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Es kommt Dicker - Marius Leutenegger

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Ihr persönliches<br />

Exemplar –<br />

mit Wettbewerb!<br />

Das Magazin der<br />

Orell Füssli Buchhandlungen<br />

Nr. 3/2013<br />

<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>Dicker</strong><br />

Sprung über den Röschtigraben:<br />

Joël <strong>Dicker</strong> startet durch<br />

«<strong>Es</strong> ist einfacher,<br />

für Erwachsene<br />

zu schreiben»<br />

Interview mit<br />

Federica dE Cesco<br />

Ein reicher Schatz an Leben<br />

Der neue Roman<br />

von Alex Capus<br />

Und ausserdem:<br />

Graphic Novels, Kinderbücher,<br />

Fantasy­romane


Editorial | 3<br />

Inhalt<br />

Bücher erzählen die besten Geschichten<br />

Was vom Heute<br />

übrigbleibt<br />

Liebe Leserin<br />

Lieber Leser<br />

Eine News-Welle nach der anderen überrollt<br />

uns. Kurz bevor sie die Küste der Wahrnehmung<br />

erreichen, brechen sie und nennen sich «Breaking<br />

News». Dann überfluten sie besonders penetrant<br />

blinkend die Bildschirme. Denn im Fernsehen<br />

und Internet können News – wie nannte man sie<br />

eigentlich, bevor man diesen Anglizismus verwendete?<br />

– besonders schnell und ungehindert fliessen.<br />

Ein grosser Teil dessen, was uns als News täglich<br />

über dem Kopf zusammenschlägt, ist aber von sehr<br />

begrenzter Dauer oder Bedeutung.<br />

Das Spezial in dieser Ausgabe von «Books» trägt<br />

den Titel «Zeitgeschehen». Dieser schwer zu fassende<br />

Begriff steht vielleicht für jene Themen, die übrig<br />

bleiben, wenn News schon wieder kalter Kaffee<br />

geworden sind. Das Zeitgeschehen ist sozusagen<br />

das Destillat einer Zeit; es gibt ihr ihren Geschmack<br />

und Geruch. Um diese Eigenheiten zu erkennen,<br />

braucht es eine feine Nase, einen geübten Gaumen<br />

und etwas Zeit.<br />

Sind elektronische Medien der richtige Kanal für<br />

News, so ist das Zeitgeschehen in Büchern besonders<br />

gut aufgehoben. Denn die Materialität von Büchern<br />

prägt auch ihre Produktion: Sie dauert etwas<br />

länger. Und Zeit kann nicht schaden, wenn man das<br />

Wesentliche und Beständige erkennen will – ob als<br />

Autor oder als Leserin und Leser.<br />

Ihr Michele Bomio<br />

CEO Orell Füssli Thalia AG<br />

Graphic novels<br />

Kein Kinderzeugs<br />

Seite 14<br />

Zeitgeschehen-Spezial<br />

Das Heute festhalten<br />

Seite 23<br />

Brasilien<br />

Literatur vom Gastland<br />

der Buchmesse<br />

Seite 20<br />

4 Notizen<br />

10 «<strong>Es</strong> ist einfacher, für<br />

Erwachsene zu schreiben»<br />

Interview mit<br />

Federica de Cesco<br />

18 Im Schaufenster<br />

«Die Wahrheit über den Fall<br />

Harry Quebert» von Joël<br />

<strong>Dicker</strong><br />

32 kaffeepause Die Debatte<br />

36 Fantastisch!<br />

Fantasy-Neuerscheinungen<br />

40 Im Schaufenster<br />

«Der Fälscher, die Spionin<br />

und der Bombenbauer» von<br />

Alex Capus<br />

42 Kinderwelt Zum Lachen!<br />

45 Mein Buch<br />

46 Kochbücher<br />

Trendthema vegan<br />

48 Kreuzworträtsel<br />

49 Veranstaltungen<br />

50 Kolumne<br />

Darum schreibe ich – von<br />

Corinna T. Sievers<br />

Feiern Sie mit uns vom 9. September bis 5. Oktober !<br />

Alle Veranstaltungen und Aktionen finden Sie unter<br />

www.books.ch/kramhof<br />

Jetzt Fan werden:<br />

www.facebook.com/OrellFuessli<br />

Die nächste Ausgabe von Books, dem Magazin der Orell-Füssli-Buchhandlungen,<br />

erscheint am 15. November 2013. Sie erhalten Books kostenlos in jeder Filiale.<br />

Bestellungen nehmen wir gern entgegen über www.books.ch, orders@books.ch<br />

und Telefon 0848 849 848. Buchhandlungen von Orell Füssli finden Sie in Basel,<br />

Bern, Frauenfeld, St.Gallen, Winterthur und Zürich sowie am Flughafen Zürich.<br />

Preisänderungen vorbehalten. Unsere aktuellen Verkaufspreise und eine umfassende<br />

Auswahl an Büchern, Filmen und Spielen finden Sie auf www.books.ch.<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Orell Füssli Buchhandlungs AG, Dietzingerstrasse 3, Postfach, 8036 Zürich<br />

Gesamtherstellung: Media Tune AG, Zürich<br />

Redaktion: Die Blattmacher GmbH, Zürich<br />

Gestaltungskonzept/Layout: Strichpunkt GmbH, Winterthur<br />

Coverfoto: Jeremy Spierer<br />

Alle so gekennzeichneten Bücher sind auf www.books.ch<br />

auch als eBook erhältlich.


4 | NOTIzen Books Nr. 3/2013<br />

Alle Bücher finden Sie auch auf NOTIzen | 5<br />

Notizen<br />

<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />

<strong>Es</strong> soll noch immer Leute geben, denen Reisen im Kopf nicht reichen – und die nicht allein<br />

von schönen Destinationen lesen, sondern diese auch besuchen wollen. Solche Unverbesserlichen<br />

sollten den Weg in die Europaallee beim Hauptbahnhof Zürich unter die Füsse<br />

nehmen, denn dort hat der Transa Flagship Store seine Tore geöffnet. Er bietet alles, was<br />

man für einen Ausflug in die nahen Berge oder ans Ende der Welt braucht: Bekleidung und<br />

Kletterausrüstung, Zelte oder Rucksäcke. Und natürlich auch das passende Informationsmaterial:<br />

Orell Füssli unterhält im Laden auf 160 Quadratmetern die Buchabteilung<br />

TransaBooks mit einer berghohen und suezkanalbreiten Auswahl an Reiseführern, Outdoorguides<br />

und Bildbänden zu allen Destinationen der Erde. Eine rechte Weltreise beginnt<br />

also fortan immer an der Europaallee!<br />

«Books» kennt für Fantasy-Bücher zwar<br />

die Rubrik «Fantastisch!» – Sie finden sie<br />

in dieser Ausgabe ab Seite 36 –, ausnahmsweise<br />

schafft es eine fantastische<br />

Neuerscheinung aber in die «Notizen».<br />

Dann nämlich, wenn sie sich auch für ein<br />

Publikum eignet, das mit Gnomen, Zauberschulen<br />

und Vampiren wenig<br />

anfangen kann. Zwar enthält<br />

auch der Roman «Ein<br />

Wispern unter Baker Street»<br />

von Ben Aaronovitch, der bei<br />

dtv erschienen ist, genau solche<br />

Zutaten. Aber der englische<br />

Bestseller ist von so viel<br />

Witz und derart hübschen Beschreibungen<br />

des Alltags in<br />

London geprägt, dass ihm selbst Harry-<br />

Potter-Verächter eine Chance geben sollten.<br />

Hauptfigur ist der junge dunkelhäutige<br />

Polizist Peter Grant. Er wird einer<br />

Sondereinheit zugeteilt, die sich mit unerklärlichen<br />

Ereignissen auseinandersetzt.<br />

Bislang bestand diese Abteilung aus genau<br />

einer Person, nämlich aus dem letzten<br />

Zauberer Englands. Grant lernt von<br />

diesem distinguierten Herrn das Zauberhandwerk<br />

mehr schlecht als recht, trotzdem<br />

taucht der junge Polizist liebend gern<br />

in die Welt des Mysteriösen<br />

ein. Schliesslich wird diese<br />

nicht nur von einigen wirklich<br />

schrägen Kreaturen, sondern<br />

auch von allerhand faszinierenden<br />

Damen bevölkert. Autor<br />

Ben Aaronovitch ist eigentlich<br />

ein Drehbuchautor;<br />

mit den Peter-Grant-Romanen<br />

lässt er einen ziemlich schnell<br />

geschnittenen Film laufen. «Ein Wispern<br />

unter Baker Street» ist bereits der dritte<br />

Band der Reihe. Wer sich an die Bücher<br />

heranwagen möchte, sollte mit dem Erstling<br />

beginnen: «Die Flüsse von London».<br />

Die Lebensgeschichte von Emily<br />

Ruete ist bereits in mehreren Romanen<br />

verarbeitet worden. Kein Wunder,<br />

denn diese Biografie ist mehr als<br />

ungewöhnlich: Emily kam 1844 in<br />

Sansibar als Sayyida zur Welt – als<br />

Prinzessin des Inselreichs. Ihre Liebe<br />

zu einem Hamburger Kaufmann<br />

brachte sie als junge Frau nach<br />

Deutschland, wo sie einen neuen<br />

Namen annahm und drei Kinder<br />

gebar. Vorübergehend wurde die früh<br />

verwitwete Sayyida-Emily zu einem<br />

Spielball der Politik, als mehrere<br />

europäische Mächte die Herrschaft<br />

über Sansibar anstrebten. Die Frau,<br />

die immer an der<br />

Schwelle zwischen<br />

zwei Kulturen stand,<br />

starb 1924 in Jena.<br />

Lukas Hartmann hat<br />

sich jetzt ebenfalls des<br />

spannenden Stoffs<br />

angenommen. In<br />

«Abschied von<br />

Sansibar», erschienen bei Diogenes,<br />

richtet er den Fokus vor allem auf die<br />

drei Kinder der Prinzessin, die beiden<br />

Töchter Antonie und Rosalie sowie<br />

den Sohn Said, der sich später<br />

Rudolph nannte. Kunstvoll springt<br />

Hartmann zwischen seinen Figuren<br />

und ihren verschiedenen Lebensabschnitten<br />

hin und her, bis sich die<br />

verschiedenen Nahaufnahmen zu<br />

einem grossen Familiengemälde<br />

vereinigen. So etwas kann der Berner<br />

Autor gut, und es gelingt ihm, durch<br />

den Perspektivenwechsel zeitlos<br />

grosse Fragen zur Identität und<br />

Zugehörigkeit oder über die Bedeutung<br />

von Liebe und Familie vielfältig<br />

zu beleuchten. Stellenweise braucht<br />

man als Leserin oder Leser einen<br />

etwas längeren Atem, man wird aber<br />

fürs Durchhalten belohnt: Hartmann<br />

lässt einen immer tiefer in eine Welt<br />

eintauchen, die längst untergegangen<br />

ist und alles andere als eine «gute alte<br />

Zeit» war.<br />

Leute, die das mögen,<br />

mögen auch ...<br />

Oft ist die letzte Seite eines Buchs jene,<br />

die man am wenigsten mag – weil man<br />

nicht möchte, dass das Lesevergnügen<br />

schon zu Ende ist. Glücklicherweise<br />

gibt es Fachleute, die einem in solchen<br />

Momenten Bücher mit vergleichbaren<br />

Qualitäten empfehlen können – Fachleute<br />

wie Désirée Stucki von Orell Füssli<br />

Frauenfeld. Die 30-<br />

Jährige ist so begeisterte<br />

Buchhändlerin<br />

wie Leserin, «und wie<br />

viele andere habe auch<br />

ich Hermann Hesses<br />

‹Siddhartha› verschlungen.<br />

Das ist ja<br />

ein Buch, das man immer<br />

wieder lesen kann<br />

– und das einem bei jeder<br />

Wiederholung etwas<br />

anderes gibt. Als<br />

Buchhändlerin bin ich<br />

oft gefragt worden, ob<br />

ich etwas Ähnliches<br />

empfehlen könne. Vor<br />

ein paar Jahren entdeckte<br />

ich den Roman ‹Kaito oder Die<br />

Leichtigkeit des Glücks› von Hans Kruppa,<br />

der mich wegen seiner Märchenhaftigkeit<br />

sehr an ‹Siddhartha› erinnerte.<br />

Lange Zeit war das Buch nicht mehr<br />

erhältlich; jetzt aber ist bei Coppenrath<br />

eine wunderschön gemachte neue Ausgabe<br />

erschienen, die ich sehr empfehle.<br />

Kruppa erzählt die Geschichte des Buben<br />

Kaito, der in einer mausarmen Familie<br />

aufwächst und das Gefühl hat,<br />

nicht am richtigen Platz zu sein. Als er<br />

sich aufmacht in die Welt, erhält er von<br />

der Familie ein Medaillon mit auf den<br />

Weg. Dieses Medaillon enthält eine Beschriftung,<br />

die niemand lesen kann –<br />

ausser einem fahrenden Musikanten,<br />

dem Kaito auf seinem Weg begegnet.<br />

Der Musikant eröffnet dem Jungen, das<br />

Medaillon gehöre dem bekanntesten<br />

Flötisten des Landes. Gemeinsam machen<br />

sich die beiden auf den Weg zu<br />

diesem Flötisten. Unterwegs lernt Kaito<br />

ein stummes Mädchen kennen, mit dem<br />

er sich sofort tief verbunden<br />

fühlt. Als er<br />

beim Flötisten an<strong>kommt</strong>,<br />

spielt ihm dieser<br />

ein Musikstück vor.<br />

Kaito ist so tief berührt,<br />

dass ihn der Flötist zu<br />

seinem Schüler macht.<br />

Das eröffnet dem Jungen<br />

die Möglichkeit, zu<br />

einer besonderen Erleuchtung<br />

zu gelangen<br />

– und das stumme Mädche<br />

auf aussergewöhnliche<br />

Weise für sich zu<br />

gewinnen ... Die Parallelen<br />

zu ‹Siddhartha›<br />

liegen auf der Hand:<br />

Hier wie dort lässt einer alles hinter<br />

sich, um seine Bestimmung zu finden.<br />

Hier wie dort findet einer durch intensive<br />

Lehrjahre zum Glück. Aber es gibt<br />

auch Unterschiede: Die Sprache von<br />

Hesse ist viel literarischer als jene von<br />

Kruppa. ‹Kaito oder Die Leichtigkeit des<br />

Glücks› eignet sich deshalb auch für<br />

Leute, die niemals ein Buch von Hesse<br />

zur Hand nähmen, weil es ihnen zu<br />

kompliziert scheint. Und ein Unterschied<br />

ist auch, dass Kruppa nicht so<br />

deutlich den Zeigefinger hebt, wie es<br />

Hesse zuweilen tut. Er erzählt einfach<br />

eine sehr schöne Geschichte, von der<br />

man sich verzaubern lassen kann.»<br />

«Sofies Welt» des Norwegers Jostein<br />

Gaarder ist ein Dauerbrenner: Das 1991<br />

erschienene Buch wurde mittlerweile in<br />

95 Sprachen übersetzt. <strong>Es</strong> erzählt die<br />

Geschichte der 14-jährigen Sofie, die<br />

eines Tages einen mysteriösen Brief<br />

erhält und darin gefragt wird, wer sie<br />

eigentlich sei. Darauf beginnt für Sofie<br />

und die Leserschaft eine Reise durch die<br />

Welt der Philosophie – denn das Mädchen<br />

erhält weitere Briefe, die immer einer<br />

bestimmten Denkrichtung oder einem<br />

berühmten Philosophen gewidmet sind.<br />

«Sofies Welt» war eigentlich für ältere<br />

Kinder gedacht; weil es einen so charmanten<br />

wie nützlichen Crash-Kurs in<br />

Philosophie-Geschichte bietet, haben aber<br />

auch Erwachsene den Roman geradezu<br />

verschlungen. Jetzt, 22 Jahre später, hat<br />

Gaarder sein Erfolgskonzept noch einmal<br />

angewendet. «Noras Welt» handelt jedoch<br />

nicht von Philosophie, sondern von<br />

aktuellen Umweltproblemen. Die 16-jährige<br />

Protagonistin Nora reist träumend ins<br />

Jahr 2084 und erlebt dort als ihre eigene<br />

Urenkelin Nova, was wir Heutigen der<br />

Erde angetan haben. Diesen eher simplen<br />

Plot nutzt der Autor, um Kindern und<br />

Jugendlichen ökologische Zusammenhänge<br />

zu erklären und den Nachwuchs zu<br />

einem naturgerechten Handeln zu<br />

bewegen. Erneut gelingt es Gaarder, ein<br />

hochkomplexes Thema anschaulich zu<br />

behandeln; diesmal schimmern die<br />

pädagogischen Absichten des Autors aber<br />

etwas stark zwischen den Zeilen hindurch,<br />

was die Attraktivität des Romans<br />

für Erwachsene stellenweise<br />

reduziert – aber<br />

«Noras Welt» ist ja auch<br />

als Kinderbuch gedacht<br />

und sollte nicht unbedingt<br />

an «Sofies Welt»<br />

gemessen werden.<br />

© Niklas Lello


6 | NOTIzen Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf NOTIzen | 7<br />

Was lesen Sie gerade?<br />

Marco Fritsche, TV-Moderator:<br />

Vom 24. bis 27. Oktober 2013 findet<br />

zum dritten Mal das grösste Literaturfestival<br />

der Schweiz statt: «Zürich<br />

liest». <strong>Es</strong> bietet in diesem Jahr 140<br />

Lesungen und literarische Veranstaltungen<br />

mit über 200 nationalen und<br />

internationalen Autorinnen und Autoren.<br />

Mit dabei sind zum Beispiel Milena<br />

Moser und Franz Hohler, angekündigt<br />

ist auch der Schauspieler Bruno<br />

Ein echtes Buch aus schönem Papier hat viele Vorteile, doch auch das<br />

eBook kann zahlreiche Pluspunkte für sich verbuchen. Wofür soll man<br />

sich also entscheiden? Die gute Nachricht: Man muss keine Wahl mehr<br />

treffen – zumindest nicht, wenn man einen Titel von Kein & Aber haben<br />

will. Denn seit diesem Frühjahr erhalten alle Käuferinnen und Käufer eines Hardcovers<br />

aus diesem Verlag gleich kostenlos das entsprechende eBook dazu. In jedem<br />

gekauften Buch ist ein individueller Code angegeben; er kann auf der Internetseite<br />

des Verlags zusammen mit einer E-Mail-Adresse eingetippt werden – und schon<br />

lässt sich das eBook herunterladen. So ist ein guter Mix möglich: Daheim auf dem<br />

Sofa kann man die schöne Druckausgabe zur Hand nehmen, unterwegs greift man<br />

zum eReader.<br />

Cartoon-Romane<br />

zum Weglachen<br />

Respektlos,<br />

liebenswert,<br />

unwiderstehlich:<br />

Der absolut witzigste<br />

Detektiv der Welt<br />

ermittelt.<br />

© Adrian Portmann<br />

«Lesen dient mir sowohl dem kontemplativen<br />

‹Nichtstun› als auch der Informationsbeschaffung.<br />

Daher lese ich neben<br />

den drei mir wichtigen Sonntagszeitungen<br />

– was schon mal bis zur Wochenmitte<br />

dauern kann – auch oft verschiedene Bücher<br />

parallel und aus ganz unterschiedlichen<br />

Gründen.<br />

Da ich erst seit kurzem mein Glück als<br />

Hobby-Koch versuche, schmökere ich immer<br />

wieder in ‹Querbeet›, dem neuen<br />

Kochbuch von Susanne Bloch-Hänseler.<br />

Ein reich bebildertes und inspirierendes<br />

Schätzkästchen, wenn es um originelle<br />

und für mich einigermassen gut zu bewältigende<br />

Koch-Rezepte geht. Mein<br />

neustes ‹Coffee Table Book›, das mich im<br />

charmanten und einzigartigen Buchladen<br />

von Carol Forster in Appenzell auf<br />

den ersten Blick verzaubert hat, ist ‹Worte<br />

nicht in giftige Buchstaben einwickeln›<br />

von und über Meret Oppenheim – ja genau,<br />

das ist die mit der Fell-Tee-Tasse!<br />

Das Buch ist nicht nur höchst dekorativ<br />

im Wohnzimmer, sondern nimmt mir<br />

auch das schlechte Gewissen, wenn ich<br />

faul auf meinem Sofa liege, weil ich dann<br />

immer wieder darin stöbern kann. Dieses<br />

autobiografische Album mit unveröffentlichten<br />

Briefwechseln ist nicht nur etwas<br />

für Kunstinteressierte. Auch wer einfach<br />

gern ‹im Leben eines Menschen blättert›,<br />

wird viel Erstaunliches erfahren. Zu guter<br />

Letzt liegt neben meinem Bett noch<br />

‹Der Geisterfahrer›, ein Buch mit Erzählungen<br />

von Franz Hohler. Anregend und<br />

manchmal auch wohltuend irritierend,<br />

wie Hohler zum Glück ist!»<br />

Querbeet<br />

Susanne Bloch-Hänseler<br />

317 Seiten<br />

CHF 58.00<br />

Hänseler<br />

Worte nicht in giftige Buchstaben<br />

einwickeln<br />

Meret Oppenheim<br />

400 Seiten<br />

CHF 80.00<br />

Scheidegger & Spiess<br />

Der Geisterfahrer<br />

Franz Hohler<br />

576 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Luchterhand<br />

Ganz. Als besondere Attraktion werden<br />

«Lesungen an ungewohnten Orten»<br />

durchgeführt: im Prime Tower, in<br />

der Sternwarte, im Staatsarchiv oder<br />

in der Hafenkneipe. Auch bei Orell<br />

Füssli gibt es verschiedene Veranstaltungen.<br />

Zur gleichen Zeit findet übrigens<br />

auch «BuchBasel» statt. Die beiden<br />

Festivals haben eine strategische<br />

Partnerschaft vereinbart und arbeiten<br />

fortan eng zusammen.<br />

Schöne Architekturbücher gibt es<br />

glücklicherweise so viele wie Ameisen<br />

im Wald. Ein besonders kunstvolles<br />

beschäftigt sich jetzt aber genau<br />

mit diesen Ameisen – und allen<br />

anderen Tierchen und Tieren, von<br />

denen wir bezüglich Architektur<br />

noch viel lernen können. «Architektier»,<br />

gerade bei Knesebeck erschienen,<br />

zeigt die Werke der Baumeister<br />

der Natur in herrlichen Nahaufnahmen.<br />

Der renommierte<br />

Naturfotograf<br />

Ingo Arndt hat<br />

gestochen scharfe<br />

Bilder von Vogelnestern,<br />

Spinnennetzen,<br />

Termitenbauten und<br />

Kalkschalen geschossen,<br />

der Verhaltensforscher<br />

Jürgen Tautz begleitet die<br />

Bildstrecken mit spannenden Geschichten<br />

zu den vielbeinigen Architekten,<br />

ihren Werken, Methoden und<br />

Tricks. Ein Buch, an dem man sich<br />

kaum sattsehen kann.<br />

«<strong>Es</strong> gab kein anderes<br />

Buch in mir», hielt Urs<br />

Widmer kürzlich in einem<br />

NZZ-Beitrag über<br />

sein neuestes Werk «Reise<br />

an den Rand des Universums»<br />

fest. «Ich hatte<br />

in den letzten Jahrzehnten<br />

beim Schreiben meiner<br />

Bücher so radikal alle Stollen meiner<br />

Erinnerung ausgeräumt, dass mir nur<br />

noch eine Möglichkeit übrig zu bleiben<br />

schien: The truth, the truth, the truth<br />

and nothing but the truth.» Im Buch<br />

selbst begründet der 75-jährige Basler<br />

etwas anders, warum sein neues Buch<br />

ausgerechnet eine Autobiografie ist.<br />

«Erst träumen wir von der Zukunft, dann<br />

leben wir sie, und am Ende, wenn diese<br />

gelebte Zukunft vergangen ist, erzählen<br />

wir sie uns noch einmal.» Das klingt allerdings<br />

weit melancholischer, als die<br />

Autobiografie jetzt tatsächlich daher<strong>kommt</strong><br />

– diese riecht nämlich weder<br />

nach Aufguss noch nach Abschluss, sondern<br />

ist, typisch Urs Widmer, von einer<br />

leichten Ironie durchzogen und von einem<br />

lebhaft-weisen Ton geprägt. Der Autobiograf<br />

beschränkt sich auf die ersten<br />

30 Jahre seines Lebens, er gelangt also<br />

nur bis zu jenem Punkt, an dem er sein<br />

erstes Buch veröffentlicht hat. Über die<br />

jüngere Vergangenheit wollte Widmer<br />

nicht schreiben, weil es dann «links und<br />

rechts von meinem Schreibweg zu viele<br />

Verwundete, Gekränkte, Sich-verraten-<br />

Fühlende» geben könnte. So bleibt uns<br />

also nur dieses Porträt des Künstlers als<br />

junger Mann. Ob Widmer hier wirklich<br />

«nothing but the truth» erzählt, muss im<br />

Raum stehen bleiben. Die frühkindlichen<br />

und sogar vorgeburtlichen Erinnerungen<br />

stammen aus mindestens zweiter<br />

Hand, folgen aber dem schönen Grundsatz<br />

«Se non è vero, è ben trovato» – Widmer<br />

ist schliesslich Schriftsteller und<br />

kein Archivar.<br />

«Glück» war so etwas wie ein<br />

heimlicher Bestseller unter den<br />

Geschenkbüchern: 100 Glücksforscher<br />

aus der ganzen Welt gaben in<br />

je 1000 Worten Einblick in die<br />

Resultate ihrer Arbeit. Jetzt hat Leo<br />

Bormans, der Herausgeber von<br />

«Glück», bei Dumont so etwas wie<br />

eine Fortsetzung vorgelegt: «Liebe».<br />

Das Buch ist genauso faszinierend<br />

wie sein Vorgänger. 100 gestandene<br />

Forscher und Nachwuchswissenschaftler<br />

geben in wiederum je 1000<br />

Worten mögliche Antworten auf<br />

Fragen wie «Warum verlieben wir<br />

uns – und wie?», «Welches sind die<br />

besten Partner?», «Was passiert im<br />

Körper, wenn wir verliebt sind?»,<br />

«Welche Rolle spielen Hollywood<br />

und Co. für unsere Gefühlswelt?»,<br />

«Warum lügen wir in der Liebe?»<br />

oder «Wie wichtig ist Sex?». Die so<br />

fundierten wie flockig-leicht abgefassten<br />

Beiträge sind erst noch<br />

hübsch illustriert und am Ende<br />

lesefreundlich in<br />

wenigen Worten<br />

zusammengefasst<br />

– es scheint kaum<br />

vorstellbar, dass<br />

dieses Buch jemanden<br />

nicht interessiert.<br />

ISBN 978-3-7891-4506-3<br />

Ab 8 Jahren · 304 Seiten<br />

Volle Power ins Chaos! Brüllkomische<br />

Protagonisten im<br />

schulischen Alltagswahnsinn.<br />

ISBN 978-3-7915-0707-1<br />

Ab 10 Jahren · 240 Seiten


8 | NOTIzen Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf NOTIzen | 9<br />

