit dem Verstorbenen<br />
gestritten hat. Flavia macht sich auf<br />
die Suche nach dem wahren Mörder. «Gefallen<br />
hat mir, wie Flavia mit der Wissenschaft,<br />
vor allem mit Chemie, arbeitet, um<br />
den Fall zu lösen», sagt Fabienne. «Und<br />
dass Flavia eine Giftmischerin ist, die ihren<br />
Schwestern ständig Streiche spielt. Einmal<br />
stellt sie Enthaarungscrème her und<br />
tauscht sie gegen das Shampoo ihrer<br />
Schwester aus ...» Ein Roman, der Krimifans<br />
wohl ebenso begeistern wird wie Leserinnen<br />
und Leser, die mit ihren Geschwistern<br />
noch ein Hühnchen zu rupfen<br />
haben!<br />
Flavia de Luce – Mord im<br />
Gurkenbeet<br />
Alan Bradley<br />
382 Seiten<br />
CHF 14.90<br />
Blanvalet<br />
800 Seiten<br />
CHF 36.90<br />
S. Fischer<br />
ISBN 978-3-10-060804-8<br />
320 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Nagel & Kimche<br />
ISBN 978-3-312-00576-5<br />
528 Seiten<br />
CHF 32.90<br />
Knaur<br />
ISBN 978-3-426-65322-7<br />
400 Seiten<br />
CHF 15.90<br />
Heyne<br />
ISBN 978-3-453-40864-7<br />
URSUS & NADESCHKIN<br />
«SECHSMINUTEN»<br />
DI 17. – FR 20. SEP /<br />
DI 26. – SA 30. NOV<br />
20.00 Uhr, CHF 60.– / 40.– / 30.–<br />
JOACHIM RITTMEYER<br />
«ZWISCHENSAFT»<br />
DI 24. / DO 26. – SA 28. SEP<br />
20.00 Uhr, CHF 50.– / 40.– / 30.–<br />
Kartenbestellung und weitere Infos: www.casinotheater.ch oder Telefon 052 260 58 58<br />
HUTZENLAUB & STÄUBLI<br />
«Reif für den Oskar»<br />
MI 16. OKT Premiere /<br />
DO 17. – SA 19. OKT<br />
20.00 Uhr, CHF 55.– / 45.– / 35.–
46 | Kochbücher Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf Kochbücher | 47<br />
Guter Geschmack –<br />
und gutes Gewissen<br />
Beim Thema vegane Ernährung gingen die Meinungen bisher deutlich<br />
auseinander. Nun gibt es eine Trendwende. Auch Fleischesser<br />
zeigen sich interessiert: <strong>Es</strong> zählt, was schmeckt. Neue Kochbücher<br />
animieren dazu, vegane Gerichte auszuprobieren.<br />
Markus Ganz<br />
«Vergessen Sie alles, was Sie bisher über<br />
vegane Küche gehört haben», heisst es in<br />
der Einführung zu Jérôme Eckmeiers neuem<br />
Kochbuch «Vegan. Tut gut – schmeckt<br />
gut!». Bisher war die Meinung vorherrschend,<br />
der Verzicht auf Fleisch, Eier und<br />
Milchprodukte bedeute zwangsläufig auch<br />
ein Verzicht auf kulinarischen Genuss.<br />
Jérôme Eckmeier möchte mit seinem zweiten<br />
Kochbuch belegen, dass seine Rezepte<br />
in erster Linie von der Leidenschaft für<br />
gutes <strong>Es</strong>sen geprägt sind. Dass Mensch,<br />
Tier und Umwelt von der veganen Ernährung<br />
profitieren, ist eher ein zusätzlicher<br />
Nebeneffekt.<br />
Mit dieser Argumentation hat sich auch<br />
der Kreis der Menschen geöffnet, die sich<br />
zumindest hin und wieder vegan ernähren.<br />
Während Vegetarier heute recht verbreitet<br />
sind – sie essen auch Eier und trinken<br />
Milch –, bleiben reine Veganer, die oft<br />
auch aus weltanschaulichen Gründen<br />