JAHRESTAGE<br />

... und ausserdem<br />

© Roland Gretler<br />

Am 22. September jährt sich der Tod des<br />

1940 in St. Gallen geborenen Journalisten<br />

Niklaus Meienberg zum 20. Mal. Wenn Wikipedia<br />

behauptet, Meienbergs Werk habe<br />

«massgeblich zur öffentlichen Meinungsbildung<br />

der Schweiz im 20. Jahrhundert beigetragen»,<br />

ist das nicht allzu übertrieben. In<br />

einer Zeit, in der man auf so etwas noch<br />

stolz sein durfte, arbeitete Meienberg fünf<br />

Jahre lang für «Die Weltwoche» – als Korrespondent<br />

in Paris. Später wurde er Mitarbeiter<br />

des Schweizer Fernsehens, des «Tages-Anzeigers»,<br />

des Magazins «Stern» und<br />

der «Wochenzeitung». Diese Engagements<br />

endeten selten friedlich, denn Meienberg<br />

war nicht nur ein brillanter Kopf, sondern<br />

auch ein streitbarer und äusserst kritischer<br />

Zeitgenosse mit Hang zur Provokation und<br />

Polterei. Eine besonders innige Feindschaft<br />

verband ihn mit der Familie des superautoritären<br />

Generals der Schweizer Armee während<br />

des Ersten Weltkriegs, Ulrich Wille. Im<br />

Buch «Die Welt als Wille und Wahn» durchleuchtete<br />

Meienberg den Wille-Clan. Die<br />

Söhne des Generals zerrten den Journalisten<br />

schliesslich vor Gericht, vor allem wegen<br />

dessen Hauptwerk «Die Erschiessung des<br />

Landesverräters Ernst S.», in dem Wille<br />

ebenfalls eine Rolle spielte. Nach mehreren<br />

Schicksalsschlägen nahm sich Meienberg<br />

1993 das Leben. Sein Werk erscheint im<br />

Limmat-Verlag.<br />

Am 5. Oktober haben alle französischsprachigen<br />

Bücherfreundinnen und -freunde etwas<br />

zu feiern – aber nicht nur sie. Schliesslich<br />

zählt der Pariser Denis Diderot, dessen<br />

Geburtstag sich an diesem Datum zum 300.<br />

Mal jährt, zu den wichtigsten europäischen<br />

Denkern der Aufklärung. Gemeinsam mit<br />

zahlreichen Mitstreitern, darunter auch<br />

Montesquieu und Voltaire, schuf Diderot die<br />

grosse französische «Encylopédie ou dictionnaire<br />

raisonné des sciences, des arts et<br />

des métiers»; von den 72 000 Artikeln, die<br />

dieses Lexikon enthielt, verfasste er selber<br />

rund 6000. Diderot wuchs in der Bischofsstadt<br />

Langres auf und kam als junger Mann<br />

nach Paris, um dort ein Theologie-Vorstudium<br />

zu absolvieren. Anschliessend lebte er in<br />

der Hauptstadt als Bohémien, Intellektueller<br />

und Übersetzer englischsprachiger Bücher.<br />

Diese Tätigkeit öffnete ihm auch die Tür zum<br />

«Encylopédie»-Projekt: Ein Verleger wollte<br />

ein englischsprachiges Lexikon ins Französische<br />

übertragen lassen und kam damit<br />

nicht recht vorwärts. Er machte Diderot<br />

zum Gesamtleiter – und dieser weitete das<br />

Projekt massiv aus. Die Encyclopédie wollte<br />

in über einem Dutzend Bänden das gesamte<br />

Wissen ihrer Zeit abbilden. Den Autoren<br />

ging es aber nicht um die Anhäufung von<br />

Fakten, sondern um die Verbesserung der<br />

Welt durch Bildung. Das kam bei der Leserschaft<br />

extrem gut an – das Lexikon war ein<br />

kostspieliger Bestseller –, beim Adel und<br />

Klerus wegen seines aufklärerischen Geists<br />

aber äusserst schlecht. Der Papst setzte das<br />

Werk sogar auf den Index der verbotenen<br />

Bücher. Nach 20 Jahren Arbeit schied Diderot<br />

im Streit mit den knauserigen Verlegern<br />

aus dem Projekt aus. Er schrieb zeitlebens<br />

auch Dramen, bedeutende philosophische<br />

Schriften, naturwissenschaftliche Bücher,<br />

Rezensionen und <strong>Es</strong>says. Doch die Encyclopédie<br />

blieb sein Hauptwerk. Jetzt gerade hat<br />

«Die andere Bibliothek» die Zusammenstellung<br />

«Diderots Enzyklopädie» veröffentlicht;<br />

sie enthält jene Lexikon-Beiträge von<br />

Diderot, die laut Verlag «zum geistigen<br />

Handgepäck für das dritte Jahrtausend gehören».<br />

Georg Büchner kam am 17. Oktober 1813<br />

zur Welt, also vor genau 200 Jahren. Er wurde<br />

zwar nur 23 Jahre alt, doch es blieb ihm<br />

genug Zeit, gleich drei Stücke zu verfassen,<br />

die zum internationalen Kanon gehören:<br />

«Dantons Tod», «Leonce und Lena» sowie<br />

«Woyzeck». Eigentlich sollte Büchner Arzt<br />

werden; während seines Medizinstudiums<br />

in Strassburg kam er aber mit dem liberalen<br />

Gedankengut der Juli-Revolution in Kontakt.<br />

In seine Heimatregion Hessen zurückgekehrt,<br />

rief er die Landbevölkerung zum<br />

Umsturz auf – mit dem berühmten Slogan<br />

«Friede den Hütten! Krieg den Palästen!».<br />

Innerhalb von nur fünf Wochen verfasste er<br />

«Dantons Tod», in dem er das Scheitern der<br />

Revolution verarbeitete; noch vor der ersten<br />

Aufführung des<br />

Stücks musste er<br />

aber fliehen, weil<br />

er als Aufwiegler<br />

galt. Erst gelangte<br />

er nach Strassburg,<br />

dann kam<br />

er nach Zürich.<br />

Die hiesige Universität<br />

machte<br />

ihn aufgrund seiner<br />

Dissertation «Abhandlung über das<br />

Nervensystem der Barbe» zum Doktor der<br />

Philosophie und ernannte ihn zum Dozenten<br />

für Anatomie. Doch der junge Professor<br />

erkrankte an Typhus; im Februar 1837<br />

starb Büchner in Zürich, noch ehe er sein<br />

Drama «Woyzeck» beenden konnte. Das<br />

Grab des Dramatikers befindet sich im<br />

Oberstrass-Quartier und wird in wohl jedem<br />

Zürich-Reiseführer erwähnt. Im Horlemann-Verlag<br />

ist anlässlich des Jubiläums<br />

der Roman «Das Herz so rot» von Udo Weinbörner<br />

als Taschenbuch erschienen; darin<br />

geht es ebenso um die bewundernswert<br />

emanzipierte Braut des Frühverstorbenen<br />

wie um diesen selbst. Die Verlobte ist auch<br />

ein wichtiges Thema in der dtv-Neuerscheinung<br />

«Georg Büchners Frauen» von Jan-<br />

Christoph Hauschild. Wer es umfassend<br />

mag, ist wohl mit der Büchner-Biografie<br />

«Geschichte eines Genies» von Hermann<br />

Kurze gut bedient; sie ist gerade bei C.H.<br />

Beck erschienen.<br />

Jener Geburtstag, der in diesem Bücherherbst<br />

wohl die meisten Neuerscheinungen<br />

auslöst, ist jener von Albert Camus. Der<br />

Franzose wäre am 7. November 100 Jahre<br />

alt geworden. Zur Welt kam er in Algerien,<br />

das damals zu Frankreich gehörte. Obwohl<br />

seine Familie arm war und er an Tuberkulose<br />

erkrankte, konnte Camus dank seiner<br />

vielfältigen Begabungen die Matura machen;<br />

danach studierte er Philosophie an<br />

der Universität von Algier. Eigentlich wollte<br />

er Gymnasiallehrer werden, wegen seiner<br />

Tuberkulose wurde er aber nicht zu den<br />

Prüfungen zugelassen. Seinem Frust über<br />

das berufliche Scheitern, das Ende seiner<br />

ersten Ehe und die politischen Entwicklungen<br />

machte er Luft, indem er einen Roman<br />

über einen tuberkulosekranken Mann<br />

schrieb: «La Mort heureuse». Das Buch<br />

wurde zwar nie fertig, Camus arbeitete das<br />

Material aber später um – zum Roman «Der<br />

Fremde», der als eines der Hauptwerke des<br />

Existenzialismus’ gilt. Während Camus zuerst<br />

noch als Journalist und Aushilfslehrer<br />

arbeitete, erlaubte ihm sein literarischer Erfolg,<br />

sich ab Mitte des Zweiten Weltkriegs<br />

ganz auf die Schriftstellerei zu konzentrieren.<br />

Mit seinen Werken zu den grossen Themen<br />

Freiheit, Schuld und Verantwortung<br />

prägte er schliesslich das Lebensgefühl einer<br />

ganzen Generation. Zu seiner Prominenz<br />

trug bei, dass er sich –<br />

wie Jean-Paul Sartre,<br />

der andere wichtige<br />

Existenzialist – auch<br />

als Philosoph und politisch<br />

betätigte: Er engagierte<br />

sich in der<br />

Résistance und setzte<br />

sich gegen Krieg oder<br />

Kolonialismus ein. Mit<br />

46 Jahren kam Camus<br />

bei einem Autounfall<br />

ums Leben. Aus den vielen Neuerscheinungen<br />

anlässlich des Hundertsten seien vier<br />

herausgegriffen: Martin Meyer, Leiter des<br />

Feuilletons der «Neuen Zürcher Zeitung»,<br />

zeigt in seiner bei Hanser erschienenen Biografie<br />

«Die Freiheit leben», wa rum Autor<br />

und Werk seine Zeitgenossen derart stark<br />

faszinierten und warum man Camus immer<br />

wieder entdecken sollte. Ebenso eindrücklich<br />

ist die von Rowohlt veröffentlichte Biografie<br />

«Das Ideal der Einfachheit»; Autorin<br />

ist Iris Radisch, die Literaturkritikerin der<br />

«Zeit». Und das Hörbuch «Leben heisst handeln»,<br />

erschienen bei DHV, bietet Originalton-Einspielungen<br />

des Nobelpreisträgers<br />

von 1957. Ganz besonders schön – und passend<br />

zu unserem Beitrag über Graphic Novels<br />

ab Seite 14 dieser Ausgabe – ist schliesslich<br />

die visuelle Umsetzung der<br />

Camus-Novelle «Jonas oder der Künstler bei<br />

der Arbeit» von Katia Fouquet, erschienen<br />

bei der Edition Büchergilde.<br />

Wer ein Rezept aus einem ausländischen<br />

Kochbuch ausprobieren<br />

will, steht manchmal vor dem Problem,<br />

dass man die erwähnten Zutaten<br />

in der Schweiz nicht kaufen<br />

kann. In englischen Kochbüchern<br />

wird zum Beispiel oft eine bestimmte<br />

Art Mehl erwähnt, die bei uns<br />

kaum zu finden ist. In «The Bookshop»<br />

von Orell Füssli an der Zürcher<br />

Bahnhofstrasse steht dieses<br />

Mehl aber direkt neben dem Kochbuchregal<br />

– gemeinsam mit «Marmite»-<br />

und «Vegemite»-Würzpasten,<br />

der Barbecue-Sauce von «Jack<br />

Daniels», dem «Buckwud»-Ahorn-<br />

Wettbewerbs-GewiNNer<br />

In der letzten Ausgabe von «Books» verlosten wir unter den Teilnehmenden unseres<br />

Kreuzworträtsel-Wettbewerbs drei Büchergutscheine. Gewonnen haben:<br />

1. Preis: Verena Reist, 8460 Marthalen<br />

2. Preis: Rosmarie Speich, 8405 Winterthur<br />

3. Preis: Eva Horvath, 8406 Winterthur<br />

Herzliche Gratulation!<br />

sirup und vielen anderen Spezialitäten.<br />

Dass die Food-Abteilung der<br />

Buchhandlung auch <strong>Es</strong>swaren anbietet,<br />

ist nicht neu – damit hat<br />

man im Bookshop vor etwa fünf<br />

Jahren begonnen. «Inzwischen ist<br />

diese Abteilung aber ein regelrechter<br />

Magnet für Menschen aus England,<br />

den USA und Australien»,<br />

sagt Assistant Manager Nick<br />

Schorp. Was in der grössten englischsprachigen<br />

Buchhandlung auf<br />

dem europäischen Festland als<br />

kundenfreundliche Dienstleistung<br />

gedacht gewesen sei, habe sich zu<br />

einem echten Hit entwickelt.<br />

Das Lösungswort lautete übrigens «Liebesgeheimnisse». Die Gewinnerinnen und Gewinner<br />

der Preise 4 bis 10 werden schriftlich benachrichtigt. Das aktuelle Kreuzworträtsel finden<br />

Sie in dieser Ausgabe auf Seite 48.


10 | Interview Books Nr. 3/2013<br />

Alle Bücher finden Sie auch auf Interview | 11<br />

«<strong>Es</strong> ist einfacher, für Erwachsene<br />

zu schreiben»<br />

Federica de Cesco gehen die Ideen niemals aus. Ihr neuer Erwachsenenroman «Tochter des<br />

Windes» vereinigt einmal mehr alle Elemente, die das Publikum an den Geschichten der<br />

Schweizer Autorin so liebt.<br />

Erik Brühlmann<br />

Peter Peitsch<br />

Books: Federica de Cesco, «Tochter des<br />

Windes» erzählt die Geschichte des<br />

Deutschen Rainer, der sich in die Japanerin<br />

Mia verliebt, ihr in die Heimat<br />

folgt und dort ein in jeder Hinsicht völlig<br />

neues Leben entdeckt. Dieser Roman<br />

liest sich wie eine Einführung in die<br />

Geschichte und Kultur Japans ...<br />

Federica de Cesco: Eine lockere Einführung,<br />

ja. <strong>Es</strong> gibt ja viele solche Romane,<br />

<strong>Es</strong>says und so weiter, die viel komplizierter<br />

sind. Ich hingegen habe versucht,<br />

das Thema mit dem Humor anzugehen,<br />

der den Japanern eigen ist. Hört man<br />

Japanern zu, wie sie über ihre Geschichte<br />

sprechen, lacht man sich schief!<br />

Haben Sie wegen des Charakters der<br />

Geschichte auf eine klassische Hauptfigur<br />

verzichtet und stattdessen eine<br />

Gruppe wichtiger Figuren eingeführt,<br />

von denen jede einen gleichwertigen<br />

Platz einnimmt?<br />

Genau! Ich wollte Japan anhand von<br />

Protagonisten aus vielen verschiedenen<br />

Schichten und Positionen porträtieren.<br />

Eine der Hauptfiguren ist Rainer Steckborn,<br />

ein Ausländer. Er fürchtet, von<br />

einem Fettnäpfchen ins andere zu treten,<br />

als er sich auf das Abenteuer Japan<br />

einlässt. <strong>Es</strong> geht wohl vielen Ausländern<br />

so ...<br />

Ja, alle Gaijin – Nichtjapaner – erleben<br />

die erste Begegnung mit Japan auf diese<br />

Weise. Als ich vor 40 Jahren das erste<br />

Mal nach Japan ging, fragte ich meinen<br />

japanischen Mann Kazuyuki Kitamura:<br />

Chéri, was darf ich in Japan nicht<br />

machen? Seine Antwort: Du darfst alles<br />

machen, was du willst, ausser in den<br />

Hauspantoffeln zur Toilette gehen. Dafür<br />

gibt es spezielle Plastikpantoffeln. Ich<br />

dachte erst an hygienische Gründe, doch<br />

mein Mann klärte mich auf, dass die<br />

Toilette ein heiliger Ort sei, den man nicht<br />

mit normalen Pantoffeln verunreinigen<br />

dürfe. Eigentlich kann man sich als Gaijin<br />

mühelos in Japan zurechtfinden, wenn<br />

man eines in Erinnerung behält: Leistet<br />

man sich einen Fauxpas, brechen die Einheimischen<br />

zwar in schallendes Gelächter<br />

aus. Allerdings lachen sie nicht über<br />

einen, sondern mit einem. Anschliessend<br />

erklären sie einem geduldig, was man<br />

falsch gemacht hat.<br />

Eine solche Erfahrung macht auch Rainer.<br />

Sind die Japaner also nicht so kühl<br />

und ernst, wie man immer denkt?<br />

Im Gegenteil ist es so, dass die Japaner<br />

die Ernsthaftigkeit der Gaijin nicht mögen!<br />

Die Japaner sind sehr stolz und sehr<br />

scheu und machen deshalb fast nie den<br />

ersten Schritt auf einen zu. Das empfinden<br />

wir mitunter als Reserviertheit. Geht<br />

man aber auf Japaner zu, sind sie sehr<br />

herzlich und geben sich die grösste Mühe,<br />

sich auf die Eigenheiten der Ausländer<br />

einzustellen.<br />

Überzeichnen Sie zuweilen Ihre Figuren,<br />

um Ihre Anliegen deutlich zu machen?<br />

Mia, Rainers japanische Freundin, wird<br />

ja zum Beispiel als schon fast tölpelhaft<br />

geschildert.<br />

Ich habe in 40 Jahren nur einmal eine<br />

ungeschickte Japanerin getroffen!<br />

Japanerinnen beherrschen in der Regel<br />

ihre Hände und Finger so gut, dass man<br />

sich wie ein Trampeltier vor<strong>kommt</strong>. Eine<br />

ungeschickte Japanerin ist also tatsächlich<br />

eine Exotin, da brauche ich nichts zu<br />

überzeichnen.<br />

Federica de Cesco<br />

br. Federica de Cesco wurde 1938 in<br />

Pordenone, Italien, geboren. Als Tochter<br />

eines Italieners und einer Deutschen<br />

wuchs sie mehrsprachig auf. Mit ihren<br />

Eltern bereiste sie die Welt von Äthiopien<br />

bis Deutschland, Frankreich und Belgien.<br />

An der Universität Lüttich studierte sie<br />

Kunstgeschichte und Psychologie, bevor<br />

sie 1962 mit ihrem ersten Ehemann in die<br />

Schweiz zog. Aus dieser Ehe stammen ihre<br />

beiden Kinder. Ihren jetzigen Ehemann,<br />

den japanischen Fotografen Kazuyuki<br />

Kitamura, heiratete sie 1973.<br />

Ihre literarische Karriere begann Federica<br />

de Cesco 1957 mit dem Jugendbuch «Der<br />

rote Seidenschal». Fast 40 Jahre lang<br />

widmete sie sich fast ausschliesslich der<br />

Kinder- und Jugendliteratur; im deutschsprachigen<br />

Raum gilt sie als meistgelesene<br />

Jugendbuchautorin. Ihre Bücher erzählen<br />

meist von fremden Ländern, fremden<br />

Kulturen, Religionen oder von anderen<br />

Weltanschauungen. 1994 veröffentlichte<br />

sie mit «Silbermuschel» ihr erstes Buch für<br />

Erwachsene. Mittlerweile hat Federica de<br />

Cesco über 80 Bücher veröffentlicht – und<br />

hat bereits eine Idee für den nächsten<br />

Roman.<br />

Und wie steht es mit Tante Azai, die<br />

trotz ihrer extrem schroffen, abweisenden<br />

Art von Mia fast schon verehrt<br />

wird?<br />

Auch hier beschreibe ich nur die japanische<br />

Mentalität. Das Alter ist verehrungswürdig,<br />

denn Alter bedeutet Erfahrung –<br />

und diese gilt als kostbares Gut. Deshalb<br />

haben die Seniorinnen und Senioren in<br />

Japan auch Narrenfreiheit, sie können<br />

sich «ungestraft» über Konventionen<br />

hinwegsetzen und werden trotzdem<br />

respektiert. Diesen Respekt fordern sie


12 | Interview Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf Interview | 13<br />

In ihrem neuen Roman porträtiert Federica de Cesco Japan anhand von Protagonisten aus verschiedenen<br />

Schichten und Positionen.<br />

auch unverhohlen ein. Allerdings ist die<br />

Lebenserwartung in Japan sehr hoch,<br />

sodass die ganz Alten den jüngeren Alten<br />

damit auch gehörig auf die Nerven gehen<br />

können.<br />

Sowohl Tante Azai als auch Mia entstammen<br />

einer Familie von Ninja. Wie<br />

kamen Sie auf diese Idee?<br />

Weil wir zwei Frauen in unserem Bekanntenkreis<br />

haben, die aus solchen Familien<br />

stammen. Eine ist wie Mia Architektin, die<br />

andere betreibt eine Sake-Brauerei.<br />

Allerdings stellen Sie die «Windmenschen»,<br />

wie die Ninja auch genannt werden,<br />

nicht als hinterhältige, Wurfsterne<br />

schleudernde Schattenkrieger dar ...<br />

Das waren sie schon auch. Ninja wurden<br />

häufig von Shogunen und Samurai dafür<br />

eingesetzt, ihnen den Weg zu ebnen, und<br />

sie arbeiteten auch als Spione. Aber sie<br />

waren eben auch hervorragende Architekten,<br />

Ärzte, Planer und Apotheker – diese<br />

Traditionen leben bei ihren Nachkommen<br />

fort. Ninja waren in der Regel überdurchschnittlich<br />

intelligente Menschen, was<br />

damals eine Frage des Überlebens war.<br />

Uns Europäer fasziniert Japan auch<br />

deswegen, weil es uns wie eine unmögli-<br />

che Mischung aus Zukunftsgläubigkeit,<br />

Konzentration auf den Moment und<br />

Verwurzelung in der Vergangenheit vor<strong>kommt</strong>.<br />

Diese «Dreifaltigkeit» <strong>kommt</strong><br />

in «Tochter des Windes» immer wieder<br />

zum Ausdruck.<br />

Sie ist auch Teil des japanischen Alltags.<br />

Ein Beispiel: Ein junger Mann kann zu<br />

einem Schrein gehen und ganz profan<br />

darum bitten, dass er sein Examen<br />

besteht. Damit beleidigt man die Götter<br />

nicht, denn sie sind ja dafür da, uns zu<br />

helfen. Im Gegenzug dafür macht man die<br />

Götter glücklich, indem man ihnen zeigt,<br />

wie schön und perfekt sie die Menschen<br />

geschaffen haben, wenn man ausgelassen<br />

feiert oder seiner Freude freien Lauf<br />

lässt. Sich vor den Göttern in den Staub zu<br />

werfen, <strong>kommt</strong> gar nicht in Frage! Etwas<br />

ernster wird es bei der Ahnenverehrung,<br />

denn die Ahnen lösen sich nicht einfach<br />

in Luft auf, sondern sind allgegenwärtig,<br />

leben in ihren Nachkommen weiter.<br />

... und melden sich manchmal in der<br />

Gegenwart – wie Yodo-dono, die Ahnin<br />

von Mia und Tante Azai ...<br />

Man schreibt Frauen besondere Kräfte<br />

zu, die es ihnen erlauben, positiv in<br />

die Gegenwart einzugreifen. Yodo-dono<br />

erscheint daher jeweils warnend, wenn<br />

Gefahr bevorsteht. Stirbt eine Frau aber<br />

im Zorn, kann sie auch viel Unheil anrichten,<br />

wie ich es in «Die Augen des Schmetterlings»<br />

beschrieben habe.<br />

Glauben Sie an solche übernatürlichen<br />

Begebenheiten?<br />

Einmal fragte mich eine Leserin, ob ich<br />

einen Draht zum Übersinnlichen habe.<br />

Ich sagte: Ja, aber der hängt locker! Im<br />

Allgemeinen halte ich es mit Shakespeare:<br />

«<strong>Es</strong> gibt mehr Dinge zwischen Himmel<br />

und Erde, als Eure Schulweisheit sich<br />

erträumen lässt.»<br />

Fast schon übernatürlich wirkt auch die<br />

Szene am Ende der Geschichte, als die<br />

Katzen die Bewohner der Insel Tashiro-<br />

Jima vor der Katastrophe warnen<br />

wollen, die letztlich zum Unglück in<br />

Fukushima führte ...<br />

Diese Geschichte ist authentisch! Die Katzen<br />

retteten die Inselbewohner, indem sie<br />

mit ihren Jungen zum Katzenschrein auf<br />

dem höchsten Punkt der Insel rannten.<br />

Da merkten die Menschen, dass etwas im<br />

Argen liegt, und folgten den Tieren zum<br />

Glück. In Japan herrscht sowieso eine<br />

«Neko-Mania», eine Katzenbegeisterung.<br />

Sie haben ja selbst auch eine Katze!<br />

Sie heisst Ninja und ist unsere Maneki-<br />

Neko – unsere Glückskatze.<br />

In diesem dramatischen Höhepunkt des<br />

Buchs zeigen Sie auch wieder einige<br />

typisch japanische Eigenschaften.<br />

Ja, die enorme Fähigkeit der Japaner zur<br />

Resilienz, ihren Fatalismus und wiederum<br />

die Wichtigkeit der Älteren. Nach der Katastrophe<br />

wussten die Älteren – wie zum<br />

Beispiel Mias Onkel Matsuo –, was zu tun<br />

ist. Sie brachten die Jungen dazu anzupacken,<br />

schützten sie aber gleichzeitig vor<br />

dem Schlimmsten. Das zeigt die Szene, in<br />

der die älteren Inselbewohner die Jungen<br />

daran hindern, ihnen beim Bergen der<br />

Leichen zu helfen. Dass es zu solchen<br />

Katastrophen kommen kann, nimmt man<br />

hin. Japan ist eben anfällig für Erdbeben,<br />

damit lebt man. <strong>Es</strong> ist zwar entsetzlich,<br />

aber nicht zu ändern.<br />

War Fukushima für Sie der Auslöser,<br />

«Tochter des Windes» zu schreiben?<br />

Nein, auch wenn mein Mann und ich zwei<br />

Wochen vor dem Ereignis in der Region<br />

waren und wir viele Betroffene kennen.<br />

Mein Mann gab mir vor etwa drei Jahren<br />

den Anstoss für das Buch, als er mir sagte,<br />

dass der Genbaku-Dom – heute eine<br />

Gedenkstätte für den amerikanischen<br />

Atombombenangriff – vom tschechischen<br />

Architekten Jan Letzel erbaut wurde. Das<br />

fand ich so interessant, dass mein Mann<br />

und ich zum Recherchieren nach Prag<br />

fuhren und dort feststellten, dass Letzel<br />

in seiner Heimat gar nicht bekannt ist.<br />

Daraus entstand schliesslich das Buch.<br />

Trotz allem Positiven, über das wir<br />

bisher gesprochen haben, üben Sie in<br />

«Tochter des Windes» auch Kritik an<br />

der japanischen Gesellschaft.<br />

Natürlich, das muss auch so sein. Japan<br />

ist keine perfekte Gesellschaft. Vor allem<br />

die Technokraten und Politiker stehen bei<br />

der Bevölkerung alles andere als hoch im<br />

Kurs. Das be<strong>kommt</strong> man als Aussenstehender<br />

jedoch nicht mit, da es den Japanern<br />

nicht liegt, mit Plakaten und Parolen<br />

auf die Strasse zu gehen und ihrem Ärger<br />

Luft zu machen. Szenen, wie sie sich in<br />

Griechenland und in der Türkei abgespielt<br />

haben, sind in Japan undenkbar.<br />

Auch den Technikglauben beurteilen Sie<br />

kritisch ...<br />

Ebenso wie die Japaner nach Fukushima,<br />

als klar wurde, dass Technik eben nicht<br />

nur Gutes bringt und dass man recht hilflos<br />

sein kann, wenn die Technik im entscheidenden<br />

Moment nicht mehr funktioniert.<br />

Das merken auch Rainer und Mia, als sie<br />

nach dem Beben auf der Insel festsitzen<br />

und alle Hände voll damit zu tun haben,<br />

einen Tag nach dem anderen zu überleben.<br />

Also glauben Sie, dass die Natur am<br />

Ende – Technik hin oder her – das letzte<br />

Wort haben wird?<br />

Aber natürlich! Wobei ich sowieso ziemlich<br />

überzeugt bin, dass der Mensch es<br />

irgendwann schaffen wird, sich selbst<br />

zu zerstören, ohne dass die Natur dabei<br />

nachhelfen muss.<br />

Steht für diese Übermacht der Natur in<br />

gewissem Sinn das intelligente Haus,<br />

in dem Mia wohnt und das nach dem<br />

Beben eigentlich auch nicht viel mehr<br />

als eine Wohnhöhle ist?<br />

Genau – und das Haus funktioniert ja<br />

allein deshalb nicht mehr, weil es keinen<br />

Strom mehr gibt. Die Szenen, die ich<br />

beschreibe, sind wirklich passiert: Nach<br />

dem Beben in Tokyo funktionierte bei<br />

all den schönen, teuren, intelligenten<br />

Häusern ohne Strom nichts mehr. Also<br />

mussten die Menschen mit ihren Einkäufen<br />

30 oder mehr Stockwerke zu Fuss<br />

hochgehen, nur um dann gleich wieder<br />

mit gefüllten Nachttöpfen nach unten zu<br />

marschieren.<br />

Szenen, die einen schmunzeln lassen,<br />

auch wenn sie im Grunde tragisch sind ...<br />

So ist doch das Leben. Tragik und Komik<br />

liegen manchmal so dicht beieinander!<br />

Genau das habe ich in «Tochter des Windes»<br />

darzustellen versucht.<br />

«Tochter des Windes» ist – auch wenn<br />

der Titel vielleicht anderes vermuten<br />

lässt – ein Buch für Erwachsene. Ist das<br />

schwieriger zu schreiben als ein Buch<br />

für Jugendliche?<br />

<strong>Es</strong> stimmt, der Titel ist etwas unglücklich<br />

und deutet auf Mädchenliteratur hin.<br />

Aber auf den Titel kann man als Autorin<br />

nicht immer Einfluss nehmen. Doch um<br />

die Frage zu beantworten: Erwachsenengeschichten<br />

sind wesentlich einfacher<br />

zu schreiben. Das liegt zum einen<br />

daran, dass ich für Erwachsene einfach<br />

drauflos schreiben kann in der Annahme,<br />

dass die Lesenden es dann schon<br />

verstehen werden. Für Jugendliche muss<br />

ich meine Sprache anpassen, sie bis<br />

zu einem gewissen Grad vereinfachen.<br />

Auch die Themensuche gestaltet sich für<br />

Jugendliche schwieriger. Man kann nur<br />

Themen behandeln, welche die Jugendlichen<br />

beschäftigen, und muss gleichzeitig<br />

Geschichten finden, die aus dem Leben<br />

gegriffen sind.<br />

Im Buch fragt sich Rainer, wie und in<br />

welcher Umgebung Autoren überhaupt<br />

schreiben. Wie schreiben Sie denn?<br />

Ich brauche Kaffee, schwarze Schokolade<br />

und einen Computer. Dazu kommen ein<br />

solider Lebenswandel und ein Mass an<br />

Selbstdisziplin, das ich von meiner Mutter<br />

vermittelt bekam. Das ist im Grund schon<br />

alles!<br />

Tochter des Windes<br />

445 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Blanvalet<br />

Weiterlesen: Ausgewählte<br />

Bücher von<br />

Federica de Cesco<br />

Kinder- und Jugendbücher<br />

Der rote Seidenschal<br />

(1957)<br />

200 Seiten<br />

CHF 11.90<br />

Arena<br />

Das Buch, mit dem für Federica de Cesco<br />

die Laufbahn als Schriftstellerin begann: Ein<br />

im Zug liegen gelassener Seidenschal bietet<br />

Ann Morrison Gelegenheit, aus ihrem alten<br />

Leben auszubrechen und Neues zu erleben.<br />

Shana, das Wolfsmädchen<br />

(2000)<br />

248 Seiten<br />

CHF 15.90<br />

Arena<br />

Die bewegende Geschichte eines jungen<br />

Indianermädchens und deren aussergewöhnliche<br />

Freundschaft zu einer Wölfin.<br />

Die goldene Kriegerin<br />

(2009)<br />

377 Seiten<br />

CHF 14.90<br />

Blanvalet<br />

Die junge Tomoe ist eine Samurai, die sich<br />

beim Versuch, den Respekt des Feldherrn<br />

Yoshinaka zu erringen, in ihn verliebt. Dieser<br />

begehrt allerdings Tomoes Schwester.<br />

Erwachsenenliteratur<br />

Silbermuschel (1994)<br />

764 Seiten<br />

CHF 11.90<br />

Blanvalet<br />

Im fernen Japan entflieht Julie nicht nur<br />

ihrer unglücklichen Ehe – sie verliebt sich<br />

auch in einen japanischen Trommler und<br />

entfacht das Feuer der Leidenschaft neu.<br />

Federica de Cescos Debüt als Autorin für<br />

Erwachsene.<br />

Die Augen des<br />

Schmetterlings (2005)<br />

509 Seiten<br />

CHF 14.90<br />

Blanvalet<br />

Die Finnin Agneta Pacius wird unvermittelt<br />

zur Kämpferin im Reich der Ahnen, als<br />

sie mit der magischen Weisheit des Sami-<br />

Volkes gegen böse japanische Nachtgeister<br />

angeht.<br />

Mondtänzerin (2011)<br />

541 Seiten<br />

CHF 13.90<br />

Blanvalet<br />

Vier maltesische Freunde schwören einander<br />

ewige Treue, doch das Leben zerstreut<br />

sie in alle Winde. Als sie Jahre später wieder<br />

aufeinander treffen, ist einiges gleich,<br />

aber auch vieles anders.


14 | GrapHIC Novels Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf GrapHIC Novels | 15<br />

Kein Kinderzeugs<br />

Beim Schlendern durch eine Filiale von Orell Füssli fällt auf: Graphic Novels haben sich aus dem<br />

Comicständer verabschiedet und tauchen mittlerweile überall auf – bei der Belletristik ebenso<br />

wie bei den Biografien und Sachbüchern. Mit den klassischen Superhelden- oder Entencomics<br />

haben die Bildgeschichten kaum noch etwas zu tun.<br />

Kein vernünftiger Mensch würde heute<br />

noch unterschreiben, was einst unsere<br />

Grosseltern behaupteten: dass Comics per<br />

se Schund seien. Carl Barks, der Erfinder<br />

von Dagobert Duck und Schöpfer vieler<br />

hundert erstklassiger Donald-Geschichten,<br />

ist schon seit Jahren eine regelrechte Kultfigur.<br />

Über das Werk von Charles M. Schulz,<br />

den Vater der Peanuts, werden mittlerweile<br />

Doktorarbeiten geschrieben. Und Hergé,<br />

dessen Tim-und-Struppi-Bücher ganze Generationen<br />

von Leserinnen und Lesern –<br />

und erst recht von Zeichnern – prägten,<br />

wurde im Pariser Centre Georges Pompidou<br />

mit einer grossen Ausstellung gewürdigt.<br />

<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />

Neues Image dank neuem Namen<br />

Trotzdem: So richtig den Kinderschuhen<br />

entwachsen sind Comics wohl immer noch<br />

nicht. Sie gelten weiterhin eher als Freizeitunterhaltung<br />

für Halbwüchsige denn<br />

als ernstzunehmende literarische Gattung,<br />

die auch Erwachsene begeistern kann –<br />

zumindest in unserem Kulturkreis. Wer<br />

sich mit Bildergeschichten auskennt, weiss<br />

zwar, wie wenig dieser Ruf der Comics gerechtfertigt<br />

ist: <strong>Es</strong> gibt schon seit eh und je<br />

herausragende Werke, die auch hohen Ansprüchen<br />

genügen. Doch weil sich das Vorurteil,<br />

Comics seien Kinderkram, so hartnäckig<br />

hält, wollten sich manche Verleger<br />

und Zeichner von Superman & Co. abgrenzen.<br />

Sie kreierten deshalb vor einigen<br />

Jahrzehnten einen neuen Begriff für eine<br />

Untergattung des Mediums: «Graphic Novel».<br />

Damit werden gezeichnete, erzählerisch<br />

komplexe Romane für ein erwachsenes<br />

Publikum bezeichnet. Jede Graphic<br />

Novel ist ein Comic, aber nicht jeder Comic<br />

ist eine Graphic Novel.<br />

Wurzeln in den 1920er-Jahren<br />

Die Grenzen der Gattung sind allerdings<br />

unscharf – um so mehr, seit die Graphic<br />

Novels kommerziell erfolgreich sind und<br />

viele auf diesen Zug aufspringen wollen.<br />

Die Unschärfe macht es auch nicht einfach,<br />

eine Geschichte der Graphic Novels zu<br />

skizzieren. Zu den Vätern der Gattung gehört<br />

sicherlich der belgische Grafiker<br />

Frans Masereel, der in den 1920-Jahren<br />

Zyklen von Holzschnitten veröffentlichte.<br />

Seine Arbeiten inspirierten den US-Amerikaner<br />

Lynd Ward in den 1930er-Jahren,<br />

ebenfalls Geschichten mit Holzschnitten<br />

und ohne Worte zu erzählen. Wards sechs<br />

Bücher mit Holzschnitten zwischen Expressionismus<br />

und Jugendstil kommen<br />

schon sehr nah an die modernen Graphic<br />

Novels heran. Gemeinhin gilt aber das<br />

Buch «Ein Vertrag mit Gott» als erstes<br />

Werk der Gattung. <strong>Es</strong> erschien 1978 und<br />

stammt von Will Eisner. Der 1917 geborene<br />

US-Amerikaner verwendete auf dem<br />

Cover von «Ein Vertrag mit Gott» erstmals<br />

den Begriff «Graphic Novel», um sich von<br />

den Comics abzugrenzen. Er war allerdings<br />

kein Comic-Verächter, denn von ihm<br />

stammte auch die Detektiv-Serie «The Spirit»<br />

– ein Comic-Klassiker, der von 1940 bis<br />

1952 in Zeitungen erschien. Doch bereits<br />

«The Spirit» hob sich inhaltlich, erzählerisch<br />

und grafisch von den üblichen Tierfiguren-<br />

und Muskelprotz-Bildgeschichten<br />

jener Zeit ab. Eisner arbeitete mit ungewöhnlichen<br />

Perspektiven und Blickwinkeln,<br />

berichtete vom Innenleben seiner Figuren<br />

und thematisierte den Alltag in der<br />

Grossstadt.<br />

Formale Freiheiten<br />

In «Ein Vertrag mit Gott» erzählt Eisner<br />

vier Geschichten aus einer Mietskaserne in<br />

New York. Die Figuren sind zwar leicht karikierend<br />

gezeichnet, ihre Erlebnisse spielen<br />

sich aber in einem glaubwürdigen Alltag<br />

ab. «Jede dieser Geschichten wurde<br />

ohne Rücksicht darauf geschrieben, wie<br />

viel Platz sie braucht, und jede konnte ihre<br />

Gestalt aus sich selbst entwickeln», hielt<br />

Eisner im Vorwort des Buchs fest. Diese<br />

Abkehr von den Comic-Regeln prägt die<br />

meisten Graphic Novels. Während jeder<br />

Asterix- oder Lucky-Luke Band genau<br />

gleich lang ist – nämlich 48 Seiten –, sind<br />

Graphic Novels so umfangreich, wie sie<br />

aufgrund der Geschichte sein müssen; für<br />

sie gibt es so wenig eine Standardlänge wie<br />

für einen geschriebenen Roman. Und während<br />

bei Comics die Seiten zumeist in klassische<br />

Panels eingeteilt sind, also in rechteckige<br />

Bilder, kennen die Graphic Novels<br />

auch diesbezüglich keine Standards. In<br />

«Ein Vertrag mit Gott» gibt es oft überhaupt<br />

keine Bilderrahmen, manche Seiten<br />

zeigen nur eine einzige Situation, andere<br />

geben Abläufe sozusagen im Zeitraffer mit<br />

vielen kleinen Bildern wieder. Die Form<br />

folgt ganz dem Inhalt.<br />

Die Autoren stehen im Vordergrund<br />

Als Eisner 1978 «Ein Vertrag mit Gott» veröffentlichte,<br />

war die Zeit für diese neue<br />

Form der Comics offenbar reif – denn nur<br />

drei Jahre später wurde in Zürich der<br />

wichtigste Schweizer Verlag für Graphic<br />

Novels gegründet: die Edition Moderne.<br />

Drei hochkarätige Graphic Novels. Links: «Jimmy<br />

Corrigan – der klügste Junge der Welt» von Chris<br />

Ware. Mitte: «Persepolis» von Marjane Satrapi.<br />

Rechts: «Tod eines Bankiers» von Matthias<br />

Gnehm.<br />

Ihr grösster Erfolg sind zwar klassische<br />

Comics, nämlich die Bände «Zürich by<br />

Mike» des 2009 verstorbenen Mike van<br />

Audenhove. Daneben publiziert die Edition<br />

Moderne aber vor allem Graphic Novels<br />

einer schweizerischen und internationalen<br />

Autorenschaft; zu ihren bekanntesten<br />

Künstlern gehören Matthias Gnehm, Jacques<br />

Tardi oder Marjane Satrapi. David<br />

Basler war Mitbegründer der Edition Moderne,<br />

inzwischen gehört ihm der Verlag.<br />

«Bei Graphic Novels gefällt mir vor allem,<br />

dass sie eine zweite Sichtweise eröffnen»,<br />

meint der 59-Jährige. «Bei einem literarischen<br />

Roman muss ich mir die Bilder im<br />

Kopf zusammenbauen, bei einer Graphic<br />

Novel bekomme ich durch die Zeichnungen


16 | GrapHIC Novels Books Nr. 3/2013<br />

Alle Bücher finden Sie auch auf GrapHIC Novels | 17<br />

eine zweite Dimension geliefert – und dadurch<br />

entsteht eine ganz besondere Atmosphäre.»<br />

Als Fan der ersten Stunde kann<br />

David Basler genau sagen, was eine Graphic<br />

Novel auszeichnet: «Anders als bei<br />

Comicserien wie Lucky Luke oder Micky<br />

Maus, die oft von verschiedenen Zeichnern<br />

und Autoren oder gar ganzen Studios produziert<br />

werden, stehen bei Graphic Novels<br />

die Autoren und deren persönlicher Stil im<br />

Vordergrund. Eine Graphic Novel erzählt<br />

in der Regel eine abgeschlossene Geschichte,<br />

sie ist oft kleinformatig und eher dick –<br />

ab 80 Seiten aufwärts.» Vor allem aber<br />

richte sich eine Graphic Novel an ein Publikum<br />

ab mindestens 16, 17 Jahren – und<br />

sie behandle andere Stoffe als ein Comic.<br />

«Graphic Novels verkaufen sich übers Thema»,<br />

sagt der Verleger. So seien zum Beispiel<br />

die gezeichneten Reportagen von Joe<br />

Sacco, die in der Edition Moderne erscheinen,<br />

ein Dauerbrenner – denn sie beschäftigen<br />

sich unter anderem mit Palästina und<br />

interessieren daher viele Leute.<br />

Holocaust als Fabel – das funktioniert!<br />

Generell zählen historische Themen zu<br />

den wichtigsten Stoffen von Graphic Novels.<br />

Auch das international wohl bekannteste<br />

Werk der Gattung bereitet ein tatsächliches<br />

Geschehen auf: In «Maus – die<br />

Geschichte eines Überlebenden» erzählt<br />

der New Yorker Autor Art Spiegelman die<br />

Geschichte seiner jüdischen Familie im<br />

Holocaust. Er nutzt dazu die Form der Fabel:<br />

Die Juden sind Mäuse, die Nazis Katzen,<br />

die Polen Schweine. Für den aufwühlenden,<br />

erzählerisch perfekt gebauten und<br />

zeichnerisch aufs Minimum reduzierten<br />

Roman erhielt Spiegelman 1992 den Pulitzerpreis,<br />

die wichtigste Literaturauszeichnung<br />

der USA. Spiegelman hat wohl mehr<br />

als jeder andere zur breiten Akzeptanz der<br />

Graphic Novels beigetragen – indem er<br />

zeigte, dass es nun wirklich kein Thema<br />

gibt, dass sich nicht auf künstlerisch hochwertige<br />

Weise mit Zeichnungen und<br />

Sprechblasen umsetzen lässt. Durch die<br />

Empfehlenswerte Neuerscheinungen. Links: «Reportagen» von<br />

Joe Sacco. Rechts: «Bleierne Hitze» von Baru.<br />

Tür, die Spiegelman weit aufstiess, sind<br />

seither viele Künstler gegangen. Und viele<br />

Künstlerinnen: Während der klassische<br />

Comic vorwiegend eine Männerangelegenheit<br />

war, gibt es auch zahlreiche erfolgreiche<br />

Graphic-Novel-Autorinnen. Eine davon<br />

ist Marjane Satrapi. In «Persepolis»<br />

behandelt sie ihre Kindheit und Jugend im<br />

Iran; das Buch ist der Bestseller unter den<br />

Graphic Novels, die bislang bei der Edition<br />

Moderne erschienen sind.<br />

Trotz Erfolg ein Randprodukt<br />

Dass «Persepolis» seinen Siegeszug von<br />

Frankreich aus antrat, hat nicht nur damit<br />

zu tun, dass Marjane Satrapi in Paris lebt.<br />

Die Heimat von Asterix und Spirou ist seit<br />

jeher ein guter Nährboden für Bildgeschichten.<br />

David Basler: «In Frankreich haben<br />

Comics nie einfach als Kinderzeugs gegolten,<br />

es gibt dort eine ganz andere Tradition.»<br />

Als in Frankreich kürzlich die neue<br />

Graphic Novel von Jacques Tardi erschien –<br />

«Stalag» –, war die Startauflage von 60'000<br />

Stück innerhalb einer Woche ausverkauft.<br />

Auf Deutsch verlegt die Edition Moderne<br />

die Werke von Tardi – und David Basler ist<br />

froh, wenn er von den deutschsprachigen<br />

Büchern jeweils eine Auflage von 3000<br />

Stück absetzen kann. «Trotz aller Erfolgs-<br />

meldungen muss man festhalten, dass<br />

Graphic Novels bei uns nach wie vor ein<br />

Randprodukt sind», sagt der Verleger. «Die<br />

erfolgreichsten davon verkaufen sich auf<br />

Deutsch vielleicht 20'000 Mal.» Doch die<br />

Gesamtauflage von Graphic Novels steigt<br />

unentwegt. Längst sind es nicht mehr nur<br />

Kleinverlage, die auf dieses Medium setzen<br />

– auch Suhrkamp oder Knesebeck und<br />

Carlsen publizieren Graphic Novels. «Die<br />

«Schweizer<br />

Graphic Novels<br />

können international<br />

mithalten.»<br />

Strategie, mit dem Begriff ‹Graphic Novel›<br />

diese Art von Büchern aus den Kinderabteilungen<br />

und aus dem Comicständer herauszuholen,<br />

ist auf jeden Fall aufgegangen»,<br />

meint David Basler überzeugt. Das<br />

Publikum reagiere heute ganz anders auf<br />

Graphic Novels als noch vor einigen Jahren.<br />

«An Buchmessen kam es früher oft<br />

vor, dass Leute ein Buch sofort weglegten,<br />

wenn sie sahen, dass es eine Geschichte in<br />

Bildern erzählt. Heute <strong>kommt</strong> es kaum<br />

noch vor, dass sich jemand an der Form<br />

stört.»<br />

Schweiz ein gutes Pflaster<br />

Das Interesse an Graphic Novels ist also da –<br />

doch die Produktion ist vorderhand noch immer<br />

eher gering. David Basler schätzt, dass<br />

pro Jahr kaum 500 neue Titel auf Deutsch<br />

erscheinen. Der Aufwand, ein solches Buch<br />

zu zeichnen, sei eben sehr gross –<br />

und nur wenige talentierte Künstlerinnen<br />

und Künstler würden wirklich durchhalten.<br />

Die Schweiz ist aber ein recht gutes<br />

Pflaster für Kunstschaffende. Anders als<br />

zum Beispiel in Deutschland gibt es bei uns<br />

einigen Support für Graphic Novels. David<br />

Basler verweist auf Druckzuschüsse durch<br />

die Stadt Zürich, die Migros oder den Kanton<br />

Aargau. Solche Unterstützung habe<br />

das Niveau zweifellos angehoben, sagt der<br />

Verleger. «Schweizer Graphic Novels können<br />

international mithalten, was sich allein<br />

schon in der Tatsache zeigt, dass die<br />

Werke von Matthias Gnehm jetzt auch in<br />

Frankreich erscheinen.» Also dort, wo<br />

Graphic Novels schon lange das sind, was<br />

sie bei uns allmählich werden: eine Selbstverständlichkeit.<br />

5 Klassiker,<br />

die alle haben sollten<br />

Ein Vertrag mit Gott<br />

Will Eisner<br />

508 Seiten<br />

CHF 53.00<br />

Carlsen<br />

Will Eisners «Miethausgeschichten»<br />

von 1978 gelten als erste<br />

Graphic Novel überhaupt – und<br />

sind in diesem Band mit zwei weiteren literarischen<br />

Bildergeschichten des Pioniers vereint worden. Ein idealer<br />

Einstieg ins Graphic-Novel-Universum!<br />

Maus<br />

Art Spiegelman<br />

293 Seiten<br />

CHF 24.90<br />

Fischer<br />

Das Unaussprechliche Tieren in<br />

den Mund gelegt: Art Spiegelman<br />

erzählt die Geschichte seines<br />

Vaters, der Auschwitz überlebte, als Fabel. Dafür gewann<br />

er 1992 den Pulitzer-Preis – und damit ebnete er der<br />

Graphic Novel den Weg ins Feuilleton und zu einem<br />

erwachsenen Publikum.<br />

Jimmy Corrigan – der<br />

klügste Junge der Welt<br />

Chris Ware<br />

384 Seiten<br />

CHF 55.00<br />

Reprodukt<br />

Chris Ware ist ein Meister der minutiösen Gestaltung: Er<br />

zieht auf Papier alle filmischen Register vom Zoom über<br />

die Totale bis zum Zeitraffer und konzipiert jede Seite als<br />

Bild für sich. Ein feiner Stil für eine feinsinnige Geschichte<br />

über einen linkischen Enddreissiger. Endlich liegt dieses<br />

Meisterwerk auch auf Deutsch vor!<br />

Persepolis<br />

Marjane Satrapi<br />

356 Seiten<br />

CHF 39.90<br />

Edition Moderne<br />

Eine geradezu prototypische Graphic<br />

Novel: In holzschnittartigen<br />

Bildern berichtet Marjane Satrapi<br />

von ihrer Kindheit in Iran zur Zeit der Revolution. Die<br />

Künstlerin hat das leicht zugängliche Buch, das man kaum<br />

noch aus der Hand legen will, selber verfilmt.<br />

Stadt aus Glas<br />

Paul Auster und<br />

David Mazzucchelli<br />

135 Seiten<br />

CHF 23.90<br />

Reprodukt<br />

Viele Graphic Novels adaptieren<br />

literarische Vorlagen. Ein geglücktes<br />

Beispiel dafür ist «Stadt aus Glas» – dem früheren<br />

Superhelden-Zeichner David Mazzucchelli gelang hier die<br />

kongeniale Umsetzung eines Romans aus Paul Austers<br />

New-York-Trilogie.<br />

Herausragende<br />

Neuerscheinungen<br />

Reportagen<br />

Joe Sacco<br />

196 Seiten<br />

CHF 33.90<br />

Edition Moderne<br />

Joe Sacco bezeichnet sich als zeichnenden<br />

Journalisten und gilt als<br />

Erfinder der Comic-Reportage: Er<br />

verbindet tatsächliche aktuelle Ereignisse mit subjektiven<br />

Eindrücken. Der neue Band vereint seine Doku-Geschichten<br />

aus Den Haag, Palästina, Irak, Malta, Indien und dem<br />

Kaukasus.<br />

Marx<br />

Corinne Maier und Anne Simon<br />

64 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Knesebeck<br />

Biografien zählen zu den beliebtesten<br />

Stoffen von Graphic Novels.<br />

Eine geglückte Neuerscheinung in<br />

diesem Bereich ist «Marx»: Die französischen Autorinnen<br />

bringen einem auf leichte Weise das Leben und die Überzeugungen<br />

des Philosophen näher.<br />

Huck Finn<br />

Olivia Vieweg<br />

141 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Suhrkamp<br />

Suhrkamp fährt vor allem mit<br />

Literatur-Adaptionen auf dem<br />

Graphic-Novel-Zug mit. Die junge<br />

Zeichnerin Olivia Vieweg hat Mark Twains Klassiker<br />

nach Ostdeutschland verlegt – und das funktioniert<br />

überraschend gut.<br />

Bleierne Hitze<br />

Baru<br />

109 Seiten<br />

CHF 32.90<br />

Edition 52<br />

Der Franzose Baru gehört zu den<br />

wichtigsten europäischen Graphic-<br />

Novel-Autoren. Sein neuestes,<br />

schön buntes Werk erzählt von einem Bauernbub, der<br />

von einer Karriere als Mafiaboss träumt – und wegen<br />

eines geheimnisvollen Funds tatsächlich auf die schiefe<br />

Bahn gerät.<br />

Game of Thrones 1.<br />

Das Lied von Eis und Feuer<br />

GEORGE R.R. MARTIN<br />

DANIEL ABRAHAM<br />

109 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Panini Manga und Comics<br />

Martins episches Fantasy-Werk als Comic – geeignet auch<br />

für alle, die mit möglichst wenig Aufwand wissen wollen,<br />

warum «Game of Thrones» gegenwärtig derart abräumt.