gänzlich auf Tierisches verzichten, nach<br />
wie vor selten: In Deutschland wurde ihr<br />
Anteil 2008 auf 0,1 Prozent der Bevölkerung<br />
geschätzt. Doch mittlerweile probieren<br />
auch Fleischesser vegane Gerichte aus<br />
und bauen sie nach Lust und Laune in den<br />
Speiseplan ein. Hauptsache, es schmeckt;<br />
wenn es auch noch sinnvoll ist, umso besser.<br />
«In Berlin floriert der vegane Lifestyle»,<br />
schrieb «Der Tagesspiegel». Vegane<br />
Supermärkte verbreiten sich mittlerweile<br />
in ganz Deutschland, und auch im «Schnitzel-Land»<br />
Österreich hat der erste Laden<br />
seine Türen geöffnet. Und mit «Eva's Apples»<br />
gibt es seit diesem Frühling auch in<br />
Zürich einen Laden, der sich auf rein vegane<br />
Produkte beschränkt.<br />
Jérôme Eckmeier betont in «Vegan. Tut gut<br />
– schmeckt gut!», dass für seine Rezepte<br />
alle Zutaten im normalen Supermarkt oder<br />
im Bioladen erhältlich seien. Nicht immer<br />
vorhanden und bei veganen Gerichten besonders<br />
wichtig sind hingegen Fantasie<br />
und Erfahrung. Und über die verfügt Jérôme<br />
Eckmeier, kochte er doch einst in renommierten<br />
Restaurants für Gäste wie<br />
Prince Charles und Helmut Kohl. Trotzdem<br />
verspricht er, dass all seine Rezepte wie<br />
etwa vegane Pizzataschen oder «Pikanter<br />
Wirsing-Auflauf mit getrockneten Aprikosen»<br />
leicht nachzukochen und alltagstauglich<br />
seien. Dabei helfen auch Grundrezepte<br />
und Tipps, wie man beispielsweise am besten<br />
Milchprodukte ersetzt.<br />
Spass mit der Punk-Küche<br />
Auch Uschi Herzer und Joachim Hiller<br />
liegt viel daran, die vegane Küche von ihrem<br />
schlechten Ruf zu befreien. «Veganismus<br />
ist nur cool, wenn er ohne erhobenen<br />
Zeigefinger aus<strong>kommt</strong>», schreiben sie in<br />
«Kochen ohne Knochen – Das Ox-Kochbuch<br />
5». Entsprechend munter und witzig<br />
präsentieren sie ihre Rezepte, die «von<br />
Punks und nicht nur für Punks» seien. So<br />
führen sie zu den Gerichten jeweils passende<br />
Songs an, und nicht etwa nur von<br />
Punk-Musikern: Beim «Maulwurf-Tiramisu»<br />
darf es auch Eros Ramazzotti sein. Musiker<br />
und bekannte Figuren der Vegan-<br />
Szene haben Gastrezepte beigesteuert.<br />
Mille von der bekannten Thrash-Band Kreator<br />
verrät, wie er Tofuscheiben mit Wurzelgemüse<br />
zubereitet. Und Kriminalbiologe<br />
Mark Benecke zeigt, wie man einen<br />
schmackhaften «Reste-Auflauf» zubereitet.<br />
Trotz des unkonventionellen Ansatzes bieten<br />
die beiden Autoren ein seriöses und<br />
umfassendes Kochbuch. Sie präsentieren<br />
neben Grundlagen auch komplette Menüs<br />
und aufwändigere Gerichte – und zeigen,<br />
dass es gar nicht so schwer ist, ohne Eier,<br />
Käse und andere Tierprodukte auszukommen.<br />
Dazu gehört, wie man Fleischalterna-<br />
tiven aus Soja und Seitan einsetzt. Die Autoren<br />
stellen aber auch Rezepte vor, die<br />
ohne Anlehnung an Gerichte mit Fleisch<br />
und Milchprodukten auskommen. Zum<br />