18 | Im Schaufenster Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf Im Schaufenster | 19<br />

<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>Dicker</strong><br />

Der Genfer Autor Joël <strong>Dicker</strong> erzählt den Fall Harry Quebert –<br />

und danach gleich auch noch die Wahrheit über den Fall<br />

Harry Quebert. Der Krimi ist ein vielschichtiges, unterhaltendes<br />

Verwirrspiel.<br />

Benjamin Gygax<br />

Jeremy Spierer<br />

Im kleinen Schweizer Literaturzirkus sind<br />

Sensationen eher selten. 2012 gab es aber<br />

eine zu bestaunen: «La verité sur l’affaire<br />

Harry Quebert» des Genfers Joël <strong>Dicker</strong>.<br />

Der 700 Seiten starke Krimi wurde in der<br />

Romandie begeistert aufgenommen und in<br />

Frankreich mit Lob und Preisen überhäuft.<br />

Der erst 28-jährige Autor erhielt den<br />

Grand Prix du Roman der Académie Française<br />

zugesprochen und gleich auch noch<br />

den Prix Goncourt des Lycéens und den<br />

Prix littéraire de la Vocation. Die Ver leihung<br />

dieser renommierten Auszeichnungen<br />

blieb nicht folgenlos: Joël <strong>Dicker</strong>s Roman<br />

ging in Frankreich über 600'000-mal über<br />

die Verkaufstheke, die Übersetzungsrechte<br />

wurden in über 30 Sprachen verkauft.<br />

Jetzt erreicht die Sensation auch die<br />

Deutschschweiz: Piper hat die Übersetzung<br />

«Die Wahrheit über den Fall Harry<br />

Quebert» herausgebracht.<br />

Asyl in Neuengland<br />

Womit hat der Autor solche Begeisterungsstürme<br />

entfacht? Thema und Ort der<br />

Handlung erinnern ein wenig an die grossen<br />

amerikanischen Autoren Philip Roth<br />

oder Jonathan Franzen: Der junge Schriftsteller<br />

Marcus Goldman brütet in New York<br />

über seinem zweiten Werk. «Zu Beginn des<br />

Jahres 2008, also rund anderthalb Jahre<br />

nachdem ich dank meines ersten Romans<br />

zum neuen Hätschelkind der amerikanischen<br />

Literaturszene geworden war, ereilte<br />

mich eine fürchterliche Schaffenskrise,<br />

ein Syndrom, das bei Schriftstellern, die<br />

einen sofortigen, durchschlagenden Erfolg<br />

erlebt haben, offenbar nicht selten vor<strong>kommt</strong>»,<br />

berichtet der Protagonist. «Die<br />

Krankheit befiel mich allerdings nicht<br />

schlagartig, sondern nistete sich ganz<br />

langsam ein. <strong>Es</strong> war, als würde mein Gehirn,<br />

einmal befallen, nach und nach einfrieren.»<br />

Jetzt sitzt Goldman sein Agent im<br />

Genick und sein Verleger wirft ihm an den<br />

Kopf: «Verstehst du was von Wirtschaft,<br />

Marc? Bücher sind ein austauschbares<br />

Produkt geworden. Die Leute wollen ein<br />

Buch, das ihnen gefällt, sie ablenkt und<br />

unterhält. Und wenn du ihnen das nicht<br />

lieferst, tut es dein Nachbar, und du bist<br />

abgemeldet.» In seiner Not besinnt sich<br />

Marcus Goldman auf Harry Quebert. Dieser<br />

war nicht nur sein College-Professor<br />

und Boxtrainer, sondern ist selber einer<br />

der angesehensten Autoren Amerikas und<br />

hatte Marcus als Mentor dazu gebracht,<br />

seinen Traum vom Schreiben mit Biss zu<br />

verfolgen. Also fährt der Jungautor zu seinem<br />

Mentor in die verschlafene Küstenstadt<br />

Aurora in New Hampshire.<br />

«Joël <strong>Dicker</strong> deckt<br />

seinen Plot Schicht<br />

um Schicht auf<br />

und vollzieht dabei<br />

mehr als einmal<br />

eine atemberaubende<br />

Kehrtwende.»<br />

Eine verbotene Liebe und ihre Folgen<br />

Während sich Marcus bei Harry in dessen<br />

Strandhaus ausweint, platzt die Bombe:<br />

Auf dem Anwesen wird die Leiche von Nola<br />

Kellergan gefunden. Sie verschwand 1975,<br />

erst 15-jährig. Seither liegt ein Schatten<br />

über der beschauliche Gemeinde. Und jetzt<br />

erfährt Marcus: Den Teenager und den arrivierten<br />

Autor in seinen Dreissigern verband<br />

eine innige Beziehung – und Harry<br />

Queberts gefeierter Roman «Der Ursprung<br />

des Übels» ist die literarische Verarbeitung<br />

jener verbotenen Liebe. Quebert ist der<br />

Hauptverdächtige und wird in Haft genommen.<br />

Gegen jeden gutgemeinten Rat bleibt<br />

Marcus in Aurora und recherchiert auf eigene<br />

Faust, weil er nicht an die Schuld seines<br />

väterlichen Freunds glauben will. Also<br />

befragt er alle Bewohner der kleinen Stadt,<br />

die vor 33 Jahren schon hier ansässig wa-<br />

ren – Nolas Vater und Freundinnen, ihre<br />

Arbeitgeberin im lokalen Diner, die Polizeibeamten.<br />

Nach und nach erfahren wir mit<br />

Marcus Goldman, dass viele von ihnen etwas<br />

mehr wissen oder ein bisschen stärker<br />

in die Geschichte verwickelt sind, als es<br />

zunächst den Anschein macht. Joël <strong>Dicker</strong><br />

deckt seinen Plot Schicht um Schicht auf<br />

und vollzieht dabei mehr als einmal eine<br />

atemberaubende Kehrtwende, bis Marcus<br />

Goldmann sich endlich von seiner Schreibblockade<br />

lösen und «Die Wahrheit über den<br />

Fall Harry Quebert» schreiben kann.<br />

Das Spiel mit dem Alter Ego<br />

Ein Buch im Buch und beide mit identischem<br />

Titel. Ein junger Erfolgsautor mit<br />

seinem zweiten Werk: Die Parallelen scheinen<br />

offensichtlich! Ist Marcus Goldman<br />

das Alter Ego von Joël <strong>Dicker</strong>? Der Genfer<br />

verneint ausdrücklich und sagt, er habe<br />

über einen Erfolgsautor geschrieben, während<br />

zu dieser Zeit mehrere seiner Manuskripte<br />

abgelehnt worden waren. «Was<br />

mich mit Marcus verbindet, ist die Begeisterung<br />

für Sport, aber auch die obsessive<br />

Suche nach der Wahrheit und seinen Blick<br />

auf das Leben, der zuweilen noch etwas<br />

verschwommen ist.» <strong>Dicker</strong> dementiert<br />

also und scheint Vergleiche dennoch nachgerade<br />

zu provozieren. Er spielt vergnügt<br />

mit der Erwartung seiner Leserinnen und<br />

Leser, vieles davon spiegelt sich in kurzen<br />

Rückblenden auf die Vergangenheit von<br />

Mentor und Schüler. Einmal lässt <strong>Dicker</strong><br />

Harry sagen: «Ich werde Ihnen einunddreissig<br />

Ratschläge geben, und zwar im<br />

Lauf der nächsten Jahre. Nicht alle auf einmal.»<br />

Und auf Marcus Frage hin, wieso es<br />

gerade einunddreissig sind: «Weil einunddreissig<br />

ein wichtiges Alter ist. Das erste<br />

Jahrzehnt formt Sie als Kind. Das zweite<br />

als Erwachsener. Und das dritte macht Sie<br />

zum Mann oder auch nicht. Mit einunddreissig<br />

sind Sie aus dem Gröbsten raus.»<br />

Joël <strong>Dicker</strong> ist zwar erst 28 Jahre alt,<br />

scheint aber das Gröbste auch schon hinter<br />

sich zu haben. Er sagt: «Ich habe das<br />

Gefühl, in den letzten zwei Monaten um<br />

zehn Jahre gealtert zu sein und gleich noch<br />

einmal zehn am Tag der Preisverkündigung<br />

des Goncourt.» Der Sohn eines Französischlehrers<br />

und einer Buchhändlerin<br />

gründete mit zehn Jahren eine Tierzeitschrift,<br />

die immerhin fünf Jahre lang erschien.<br />

Nach der Matura zog er nach Paris,<br />

wo er ein Jahr lang am Cours Florent<br />

Schauspiel studierte. 2010 schloss er an<br />

der Universität Genf sein Jurastudium ab.<br />

2012 erschien sein Erstling «Les Derniers<br />

Jours de nos pères», ein historischer Roman<br />

aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.<br />

Vom Leben, Schreiben und Fallen<br />

Bei einem so raffiniert verschlungenen Plot<br />

wie jenem von «Die Wahrheit über den Fall<br />

Harry Quebert» kann man kaum glauben,<br />

dass er nicht auf dem Reissbrett entworfen<br />

wurde. Doch <strong>Dicker</strong> beteuert: «<strong>Es</strong> gibt keinen<br />

Plan. Meine Methode besteht vielmehr<br />

darin, mir zu vertrauen und voran zu gehen.<br />

Das ist eine lange und bisweilen entmutigende<br />

Arbeit.» Vielleicht hat diese Arbeitsweise<br />

zu einem Motiv geführt, welches<br />

das ganze Buch durchzieht. Harry vergleicht<br />

das Leben und das Schreiben mit<br />

dem Fallen: «Schauen Sie sich doch an,<br />

Marcus: Sie trauen sich nicht zu fallen. Und<br />

genau deshalb werden Sie, wenn Sie das<br />

nicht ändern, ein hohler, nichtssagender<br />

Mensch werden. Wie kann man leben,<br />

wenn man nicht fallen kann?» <strong>Es</strong> sind solche<br />

Abschnitte, die den Krimi zu einer interessanten<br />

Reflexion über das Schreiben<br />

machen. Andere Leserinnen und Leser sehen<br />

ihn vor allem als Spiegel Amerikas, wo<br />

Metropolen und Kleinstädte, Offenheit und<br />

Bigotterie oder Erfolg und Verdammnis so<br />

nahe nebeneinander existieren. Joël <strong>Dicker</strong><br />

kennt Neuengland von regelmässigen<br />

und längeren Aufenthalten gut und liebt es.<br />

Grosser Roman oder Strandlektüre?<br />

Bei allem Erfolg – «Die Wahrheit über den<br />

Fall Harry Quebert» fand nicht nur Gefallen.<br />

Zwar sagte Bernard Pivot, Literaturjournalist<br />

und Jurymitglied des Goncourt:<br />

«Wenn Sie die Nase mal in diesen grossen<br />

Roman gesteckt haben, sind Sie hin und<br />

«Wenn Sie die<br />

Nase mal in diesen<br />

grossen Roman gesteckt<br />

haben, sind<br />

Sie hin und weg.»<br />

weg.» Ein anderes Jurymitglied, der Autor<br />

Patrick Rambaud, fand gleich nach der<br />

Preisverkündigung weniger schmeichelhafte<br />

Worte. Er bezeichnete das Buch als<br />

«Strandlektüre mit schlechten Dialogen».<br />

Abgesehen davon, dass Lesen am Strand<br />

eine schöne Sache ist, hat er einen wunden<br />

Punkt erwischt: Die Szenen zwischen dem<br />

ungleichen Liebespaar Harry und Nola wirken<br />

hin und wieder tatsächlich etwas pathetisch.<br />

Ob das wirklich Joël <strong>Dicker</strong>s Verschulden<br />

ist, ob es an der Übersetzung liegt<br />

oder ob der Autor mit diesem Stil sogar das<br />

Alter des Mädchens hervorheben will,<br />

muss der Leser selbst beurteilen. Dass sich<br />

der Schriftsteller in diesen Teenager verlieben<br />

soll, wird mit diesen Dialogen nicht<br />

plausibler. Definitiv unglaubwürdig ist dagegen,<br />

dass sich der bärbeissige Ermittler<br />

so auf Marcus einlässt, ihn über Ermittlungsergebnisse<br />

informiert und ihn gar an<br />

offiziellen Zeugeneinvernahmen teilnehmen<br />

lässt. Aber wen kümmert das bei einem<br />

Krimi? Bei einem so voluminösen und<br />

vielschichtigen Buch wäre es kleinlich, dem<br />

Autor eine Ungenauigkeit vorzuhalten, die<br />

eine packende Kriminalgeschichte vorwärts<br />

treibt – bis zur verblüffenden Wahrheit<br />

im Fall Harry Quebert.<br />

Die Wahrzeit über den<br />

Fall Harry Quebert<br />

724 Seiten<br />

CHF 35.90<br />

Piper


20 | Brasilien Books Nr. 3/2013<br />

Alle Bücher finden Sie auch auf Brasilien | 21<br />

Zeugnisse einer<br />

Welt im Wandel<br />

Die brasilianische Literatur bietet weit mehr als den Exportschlager Paulo Coelho. Nun kann man<br />

ihre Vielfalt noch besser erkunden – denn anlässlich der Frankfurter Buchmesse, an der Brasilien<br />

zum zweiten Mal Ehrengast ist, wurden viele Bücher neu ins Deutsche übersetzt.<br />

Eine eigenständige Schriftkultur hat Brasilien<br />

noch nicht sehr lang. Im Jahr 1500 soll<br />

der Steuermann des portugiesischen Seefahrers<br />

und Brasilien-Entdeckers Pedro<br />

Alvares Cabral als erster über diese Weltgegend<br />

geschrieben haben. In einem 27<br />

Seiten langen Brief beschrieb er dem portugiesischen<br />

König Manuel I. die Tropenwelt<br />

und deren Bewohner, welche die<br />

Schiffmannschaft an der Küste von Salvador<br />

da Bahia vorfand. Noch lange sollte der<br />

portugiesische Blickwinkel die schriftliche<br />

Wahrnehmung von Brasilien prägen, denn<br />

es waren zunächst vor allem portugiesische<br />

Reisende und Missionare, die Land<br />

und Leute beschrieben. Aber auch die ersten<br />

Schriftsteller urteilten meist aus kolonialer<br />

Sicht.<br />

Als der portugiesische König Joao IV. 1808<br />

auf der Flucht vor Napoleon in Brasilien<br />

ankam, soll es dort noch keine gedruckte<br />

Presse gegeben haben. Erst als das Land<br />

1822 unabhängig wurde, begann man sich<br />

von europäischen Traditionen zu emanzipieren.<br />

<strong>Es</strong> entstand eine brasilianische<br />

Schriftkultur, die stark vom Schmelztiegel-<br />

Charakter des Lands geprägt ist und auch<br />

den Hintergrund der afrikanischen und<br />

indigenen Minderheiten aufgenommen<br />

hat. Geschrieben wird allerdings bis heute<br />

Portugiesisch – die Sprache der ehemaligen<br />

Kolonialmacht, wenn auch in brasilianischer<br />

Ausprägung. 97 Prozent der Einwohner<br />

bezeichnen das brasilianische<br />

Portugiesisch als Muttersprache, nur<br />

0,1 Prozent sprechen eine Indianersprache.<br />

Unschlagbare Klassiker<br />

Paulo Coelho ist nicht nur der bekannteste<br />

Schriftsteller Brasiliens, sondern auch einer<br />

der erfolgreichsten Autoren der Welt.<br />

Bereits mit seinem zweiten Buch gelang<br />

Markus Ganz<br />

dem 1947 geborenen Schriftsteller der<br />

ganz grosse Wurf. Der Roman «Der Alchimist»<br />

erschien 1988, entwickelte sich jedoch<br />

erst in den 1990er-Jahren zum weltweiten<br />

Bestseller, der in über 60 Sprachen<br />

übersetzt wurde. Rund 30 Millionen Exemplare<br />

sollen sich bisher verkauft haben,<br />

davon eine Million in deutscher Sprache.<br />

Anfangs dieses Jahrs erschien der neuste<br />

Roman von Coelho: «Die Schriften von<br />

Accra». Er handelt von einem geheimnisvollen<br />

Fremden, der auf der Suche nach<br />

Abenteuern und Reichtum in die Welt geht<br />

und Antworten auf die grossen Fragen der<br />

Menschheit findet.<br />

Zu den populärsten lateinamerikanischen<br />

Autoren des 20. Jahrhunderts gehört auch<br />

der 1912 geborene Jorge Amado. Bis zu<br />

seinem Tod 2001 gelang es ihm immer<br />

wieder, ernste Anliegen in Komödien zu<br />

verpacken. Derart thematisierte er in seinen<br />

35 Büchern immer wieder auch die<br />

rassistische Diskriminierung in seiner Heimat.<br />

«Zwei Geschichten von der See» zeigt,<br />

wie zeitlos und höchst vergnüglich seine<br />

lebensnahen Schilderungen sind. Komisch<br />

ist besonders die neu übersetzte Erzählung<br />

«Der Tod und der Tod des Quincas Berro<br />

Dágua» von 1959. Heisst es bei James<br />

Bond, man lebe nur zweimal, so muss der<br />

Antiheld hier gleich dreimal sterben. Die<br />

Geschichte bekundet zum einen die absolute<br />

Sympathie für die Aussenseiter dieser<br />

Welt. Sie ist aber auch ein Manifest für das<br />

Anrecht aller Menschen, ihre Lebensweise<br />

selber bestimmen zu können – und dazu<br />

gehört auch die Art ihres Tods.<br />

Leidenschaft und Tod<br />

Neben existentiellen Fragen spielt in der<br />

brasilianischen Literatur auch die Liebe<br />

immer wieder eine herausragende Rolle.<br />

Brasilien<br />

mg. Die Dimensionen von Brasilien sind<br />

in mancherlei Hinsicht aussergewöhnlich.<br />

Das südamerikanische Land ist sowohl<br />

bezüglich der Fläche wie auch der Bevölkerung<br />

der fünftgrösste Staat der Erde. <strong>Es</strong><br />

leben dort fast 25-mal mehr Leute als in<br />

der Schweiz, unser Land fände allerdings<br />

200-mal Platz in Brasilien. Rund die Hälfte<br />

der fast 200 Millionen Brasilianer haben<br />

afrikanische Vorfahren, die zwischen dem<br />

16. und 19. Jahrhundert als Sklaven nach<br />

Südamerika kamen. 2005 bezeichnete sich<br />

die Hälfte der Brasilianer als Weisse, 43<br />

Prozent als Mischlinge, 6,3 Prozent als<br />

Schwarze und 0,7 Prozent als Asiaten oder<br />

Indigene. Brasilien erlebte in den letzten<br />

Jahrzehnten einen gewaltigen Aufstieg zur<br />

sechstgrössten Volkswirtschaft der Welt.<br />

Wirtschaftsexperten gehen aber davon<br />

aus, dass die goldenen Zeiten für Brasiliens<br />

Wirtschaft bereits wieder vorbei sind.<br />

Marçal Aquino verbindet in seinem Roman<br />

«Flieh. Und nimm die Dame mit.»<br />

die beiden Themenkomplexe dramatisch.<br />

Im Mittelpunkt des Buchs steht eine Frau,<br />

die zwei Seiten hat: eine dunkle selbstzerstörerische<br />

und eine helle verführerische.<br />

Zwei Männer verfallen ihr: ein am Fernsehen<br />

vor der gesellschaftlichen Fäulnis warnender<br />

Pater und der Erzähler, ein Journalist<br />

in der Sinnkrise. Dem 1958 geborenen<br />

Autor gelingt es, die abgründige Art dieser<br />

Beziehungen mit der spannungsgeladenen<br />

Stimmung in einer Goldgräberstadt zu<br />

grundieren.<br />

Spiegel der Entwicklung<br />

Goldgräberstädte gibt es zwar noch heute<br />

im modernen, boomenden Brasilien. Der<br />

Literaturkritiker Manuel da Costa Pinto<br />

© KEYSTONE / Ayse Yavas<br />

Brasilien ist ein riesiges Land – und seine Literatur daher ausserordentlich vielseitig. Brasilianische Autorinnen und Autoren im Uhrzeigersinn von links oben:<br />

Paulo Coelho, Ana Paula Maia, Jorge Amado, Marçal Aquino, Luiz Ruffato, Andréa del Fuego und Daniel Galera.<br />

© Marcelo Correa


22 | Brasilien Books Nr. 3/2013<br />

Alle Bücher finden Sie auch auf Spezial – Zeitgeschehen | 23<br />

betonte in einer Vorschau auf die Frankfurter<br />

Buchmesse aber, wie rasant sich<br />

Brasilien seit Mitte des 20. Jahrhunderts<br />

modernisiert und urbanisiert habe. Viele<br />

Autoren wirkten als Chronisten dieses dynamischen<br />

Prozesses, der sich faszinierend<br />

in der Gesellschaft widerspiegle. Zu<br />

diesen Schriftstellern darf man auch Andréa<br />

del Fuego zählen, die 1975 geboren<br />

wurde und aus dem Journalismus <strong>kommt</strong>.<br />

In «Geschwister des Wassers» erzählt sie<br />

nicht nur das berührende Schicksal dreier<br />

Geschwister, die in einer archaisch gebliebenen<br />

Welt plötzlich ihre Eltern verlieren.<br />

Luiz Ruffato entwirft<br />

in 69 Szenen<br />

ein kaleidoskopisches<br />

Abbild der<br />

Megacity São Paulo<br />

mit ihrem Glamour<br />

und ihrem Elend.<br />

Sie schildert auch beklemmend die Verstrickungen<br />

dieser Familie mit dem Gutsbesitzer,<br />

der so herrisch über die Kinder wie<br />

über das Leben seiner Angestellten verfügt.<br />

Der Bau einer Staumauer verändert<br />

das Leben aller, doch trotz Einzug der<br />

Elektrizität verlieren die Menschen ihren<br />

Sinn für das Übersinnliche nicht.<br />

Zeichen der Moderne<br />

Auch Daniel Galera gehört mit Jahrgang<br />

1979 zur jüngeren Generation der brasilianischen<br />

Schriftsteller. Das merkt man<br />

auch seinen Themen an; sie haben oft mit<br />

Problemen von Jugendlichen im modernen<br />

Brasilien zu tun. Im Mittelpunkt von<br />

Galeras Roman «Flut» steht ein junger<br />

Mann, dessen Vater sich direkt vor ihm<br />

erschiesst. Daraufhin lässt der junge Mann<br />

die schwerverletzte Hündin des Vaters<br />

nicht einschläfern, wie dieser von ihm verlangt<br />

hat. Er päppelt sie vielmehr auf und<br />

zieht mit ihr in den Süden. Dort will er ergründen,<br />

wieso sein Grossvater einst verschwand.<br />

In die Quere <strong>kommt</strong> ihm dabei,<br />

dass er Gesichter vergisst, sie nicht wiedererkennen<br />

kann. Dies führt im Alltag zu<br />

schwierigen, manchmal aber auch angenehmen<br />

Situationen. Einer Freundin schildert<br />

er die eigenartigen Folgen so: «Ich<br />

kann mich erinnern, dass du sehr schön<br />

warst. Da freue ich mich natürlich, dich<br />

wiederzusehen».<br />

<strong>Es</strong> wundert einen nicht, dass Ana Paula<br />

Maia als Jugendliche in einer Punkband<br />

gespielt hat. Denn in «Krieg der Bastarde»<br />

spart die 1977 geborene Schriftstellerin<br />

nicht mit drastischen Bildern und direkter<br />

Sprache. Sie beschreibt die<br />

Geschichte von Amadeu, der eine Tasche<br />

voll Kokain aus der Pornoproduktionsfirma<br />

entwendet, für die er arbeitet. Er macht<br />

den Stoff zu Bargeld, um seine Geliebte –<br />

eine illegale Preisboxerin – von ihren<br />

Schulden zu befreien und mit ihr ein neues<br />

Leben zu beginnen. Doch dann wird Amadeu<br />

überfahren. Und da dies kaum jemand<br />

weiss, führt die Suche nach ihm zu immer<br />

groteskeren Situationen.<br />

Megacity und Fussball<br />

Luiz Ruffato gilt als Ausnahmetalent. Mit<br />

seinem ersten Roman «<strong>Es</strong> waren viele<br />

Pferde» habe er die brasilianische Literatur<br />

revolutioniert. Eine Jury von Literaturkritikern<br />

der Zeitung «Globo» bezeichnete<br />

das 2001 erschienene und nun auch auf<br />

Deutsch erhältliche Buch als einen der<br />

zehn besten brasilianischen Romane der<br />

letzten Dekade. Der 1961 geborene Schriftsteller<br />

entwirft in 69 Szenen ein kaleidoskopisches<br />

Abbild der Megacity São Paulo<br />

mit ihrem Glamour und ihrem Elend, ihrer<br />

Verlogenheit und ihrem Schmerz. Die verschiedenen<br />

Schlaglichter fügen sich zur<br />

Geschichte eines Lands, das von Gewalt<br />

und Entwurzelung gezeichnet ist.<br />

Brasilien ist ohne den Fussball undenkbar<br />

– und umgekehrt. Luiz Ruffato hat<br />

15 brasilianische Kolleginnen und Kollegen<br />

gebeten, darüber Geschichten zu verfassen.<br />

In der Anthologie «Der schwarze<br />

Sohn Gottes. 15 Fussballgeschichten aus<br />

Brasilien» beschreiben die Schriftstellerinnen<br />

und Schriftsteller nicht nur die zuweilen<br />

zauberhafte Magie des Balls und die<br />

Unvorhersehbarkeiten eines Spielverlaufs,<br />

sie erzählen auch von den Träumen, Hoffnungen<br />

und Wünschen, die mit dem Fussball<br />

verbunden sind. Dabei kann man zur<br />

tröstlichen Erkenntnis kommen, dass sogar<br />

Fussballnieten imstande sind, ein<br />

glückliches Leben zu führen.<br />

Die Schriften von<br />

Accra<br />

Paulo Coelho<br />

CHF 27.90<br />

183 Seiten<br />

Diogenes<br />

Zwei Geschichten<br />

von der See.<br />

Der Tod und der<br />

Tod des Quincas<br />

Berro Dágua. Die<br />

Abenteuer des<br />

Kapitäns Vasco<br />

Moscoso<br />

Jorge Amado<br />

500 Seiten<br />

CHF 39.90<br />

S. Fischer<br />

Flieh. Und nimm<br />

die Dame mit.<br />

Marçal Aquino<br />

284 Seiten<br />

CHF 21.90<br />

Unionsverlag<br />

Geschwister des<br />

Wassers<br />

Andréa del Fuego<br />

203 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

Hanser<br />

Flut<br />

Daniel Galera<br />

425 Seiten<br />

CHF 36.90<br />

Suhrkamp<br />

Krieg der<br />

Bastarde<br />

Ana Paula Maia<br />

208 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

A 1<br />

<strong>Es</strong> waren viele<br />

Pferde<br />

Luiz Ruffato<br />

158 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

Assoziation A<br />

Der schwarze<br />

Sohn Gottes. 15<br />

Fussballgeschichten<br />

aus Brasilien<br />

Diverse, Luiz Ruffato<br />

(Hrsg.)<br />

144 Seiten<br />

CHF 22.90<br />

Assoziation A<br />

Books<br />

Spezial<br />

Felsen in der<br />

Brandung<br />

der Zeit<br />

Elektronische Medien wie Internet oder Fernsehen sind dem Sachbuch<br />

immer ein paar Schritte voraus. Doch sie sind im Grunde nichts<br />

anderes als ein nie endender News ticker. Hintergrundinformationen,<br />

Zusammenhänge und vertiefte Betrachtungen bleiben oft auf der Strecke.<br />

Vorteil: Buch! Natürlich dauert es Wochen oder gar Monate, bis<br />

Bücher zu einem aktuellen Ereignis in den Regalen stehen. Dafür erhalten<br />

diese dann auch gründlich recherchierte Fakten, Zusammenhänge,<br />

Karten, Bilder, Meinungen, Grafiken und Statistiken, eben alles,<br />

wofür in der digitalen Hektik einfach keine Zeit bleibt. Auf den<br />

folgenden Seiten zeigen wir Ihnen wichtige Neuerscheinungen im<br />

Bereich des Zeitgeschehens – und suchen Antworten auf die Frage,<br />

wie solche Bücher entstehen.


24 | Spezial – Zeitgeschehen Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf Spezial – Zeitgeschehen | 25<br />

Das Heute festhalten<br />

Was wir als «Zeitgeschehen» bezeichnen, soll ein deutliches Bild<br />

der Gegenwart zeichnen. Was eignet sich heute für diese Kategorie?<br />

«Books» hat aus der Fülle der Neuerscheinungen zu Gesellschaft,<br />

Politik und Kultur einige Themen herausgegriffen.<br />

Benjamin Gygax<br />

Zeit ist ein faszinierendes Phänomen, das<br />

nicht nur Sportler, Philosophen und Physiker<br />

beschäftigt, sondern uns alle im Alltag.<br />

Vielleicht hat die deutsche Sprache deshalb<br />

in Kombination mit dem Wort «Zeit»<br />

einige ebenso eigentümliche wie prägnante<br />

Begriffe hervorgebracht. Der Dichter<br />

und Philosoph Johann Gottfried Herder<br />

prägte 1769 den Begriff «Zeitgeist» für die<br />

vorherrschende und typische Art, wie zu<br />

einer bestimmten Zeit gedacht und gefühlt<br />

wird. Seine Wortschöpfung war so eingängig,<br />

dass sie es sogar als Lehnwort in mehrere<br />

andere Sprachen geschafft hat, zum<br />

Beispiel ins Englische. Hans Magnus<br />

Enzensberger äusserte sich zwar verächtlich<br />

über diesen ominösen Geist, der eine<br />

Zeit durchweht: «Etwas Bornierteres als<br />

den Zeitgeist gibt es nicht. Wer nur die<br />

Gegenwart kennt, muss verblöden.» Vielleicht<br />

verkennt Enzensberger dabei aber,<br />

dass man den «Zeitgeist» oft nur unter einer<br />

Lupe erkennen kann, die «Geschichtsbewusstsein»<br />

heisst – schliesslich macht ja<br />

erst der Vergleich eine Besonderheit erkennbar.<br />

Ein Bild der Gegenwart zeichnen<br />

Mit dem «Zeitgeist» verwandt ist auch das<br />

«Zeitgeschehen». Dieser Begriff hat die<br />

Aufgabe, aktuelle Ereignisse von historischen<br />

abzugrenzen. Deshalb findet er auch<br />

rege Verwendung dort, wo es um Aktualität<br />

geht: Als Rubrik in Zeitungen und Zeitschriften.<br />

Daraus zu schliessen, dass alles<br />

gerade Aktuelle sich als «Zeitgeschehen»<br />

qualifiziert, wäre falsch. Die Kategorie<br />

«Zeitgeschehen» adelt sozusagen jene Aktualität,<br />

die prägend und dauerhaft, ja vielleicht<br />

sogar epochenbildend ist. «Zeitgeschehen»<br />

soll mit wenigen klaren und<br />

kräftigen Strichen ein Bild der Gegenwart<br />

skizzieren.<br />

«Zeit» ist zeitlos<br />

Was charakterisiert unsere Zeit? Ein Thema,<br />

das zwar in gewisser Weise zeitlos ist,<br />

uns heutzutage aber besonders stark beschäftigt,<br />

ist die Zeit selber. Einen äusserst<br />

anregenden und auch anspruchsvollen<br />

Blick auf dieses Phänomen präsentiert<br />

Aleida Assmann mit «Ist die Zeit aus den<br />

Fugen?» Sie ist Professorin für Anglistik<br />

und Literaturwissenschaften in Konstanz<br />

und vertritt eine interessante These. Ihr<br />

Ausgangspunkt: «Das Auseinanderbrechen<br />

und neu Zusammensetzen des temporalen<br />

Zeitgefüges von Vergangenheit,<br />

Gegenwart und Zukunft.» Sie mute ihren<br />

Lesern zu, schreibt die Kulturwissen-<br />

schaftlerin, «Befunde aus verschiedenen<br />

Geschichtsepochen und kulturellen Bereichen<br />

zu besichtigen in der Erwartung, dass<br />

sich aus diesen konkreten Fragmenten ein<br />

Bild dessen aufbaut, was ich mit einem<br />

abstrakten Begriff das ‹Zeitregime der Moderne›<br />

nenne». Der Niedergang dieses<br />

Zeitregimes sei der Grund für ein temporales<br />

Chaos in unserer Zeit. Bisher hatte es<br />

uns auf die Zukunft ausgerichtet und liess<br />

uns die Vergangenheit vergessen. Heute sei<br />

Geschichte «Vergangenheit, die nie vergeht»<br />

und uns damit nicht mehr loslässt –<br />

und der Glaube an die Zukunft ist vielen<br />

abhanden gekommen.<br />

Der Einzelne und das Imperium<br />

Vielleicht lässt sich diese These zum Zeitregime<br />

gerade anhand des nächsten Buchs<br />

illustrieren? Swetlana Alexijewitsch, die<br />

1948 in der Ukraine geboren wurde, hat<br />

ihr neues Buch «Secondhand-Zeit» genannt.<br />

Die Journalistin und Buchautorin<br />

ist eine der profiliertesten Zeitzeuginnen<br />

der postsowjetischen Gesellschaft. Ihre Bücher<br />

wurden unter anderem mit dem<br />

«Kurt-Tucholsky-Preis» des schwedischen<br />

PEN, mit dem «Triumph-Preis für Kunst<br />

und Literatur Russlands» und mit dem<br />

«Leipziger Buchpreis zur Europäischen<br />

Verständigung» ausgezeichnet. 2013 erhält<br />

Swetlana Alexijewitsch den Friedenspreis<br />

des Deutschen Buchhandels. Für ihr<br />

Werk hat die Autorin Gespräche mit Männern<br />

und Frauen aufgezeichnet, die sich an<br />

die Sowjetzeit erinnern. Zwar sehen jüngere<br />

Menschen diese Ära nur im Nebel der<br />

Geschichte, doch der Kalte Krieg, die Sowjetunion<br />

und der kommunistische Staatsterror<br />

leben in der Erinnerung vieler Russinnen<br />

und Russen weiter. «Ich kenne<br />

diesen Menschen, er ist mir vertraut, ich<br />

habe viele Jahre Seite an Seite mit ihm<br />

gelebt. Er ist ich», schreibt die Autorin.<br />

Diesem «Ich» ist sie auf der Spur – und sie<br />

nähert sich ihm mit den Mitteln der Journalistin.<br />

«Ich schreibe mit, ich suche Körnchen<br />

für Körnchen, Krume für Krume nach<br />

der Geschichte unseres ‹alltäglichen›, unseres<br />

‹inneren› Sozialismus. Danach, wie<br />

er in der Seele der Menschen wirkte. Dieser<br />

Massstab hat mich schon immer fasziniert<br />

– der Mensch ... der einzelne Mensch.<br />

Denn im Grunde passiert dort alles.» Und<br />

was passiert zurzeit? Vielen gilt Stalin wieder<br />

als grosser Staatsmann, die sozialistische<br />

Vergangenheit wird nostalgisch verklärt.<br />

Dieses Leben mit gebrauchten Ideen<br />

und Worten nennt Swetlana Alexijewitsch<br />

«Secondhand-Zeit». In ihren Gesprächen<br />

stellt sie die Brutalisierung von Menschen<br />

fest, die «immer entweder gekämpft oder<br />

sich auf einen Krieg vorbereitet haben».<br />

Das Buch ist keine leichte Kost, aber vielfältig<br />

und berührend. <strong>Es</strong> zeigt, wie die Sowjetunion<br />

bis ins Heute nachwirkt.<br />

Kapitalismus oder Demokratie?<br />

Der Kalte Krieg ist Geschichte und die Konkurrenz<br />

zwischen kommunistischem und<br />

kapitalistischem Block weitgehend vorüber.<br />

Doch damit rückt zunehmend eine andere<br />

Bruchstelle ins Bewusstsein: jene zwischen<br />

Kapitalismus und Demokratie. So<br />

zumindest sieht es Jakob Augstein in seinem<br />

Buch «Sabotage». Der Sohn von<br />

«Spiegel»-Gründer Rudolf Augstein ist im<br />

Untertitel sehr klar: «Warum wir uns zwischen<br />

Demokratie und Kapitalismus entscheiden<br />

müssen». Der streitbare und umstrittene<br />

linke Publizist hält ein Plädoyer<br />

dafür, Gerechtigkeit, Gesetz, Gleichheit,<br />

Demokratie und Freiheit zu verteidigen,<br />

sonst gehe die Gesellschaft kaputt. «Aber<br />

wenn die Gesellschaft kaputt ist, geht auch<br />

der Mensch kaputt. Das wollten die Ideologen<br />

des Neoliberalismus lange Zeit nicht<br />

wahrhaben.» Die Bedrohung sieht er im<br />

Finanzkapitalismus. Auch wenn Augstein<br />

von der Deutschen Politik ausgeht, wirft er<br />

Fragen auf, die von globaler Bedeutung<br />

sind. Die Lösungsvorschläge sind nicht so<br />

eindeutig, doch Augstein kreist um den Begriff<br />

der Gewalt und bringt den französischen<br />

Begriff der «Sabotage» ins Spiel:<br />

Dieser bezeichnet nicht Gewalt gegen Menschen,<br />

sondern gegen Sachen.<br />

Das Leben zurückgewinnen<br />

Kapitalismus oder Demokratie? Diese gesellschaftliche<br />

Frage könnte auf individueller<br />

Ebene vielleicht auch lauten: Arbeit<br />

oder Leben? So legt es uns zumindest Ulrich<br />

Renz in «Die Tyrannei der Arbeit»<br />

nahe. Und diese oder eine ähnliche Frage<br />

hat uns alle in der rastlosen Leistungsgesellschaft<br />

schon einmal beschäftigt. Ulrich<br />

Renz’ Buch verspricht nicht weniger als<br />

die Antwort darauf, «wie wir die Herrschaft<br />

über unser Leben zurückgewinnen».<br />

Doch zunächst zur Problemstellung:<br />

Heute ist das, was wir einen Lebenslauf<br />

«Aber wenn die<br />

Gesellschaft kaputt<br />

ist, geht auch der<br />

Mensch kaputt. Das<br />

wollten die Ideologen<br />

des Neoliberalismus<br />

lange Zeit<br />

nicht wahrhaben.»<br />

nennen, in Wirklichkeit ein Berufslauf. Arbeit<br />

bestimmt unser ganzes Dasein. Mit<br />

dieser Feststellung provoziert der Autor<br />

zwei Fragen: Was soll daran schlecht sein?<br />

Und wie sollen wir sonst unsere Bedürfnisse<br />

erfüllen? Ulrich Renz schreibt in seiner<br />

Einleitung: «Zwar ist der Autor hoffnungsloser<br />

Romantiker und Freund von Utopien.<br />

Aber er ist nicht doof. Er weiss, dass wir<br />

alle von unserer Hände Arbeit leben, als<br />

Einzelne wie als Gesellschaft.» Doch die<br />

Glaubensgewissheiten der Leistungsgesellschaft<br />

seien inzwischen so fest in die<br />

Hirne einbetoniert, dass wir sie bedenkenlos<br />

an unsere Kinder weitergäben: Ihr<br />

Spiel soll sinnvoll sein, wir «fördern» sie<br />

und merken gar nicht, dass wir ihnen ihre<br />

Kindheit nehmen, indem wir sie zu Hoffnungsträgern<br />

auf dem Arbeitsmarkt machen.<br />

Der Autor prangert aber an, dass wir<br />

uns keine Pausen mehr gönnen, weil wir<br />

glauben, das Rad bleibe dann stehen. Seine<br />

eigene Auflehnung gegen die Tyrannei der<br />

Arbeit hat der Arzt Ulrich Renz hinter sich:<br />

Er schmiss seinen Job als Leiter eines medizinischen<br />

Fachverlags und wurde freier<br />

Autor. Das ist keine Lösung für alle. Wichtig<br />

sei aber, sich aus der Erfolgsfalle zu befreien:<br />

«<strong>Es</strong> gehört zu den Gründungsmythen<br />

der Leistungsgesellschaft, dass Erfolg mit<br />

Glück, ja mit Seelenheil identisch ist.»<br />

Nur die Fakten<br />

Seelenheil ist ein gutes Stichwort für das<br />

nächste Buch, denn es könnte diesem beträchtlichen<br />

Schaden zufügen. Zu Beginn<br />

seines Buchs «Zehn Milliarden» gestattet<br />

sich Stephen Emmott Emotionen: «Dies<br />

ist ein Buch über uns. <strong>Es</strong> ist ein Buch über<br />

Sie, Ihre Kinder, Ihre Eltern, Ihre Freunde.<br />

<strong>Es</strong> geht um jeden Einzelnen von uns. Und<br />

um unser Versagen. Unser Versagen als Individuen,<br />

das Versagen der Wirtschaft und<br />

das unserer Politiker. <strong>Es</strong> geht um einen<br />

beispiellosen Notfall planetarischen Ausmasses.<br />

Und um unsere Zukunft.» Der<br />

Mann, der sich zu so alarmistischen Tönen<br />

hinreissen lässt, ist kein ideologieverblendeter<br />

Umweltaktivist, sondern Professor in<br />

Oxford und Leiter eines von Microsoft aufgebauten<br />

Forschungslabors für computer-<br />

ISBN 978-3-404-16833-0


26 | Spezial – Zeitgeschehen Books Nr. 3/2013<br />

Alle Bücher finden Sie auch auf Spezial – Zeitgeschehen | 27<br />

gestützte Naturwissenschaften. Deshalb<br />

wird er nach der Einleitung ganz sachlich.<br />

Er präsentiert neueste, zum Teil noch nicht<br />

veröffentlichte Fakten zur Lage des Planeten<br />

und seiner Bewohner. Er leitet her, wie<br />

die Erdbevölkerung in kürzester Zeit von<br />

einer auf sieben Milliarden Menschen angewachsen<br />

ist und schon bald die Schwelle<br />

von zehn Milliarden überschreiten wird.<br />

Für die Herstellung eines Burgers braucht<br />

man 3000 Liter Wasser. Wir produzieren in<br />

einem Jahr mehr Russ als die Menschheit<br />

im gesamten Mittelalter und fliegen allein<br />

in diesem Jahr sechs Billionen Kilometer.<br />

Besserung verspricht sich Emmott weniger<br />

von der Technik als von einem radikal<br />

umgekrempelten Wirtschaftssystem, Kinder<br />

sollten wir möglichst wenige in die<br />

Welt setzen. Der faktengestützte Pessimist<br />

meint: «Ich glaube, wir sind nicht zu retten.<br />

Ich hoffe ja selbst, dass ich mich irre.<br />

Aber alle Erkenntnisse, die die Wissenschaft<br />

uns derzeit liefert, deuten darauf<br />

hin, dass ich richtig liege.» Das Buch ist<br />

leicht zu lesen und überzeugt – aber vielleicht<br />

sollte man es bei depressiven Verstimmungen<br />

nicht zur Hand nehmen.<br />

Ist die Zeit aus den Fugen?<br />

Aufstieg und Fall des Zeitregimes<br />

der Moderne<br />

Aleida Assmann<br />

272 Seiten<br />

CHF 36.90<br />

Hanser<br />

Secondhand-Zeit<br />

Leben auf den Trümmern des<br />

Sozialismus<br />

Swetlana Alexijewitsch<br />

592 Seiten<br />

CHF 42.90<br />

Hanser<br />

Sabotage<br />

Warum wir uns zwischen Demokratie<br />

und Kapitalismus entscheiden<br />

müssen<br />

Jakob Augstein<br />

304 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Hanser<br />

Die Tyrannei der Arbeit<br />

Wie wir die Herrschaft über unser<br />

Leben zurückgewinnen<br />

Ulrich Renz<br />

240 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

Ludwig<br />

Zehn Milliarden<br />

Stephen Emmott<br />

220 Seiten<br />

CHF 24.90<br />

Suhrkamp<br />

«Der Erste erzielt<br />

höhere Auflagen»<br />

Zeitgeschehen in Buchform festzuhalten, ist eine Kunst für sich –<br />

eine Kunst, die nicht nur von den Autorinnen und Autoren, sondern<br />

auch von den Verlagen viel abverlangt. Sebastian Ullrich, Lektor für<br />

Zeitgeschichte und Politik im Verlag C.H.Beck sowie Programmleiter<br />

Paperback, gewährt einen Einblick in seine Arbeit.<br />

Erik Brühlmann<br />

«Books»: Sebastian Ullrich, was zum<br />

«Zeitgeschehen» gehört, ist schier uferlos.<br />

Wie definieren Sie den Begriff?<br />

Sebastian Ullrich: Ich würde ihn so<br />

uferlos belassen, wie er ist. Für die Programmmacher<br />

der Verlage geht es darum,<br />

in den unendlichen Weiten des Zeitgeschehens<br />

die Inseln des Publikumsinteresses<br />

auszumachen. Und selbst wenn man<br />

diese Inseln durch das Fernrohr erspäht<br />

hat, ist nicht gesagt, dass man sie mit<br />

den vom Stapel gelassenen Büchern auch<br />

erreicht.<br />

Wer entscheidet nach welchen Kriterien,<br />

welche Themen für ein Buch in Frage<br />

kommen?<br />

Um im Gleichnis zu bleiben: Man kann<br />

sich das vorstellen wie eine frühneuzeitliche<br />

Entdeckungsfahrt in die aussereuropäische<br />

Welt. Natürlich gibt es grobe<br />

Vorstellungen davon, welche Themen<br />

sich eher für ein Buch eignen und für<br />

welche ein Zeitschriftenartikel ausreicht.<br />

Langjährige Erfahrungen mit aktuellen<br />

Büchern und ausgiebige Zeitungslektüre<br />

helfen zudem, ein Gespür für marktgängige<br />

Themen und Buchtypen zu entwickeln.<br />

Aber es ist doch jedes Mal ein Aufbruch<br />

ins Ungewisse. Scheitern und Schiffbruch<br />

sind immer möglich, ebenso wie auch<br />

Zufallsfunde und unerwartete Erfolge.<br />

Wer Sicherheit will und feste Kriterien<br />

für seine Entscheidungsfindung braucht,<br />

sollte vom aktuellen Sachbuch eher die<br />

Finger lassen. Ein bisschen Neugierde<br />

und Risikobereitschaft gehören dazu. Mit<br />

dem Erwartbaren wird man eher keinen<br />

Erfolg haben – es sei denn, der Autor oder<br />

die Autorin ist so beliebt, dass man auch<br />

ein Telefonbuch aus ihrer oder seiner<br />

Feder kaufen würde.<br />

Wie <strong>kommt</strong> man zu den entsprechenden<br />

Autoren? Werden zum Beispiel nach<br />

einem Ereignis wie 9/11 automatisch<br />

mehr Manuskripte zu diesem Thema<br />

eingereicht, oder geht man als Verlag<br />

auch aktiv auf die Suche?<br />

Nach meiner Erfahrung taugen gerade<br />

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28 | Spezial – Zeitgeschehen Books Nr. 3/2013<br />