Buch gehören auch «Das Einmaleins der<br />
veganen Ernährung» von Dr. Markus Keller<br />
sowie allgemeine Infos zum Veganismus.<br />
Aus aller Welt<br />
Justin P. Moore ist Veganer und Weltenbummler,<br />
der auf seinen Reisen in über 40<br />
Länder viele lokale Gerichte kennen- und<br />
liebengelernt hat. Manche waren bereits<br />
vegan, bei anderen wandelte er das Rezept<br />
entsprechend ab; oft liess er sich auch zu<br />
Eigenkreationen inspirieren. Über 100<br />
dieser Rezepte hat er zu seinem neuen<br />
Kochbuch «The Lotus and the Artichoke<br />
– Vegane Entdeckungen eines Weltreisenden»<br />
zusammengefasst. Darunter findet<br />
man auch vegane Varianten von Klassikern<br />
wie der vietnamesischen Pho-Suppe<br />
oder des russischen Bœuf Stroganoff. Ergänzt<br />
werden die Rezepte mit persönlichen<br />
Geschichten und Anekdoten.<br />
Auch Surdham Göb lässt sich von den <strong>Es</strong>serfahrungen<br />
in fremden Ländern inspirieren.<br />
Der deutsche Autor, der Bali seine<br />
zweite Heimat nennt, ist seit 16 Jahren<br />
Chefkoch in verschiedenen veganen Restaurants.<br />
Dank dieses Hintergrunds kann<br />
er in seinem Kochbuch «Meine veganen<br />
Superfoods» eine euro-asiatische Küche<br />
präsentieren, die neue Geschmackserlebnisse<br />
eröffnet. Dies ist auch auf die Verwendung<br />
sogenannter «Superfoods» zurückzuführen.<br />
Damit meint Göb Lebensmittel wie<br />
Rohkakao, Lucuma, Maca und Gojibeeren,<br />
die über einen besonders hohen und konzentrierten<br />
Anteil an wertvollen Nährstoffen<br />
verfügen. Die 70 Rezepte reichen von<br />
originellen Frühstücksideen und Snacks<br />
über spezielle Drinks und Suppen bis zu<br />
abwechslungsreichen Hauptspeisen.<br />
Gesund für Körper und Geist<br />
Der Bestseller-Autor Ruediger Dahlke hat<br />
mit seinen Büchern Brücken zwischen<br />
Schulmedizin und Naturheilkunde sowie<br />
zwischen Religion und spiritueller Philosophie<br />
geschlagen. In «Peace Food – Das vegane<br />
Kochbuch» überträgt der Arzt und<br />
Psychotherapeut seine Erkenntnisse auf<br />
die praktische Ernährung. Eine rein<br />
pflanzliche Ernährung bringe nicht nur<br />
dem Planeten und seinen tierischen wie<br />
menschlichen Bewohnern Frieden. Als Argumente<br />
führt er in seiner ausführlichen<br />
Einleitung an, dass Menschen «keinen natürlichen<br />
Impuls» hätten, Tiere zu essen,<br />
und dass Tierprotein zudem schädlich sei.<br />
Wer sich vegan ernähre, baue ein «regelrechtes<br />
Schutzschild gegen die gravierendsten<br />
Krankheitsbilder der Moderne»<br />
auf. Sein Fazit: Eine ausgewogene pflanzliche<br />
Kost sei der beste Garant für ein langes<br />
gesundes Leben. Deshalb hat Dahlke seine<br />
Lieblingsköche gebeten, für dieses Buch<br />
ihre besten veganen Rezepte preiszugeben:<br />
Unter den 90 vorgestellten Gerichten<br />
findet man auch bekannt klingende wie<br />
Veggie-Burger, Scrambled (V)eggs und<br />
Spaghetti Sojanese.<br />