Alle Bücher finden Sie auch auf Spezial – Zeitgeschehen | 29<br />

«Man braucht in<br />

diesem Segment<br />

Titel, die schnell<br />

hohe Auflagen<br />

erzielen. Themenwahl<br />

und Design<br />

der Bücher müssen<br />

also sitzen und einen<br />

Nerv treffen.»<br />

im Segment des aktuellen Sachbuchs die<br />

unverlangt eingesandten Manuskripte<br />

nur äusserst selten zur Veröffentlichung.<br />

In der Regel gehen die Anregungen von<br />

den Verlagen oder den Agenten aus, die<br />

gezielt geeignete Autorinnen und Autoren<br />

für die von ihnen für attraktiv gehaltenen<br />

Themen suchen.<br />

Wie schnell muss man reagieren können,<br />

um ein Thema nicht zu verpassen? Und<br />

werden Manuskripte zu hochaktuellen<br />

Themen schneller bearbeitet als solche<br />

zu «zeitlosen» Themen?<br />

Der Zeitfaktor spielt bei aktuellen Themen<br />

eine sehr grosse Rolle. <strong>Es</strong> ist ein bisschen<br />

wie bei den grossen Konquistadoren:<br />

Wer zuerst seine Flagge in die Erde der<br />

neuen Welt rammte, dem gehörte das<br />

Gebiet. Wer bei einem aktuellen Thema<br />

als erster auf dem Markt ist, der erzielt<br />

deutlich höhere Auflagen. Deswegen sind<br />

natürlich die Produktionsfristen in diesem<br />

Segment viel kürzer. Man muss dann den<br />

Schreibtisch frei räumen und das Buch<br />

in kürzester Zeit durchschleusen – nach<br />

Möglichkeit ohne Abstriche bei der Qualität<br />

zu machen. Das ist für alle Beteiligten<br />

jedes Mal aufs Neue eine grosse Herausforderung.<br />

Wie ist die «Halbwertszeit» solcher Bücher,<br />

oder anders: Geht man davon aus,<br />

dass es von den allermeisten Veröffentlichungen<br />

nur eine Auflage geben wird?<br />

Die Halbwertszeit ist deutlich kürzer als<br />

etwa bei einer Gesamtdarstellung zur<br />

römischen Geschichte. Aktuelle Themen<br />

unterliegen einer schnellen Veränderung,<br />

und in unserer Mediengesellschaft ist die<br />

Aufmerksamkeitsspanne nicht mehr allzu<br />

lang, auch bei wichtigen Themen. Das<br />

heisst aber nicht, dass man generell nur<br />

mit einer Auflage rechnet. Wäre das titelübergreifend<br />

der Fall, liessen sich diese<br />

Bücher nicht kalkulieren. Man braucht<br />

in diesem Segment Titel, die schnell hohe<br />

Auflagen erzielen. Themenwahl und<br />

Design der Bücher müssen also sitzen und<br />

einen Nerv treffen.<br />

Kommt man als Buchverlag gegen die<br />

Geschwindigkeit des Internets noch an?<br />

Wie hebt man sich von den Internet-<br />

Infos ab?<br />

In der Tat ist das Internet neben Zeitungen<br />

und Zeitschriften eine grosse<br />

Konkurrenz für das aktuelle Sachbuch.<br />

Bloss die wichtigsten Informationen zu<br />

einem aktuellen Thema zusammen zu<br />

stellen, reicht daher schon lange nicht<br />

mehr aus. Damit ein Buch in diesem<br />

Segment erfolgreich ist, muss mehr dazu<br />

kommen. Eine originelle These etwa oder<br />

ein neuer Blickwinkel, die geeignet sind,<br />

gesellschaftliche oder politische Debatten<br />

anzustossen. Sehr wichtig ist auch der<br />

Autor oder die Autorin. Er oder sie muss<br />

das Thema oder die These glaubwürdig<br />

vertreten können. Und auch die Art der<br />

Darbietung ist wichtig. Die Zeiten, in<br />

denen man sich auf eine Art Bildungsverpflichtung<br />

des Publikums zurückziehen<br />

konnte, sind definitiv vorbei. Wer sein<br />

Publikum erreichen will, sollte zugänglich<br />

und unterhaltsam schreiben können.<br />

Insgesamt bin ich aber sehr optimistisch,<br />

was die Zukunft des aktuellen Sachbuchs<br />

angeht. Immer wieder regen solche<br />

Bücher auch in unserer auf das Internet<br />

fixierten Zeit Debatten an und halten das<br />

Publikum in Atem. Mir scheint sogar, dass<br />

sie dies besser schaffen als etwa Zeitungen<br />

und Zeitschriften.<br />

Welches sind die gerade aktuellen<br />

Themen?<br />

Da gibt es viele. Bei uns erscheint etwa in<br />

den nächsten Tagen ein aktuelles Buch zu<br />

Syrien aus der Feder von Rupert Neudeck,<br />

dem Gründer der Hilfsorganisationen<br />

Cap Anamur und Grünhelme. Er hat<br />

dort unter schwierigsten Bedingungen<br />

humanitäre Hilfe geleistet. Ein dramatischer<br />

und berührender Bericht aus dem<br />

Inneren eines Bürgerkriegs. Innenpolitisch<br />

ist natürlich die wachsende gesellschaftliche<br />

Ungleichheit ein wichtiges<br />

Thema. Das Buch des grossen Historikers<br />

Hans-Ulrich Wehler über «Die neue Umverteilung»<br />

etwa ist seit Wochen auf der<br />

deutschen Bestsellerliste. Und wir haben<br />

die erste zeithistorische Einordnung der<br />

rot-grünen Jahre unter Bundeskanzler<br />

Gerhard Schröder im Programm. Der<br />

Historiker Edgar Wolfrum hat sich durch<br />

Berge exklusiven Archivmaterials gewühlt<br />

und mit allen Protagonisten ausführlich<br />

gesprochen. Aber da sieht man schon,<br />

wie sehr die Aktualität eines Themas von<br />

Land zu Land unterschiedlich sein kann.<br />

In Deutschland steht Rot-Grün im Zentrum<br />

aktueller Debatten – wie das in der<br />

Schweiz aussieht, kann ich schon nicht<br />

mehr beurteilen.<br />

Sebastian Ullrich, Lektor für Zeitgeschichte<br />

und Politik im Verlag C.H.Beck<br />

sowie Programmleiter Paperback.<br />

C.H.Beck<br />

Der Verlag C.H.Beck – benannt nach seinem<br />

Gründer Carl Gottlob Beck – zählt zu<br />

den grössten und renommiertesten Verlagen<br />

Deutschlands. Bekannt ist er vor allem<br />

für seine Publikationen in den Bereichen<br />

(Zeit-)Geschichte, Ethnologie, Literatur-<br />

und Sprachwissenschaften, Religion,<br />

Philosophie, Politik- und Sozialwissenschaften<br />

sowie Kunst und Architektur. C.H.Beck<br />

wurde 1763 gegründet und feiert somit<br />

dieses Jahr sein 250-jähriges Bestehen.<br />

BILDBAND<br />

SWISS VISION<br />

Mit Swiss Vision hat der renommierte Landschaftsfotograf<br />

Patrick Loertscher ein wahres Meisterwerk der Extraklasse<br />

geschaffen, sozusagen eine Liebeserklärung an seine Heimat,<br />

das die besonderen Werte der Schweiz in ihrer ganzen<br />

Ursprünglichkeit und Schönheit festhält.<br />

Ein aussergewöhnlicher Bildband, der sich an alle Menschen<br />

wendet, welche die Schweiz lieben und mit viel Freude<br />

die visuelle Schönheit dieses einzigartigen Landes mitten in<br />

Europa geniessen oder weiterreichen möchten.<br />

«Wohlbefinden ist für<br />

mich der Schlüssel<br />

zur Lebensfreude.»<br />

Bildband Swiss Vision von Patrick Loertscher<br />

mit einem Vorwort von Adolf Ogi<br />

durchgehend deutsch/englisch<br />

gekürzte Fassung im Anhang: f, i, sp, jap, chin, r<br />

208 Seiten, ca. 150 Farbabbildungen<br />

Gegliedert in 14 Schweizer Regionen<br />

30.5 x 24 cm, Leinenband mit Schutzumschlag<br />

ISBN: 978-3-905987-12-6<br />

In allen Orell Füssli-<br />

Fillialen ist auch der<br />

grossformatige Kalender<br />

Lichtvisionen Schweiz 2014<br />

von Patrick Loertscher<br />

erhältlich.<br />

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30 | BuCHtipps Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf BUCHtipps | 31<br />

Thomas Koebner<br />

Roman Polanski –<br />

Der Blick der<br />

Verfolgten. Eine<br />

Biographie<br />

Die Filme von Roman Polanski<br />

haben selten ein Happy End, aber<br />

sie baden auch nicht in der Lust an<br />

der Katastrophe. Die Konstellation<br />

von Verfolger und Verfolgten, Macht<br />

und Ohnmacht prägt alle grossen<br />

Filme des Regisseurs, und eines bleibt<br />

immer gleich: Polanski sieht die Welt<br />

durch die Augen der Opfer. Kaum<br />

einem Künstler seiner Generation<br />

wurde so viel Ruhm und Glück für<br />

sein umfangreiches Schaffen zuteil –<br />

und keinem sind in seinem Leben so<br />

tiefe Wunden geschlagen worden.<br />

Die grosse Biografie zum 80. Geburtstag<br />

des gebürtigen Polen nimmt<br />

die wechselvolle Lebenserfahrung und<br />

das vielgestaltige Werk zusammen in<br />

den Blick und lässt es sich wechselseitig<br />

erklären.<br />

Susannah Cahalan<br />

Feuer im Kopf<br />

Kann man über Nacht verrückt werden?<br />

Ja, man kann. Dies hat die junge<br />

Journalistin Susannah Cahalan am<br />

eigenen Leib – oder besser: im eigenen<br />

Kopf – erlebt. Auf schmerzhafte,<br />

lebensbedrohliche und schliesslich gut<br />

ausgehende Art und Weise.<br />

In «Feuer im Kopf» erzählt sie<br />

ihre Geschichte zwischen Leben,<br />

Wahnsinn und Rettung mitreissend,<br />

eindrucksvoll und fesselnd.<br />

Ihr authentischer Erfahrungs- und<br />

Schicksalsbericht ist so spannend wie<br />

bewegend. Hier bricht sich ein großes<br />

Schreibtalent Bahn!<br />

Daniela Schwegler<br />

Traum Alp –<br />

Älplerinnen im<br />

Porträt<br />

Mit dem Alpauftrieb zieht es jedes<br />

Jahr etliche Stadt- und Landmenschen<br />

hinauf auf die Alp – besonders<br />

Frauen. Dort machen sie den<br />

Sommer über Käse und hüten sie<br />

Ziegen, Kühe, Rinder, Pferde, Schafe<br />

oder neuerdings auch Lamas. Daniela<br />

Schwegler hat Älplerinnen unterschiedlichster<br />

Couleur auf der Alp<br />

besucht. Die 15 Frauen zwischen 20<br />

und 75 Jahren erzählen, wie sie den<br />

Alpsommer erleben und erleiden und<br />

wie sie sich an Natur, Tieren, Sonne<br />

und dem Himmel erfreuen. Das Buch<br />

gibt Einblicke in den gelebten Traum<br />

von der Alp, der für einige allzu<br />

Blauäugige auch schnell zum Albtraum<br />

werden kann. Jedes Porträt wird mit<br />

einem attraktiven Wandervorschlag<br />

von der jeweiligen Alp aus und mit einem<br />

Älplerinnen-Rezept abgerundet.<br />

Mit 180 Farbfotos von Vanessa<br />

Püntener.<br />

Gabriela Vetter<br />

Fremdgehen<br />

– Was dann?<br />

Sie stecken in einer schwierigen<br />

Lebenssituation, die Sie verheimlichen<br />

müssen. Sie fühlen sich allein,<br />

ausgeliefert und verloren. Ihr «böses»<br />

Geheimnis quält Sie. <strong>Es</strong> spricht Ihnen<br />

jemand in dieser Angelegenheit<br />

aus der Seele, sieht Auswege, die<br />

Sie ermutigen, Ihr Leiden konkret<br />

anzugehen. <strong>Es</strong> werden Ihnen Wege<br />

aufgezeigt, sowohl die momentane<br />

Situation als auch deren Ursachen zu<br />

klären. Das Buch schildert mit der<br />

Liebesgeschichte zwischen Dagmar<br />

und Fabian eine gesellschaftlich<br />

verpönte, versteckte Beziehung: eine<br />

Aussenbeziehung. <strong>Es</strong> will die Angelegenheit<br />

nicht gutheissen, sondern bietet<br />

dem Leser mittels psychologischer<br />

Betrachtungen und Übungen Impulse<br />

an, sich selbst zu helfen und sich neu<br />

zu orientieren. Dem nicht persönlich<br />

betroffenen Leser kann es helfen<br />

innezuhalten und zu sich zu finden.<br />

Peter Allmend<br />

Elision – Begegnung<br />

mit einer<br />

Weisen<br />

Ein Zürcher Anwalt zieht sich für<br />

einige Tage in die Berge zurück und<br />

trifft dort vor einer Almhütte völlig<br />

unerwartet eine ungewöhnliche Frau.<br />

Er erkennt allmählich, dass er es mit<br />

einer Meisterseele zu tun hat, die ihn<br />

in die grossen Geheimnisse des Lebens<br />

einweiht. Was diese Wesenheit,<br />

die sich ihm gegenüber Elision nennt,<br />

ihm über Verzeihen und Güte, über<br />

Glück und den Sinn des Lebens, über<br />

Tiere und Pflanzen, über die Geistige<br />

Welt und das innere Erwachen oder<br />

über das Geheimnis der Liebe erzählt,<br />

lässt ihn zu einem neuen Menschen<br />

reifen. «Das grösste Glück jedoch<br />

ist, überhaupt die Fähigkeit zu haben,<br />

glücklich zu sein. Vielen Menschen begegnet<br />

das Glück, aber sie sind nicht<br />

in der Lage, es zu erkennen.»<br />

Christine Fivian<br />

Das Bild<br />

«Das Bild» ist ein Buch über die Ambivalenz<br />

des Lebens und der Liebe;<br />

über Machtverhältnisse zwischen<br />

den Geschlechtern; über Beziehungen<br />

– zwischen Paul, dem Maler<br />

des Bildes, und drei Frauen: Alma,<br />

seiner Lebenspartnerin, Lisa, seiner<br />

ersten Liebe, und Mona, mit der er<br />

eine leidenschaftliche Affäre hatte.<br />

Und zwischen den drei Frauen, die<br />

so verschieden und doch untrennbar<br />

miteinander verbunden sind. Sie<br />

erinnern sich an Brüche in ihrem Leben.<br />

Brüche, die nicht nur das Leben<br />

verändern, sondern sich prägend auf<br />

die Vorstellungswelt auswirken. Eine<br />

Vorstellungswelt, die manchmal so<br />

ganz anders aussieht, als die Realität.<br />

Oder die vermeintliche Realität.<br />

Wanderwelt & Co.:<br />

Die schönsten<br />

Wanderungen<br />

Schweiz<br />

Der nächste Herbst <strong>kommt</strong> bestimmt –<br />

und damit auch die schönste Zeit,<br />

die Schweiz auf einer Wanderung zu<br />

entdecken. Mit diesem bebilderten<br />

Führer wird bereits die Auswahl der<br />

nächsten Tour zum wahren Vergnügen<br />

und macht Lust auf mehr. Die<br />

Auswahl an verschiedenen Routen ist<br />

gross: Das handliche Werk stellt 50<br />

Touren vor, verteilt über die ganze<br />

Schweiz. Keine wichtige Information<br />

fehlt. Schwierigkeitsgrade, Wanderzeit,<br />

Anfahrtsroute sowie Verpflegungs-<br />

und Übernachtungsmöglichkeiten<br />

werden beschrieben. Praktische<br />

Kartenausschnitte, Erklärungen zu<br />

den Signalisationen der Wanderwege<br />

und selbst ein kleines Handbuch zur<br />

Wetterkunde sind in diesem unverzichtbaren<br />

Führer zu finden.<br />

Niklas Böwer<br />

tiptoi ® Wieso?<br />

Weshalb?<br />

Warum?<br />

Die Welt der<br />

Fahrzeuge<br />

Schon ganz kleine Jungs – und manchmal<br />

auch Mädchen – sind fasziniert<br />

von allem, was einen Motor hat. Ob<br />

Formel-1-Rennwagen, Sattelschlepper<br />

oder Traktor, hier brummt, knattert<br />

und röhrt es. Mit tiptoi ® , dem interaktiven<br />

klingenden Lernspiel, erfahren<br />

die Kinder Wissenswertes über die<br />

verschiedenen Fahrzeuge und ihre<br />

Aufgaben. Beim Besuch in einer<br />

Autofabrik sind sie bei der Produktion<br />

eines Autos hautnah dabei. Dann<br />

nehmen sie die Rettungsfahrzeuge<br />

ganz genau unter die Lupe. Und beim<br />

Formel-1-Rennen flitzen die Autos<br />

nur so an ihnen vorbei, und sie hören<br />

beim Boxenstopp die gut abgestimmten<br />

Befehlsrufe des Rennteams.<br />

256 Seiten<br />

CHF 37.90<br />

Reclam<br />

ISBN 978-3-15-010936-6<br />

304 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

MVG<br />

ISBN 978-3-86882-467-4<br />

256 Seiten<br />

CHF 41.90<br />

Rotpunktverlag<br />

ISBN 978-3-85869-557-4<br />

138 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

FO-Publishing<br />

ISBN 978-3-905681-80-2<br />

160 Seiten<br />

CHF 23.90<br />

Aquamarin<br />

ISBN 978-3-89427-625-6<br />

160 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Xanthippe<br />

ISBN 978-3-905795-26-4<br />

140 Seiten<br />

CHF 21.90<br />

Hallwag Kümmerly + Frey<br />

ISBN 978-3-259-03721-8<br />

Ab 4 Jahren, 16 Seiten<br />

CHF 35.90<br />

Ravensburger<br />

ISBN 978-3-473-32912-0


32 | Kaffeepause Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf Kaffeepause | 33<br />

Last Exit to El Paso<br />

Fritz Rudolf Fries<br />

192 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Wallstein<br />

Der Weg des Falken<br />

Jamil Ahmad<br />

186 Seiten<br />

CHF 34.90<br />

Hoffmann und Campe<br />

Gleis 4<br />

Franz Hohler<br />

219 Seiten<br />

CHF 26.90<br />

Luchterhand<br />

Die Debatte<br />

Was machen Buchhändler in der Kaffeepause? Sie plaudern<br />

über Bücher. «Books» hat sich im Starbucks im Kramhof<br />

an der Zürcher Bahnhofstrasse zu den Orell-Füssli-Mitarbeitenden<br />

Bettina Zeidler und Dario Widmer gesetzt.<br />

<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />

Erik Brühlmann<br />

«Books»: Ladies first: Bettina, welches<br />

Buch hast du mitgebracht?<br />

Bettina Zeidler (BZ): «Last Exit to El<br />

Paso» des ostdeutschen Schriftstellers<br />

Fritz Rudolf Fries. Die Hauptfigur, Pierre<br />

Arronax, ist wohl etwa so alt wie der<br />

77-jährige Autor. Er lebt zurückgezogen<br />

in seinem Haus, betreut von seinem<br />

Hausmädchen Kathleen, mit der er gern<br />

eine erotische Beziehung hätte. Regelmässig<br />

trifft sich Arronax mit seinem alten<br />

Freund Arcimboldo, mit dem er fantastische<br />

Szenarien für nie geschriebene<br />

Romane oder Filmdrehbücher entwirft.<br />

Eines Tages erfahren die beiden per<br />

Telefon, dass sie eine Weltreise gewonnen<br />

haben. Diese Reise entpuppt sich aber als<br />

Wettrennen von New York nach El Paso –<br />

Arronax wird von Kathleen begleitet und<br />

nimmt die Ostroute, Arcimboldo reist<br />

mit seinem Sohn, einem Drehbuchautor,<br />

die Westküste hinunter. Die Reisenden<br />

kommen in billigen Hotelketten unter,<br />

werden in einen Kunstraub verwickelt,<br />

bei dem vielleicht auch Kathleen ihre<br />

Hände im Spiel hat, es geht um Spionage<br />

und Affären. Allerdings weiss man nie<br />

genau, was sich wirklich ereignet und was<br />

nur eine Vision von Arronax ist. «Last Exit<br />

to El Paso» ist ein Schelmenroman, bei<br />

dem uns der Autor immer wieder in die<br />

Irre führt.<br />

Und ein Road Movie?<br />

Dario Widmer (DW): Ja, auf jeden Fall.<br />

Ein wichtiges Element des Buchs sind die<br />

zahlreichen Bezüge auf literarische Werke<br />

und Filme. Eine Rolle spielt zum Beispiel<br />

das Kritikertrio aus dem Roman «2666»<br />

von Roberto Bolaño. Der Aufbau des<br />

Buchs erinnert mich an Fellinis Filme,<br />

bei manchen Szenen sehe ich Bogart vor<br />

mir – und über der ganzen Geschichte<br />

steht ein Motto aus dem Märchen mit den<br />

Bremer Stadtmusikanten: «Etwas Besseres<br />

als den Tod findest du überall.»<br />

BZ: Auch die Figuren selbst sind Anlehnungen:<br />

Pierre Arronax ist der Name<br />

der Hauptfigur in Jules Vernes Roman<br />

«20‘000 Meilen unter dem Meer»; dort<br />

ist Arronax ein Forscher, der in die<br />

Tiefe geht. Und Arcimboldo ist jener<br />

Renaissance-Maler, der auf seinen Bildern<br />

Gemüse so arrangierte, dass daraus ein<br />

Porträt wurde. In Bolaños «2666» nennt<br />

sich eine Figur nach diesem Maler. Der<br />

Autor führt uns also ständig wieder auf<br />

neue Fährten, lässt uns in fantastische<br />

Welten reisen – und am Ende ist nicht<br />

einmal mehr klar, ob diese Reise überhaupt<br />

stattfindet. Das Buch ist schwierig<br />

zu beschreiben, man muss sich einfach<br />

darauf einlassen.<br />

Du hast dich darauf einlassen müssen,<br />

Dario. Wie hast du das denn erlebt?<br />

DW: Am Anfang wusste ich nicht recht,<br />

wie ich mit diesem Buch umgehen sollte.<br />

Ich dachte, das ist ähnlich wie der Bestseller<br />

«Der Hundertjährige, der aus dem<br />

Fenster stieg und verschwand» von Jonas<br />

Jonasson. Auch der Klappentext des<br />

Buchs verspricht einen Roman in diese<br />

Richtung. Aber der Vergleich stimmt nicht.<br />

«El Paso» ist wesentlich anspruchsvoller<br />

als der «Hundertjährige». Fries hätte mit<br />

seinem Stoff einen Riesenroman schreiben<br />

können – hat jetzt aber unglaublich<br />

viele Informationen in ein kleines Buch<br />

gepackt.<br />

BZ: <strong>Es</strong> ist wirklich faszinierend, wie viele<br />

Hinweise auf Literatur und Film er untergebracht<br />

hat. Mich hat das zu Recherchen<br />

animiert; ich begann im Internet nachzu-<br />

forschen, woher er die Figuren hat.<br />

DW: Bei mir hat er die Fantasie angeregt<br />

und Interesse an anderen Stoffen geweckt.<br />

Ich werde zum Beispiel jetzt auch noch<br />

den Bolaño lesen. Die vielen Andeutungen<br />

machen neugierig, und man merkt, wie<br />

sehr sich der Autor selber für die Dinge<br />

interessiert, die er thematisiert.<br />

BZ: Für mich sprengt das schmale Buch<br />

sämtliche Rahmen – es hat mich echt<br />

gefordert.<br />

DW: Ja, es ist anspruchsvoll, das kannst<br />

du nicht jedem in die Hand drücken. Aber<br />

wenn man einmal mit Lesen begonnen<br />

hat, schlägt es einen in den Bann. Am<br />

Anfang hat mich genervt, dass Bettina<br />

dieses Buch für unsere Debatte aussuchte;<br />

jetzt bin ich froh darüber. Ich finde, alle<br />

Buchhändler sollten «Last Exit to El Paso»<br />

lesen, weil es so viele literarische Bezüge<br />

hat.<br />

Wie bist du denn auf dieses Buch gestossen,<br />

Bettina?<br />

BZ: Zuerst hat mich einfach das Cover<br />

angesprochen. Dann las ich den Klappentext,<br />

mir fiel ein, dass ich von diesem Autor<br />

schon einmal gehört habe, ich begann<br />

ein paar Seiten zu lesen – und konnte<br />

nicht mehr aufhören.<br />

Für wen eignet sich der Roman?<br />

BZ: Für alle, die einen gewissen Zugang<br />

zur Literatur haben. Man kann das Buch<br />

auch ohne Vorwissen lesen, aber es macht<br />

sicher viel mehr Spass, wenn man die<br />

Andeutungen entschlüsseln kann.<br />

Kommen wir zum Buch, das Dario mitgebracht<br />

hat: «Der Weg des Falken» von<br />

Jamil Ahmad.<br />

DW: <strong>Es</strong> spielt in einem zusammenhängenden<br />

Gebiet in der Grenzregion von<br />

Pakistan, Afghanistan und Iran. Der rote<br />

Faden ist die Geschichte eines Paars, das<br />

mit seiner Liebe gegen die Stammesregeln<br />

verstossen hat und auf der Flucht ist. Die<br />

beiden jungen Leute finden Unterschlupf<br />

in einem Militärfort, wo sie auch einen<br />

Sohn bekommen – Tor Baz, was so viel<br />

heisst wie schwarzer Falke. Doch das<br />

Paar wird aufgespürt und getötet. Tor<br />

Baz bleibt allein zurück. Sein weiterer<br />

Lebensweg bietet dem Autor die Möglichkeit,<br />

ganz verschiedene Geschichten zu<br />

erzählen, die kaum in einem Zusammenhang<br />

zueinander stehen. Der rote Faden<br />

ist sehr fein; man könnte auch sagen,<br />

es handle sich bei diesem Buch um eine<br />

Sammlung von Kurzgeschichten.<br />

Worum geht es in den Geschichten?<br />

DW: Um die Menschen, die in dieser Region<br />

leben. Ein Beispiel ist die Geschichte<br />

Bettina Zeidler, 48, lebt in St. Gallen. Sie<br />

arbeitet in der Abteilung Belletristik der St.<br />

Galler Buchhandlung Rösslitor, die zu Orell<br />

Füssli gehört. Am liebsten liest sie skandinavische<br />

Krimis und Thriller.<br />

Bettina Zeidler:<br />

«Den Anfang des<br />

Romans fand ich<br />

sehr gut, aber danach<br />

häuften sich<br />

die Zufälle und<br />

Unwahrscheinlichkeiten.<br />

Das fand ich<br />

dann schon recht<br />

konstruiert.»<br />

Dario Widmer:<br />

«Ich fand das Buch<br />

trotzdem spannend.<br />

<strong>Es</strong> liest sich leicht,<br />

es geht schnell<br />

voran, viele Situationen<br />

werden schön<br />

beschrieben.»<br />

Dario Widmer, 21, lebt in Bühler in<br />

Appenzell Ausserrhoden. Seine Lehre zum<br />

Buchhändler absolvierte er im Rösslitor,<br />

heute arbeitet er in der Abteilung Belletristik<br />

im Kramhof in Zürich. Er hat schon seit<br />

jeher ein grosses Interesse an Literatur.<br />

von Familien, die herumziehen müssen,<br />

damit ihr Vieh immer genug zu fressen<br />

hat. Diese Leute haben aber keine Pässe.<br />

Bislang spielten Landesgrenzen keine<br />

Rolle, jetzt aber können sie nicht mehr<br />

von einem Land ins andere ziehen – und<br />

werden beim Grenzübertritt erschossen.<br />

Einmal geht es um Frauenhandel. Oder<br />

um Entführungen, mit denen sich manche<br />

Familien über Wasser halten.<br />

Das klingt jetzt aber alles reichlich<br />

dramatisch und nicht nach Literatur, die<br />

man sich vor dem Einschlafen zu Gemüte<br />

führen will.<br />

DW: Das Buch geht einem weniger unter<br />

die Haut, als man aufgrund meiner Schilderung<br />

vielleicht annehmen könnte. Der<br />

Autor hat eine gute Distanz zu seinem<br />

Thema gefunden: Seine Geschichten sind<br />

keine sachlichen Dokumentationen, aber<br />

auch keine hochdramatischen Schilderungen,<br />

die Mitleid auslösen. Man nimmt<br />

einfach wahr, wie das Leben in dieser<br />

Region spielt. In einer Region notabene,<br />

von der wir sehr wenig wissen und über<br />

die es kaum Bücher gibt.<br />

BZ: Zum Genuss wird dieses Buch vor allem<br />

durch die Sprache; sie ist sehr schön,<br />

sehr poetisch. Alles fliesst, die Beschreibungen<br />

der kargen und öden Landschaften<br />

sind sehr bildhaft, man kann sich alles<br />

genau vorstellen. Mich faszinierte vor<br />

allem die Rahmenhandlung mit Tor Baz,<br />

und ich hätte gern noch etwas mehr über<br />

ihn erfahren; manchmal empfand ich den<br />

Schnitt von der Rahmenhandlung zur<br />

nächsten Geschichte etwas hart.<br />

Aber alles in allem hast du das Buch<br />

gern gelesen?<br />

BZ: Ja, vor allem auch, weil mir die<br />

Gegend, in der es spielt, überhaupt nicht<br />

bekannt war. Als ich mit dem Buch fertig<br />

war, dachte ich: Jetzt habe ich einen Roman<br />

in wunderschöner Sprache gelesen<br />

und erst noch viel gelernt.<br />

DW: Zu Beginn kam es mir fast ein wenig<br />

vor, als würde ich ein Buch von Karl May<br />

lesen: Über den wilden Westen im Osten.<br />

<strong>Es</strong> war unterhaltsam und faszinierend.<br />

Als ich das Buch erstmals in der Hand<br />

hatte, schlug ich es irgendwo auf und las<br />

einen Abschnitt, der mir ziemlich esoterisch<br />

vorkam, aber zum Glück war er eine<br />

Ausnahme – das Buch ist überhaupt nicht<br />

spirituell ausgerichtet.<br />

BZ: Ja, hier wird auch nichts glorifiziert.<br />

Jamil Ahmad bleibt bei den Fakten. Er<br />

will nicht moralisieren, sondern uns<br />

einfach zeigen, wie es dort ist. Er hat die<br />

Begabung, uns die Welt zu öffnen. Von mir<br />

aus hätte ich dieses Buch nicht gelesen,


34 | Kaffeepause Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf BUCHtipps | 35<br />

jetzt bin ich aber froh, dass ich es für die<br />

Debatte lesen musste.<br />

Kommen wir zum dritten Buch, über das<br />

wir heute reden: «Gleis 4» von Franz<br />

Hohler, dem Zürcher Schriftsteller, der<br />

gerade 70 Jahre alt wurde.<br />

BZ: Der Roman erzählt von Isabelle, die<br />

eine Italienreise antritt. In Oerlikon will<br />

sie in den Zug zum Flughafen steigen,<br />

der Koffer ist schwer, ein älterer Herr<br />

<strong>kommt</strong> und will ihr helfen. Als der Koffer<br />

an seinem Platz ist, bricht der Mann<br />

zusammen und stirbt. Die Polizei <strong>kommt</strong>,<br />

Isabelle verpasst den Flieger und hat auch<br />

gar keine Lust mehr auf eine Ferienreise.<br />

Wieder daheim angekommen, merkt sie,<br />

dass sie aus Versehen eine braune Mappe<br />

des Toten mitgenommen hat. In dieser<br />

Mappe steckt ein Mobiltelefon, das immer<br />

wieder klingelt. Dieser Anfang ist schon<br />

einmal sehr gut, finde ich.<br />

DW: Das Telefon klingelt immer wieder.<br />

Isabelle weiss, dass sie es eigentlich zur<br />

Polizei bringen sollte, aber ihre Neugier<br />

ist stärker: Irgendwann nimmt sie einen<br />

Anruf entgegen. Der Anrufer sagt nur,<br />

Marcel dürfe keinesfalls an der Beerdigung<br />

auftauchen. Isabelle wird noch neugieriger.<br />

Schliesslich geht sie selber auf<br />

den Friedhof, findet heraus, um welche<br />

Beerdigung es geht und wer der anonyme<br />

Anrufer war. Von da an entwickelt sich<br />

fast so etwas wie ein Krimi: Isabelle ermittelt<br />

auf eigene Faust, welches Geheimnis<br />

den verstorbenen Marcel umweht.<br />

BZ: Dabei wird sie auch von Marcels Frau<br />

begleitet, die aus Kanada angereist ist. <strong>Es</strong><br />

stellt sich heraus, dass Marcel einst Martin<br />

hiess – und dass er eine himmeltraurige<br />

Familienbiografie hat. Wie gesagt,<br />

den Anfang des Romans fand ich sehr gut,<br />

aber danach häuften sich die Zufälle und<br />

Unwahrscheinlichkeiten. Das hat mich gestört.<br />

Diese ganzen Funde immer wieder,<br />

plötzlich steckt eine Telefonnummer im<br />

Koffer oder taucht eine neue Person auf –<br />

das fand ich dann schon recht konstruiert.<br />

DW: Da hast du Recht. Aber ich fand das<br />

Buch trotzdem spannend. <strong>Es</strong> liest sich<br />

leicht, es geht schnell voran, viele Situationen<br />

werden schön beschrieben. Und<br />

Franz Hohler ist ja auch dafür bekannt,<br />

dass er groteske Elemente in seine Texte<br />

einbaut. Wie Isabelles Tochter Sarah<br />

gegen Schluss des Buchs wegen einer<br />

Voodoo-Puppe zu einem Medizinmann<br />

geht, fand ich zum Beispiel sehr witzig.<br />

BZ: Jaja, das Buch ist nicht schlecht, aber<br />

die vielen Zufälle störten mich eben. Ich<br />

kenne das Werk von Franz Hohler nicht<br />

gut, doch ich denke, seine Fans werden<br />

diese Neuerscheinung auf jeden Fall<br />

mögen.<br />

DW: Den Fans kann man es sicher<br />

empfehlen. Hohlers beliebter Roman «<strong>Es</strong><br />

klopft» ist recht ähnlich wie «Gleis 4». Mir<br />

hat dieses Buch aber so gut gefallen, dass<br />

ich jetzt sicher noch mehr von Hohler<br />

lesen werde.<br />

BZ: Für mich ist «Gleis 4» dennoch die<br />

Nummer drei unter den drei Büchern, die<br />

wir hier vorgestellt haben. Aber das ist<br />

am Ende natürlich Geschmacksache.<br />

DW: Man kann die Bücher nicht miteinander<br />

vergleichen. Die anderen beiden<br />

haben einen tiefgründigen Inhalt, «Gleis<br />

4» ist ein Unterhaltungsroman. Aber ich<br />

finde ihn eine perfekte Sommerlektüre –<br />

ich habe ihn am See gelesen, und ich<br />

kann allen nur empfehlen, das auch zu<br />

tun.<br />

Die Geschichte des Kaffees<br />

erzählt in deinem Caffè Latte.<br />

T. C. Boyle<br />

San Miguel<br />

Eine einsame Insel vor der Küste von<br />

Kalifornien: für die einen die Hölle,<br />

für die anderen das Paradies. Die<br />

schwindsüchtige Marantha verschlägt<br />

es 1888 nach San Miguel. Während<br />

sie sich – geplagt vom rauen Klima,<br />

von Monotonie und Einsamkeit – dem<br />

Leben entzieht, schafft es Adoptivtochter<br />

Edith, dem tyrannischen Vater<br />

und der verhassten Insel zu entfliehen.<br />

Jahrzehnte später zieht Elise Lester<br />

dorthin und findet mit ihrer Familie ihr<br />

Glück. Die Presse in den USA feiert<br />

die Lesters mitten in der Weltwirtschaftskrise<br />

als Sinnbild vom Mythos<br />

der Pioniere, doch die Idylle trügt.<br />

Boyle gelingt es meisterhaft, in dieser<br />

grossen Saga das Schicksal dreier<br />

starker Frauen lebendig werden zu<br />

lassen.<br />

Khaled Hosseini<br />

Traumsammler<br />

Abdullah ist zehn und liebt seine<br />

kleine dreijährige Schwester Pari über<br />

alles. Die beiden leben in den erhabenen<br />

kargen Weiten Afghanistans und<br />

fürchten nur eines: den Dämon aus<br />

den fernen Bergen, der in Sturmnächten<br />

auf die Dächer der Häuser klopft<br />

und sich eines der Kinder holt. Eines<br />

Tages bringt der Vater die Geschwister<br />

auf einem Fussmarsch quer<br />

durch die Wüste nach Kabul – in der<br />

grossen Stadt sucht er nach einem<br />

besseren Leben. Doch die beiden<br />

Kinder werden getrennt ...<br />

Ein grosser Roman, dessen emotionale<br />

Intensität und Erzählkunst neue<br />

Massstäbe setzen. Fesselnder, reicher,<br />

persönlicher als je zuvor – und noch<br />

bewegender als «Drachenläufer».<br />

Irena BreŽnÁ<br />

Die undankbare<br />

Fremde<br />

Auf der Suche nach einer besseren<br />

Welt verschlägt es eine Jugendliche<br />

1968 in die Schweiz, ins Land des<br />

harten Käses. Zuhause ist da, wo<br />

man motzen darf, hier aber soll sie<br />

dankbar sein. Die neue Umgebung<br />

scheint ihr sperrig, distanziert, sie<br />

rebelliert gegen das Gastland, das<br />

sie unter seine Regeln zwingt und sie<br />

nicht sie selbst sein lässt. Aber sie<br />

trifft auch auf viele andere Gestrandete,<br />

die hoffen, etwas aus ihrem Leben<br />

machen zu können: kleine Diebe,<br />

Depressive, Schlawiner, Kriegsflüchtlinge,<br />

Ausgebeutete, Überangepasste<br />

und Naive. Und sie lernt, Exil und<br />

Fremdheit als Reichtum zu erfahren,<br />

sie wird Brückenbauerin zwischen den<br />

Kulturen.<br />

Uwe Timm<br />

Vogelweide<br />

Ein Mann hat alles verloren, seine Geliebte,<br />

seinen Beruf, seine Wohnung,<br />

er ist hoch verschuldet. Nun lebt er<br />

für eine Weile ganz allein auf einer<br />

Insel in der Elbmündung und versieht<br />

dort den Dienst als Vogelwart. Ein<br />

geradezu eremitisches Dasein, das<br />

durch einen Anruf durcheinandergewirbelt<br />

wird. Anna kündigt ihren<br />

Besuch an – jene Anna, die vor sechs<br />

Jahren vor ihm geflohen ist und zuvor<br />

sein Leben komplett aus den Angeln<br />

gehoben hatte. Während <strong>Es</strong>chenbach<br />

sich auf das Wiedersehen mit ihr<br />

vorbereitet und seinen Alltagsritualen<br />

folgt, besuchen ihn die Geister der<br />

Vergangenheit ... Uwe Timm lässt ein<br />

konturscharfes Bild unserer Gegenwart<br />

entstehen, in der die Partnerwahl<br />

einerseits von Optimierungsstrategien,<br />

andererseits von entfesselter<br />

Irrationalität geleitet wird und immer<br />

auf dem Prüfstand steht.<br />

Besuche auch unsere Coffeehouses<br />

in den Orell Füssli Buchhandlungen<br />

im Westside in Bern sowie im Kramhof<br />

und am Bellevue in Zürich.<br />

448 Seiten<br />

CHF 35.90<br />

Hanser<br />

ISBN 978-3-446-24323-1<br />

448 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

S. Fischer<br />

ISBN 978-3-10-032910-3<br />

144 Seiten<br />

CHF 14.90<br />

Kiepenheuer & Witsch<br />

ISBN 978-3-462-04591-8<br />

336 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Kiepenheuer & Witsch<br />

ISBN 978-3-462-04571-0


36 | FantastisCH! Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf FantastisCH! | 37<br />

Fantastisch!<br />

Ein Mitarbeiter von Orell Füssli präsentiert Neuerscheinungen und Geheimtipps aus dem<br />

Fantasy-Genre: Bücher für alle, die sich gern in fremde Welten entführen lassen.<br />

<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />

ist ein schräger Antiheld. Der Katzenliebhaber<br />

reist mit einem Saatschiff durch die<br />

Galaxien – das ist ein ehemaliges Kriegsschiff,<br />

mit dem einst Genproben von in<br />

Schlachten einsetzbaren Monstern eingesammelt<br />

wurden. Diese Proben sind immer<br />

noch da, Haviland Tuf nutzt sie aber,<br />

um damit Gutes zu tun – und um zum Beispiel<br />

einen Planeten von einer Riesenkraken-Plage<br />

zu befreien. <strong>Es</strong> passiert zwar<br />

ständig etwas, aber in diesem Buch geht’s<br />

nicht unbedingt um die Action. Haviland<br />

Tuf wird mit immer neuen Problemen konfrontiert,<br />

und man ist stets gespannt, wie<br />

er sie löst.<br />

«Der Schreibstil<br />

von Miles Cameron<br />

hat mich positiv<br />

überrascht. Vieles<br />

wird zwar sehr<br />

detailliert und ausführlich<br />

geschildert,<br />

aber es gibt<br />

kaum Längen.»<br />

Auf das dritte Buch, das ich vorstelle, bin<br />

ich durch den Klappentext gestossen. Dort<br />

wird eine Dystopie angekündigt, also eine<br />

Anti-Utopie. ‹Das Testament der Jessie<br />

Lamb› von Jane Rogers erzählt davon,<br />

wie ein Virus in nicht allzu ferner Zukunft<br />

dafür sorgt, dass alle schwangeren Frauen<br />

mit ihren Föten sterben – das bedeutet,<br />

dass der Menschheit das baldige Ende<br />

droht. Mir gefallen solche Endzeit-Dramen,<br />

bei denen die Autorin oder der Autor<br />

der Frage ‹Was wäre wenn› nachgeht. <strong>Es</strong><br />

macht mich oft neugierig, welche Antworten<br />

angeboten werden. Ein gutes Beispiel<br />

für diese Art von Büchern ist ‹Die Stadt der<br />

Blinden› von José Saramago. Bei Jane Rogers<br />

suchen die Forscher mit Hochdruck<br />

ein Mittel gegen den Virus. Schliesslich<br />

wird klar, dass man wenigstens den Nachwuchs<br />

retten kann, wenn sich die Frauen<br />

in ein Wachkoma versetzen lassen und am<br />

Ende ihr Leben hergeben. Die 16-jährige<br />

Protagonistin Jessie Lamb fällt den Entscheid,<br />

sich zu opfern und damit zum Weiterbestehen<br />

der Menschheit beizutragen.<br />

Ihre Eltern stehen dem völlig machtlos gegenüber.<br />

Die Diskussionen zwischen ihnen<br />

und Jessie sind spannend und clever gemacht.<br />

Das Buch eignet sich für Leserinnen, die<br />

sich mit einer 16-jährigen Hauptfigur identifizieren<br />

können. Denn es ist aus der Sicht<br />

von Jessie geschrieben, und manchmal<br />

hatte ich etwas Mühe, deren Gedankengänge<br />

nachzuvollziehen. Darüber hinaus<br />

gefällt ‹Das Testament der Jessie Lamb›<br />

sicher allen, die Dystopien mögen. Ich werde<br />

es daher jenen Kundinnen und Kunden<br />

empfehlen, die von der ‹Panem›-Trilogie<br />

angetan waren.»<br />

Marino Castelli, 28, wohnt in Ruswil<br />

und arbeitet bei Orell Füssli am Bellevue.<br />

Buchhändler wurde er, weil «ich ein leidenschaftlicher<br />

Leser bin und mein Hobby zum<br />

Beruf machen wollte». An seiner Tätigkeit<br />

schätzt er vor allem, dass er immer neue<br />

Bücher entdecken kann – auch dank<br />

der Kundinnen und Kunden, die etwas<br />

Bestimmtes suchen. Marino liest querbeet,<br />

vor allem Krimis und Fantasy-Romane.<br />

«Jetzt will ich mich aber noch stärker der<br />

Literatur widmen – und die wichtigsten<br />

Bücher der bekanntesten Autoren lesen.»<br />

Der rote<br />

Krieger<br />

Miles Cameron<br />

1166 Seiten<br />

CHF 25.90<br />

Heyne<br />

«Heute stelle ich drei Bücher vor, die zufälligerweise<br />

alle im gleichen Verlag erschienen<br />

sind – Heyne trifft offenbar meinen<br />

aktuellen Geschmack. Die dickste der drei<br />

Neuerscheinungen ist ‹Der rote Krieger›<br />

von Miles Cameron. Die Menschen leben<br />

im durch hohe Mauern geschützten Königreich<br />

Alba. Ausserhalb der Mauern befindet<br />

sich die Wildnis voller Dämonen und Drachen.<br />

Als eine Nonne in Alba bestialisch<br />

ermordet wird, macht sich Angst breit –<br />

und alle fragen sich, wie so viel Böses in<br />

den geschützten Bereich kommen konnte.<br />

Schliesslich wenden sich die Menschen an<br />

den roten Krieger. Sie trauen ihm zwar<br />

nicht richtig und er ist ihnen auch nicht<br />

wirklich sympathisch, aber der rote Krieger<br />

gilt als stark, klug und mutig. Er scheint<br />

der einzige zu sein, der diesen Mordfall<br />

aufklären kann. Bald zeigt sich, dass ein<br />

Zauberer seine dunkle Seite in Alba auslebt.<br />

Und es <strong>kommt</strong> zu überraschenden<br />

Wendungen, die ich hier nicht verraten<br />

will. <strong>Es</strong> gibt grossartige, zuweilen etwas<br />

gar blutige Schlachten, die wunderbar<br />

plastisch beschrieben sind – man <strong>kommt</strong><br />

sich vor wie im Kino. Und ich bin mir auch<br />

ziemlich sicher, dass dieses Buch irgendwann<br />

verfilmt werden wird.<br />

‹Der rote Krieger› ist High-Fantasy vom<br />

Feinsten. Man sagt ja gern, ein Buch habe<br />

einen von der ersten Seite an gepackt, aber<br />

hier war das wirklich der Fall: Ich konnte<br />

das Buch nicht mehr weglegen, kaum hatte<br />

ich mit dem Lesen begonnen. Der Schreibstil<br />

von Miles Cameron hat mich positiv<br />

überrascht. Vieles wird zwar sehr detailliert<br />

und ausführlich geschildert, aber es<br />

gibt kaum Längen, auch wenn sich die Er-<br />

eignisse erst auf den letzten 400 Seiten<br />

überstürzen. Auf dem Buch steht, es werde<br />

allen Fans von ‹Games of Thrones› empfohlen,<br />

der Kultserie von George R.R. Martin,<br />

und das kann ich als solcher nur unterschreiben<br />

– ‹Der rote Krieger› kann man<br />

jedem Martin-Fan unbesehen in die Hand<br />

legen. Das Buch wird aber auch sonst allen<br />

gefallen, die epische Fantasy-Romane<br />

schätzen. <strong>Es</strong> gibt ja viele Leute, denen kein<br />

Buch zu dick ist!<br />

Martin-Fans sind wohl auch mit meiner<br />

nächsten Empfehlung gut bedient: ‹Planetenwanderer›,<br />

ein Science-Fiction-Abenteuer<br />

des Meisters persönlich. Ich liebe<br />

Martins Charaktere und ironisch-tapferen<br />

Helden; der Engländer hat eine coole Art,<br />

seine Protagonisten lebhaft zu gestalten.<br />

Auch der Planetenwanderer Haviland Tuf<br />

Geschrieben wurde ‹Planetenwanderer›<br />

bereits in den 1980er-Jahren. Bis ich erfuhr,<br />

dass die Geschichten bereits 30 Jahre<br />

alt sind, habe ich von ihrem Alter nichts<br />

gespürt. Der Roman erschien damals in<br />

Fanzines als Fortsetzungsgeschichte; die<br />

Kapitel sind daher einzelne Episoden, die<br />

sich aber zu einem grossen Ganzen mit<br />

Anfang und Ende fügen. Dass die Episoden<br />

jetzt erstmals zusammen zwischen zwei<br />

Buchdeckeln erscheinen, hat mit dem ungeheuren<br />

Erfolg von Martins ‹Games of<br />

Thrones› zu tun. Da ich diese Serie momentan<br />

geradezu verschlinge, habe ich<br />

mir jetzt auch den ‹Planetenwanderer› zu<br />

Gemüte geführt – als allerersten Sciencefiction-Roman,<br />

den ich gelesen habe. Jedenfalls<br />

würde ich sofort wieder eine Geschichte<br />

dieses Stils lesen.<br />

Planetenwanderer<br />

George R.R.<br />

Martin<br />

511 Seiten<br />

CHF 23.90<br />

Heyne<br />

Das Testament<br />

der Jessie<br />

Lamb<br />

Jane Rogers<br />

382 Seiten<br />

CHF 23.90<br />

Heyne


38 | FantastisCH! Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf BUCHtipps | 39<br />