Vegan. Tut gut – schmeckt<br />
gut!<br />
Jérôme Eckmeier<br />
192 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Dorling Kindersley<br />
Kochen ohne Knochen –<br />
Das Ox-Kochbuch 5<br />
Uschi Herzer und Joachim<br />
Hiller<br />
192 Seiten<br />
CHF 16.90<br />
Ventil<br />
The Lotus and the Artichoke<br />
– Vegane Entdeckungen<br />
eines Weltreisenden<br />
Justin P. Moore<br />
216 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Ventil<br />
Meine veganen Superfoods<br />
Surdham Göb<br />
122 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
AT<br />
Peace Food – Das vegane<br />
Kochbuch<br />
Dahlke, Ruediger<br />
192 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Gräfe & Unzer<br />
Szegediner Gulasch –<br />
rustikal und deluxe<br />
(Rezept aus dem nebenan vorgestellten Buch «Kochen ohne Knochen»)<br />
Für 2 Personen<br />
Zutaten:<br />
600 g Weinsauerkraut<br />
2 mittelgrosse Zwiebeln<br />
1 rote Spitzpeperoni<br />
400 g Seitan<br />
Olivenöl<br />
0,5 l dunkles Hefeweissbier<br />
Wacholderbeeren<br />
2 Lorbeerblätter<br />
Kreuzkümmel<br />
gemahlener Kreuzkümmel<br />
1-2 EL Gemüsebouillon<br />
schwarzer und roter Pfeffer<br />
scharfer und süsser Paprika<br />
1 kleine Dose geschälte Tomaten<br />
500 ml Tomatenpassata<br />
Sojasahne<br />
Sojasauce<br />
Zubereitung:<br />
Tag 1:<br />
1. Klein geschnittene Zwiebeln und<br />
Knoblauch mit Kreuzkümmel und<br />
Wacholderbeeren mit etwas Olivenöl<br />
in einem grossen Topf leicht<br />
andünsten. Die Spitzpeperoni in<br />
kleine Scheiben schneiden und<br />
dazugeben.<br />
2. Das Weinsauerkraut plus Lorbeerblätter<br />
dazu geben und weiter<br />
andünsten. Nach etwa 5 Minuten mit<br />
ca. 0,2 l Hefeweissbier aufschütten<br />
und den Rest nach und nach im Lauf<br />
des Kochvorgangs dazugeben. Mit<br />
Gemüsebouillon abschmecken (ca.<br />
1-2 EL).<br />
3. Nach ca. 10 Minuten die geschälten<br />
Tomaten und das Tomatenpassata<br />
dazumischen. Mit süssem und<br />
scharfem Paprika, schwarzem und<br />
rotem Pfeffer sowie Chili würzen.<br />
Das Ganze mit etwas gemahlenem<br />
Kreuzkümmel verfeinern.<br />
4. In der Zwischenzeit den gewürfelten<br />
und anschliessend in Sojasauce<br />
eingelegten Seitan in einer Pfanne<br />
kurz anbraten und danach das<br />
Gulasch beimengen. Bei fertig<br />
gekauftem Seitan entfällt das<br />
Einlegen in Sojasauce, diesen also<br />
nur würfeln und anbraten.<br />
5. Vorgekochte Kartoffel grob schneiden<br />
und in einer Pfanne mit etwas<br />
Olivenöl und Rosmarin anbraten.<br />
6. Das Gulasch in einem flachen Teller<br />
nebst den Kartoffeln anrichten.<br />
Tag 2:<br />
1. Den Rest Szegediner Gulasch vom<br />
Vortag mit ca. 120 ml Sojasahne<br />
verfeinern und im Topf langsam<br />
erhitzen.<br />
2. In der Zwischenzeit die Kamuthörnchen<br />
nach Kochanweisung in etwas<br />
Salzwasser kochen (ca. 10 Minuten).<br />
3. Kamuthörnchen in Olivenöl schwenken,<br />
in einen Pastateller geben und<br />
das Gulasch draufpacken.
48 | WETTBEWERB Books Nr. 3/2013<br />
Alle Bücher finden Sie auch auf VERANSTALTUNGEN | 49<br />
Das Literatur-Kreuzworträtsel<br />
Unter den richtigen Lösungen verlosen wir Gutscheinkarten von Orell Füssli:<br />
1. Preis: CHF 200.–, 2. Preis: CHF 100.–, 3. Preis: CHF 50.–, 4. bis 10. Preis: je CHF 20.–.<br />
September<br />
bis 30.<br />
16.<br />
18.<br />
Filiale Kramhof, Zürich<br />
20-Jahr-Jubiläum<br />
Diverse Veranstaltungen<br />
Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3, 20 h<br />
«Laure Wyss»<br />
Lesung und Gespräch mit der Biografin Barbara<br />
Kopp, veranstaltet von der Kellerbühne in<br />
Zusammenarbeit mit der Filiale Rösslitor<br />
Filiale Kramhof, Zürich 14-15 h<br />
«Das verwunschene Geschenk»<br />
Katja Alves und Boni Koller erzählen aus ihrem<br />
Kinderbuch; Kinderveranstaltung im Rahmen<br />
des 20-Jahr-Jubiläums des Kramhofs<br />
20. Filiale Rösslitor, St.Gallen 20 h<br />
«Der Fälscher, die Spionin und<br />
der Bombenbauer»<br />
Lesung mit Alex Capus<br />
Veranstaltungen von Orell Füssli<br />
Oktober<br />
2.<br />
4.<br />
5.<br />
5.<br />
Filiale Kramhof, Zürich 13-16 h<br />
Papa Moll und sein Zeichner<br />
kommen zu Besuch<br />
Filiale Kramhof, Zürich 20.15 h<br />
Spannung zum Geburtstag<br />
Zum 20-Jahr-Jubiläum veranstaltet der Kramhof<br />
einen grossen Krimiabend mit Bestseller-<br />
Autorin Ingrid Noll, Richterin Barbara Salesch<br />
und Forensikerin Lydia Benecke. Teilnahme<br />
kostenlos, nur mit Anmeldung:<br />
veranstaltungen.kramhof@books.ch<br />
Filiale Marktgasse, Winterthur Nachmittag<br />
Theo der Bär <strong>kommt</strong> zu Besuch<br />
Filiale Kramhof, Zürich 13-15 h<br />
Theo der Bär <strong>kommt</strong> zu Besuch<br />
10. Filiale Marktgasse, Winterthur 17-20 h<br />
Handanalysen mit Monika Hauser<br />
26. Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />
Märlischtund<br />
27.<br />
29.<br />
30.<br />
Tonhalle Zürich 11 h<br />
Zürich liest: «Musik mit Globi –<br />
Eine Reise in die Welt der Töne».<br />
Erstaufführung des Kinderkonzerts und Buchvernissage,<br />
veranstaltet vom Globi Verlag und<br />
von der Filiale Bellevue<br />
Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3 20 h<br />
«Das wahre Leben»<br />
Lesung mit Milena Moser, veranstaltet von der<br />
Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Filiale<br />
Rösslitor<br />
Filiale Frauenfeld 19 h<br />
Lesezirkel<br />
Anmeldung direkt im Laden oder unter<br />
info.frauenfeld@books.ch<br />
November<br />
✁<br />
Lösungswort:<br />
Bis zum 15. November 2013 in einer der Orell-Füssli-Filialen in Zürich, Basel, Bern,<br />
Winterthur, Frauenfeld, am Flughafen Zürich oder bei Rösslitor Bücher in St. Gallen<br />
abgeben – oder per E-Mail senden an: books@books.ch.<br />
Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.<br />
Vorname / Name<br />
Adresse<br />
PLZ / Ort<br />
E-Mail<br />
21.<br />
23.<br />
Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich 20 h<br />
L-Reihe: «Sprechen wir über<br />
Eulen – und Diabetes»<br />
Lesung mit David Sedaris, veranstaltet mit der<br />
Filiale Kramhof<br />
Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3 20 h<br />
«Gleis 4»<br />
Lesung mit Franz Hohler, veranstaltet von der<br />
Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Filiale<br />
Rösslitor<br />
24. Filiale am Bellevue, Zürich 20.30 h<br />
«Maria Rosenblatt»<br />
Buchvernissage mit Corinna T. Sievers.<br />
Moderation: Denis Scheck<br />
25.<br />
Filiale Kramhof, Zürich 13-14.30 / 15-16.30 Uhr<br />
Zeichnen mit Greg<br />
Kinderveranstaltung im Rahmen des<br />
20-Jahr-Jubiläums des Kramhofs<br />
26. Filiale The Bookshop, Zürich 13-16 h<br />
«Diary of a Wimpy Kid»<br />
Drawing Class<br />
28. Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />
Märlischtund<br />
30.<br />
Hotel Einstein, Berneggstrasse 2, St. Gallen 20 h<br />
Gabriel Palacios<br />
Buchpräsentation und Demonstration<br />
17.<br />
25.<br />
25.<br />
25.<br />
25.<br />
Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich 20 h<br />
L-Reihe: Lesung mit<br />
Daniel Kehlmann<br />
Veranstaltet mit der Filiale Kramhof<br />
Filiale Kramhof, Zürich 18-20 h<br />
Zürich liest:<br />
«Stressfrei glücklich sein»<br />
Buchpräsentation mit Alain Sutter<br />
Filiale Marktgasse, Winterthur 19 h<br />
Zürich liest: Lesung und<br />
Diskussion mit Milena Moser<br />
und Katharina Faber<br />
Filiale The Bookshop, Zürich 20.15-22 h<br />
Zürich liest: «The Whatnot»<br />
Reading with Stefan Bachmann<br />
Filiale Bellevue, Zürich 20.30 h<br />
Zürich liest: «In Küstennähe»<br />
Lesung mit Joachim B. Schmidt<br />
26. Filiale am Bellevue, Zürich 18.30 h<br />
Zürich liest: «Carola & Heinz»<br />
Lesung mit Bernd Schroeder, Peter Gaymann<br />
zeichnet live dazu<br />
26. Filiale The Bookshop, Zürich 18.30-22 h<br />
Zürich liest:<br />
Saturday Night Special<br />
Music, Drinks and Discount<br />
2.<br />
2.<br />
11.<br />
Filiale Marktgasse, Winterthur 13-16 h<br />
Globi <strong>kommt</strong> zu Besuch<br />
Filiale Kramhof, Zürich 13-15 h<br />
Theo der Bär <strong>kommt</strong> zu Besuch<br />
Filiale Rösslitor St.Gallen 20 h<br />
Literaturcafé mit der<br />
Frauenzentrale<br />
Buchhändlerinnen und Buchhändler stellen<br />
Bücher vor<br />
14. Filiale Marktgasse, Winterthur 17-20 h<br />
Handanalysen mit Monika Hauser<br />
23.<br />
Märlischtund<br />
Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />
23.<br />
Globi <strong>kommt</strong> zu Besuch<br />
25.<br />
Filiale Rosenberg, Winterthur 13-16 h<br />
Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich 20 h<br />
L-Reihe: «Ein gutes Herz»<br />
Lesung mit Leon de Winter, veranstaltet mit<br />
der Filiale Kramhof<br />
Dezember<br />
Mehr Veranstaltungen und Informationen finden Sie auf www.books.ch<br />
9.<br />
Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich 20 h<br />
L-Reihe: Lesung mit Hans Magnus<br />
Enzensberger<br />
Veranstaltet mit der Filiale Kramhof
50 | Kolumne Books Nr. 3/2013<br />
GESCHICHTEN<br />
SPINNEN<br />
Schweizer Autorinnen und<br />
Autoren erzählen in «Books»,<br />
warum sie schreiben.<br />
Heute: Corinna T. Sievers<br />
Ich habe einen Brotberuf. Ich bin Kieferorthopädin.<br />
Ärztin kann man nicht ein bisschen<br />
sein. Mein Handy ist sieben Tage die<br />
Woche empfangsbereit, rund um die Uhr.<br />
Hat jemand am Sonntagnachmittag ein<br />
Problem, eile ich in die Praxis.<br />
Ausserdem bin ich Schriftstellerin.<br />
Ich habe gelernt, nachts zu schreiben.<br />
Wenn die Kinder schlafen und alles still ist,<br />
setze ich mich an den Laptop. Der steht auf<br />
einem winzigen, runden Tischchen hoch<br />
oben auf dem Dachstock eines Bauernhauses<br />
von 1659 (die Zahl ist in den gewaltigen<br />
Balken geschnitzt, der sich über meinem<br />
Kopf befindet). Aus dem Fenster blicke ich<br />
über den schwarzen See. Neben mir steht<br />
ein Glas Wein. Ab vier Uhr morgens Kaffee.<br />
Der Stoff <strong>kommt</strong> zum Schriftsteller, nicht<br />
umgekehrt.<br />
Ich habe eine allenfalls vage Vorstellung<br />
von der Handlung meines Romans, skizziere<br />
ihn auf weniger als einer halben Seite<br />
und warte. Beethoven hat gesagt, der liebe<br />
Gott habe ihm seine Musik nächtens ins<br />
Ohr gebrüllt. Auch noch, als er längst taub<br />
war. Er, Beethoven, brauche sie morgens<br />
bloss noch zu notieren.<br />
So ähnlich geht es mir auch. Meine Figuren<br />
kommen um Mitternacht. Ich rufe sie nicht.<br />
Plötzlich sind sie da und erzählen mir ihre<br />
Geschichten. Bisweilen sind es traurige Geschichten<br />
oder gewaltsame. Fast immer<br />
unartige. Häufig sehen die Figuren aus wie<br />
Menschen, die ich allzu gut kenne. Der<br />
Mann, den ich liebe, ist dabei, Freunde,<br />
Kollegen. Meine Kinder.<br />
Die Figuren lassen nicht locker. Ich schreibe<br />
auf, was sie zu sagen haben. Dabei schone<br />
ich niemanden. Manchmal lache ich,<br />
manchmal weine ich. Gelegentlich schäme<br />
ich mich. Um mit Kafka zu sprechen: «Ein<br />
Buch muss die Axt sein für das gefrorene<br />
Meer in uns.» Literatur muss brutal ehrlich<br />
sein, sonst ist sie wertlos. Damit ist gemeint,<br />
dass der Schriftsteller sein Inneres<br />
nach aussen kehrt, sei es vordergründig<br />
oder zwischen den Zeilen.<br />
Jedoch – im Prozess des Schreibens entfernen<br />
sich die Romanfiguren von ihren leibhaftigen<br />
Vorbildern. Was diese gesagt oder<br />
getan haben, unterliegt einer immer stärkeren<br />
Verwandlung. Gegen die der Autor<br />
machtlos ist. Die schriftstellerische Fantasie<br />
drängt sich in die Realität.<br />
Die an Torschlusspanik leidende Ärztin<br />
Phoebe aus meinem ersten Roman «Samenklau»<br />
hat nur noch entfernt mit mir zu<br />
tun, das Kind Ute aus «Schön ist das Leben<br />
und Gottes Herrlichkeit in seiner Schöpfung»<br />
ist nicht mehr jenes behinderte Mädchen<br />
aus meinem Dorf, das sieben Mal tötete,<br />
um sich zu befreien. Gerade erschienen<br />
ist mein Krimi «Maria Rosenblatt», der<br />
auch eine Liebesgeschichte ist. Ich habe<br />
mir einige skurrile Eigenschaften meines<br />
Ehemanns geborgt (er hat zugestimmt), ich<br />
schöpfe aus dem Fundus einer zwanzigjährigen<br />
Beziehung, aber es ist nicht unsere<br />
Ehe, die ich dort beschreibe.<br />
Irgendwann tippe ich das letzte Wort. Dann<br />
beginnt die eigentliche Arbeit. Hat die erste<br />
Niederschrift ein Jahr in Anspruch genommen,<br />
dauert es mindestens ebenso lange,<br />
den Text zu überarbeiten. Ich gehe ihn unzählige<br />
Male durch. Ich verknüpfe die Worte<br />
zu einer Melodie.<br />
Zwei Jahre sind vergangen. 300 Liter Kaffee<br />
getrunken. Schon lange bin ich des Textes<br />
überdrüssig. Ich vernachlässige meine<br />
Kinder und den Mann, den ich liebe. <strong>Es</strong> ist<br />
an der Zeit, mich vom Text zu trennen. Der<br />
Roman geht an den Lektor (und kehrt danach<br />
noch viele Male zu mir zurück).<br />
<strong>Es</strong> war Inspiration und Knochenarbeit.<br />
Schriftsteller sind manisch. Sie müssen es<br />
sein. Aus ihrer Besessenheit entsteht im<br />
besten Fall Literatur. Solche erhoffe ich mir<br />
in den Nächten an meinem winzigen, runden<br />
Tischchen oberhalb des schwarzen Zürichsees.<br />
Den Schlaf hole ich nach, wann<br />
immer es geht.<br />
Corinna T. Sievers<br />
Corinna T. Sievers, 48, studierte Politik,<br />
Medizin und Zahnmedizin. Sie betreibt am<br />
Zürichsee eine Praxis als Kieferorthopädin.<br />
2010 erschien ihr Debütroman «Samenklau»,<br />
jetzt hat sie einen Krimi verfasst – er<br />
feiert am 24. September 2013 um 20.30<br />
Uhr in der Filiale am Bellevue Premiere.<br />
Maria Rosenblatt<br />
144 Seiten<br />
CHF 24.90<br />
Edition Nautilus<br />
Hauptpreis:<br />
2 Übernachtungen für<br />
2 Personen in der<br />
Literaturküche in<br />
Bad Zurzach<br />
voralpen-express.ch<br />
Der wettbewerb Kurzgeschichten-<br />
2013!
UNSERE BUCHHANDLUNGEN<br />
ZÜRICH<br />
KRAMHOF<br />
Füsslistrasse 4, 8001 Zürich<br />
MO – FR: 09.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 18.00<br />
AM BELLEVUE<br />
Theaterstrasse 8, 8001 Zürich<br />
MO – FR: 09.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 18.00<br />
THE BOOKSHOP<br />
Bahnhofstrasse 70, 8001 Zürich<br />
MO – FR: 09.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 18.00<br />
FLUGHAFEN<br />
Airport Center, 8060 Zürich-Flughafen<br />
MO – SO: 08.00 – 21.00<br />
ZÜRICH HAUPTBAHNHOF<br />
Shopville, Halle Landesmuseum, 8001 Zürich<br />
MO – FR: 07.00 – 21.00 | SA : 08.00 – 21.00<br />
SO: 09.00 – 20.00<br />
BAHNHOF STADELHOFEN<br />
Stadelhoferstrasse 8, 8001 Zürich<br />
MO – FR: 08.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 19.00<br />
SO: 10.00 – 18.00<br />
ORELL FÜSSLI IM FRANZ CARL WEBER<br />
Bahnhofstrasse 62, 8001 Zürich<br />
MO – MI: 09.00 – 18.30 | DO / FR: 09.00 – 20.00<br />
SA: 09.00 – 18.00<br />
WINTERTHUR<br />
MARKTGASSE<br />
Marktgasse 3, 8400 Winterthur<br />
MO – MI / FR: 09.00 – 18.30 | DO: 09.00 – 21.00<br />
SA: 09.00 – 17.00<br />
ROSENBERG<br />
Einkaufszentrum Rosenberg<br />
Schaffhauserstrasse 152<br />
8400 Winterthur<br />
MO – FR: 08.30 – 20.00 | SA: 08.00 – 18.00<br />
ST.GALLEN<br />
RÖSSLITOR BÜCHER<br />
Multergasse 1– 3, 9001 St.Gallen<br />
MO – MI / FR: 09.00 – 18.30 | DO: 09.00 – 21.00<br />
SA: 09.00 – 17.00<br />
BAHNHOF ST.GALLEN<br />
Poststrasse 28, 9000 St.Gallen<br />
MO – FR: 08.00 – 21.00 | SA / SO : 10.00 – 20.00<br />
FRAUENFELD<br />
PASSAGE<br />
Einkaufszentrum Passage<br />
Bahnhofstrasse 70 / 72, 8500 Frauenfeld<br />
MO – DO: 08.00 – 19.00 | FR: 08.00 – 20.00<br />
SA: 08.00 – 17.00<br />
BERN<br />
WESTSIDE<br />
Einkaufszentrum Westside<br />
Gilberte-de-Courgenay-Platz 4, 3027 Bern<br />
MO – DO: 09.00 – 20.00 | FR: 09.00 – 22.00<br />
SA: 08.00 – 17.00<br />
BASEL<br />
BAHNHOF SBB<br />
Passerelle, Güterstrasse 115, 4053 Basel<br />
MO – FR: 07.00 – 21.00 | SA : 08.00 – 21.00<br />
SO: 09.00 – 20.00<br />
KUNDENSERVICECENTER<br />
Telefon: 0848 849 848<br />
Fax: 044 455 56 20<br />
E-Mail: orders@books.ch<br />
Orell Füssli Buchhandlungs AG<br />
Kundenservicecenter<br />
Dietzingerstrasse 3, Postfach<br />
8036 Zürich<br />
7MIO. ARTIKEL<br />
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