Junge Mitarbeitende von Orell Füssli<br />

geben weitere Tipps:<br />

Tim Lenny George,<br />

18, lebt in einem<br />

Dorf ausserhalb<br />

von Bern, hat gerade<br />

seine Buchhändler-Lehre<br />

im<br />

Zürcher Kramhof<br />

abgeschlossen<br />

und will jetzt die<br />

Berufsmatura machen.<br />

Künftig arbeitet er in der Filiale<br />

Westside in Bern. Sein Tipp: «Silber» von<br />

Kerstin Gier. «Seltsame Träume lassen Liv<br />

immer wieder aufschrecken. Sie handeln<br />

von grünen Türen, deren Türklinken aus<br />

Eidechsen bestehen, und von Jungs, die<br />

um Mitternacht Rituale auf Friedhöfen<br />

durchziehen. Wieso fühlen sich diese Träume<br />

so besonders an? Und wieso scheinen<br />

die mysteriösen Friedhofsjungen geheime<br />

Dinge über Liv zu wissen? Das ist rätselhaft<br />

– doch Rätseln konnte Liv noch nie<br />

widerstehen ... Ich habe das Buch auf<br />

Drängen einer Kollegin gelesen, die davon<br />

absolut begeistert war. Mit seinem guten<br />

Mix aus High-School-Erlebnissen und zauberhaften<br />

Traumwelten hat es auch mich<br />

restlos überzeugt. Die Hauptperson Liv ist<br />

eher Mauerblümchen als Cheerleaderin;<br />

liebenswert-tollpatschig und selbstironisch<br />

stolpert, fällt und tapst sie durch die<br />

Geschichte. Kerstin Giers Talent, mit einfacher<br />

Sprache viel Emotion und Spannung<br />

zu erzeugen, gefällt mir sehr. Vor allem der<br />

Tittle-Tattle-Blog, das schuleigene Boulevardmagazin,<br />

hat mich immer wieder zum<br />

Schmunzeln gebracht. ‹Silber› kreuzt ‹Inception›<br />

mit ‹Gossip Girl› – und eignet sich<br />

für alle Fans der ‹Edelsteintrilogie›, mit der<br />

Kerstin Gier auch schon überzeugte, sowie<br />

für die Leserschaft von ‹Panem›. Meines<br />

Erachtens ist dieser Auftakt zu einer Trilogie<br />

absolute Pflichtlektüre für Fantasy-<br />

Freundinnen und -Freunde!»<br />

Manuela Bigler,<br />

25, arbeitet in der<br />

Kinder- und Jugendbuchabteilung<br />

von Orell<br />

Füssli im Berner<br />

Einkaufszentrum<br />

Westside. Am<br />

liebsten mag sie<br />

Fantasy-Romane.<br />

«Bei diesem Genre kann ich am besten abschalten»,<br />

sagt die Bernerin. Ihr Tipp:<br />

«Mystic City» von Theo Lawrence. «Durch<br />

die Erderwärmung sind die Polkappen geschmolzen,<br />

weite Flächen der Erde sind<br />

überschwemmt. In New York leben die Reichen<br />

und Schönen glamourös hoch oben in<br />

den Wolkenkratzern, der arme Teil der Bevölkerung,<br />

vorwiegend magiebegabte Mystiker,<br />

haust unten in der fast unerträglichen<br />

Hitze der Tiefe. Mystiker sorgen<br />

durch die gesetzlich bestimmte Abschöpfung<br />

ihrer magischen Kraft für die Energieversorgung<br />

der Stadt. Aria, Tochter aus<br />

reichem Haus, hat ihr Gedächtnis verloren.<br />

Nun steht sie an ihrer eigenen Verlobungsfeier<br />

und kennt ihren Verlobten nicht mehr.<br />

Aber sie muss ihn sehr geliebt haben –<br />

denn sie wollte für ihn alles aufgeben und<br />

mit ihm in die Tiefe fliehen. Als Aria auf der<br />

Suche nach des Rätsels Lösung nach unten<br />

geht und den gut aussehenden Mystiker<br />

Hunter trifft, fühlt sie sich zu ihm hingezogen.<br />

Auf ihrer Suche stösst sie auf immer<br />

mehr Geheimnisse und Intrigen ... Eines<br />

der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen<br />

habe. Die Zutaten sind so einfach wie<br />

genial: eine Romanze à la Romeo und Julia,<br />

gepaart mit einer sich stetig steigernden<br />

Spannung. Klar, die Geschichte ist oft vorhersehbar,<br />

aber die wenigen Überraschungen<br />

sorgen dafür, dass der Spannungsbogen<br />

niemals abflaut. Spannend wie ein<br />

Thriller, bildgewaltig wie ein Film und<br />

kämpferisch wie ‹Panem›.»<br />

Angelina Rubli,<br />

28, ist im Kanton<br />

Schaffhausen aufgewachsen,<br />

wohnt<br />

in Dachsen und<br />

arbeitet bei Orell<br />

Füssli am Bellevue<br />

in der Kinder- und<br />

Jugendbuchabteilung,<br />

weil «ich das<br />

die spannendste Literatur finde – sie ist extrem<br />

vielseitig, jeden Monat gibt es neue Strömungen».<br />

Angelina liest etwa drei bis vier<br />

Bücher pro Woche. Ihr Tipp: «Bitterzart»<br />

von Gabrielle Zevin. «New York im Jahr<br />

2083. Anya Balanchine ist die Tochter des<br />

Mafiabosses, der in der zu dieser Zeit verbotenen<br />

Schokoladenproduktion tätig ist. Der<br />

Boss wird allerdings ermordet, und nun<br />

stellt sich die Frage nach seiner Nachfolge.<br />

Anya verliebt sich in Win, den Sohn des<br />

Oberstaatsanwalts, doch den beiden ist vorerst<br />

kein Glück beschieden: Unwillentlich<br />

verabreicht Anya nämlich ihrem ehemaligen<br />

Freund Gable eine vergiftete Schokolade, die<br />

Polizei ermittelt, und Anya wird in ein Mädchengefängnis<br />

gesteckt. Der Vater von Win<br />

haut sie zwar raus und kann auch ihre Unschuld<br />

beweisen, doch er verbietet seinem<br />

Sohn, mit dieser Tochter eines Mafiabosses<br />

weiterhin Kontakt zu haben. Werden sich die<br />

Verliebten über dieses Verbot hinwegsetzen?<br />

Wer übernimmt die Familiengeschäfte der<br />

Balanchine? Ich fand die Geschichte super.<br />

Sie ist so süss wie Schokolade und so herb<br />

wie ein guter Whiskey, der in der Geschichte<br />

ebenfalls verboten ist. Empfehlen würde ich<br />

‹Bitterzart› vor allem Mädchen, die gern Romane<br />

voller erstaunlicher Wendungen lesen<br />

und unübliche Liebesgeschichten mit starken<br />

Protagonistinnen sowie süssen Söhnen<br />

von Oberstaatsanwälten schätzen. Wer diese<br />

Geschichte mag, kann sich das Warten auf<br />

die Fortsetzung mit der ‹Arkadien-Trilogie›<br />

von Kay Meyer verkürzen.»<br />

Gillian Flynn<br />

Gone Girl – Das<br />

perfekte Opfer<br />

«‹Was denkst du gerade, Amy?› Das<br />

habe ich sie oft gefragt. Was denkst<br />

du? Wie geht es dir? Wer bist du?<br />

Wie gut kennt man eigentlich den<br />

Menschen, den man liebt?» Genau<br />

das fragt sich Nick Dunne am sonnigen<br />

Morgen seines fünften Hochzeitstags.<br />

An diesem Morgen verschwindet<br />

seine Frau Amy spurlos. Die<br />

Polizei verdächtigt Nick sofort. Amys<br />

Freunde berichten, dass sie Angst<br />

vor ihm hatte. Auf der Festplatte<br />

seines Computers entdeckt die Polizei<br />

merkwürdige E-Mails. Ausserdem hat<br />

Nick Amys Geld verwendet, um sein<br />

Geschäft aufzubauen – und nebenbei<br />

ihre Lebensversicherung erhöht. Aber<br />

vielleicht ist ja auch alles gar nicht<br />

so, wie es scheint. Was geschah mit<br />

Nicks wunderbarer Frau Amy?<br />

Nora Roberts<br />

Sommerflammen<br />

Liebe ist Spannung pur: der neue<br />

Roman von Nora Roberts erstmals<br />

im Taschenbuch!<br />

Rowan liebt die Gefahr. Wann immer<br />

die Feuerspringerin zu einem Einsatz<br />

mit Fallschirmen gerufen wird, um die<br />

tödlichen Flammen in den Wäldern<br />

Montanas zu bekämpfen, riskiert sie<br />

ihr Leben. Doch dann stirbt ihr Kollege<br />

Jim bei einem Einsatz. War Rowan<br />

wirklich machtlos, wie der attraktive<br />

Gull ihr immer wieder versichert? Fast<br />

ist sie bereit, sich Gulls Fürsorge hinzugeben,<br />

als kurz hintereinander zwei<br />

verkohlte Leichen gefunden werden.<br />

Der Verdacht fällt auf Rowan. Wird<br />

sie ihre Unschuld beweisen und Gull<br />

je vertrauen können?<br />

Tom clancy<br />

Gegen alle<br />

Feinde<br />

Eine neue Bedrohung. Ein neuer Held.<br />

Ein neuer Tom Clancy.<br />

Seit Jahren tobt der Konflikt im<br />

Mittleren Osten. Nun sieht es danach<br />

aus, als dass sich der Kriegsschauplatz<br />

verlagert hätte. Die Taliban bedienen<br />

sich für ihre Machenschaften eines<br />

mexikanischen Drogenkartells und<br />

tragen den Kampf ins Heimatland des<br />

Erzfeinds: in die Vereinigten Staaten<br />

von Amerika. Tom Clancy, der Meister<br />

des internationalen Politthrillers,<br />

stellt uns seinen neuen Helden vor:<br />

Ex-Navy-SEAL Max Moore. Und<br />

dieser steht allein gegen alle Feinde.<br />

Karin Slaughter<br />

Tote Augen<br />

Dr. Sara Linton, Krankenhausärztin in<br />

Atlanta, Georgia, will ihr Leben neu<br />

ordnen. Doch als es zu einer Reihe<br />

grausamer Folterungen und Morde<br />

<strong>kommt</strong>, kann die ehemalige Rechtsmedizinerin<br />

aus Grant County nicht<br />

tatenlos zusehen. Sie schaltet sich in<br />

die Ermittlungen von Will Trent und<br />

Faith Mitchell vom Georgia Bureau<br />

of Investigation ein – auch wenn die<br />

Ereignisse schmerzhafte Erinnerungen<br />

in ihr wecken, die sie eigentlich hinter<br />

sich lassen wollte. Die Ermittlerin<br />

Faith Mitchell hat neben dem Fall<br />

noch ganz private Probleme, die sie in<br />

den Griff bekommen muss. Der Täter<br />

nimmt darauf aber keine Rücksicht<br />

und mordet einfach weiter ...<br />

Silber<br />

Kerstin Gier<br />

410 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Fischer FJB<br />

Mystic City 01.<br />

Das gefangene Herz<br />

Theo Lawrence<br />

410 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Ravensburger<br />

Bitterzart<br />

Gabrielle Zevin<br />

540 Seiten<br />

CHF 26.90<br />

Fischer FJB<br />

576 Seiten<br />

CHF 27.90<br />

FISCHER Scherz<br />

ISBN 978-3-502-10222-9<br />

623 Seiten<br />

CHF 15.90<br />

Diana<br />

ISBN 978-3-453-35740-2<br />

864 Seiten<br />

CHF 15.90<br />

Heyne<br />

ISBN 978-3-453-43719-7<br />

587 Seiten<br />

CHF 15.90<br />

Blanvalet<br />

ISBN 978-3-442-37478-6


40 | im schaufenster Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf im sCHaufenster | 41<br />

Ein reicher Schatz<br />

an Leben<br />

Mit «Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer» liefert Alex<br />

Capus einen weiteren Beleg seiner stupenden Erzählkunst.<br />

<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />

Marco Grob<br />

ausgeprägtem Gespür für aussagekräftige<br />

Details. Und ähnlich wie bei «Leon und<br />

Louise» schöpft Capus auch beim neuen<br />

Roman aus tatsächlichen Geschehnissen –<br />

die drei Personen, die im Titel genannt<br />

werden, haben alle gelebt. Der Fälscher ist<br />

Emile Gilliéron, der 1851 in Villeneuve am<br />

Genfersee zur Welt kam, mit dem Archäologen<br />

Heinrich Schliemann nach Griechenland<br />

ging und sich dort als «Restaurator»<br />

betätigte – Gilliéron gestaltete die Fantasien<br />

seiner Auftraggeber, schuf Fresken oder<br />

entwarf anhand einzelner Fundstücke<br />

grandiose Altertümer, die es so wohl nie<br />

gab. «Steht man vor dem Palast von Knossos,<br />

an dem Gilliéron arbeitete, fühlt man<br />

sich irgendwie an Art déco erinnert», erzählt<br />

Capus. «Kein Wunder: Das ist Art<br />

déco! Gilliéron und später auch sein Sohn<br />

prägten mit ihrem Stil unsere Vorstellung<br />

vom alten Griechenland, sie erfanden eine<br />

ganze Hochkultur – und das ist eine Leistung,<br />

die Respekt verdient.»<br />

Recherchiert in den USA<br />

Bei der Spionin im Buch handelt es sich um<br />

Laura d’Oriano, Tochter von Musikanten,<br />

die im osmanischen Reich herumtingelten<br />

dessen Heimatdorf Bottighofen zog. Weil<br />

ihr der Thurgau zu eng war, flüchtete Laura<br />

nach kurzer Zeit wieder zurück ans Mittelmeer,<br />

wo sie durch Zufall Spionin für die<br />

Alliierten wurde. Doch lange dauerte ihr<br />

Leben als Mata Hari nicht – 1943 kam ihr<br />

die zweifelhafte Ehre zu, als einzige Frau<br />

im Königreich Italien hingerichtet zu werden.<br />

«Ich las alle Verhörprotokolle», erzählt<br />

Capus, «eine sehr reiche Quelle! Leider<br />

schickte mir das Archiv in Rom Scans<br />

aller Protokolle auf einer CD, so dass sich<br />

meine geplante Italienreise erübrigte.»<br />

Trotzdem konnte Capus für sein neues<br />

Buch ins Ausland reisen: In den USA recherchierte<br />

er über seine dritte Figur, den<br />

Bombenbauer. Dabei handelt es sich um<br />

den Zürcher Felix Bloch, der 1951 den Nobelpreis<br />

für Physik gewann. Die Gräuel des<br />

Ersten Weltkriegs stiessen Bloch als jungen<br />

Mann derart ab, dass er eine Tätigkeit<br />

suchte, die sich mit Sicherheit nie für den<br />

Krieg verwenden liesse. Er glaube, sie bei<br />

der jungen Quantenphysik gefunden zu haben<br />

– am Ende landete er aber dennoch<br />

beim Manhattan-Projekt, das die erste<br />

Atombombe hervorbrachte. «Bloch steckte<br />

in einem ethischen Dilemma», sagt Alex<br />

Capus: «Sollte er helfen, die schlimmste<br />

Waffe zu bauen, um damit den Holocaust<br />

zu stoppen? Immerhin gehörte er dann<br />

aber zu den wenigen Leuten, die aus dem<br />

Manhattan-Projekt ausstiegen.»<br />

Begegnung wäre denkbar gewesen<br />

Der neue Roman handelt also von drei Leben<br />

und hat drei Handlungsfäden. Was haben<br />

die drei Figuren miteinander zu tun?<br />

Zur Antwort erzählt Alex Capus aus seiner<br />

Kindheit in Olten. «Ich sass oft am Bahnhof<br />

und beobachtete die Leute; es gefällt mir<br />

immer noch, einfach dort zu sitzen und<br />

diesen reichen Schatz an Leben an mir<br />

vorbeiziehen zu lassen. <strong>Es</strong> hat mich immer<br />

beeindruckt, wie viele Menschen meinen<br />

Lebensweg kreuzen, ohne dass wir voneinander<br />

Notiz nehmen – und als Kind stellte<br />

ich mir manchmal vor, wie es wäre, einfach<br />

einmal mit Leuten mitzugehen und sie<br />

durchs Leben zu begleiten.» Mit dem neuen<br />

Buch richtet er jetzt den Fokus auf drei<br />

Leute, deren Wege sich vielleicht auch einmal<br />

kreuzten – 1924 am Bahnhof in Zürich.<br />

«Eine Begegnung wäre zumindest<br />

möglich gewesen», sagt der Autor. «Ich<br />

halte allerdings schon ganz am Anfang des<br />

Buchs fest, dass die drei Handlungsstränge<br />

nicht zusammenkommen werden.» Dennoch<br />

bleiben die drei Hauptfiguren miteinander<br />

verbunden: «Am Ende dreht sich<br />

alles um die Frage, ob man seine Lebensträume<br />

und Ideale verwirklichen<br />

kann oder nicht. Der eine ist Künstler und<br />

will es nicht sein. Die andere will Künstlerin<br />

sein und ist es nicht. Der Dritte will einer<br />

Sache ausweichen und gerät dann<br />

doch in sie hinein. Ich selber bin jetzt 52<br />

Jahre alt, und in diesem Alter stellt man<br />

sich natürlich gewisse Fragen: Hat man<br />

wirklich die Begabung, das zu tun, was<br />

man gern macht? Tut man das Richtige?»<br />

Als Leser glaubt man im Fall von Alex Capus<br />

die Antwort zu kennen: Als Schriftsteller<br />

ist er am richtigen Platz.<br />

Der Fälscher, die Spionin<br />

und der Bombenbauer<br />

272 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Hanser<br />

Das letzte Buch von Alex Capus, der Roman<br />

«Leon und Louise», war ein Knüller: Die<br />

Kritik überschlug sich fast vor Euphorie,<br />

und die Verkaufszahlen schossen sozusagen<br />

durch die Decke des Buchhandels. Die<br />

zarte, zwei ganze Menschenleben dauernde<br />

Liebesgeschichte von Leon und Louise,<br />

die vor dem Hintergrund eines schrecklichen<br />

europäischen Jahrhunderts spielt,<br />

sprach offenbar ein sehr breites Publikum<br />

an. «Nach einem solchen Buch ein neues<br />

Projekt an die Hand zu nehmen, ist nicht<br />

leicht», gibt Alex Capus unumwunden zu.<br />

Kein Schriftsteller möchte schliesslich zu<br />

hören bekommen, sein letztes Buch habe<br />

besser gefallen – daher ist auch die Versuchung<br />

gross, ein Erfolgskonzept wieder<br />

und wieder zu kopieren. Alex Capus ist dieser<br />

Versuchung zum Glück nicht erlegen:<br />

Sein neuestes Buch «Der Fälscher, die Spionin<br />

und der Bombenbauer» – nach seiner<br />

Aussage sein ungefähr fünfzehntes – ist in<br />

vielerlei Hinsicht ganz anders als «Leon<br />

und Louise».<br />

Beschreibungen, die haften bleiben<br />

Parallelen gibt es natürlich schon: Auch<br />

mit dem neuen Buch zeigt Alex Capus,<br />

welch hervorragender Schriftsteller er ist.<br />

Müsste man diesen Text kürzen, würde<br />

man wohl scheitern – jedes Wort sitzt, die<br />

Sprache scheint so ideal gemeisselt wie<br />

eine Statue von Praxiteles. Nie spürt man<br />

schriftstellerische Koketterie, alles fliesst<br />

ganz wunderbar. Und immer wieder stösst<br />

man auf kurze Beschreibungen, die haften<br />

bleiben; Capus erweist sich in diesen Passagen<br />

als aufmerksamer Beobachter mit<br />

Alex Capus<br />

ml. Alex Capus kam 1961 in der Normandie<br />

als Sohn eines Franzosen und<br />

einer Schweizerin zur Welt. Die ersten<br />

fünf Lebensjahre verbrachte er bei seinem<br />

Grossvater in Paris. Dann zog er mit seiner<br />

Mutter nach Olten. Er studierte Geschichte,<br />

Philosophie und Ethnologie in Basel<br />

und arbeitete als Journalist und Redakteur<br />

bei verschiedenen Tageszeitungen sowie<br />

bei der Schweizer Depeschenagentur.<br />

Sein erster Erzählband erschien 1994:<br />

«Diese verfluchte Schwerkraft». Seither<br />

hat er rund ein Dutzend weiterer Bücher<br />

publiziert, die in viele Sprachen übersetzt<br />

wurden und zahlreiche Preise gewannen.<br />

Oft verbindet Capus in seinen Werken<br />

sorgfältig recherchierte Fakten mit fiktiven<br />

Erzählebenen; einige seiner Publikationen<br />

sind Sammlungen literarischer Porträts<br />

und historischer Miniaturen. Einen Namen<br />

gemacht hat sich Capus auch als Übersetzer<br />

der Romane von John Fante und John<br />

Kennedy Toole.<br />

Alex Capus lebt noch immer in Olten.<br />

Dort besitzt er mit dem «Flügelrad» auch<br />

eine eigene Beiz – gemeinsam mit seinem<br />

Schriftstellerfreund Pedro Lenz («Der<br />

Goalie bin ig»). Capus ist verheiratet und<br />

Vater von fünf Kindern.<br />

und schliesslich in Südfrankreich sesshaft<br />

wurden. Laura wollte Sängerin werden,<br />

war aber nicht gut genug. Vom Studium in<br />

Paris nach Südfrankreich zurückgekehrt,<br />

lernte sie einen Schweizer kennen, mit<br />

dem sie während der Wirtschaftskrise in<br />

512 Seiten, Leinen, sFr 32.90*<br />

Ein junges marokkanisches Fußballteam<br />

hält Amsterdam in Atem. Ein dubioser<br />

jüdischer Geschäftsmann entdeckt plötzlich<br />

sein gutes Herz. Väter und Söhne<br />

finden schicksalhaft zueinander, eine alte<br />

Liebesgeschichte flackert wieder auf…<br />

Der neue atemberaubende Thriller von<br />

Leon de Winter!<br />

Neue Bücher bei Diogenes<br />

352 Seiten, Leinen, sFr 32.90* 336 Seiten, Leinen, sFr 32.90*<br />

»Kein Schriftsteller, der bei Trost ist,<br />

schreibt eine Autobiographie«, lautet der<br />

erste Satz. Urs Widmer hat die eigene<br />

Warnung in den Wind geschlagen und<br />

ein großartiges Erinnerungsbuch verfasst.<br />

Eine persönliche Geschichte aus<br />

den für die Weltgeschichte so entscheidenden<br />

Jahren 1938 – 1968.<br />

Eine Prinzessin von Sansibar, die mit<br />

einem Hamburger Kaufmann durchbrennt.<br />

Mit dieser verbotenen Liebe<br />

beginnt die spannende Saga einer westöstlichen<br />

Familie zwischen Europa und<br />

der arabischen Welt. Ein historischer<br />

Roman nach der wahren Geschichte von<br />

Emily Ruete.<br />

*unverbindliche Preisempfehlung


42 | Kinderwelt Books Nr. 3/2013<br />

Alle Bücher finden Sie auch auf Kinderwelt | 43<br />

© Beltz & Gelberg<br />

Zum Lachen!<br />

Kinder sind fröhliche Wesen – deshalb gibt es für sie auch viele ausnehmend humorvolle<br />

Bücher. Unsere Fachfrau für Kinderbücher hat einige der witzigsten Neuerscheinungen aus<br />

dem Regal gezupft.<br />

<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />

«Als Buchhändlerin und Mutter weiss ich,<br />

wie sehr Kinder und Jugendliche lustige<br />

Bücher mögen. Und ich bewundere oft, mit<br />

wie viel Humor gute Autorinnen und Autoren<br />

auch ernsthafte Themen behandeln<br />

können. Meine erste Empfehlung ist allerdings<br />

ein reiner Spass: ‹Pollys Piratenparty›<br />

des Hamburger Illustrators Matthias<br />

Weinert. Dieses comicartige Bilderbuch<br />

hat so viel Atmosphäre! <strong>Es</strong> erzählt von einer<br />

Gruppe von Piraten, die von der kleinen<br />

Polly zu einer Geburtstagsparty eingeladen<br />

werden – und die sich jetzt riesig auf<br />

den Kuchen freuen. Doch Fred, der Bordkakadu,<br />

wird zum Spielverderber. ‹Kein<br />

Bad, kein Kuchen›, sagt er. Also baden die<br />

Piraten. Doch das reicht Fred nicht. ‹Kein<br />

Schick, kein Kuchen›, ‹Kein Geschenk, kein<br />

Kuchen› – so geht es ständig weiter. Als die<br />

Piraten dann geschniegelt und mit einer<br />

schön eingepackten Puppe bei Polly eintreffen,<br />

ist das Mädchen ausser sich: <strong>Es</strong><br />

wollte mit einem Haufen Piraten feiern und<br />

nicht mit diesen sauberen Herren! Im Moment<br />

muss ich dieses Buch meinem dreijährigen<br />

Bub jeden Abend erzählen. Ihm<br />

gefällt besonders, wie entsetzt die Piraten<br />

darüber sind, dass sie baden müssen. Und<br />

natürlich liebt er, wie Fred am Schluss an<br />

den Masten gefesselt wird.<br />

‹Pollys Piratenparty› ist das Lieblingsbuch<br />

meines Sohns – meine eigene Lieblings-<br />

Neuerscheinung ist ‹Familie Grunz hat<br />

Ärger› von Philip Ardagh, übersetzt von<br />

Harry Rowohlt und illustriert von Axel<br />

Scheffler. Vater und Mutter Grunz sind<br />

zwei stinkende, streitsüchtige, betrügerische<br />

Ekelpakete, die einem sofort ans Herz<br />

wachsen. Zusammen mit ihrem Sohnemann<br />

– der aber gar nicht ihr richtiger<br />

Sohn ist – machen sie sich in einem Wohnwagen<br />

auf den Weg, einen Elefanten zu<br />

kaufen. Unterwegs begegnen sie den seltsamsten<br />

Gestalten. Zum Beispiel einem<br />

Mann, der in einer grossen Gummitomate<br />

lebt. Oder dem Herrn Schlecht, der einen<br />

gierigen Grossgrundbesitzer namens von<br />

Guuth bekämpft. Die Geschichte führt zu<br />

einem regelrechten Showdown, bei dem<br />

Solche Piraten will Polly im<br />

Buch von Matthias Weinert an<br />

ihrer Geburtstagsparty sehen.<br />

alle Handlungsfäden zusammenkommen –<br />

für jedes skurrile Element und jede Figur<br />

gibt es dann eine Erklärung. Dieses Buch<br />

ist spannend, witzig, liebenswert, humorvoll,<br />

da steckt einfach alles drin. Man kann<br />

es Kindern ab dem Kindergartenalter vorlesen.<br />

Oder es gleich selber verschlingen.<br />

Auch das nächste Buch ist ein Volltreffer:<br />

‹Pow!› von Michael Fry. Ein gutes Beispiel<br />

dafür, wie humorvoll man ein eigentlich<br />

ernstes Thema behandeln kann – vor allem,<br />

wenn man Engländer ist. ‹Pow!› gefällt sicher<br />

allen ‹Greg›-Lesern, denn es ist comicund<br />

tagebuchartig gestaltet. Hauptfigur ist<br />

der elfjährige Paul, der leider viel zu klein<br />

ist für sein Alter. Er wird ständig von Roy<br />

gehänselt und jeden Morgen ins Schliessfach<br />

gesteckt. Irgendwann beschliesst die<br />

Schulpsychologin, Paul zusammen mit der<br />

Bohnenstange Molly und dem Nerd Karl in<br />

eine Bande zu stecken – in der Überzeugung:<br />

Halten die Unbeliebtesten zusammen,<br />

werden sie stärker. Die drei bekommen<br />

den Wachdienst übertragen. Vor allem<br />

© NordSüd<br />

Im Buch von Autor Philip Ardagh und lllustrator<br />

Axel Scheffler hat die Familie Grunz tatsächlich<br />

viel Ärger!<br />

aber beschliessen sie, Roy auf eigene Faust<br />

das Handwerk zu legen ... An diesem Buch<br />

gefällt mir besonders, dass der Autor seine<br />

Figuren nicht schwarz-weiss gestaltet. Roy<br />

ist nicht einfach böse, sondern er hat einen<br />

Grund, warum er sich so verhält. Darüber<br />

hinaus ist das Buch aber einfach umwerfend<br />

komisch.<br />

Dasselbe lässt sich auch von der nächsten<br />

Neuerscheinung sagen: ‹Amanda Babbel<br />

und die platzende Paula› von Kjartan Poskitt.<br />

In der Schulklasse von Amanda war in<br />

diesem Jahr noch niemand krank, und die<br />

Lehrerin verspricht: Wenn ihr das bis Ende<br />

Jahr durchhaltet, gehen wir zur Belohnung<br />

ins Mumienmuseum. Darauf freut sich die<br />

ganze Klasse. Doch eines Abends überes-<br />

Testleserinnen und Testleser von 8 bis 12 gesucht!<br />

Niemand weiss besser, was jungen Lesern gefällt, als die jungen Leser selbst. Deshalb<br />

sucht Orell Füssli gemeinsam mit dem Kindermagazin «Spick» Buben und Mädchen<br />

für die Testleser-Gruppe. Sie dürfen während eines halben Jahrs bei uns so viele<br />

druckfrische Bücher ausleihen, wie sie möchten. Zu jedem Buch schreiben sie eine<br />

kurze Besprechung, die dann – zusammen mit einem Porträtbild – in den Buchhandlungen<br />

und im «Spick» veröffentlicht wird.<br />

Sich für die Testlese-Gruppe zu bewerben, ist ganz einfach: Bist du zwischen 8 und<br />

12 Jahre alt, schickst du uns bitte ein Foto von dir und eine kurze Besprechung deines<br />

Lieblingsbuchs. Bitte sag uns in fünf Sätzen, worum es im Buch geht, was dir daran<br />

gefallen hat und wem du dieses Buch empfiehlst. Foto und Besprechung – sowie deine<br />

Adresse – kannst du uns per E-Mail oder Post schicken:<br />

isabel.hammer@books.ch<br />

Orell Füssli Buchhandlung, Kramhof, Füsslistrasse 4, 8001 Zürich<br />

sen sich Amanda und zwei ihrer<br />

Freundinnen an einer Pizza. Paula<br />

geht es tags darauf hundsmiserabel,<br />

und sie kann nicht zur Schule<br />

gehen. Amanda und ihre Freundin<br />

bauen darauf eine Paula aus Ballonen,<br />

damit niemand merkt, dass<br />

die echte Paula gar nicht da ist.<br />

Und diese Ballon-Paula, die nicht<br />

platzen darf, schleppen die Mädchen<br />

nun von einer Lektion zur<br />

nächsten ... Diese grandiose Ausgangslage<br />

nutzt Kjartan Poskitt für<br />

geniale Szenen und Dialoge. Ein<br />

Jugendbuch mit so originellen<br />

Ideen habe ich noch nie gelesen –<br />

es ist einfach total unterhaltsam<br />

und eignet sich vor allem für Mädchen<br />

ab etwa 10 Jahren.<br />

Auch das nächste Buch richtet sich wohl<br />

eher an Leserinnen: ‹Widerspruch zwecklos<br />

oder Wie man eine polnische Mutter<br />

überlebt› von Emmy Abrahamson. Grandios<br />

witzig! In erster Linie geht es um eine<br />

Mutter-Tochter-Beziehung, der Vater arbeitet<br />

gerade irgendwo in Amerika. Dass<br />

die Mutter aus Polen stammt, spielt keine<br />

Rolle – sie ist einfach eine Frau, die in<br />

schwierigen Zeiten aufgewachsen, supersparsam<br />

und eigentlich total schräg ist.<br />

Tochter Alicja ist aber selber megaschräg.<br />

Sie gerät ständig in superpeinliche Situationen,<br />

in die sie oft von ihrer Mutter getrieben<br />

wurde; einmal muss Alicja ihre Cousine<br />

zum Papstbesuch begleiten, und da geht<br />

alles schief. Trotzdem halten Mutter und<br />

Tochter am Ende eisern zusammen – denn<br />

man kann natürlich nur so schön streiten<br />

wie Alicja und ihre polnische Mutter, wenn<br />

man einander wirklich liebt.»<br />

Nicole Stäuble, 40, ist Buchhändlerin bei<br />

Orell Füssli in Frauenfeld; sie hat einen<br />

dreijährigen Sohn. «Ich machte bereits<br />

meine Lehre zur Buchhändlerin bei Orell<br />

Füssli», erzählt sie. Schon in der Lehre<br />

seien Kinder- und Jugendbücher für sie das<br />

Grösste gewesen, denn «dieser Bereich<br />

ist so vielseitig – und fast so etwas wie<br />

eine Buchhandlung in der Buchhandlung!»<br />

Ausserdem könne man die Kundinnen<br />

und Kunden, die Kinderbücher suchten,<br />

richtig beraten: «Die meisten Leute sind<br />

dankbar für Empfehlungen, weil sie sich<br />

mit den Neuerscheinungen nicht so gut<br />

auskennen.»<br />

Pollys Piratenparty<br />

Matthias Weinert<br />

32 Seiten<br />

CHF 23.90<br />

NordSüd<br />

Familie Grunz hat<br />

Ärger<br />

Philip Ardagh, Axel<br />

Scheffler (Illustrationen)<br />

240 Seiten<br />

CHF 19.90<br />

Beltz & Gelberg<br />

Pow!<br />

Michael Fry<br />

240 Seiten<br />

CHF 19.90<br />

Dressler<br />

Amanda Babbel<br />

und die platzende<br />

Paula<br />

Kjartan Poskitt,<br />

David Tazzyman<br />

(Illustrationen)<br />

208 Seiten<br />

CHF 21.90<br />

Sauerländer<br />

Widerspruch<br />

zwecklos oder Wie<br />

man eine polnische<br />

Mutter überlebt<br />

Emmy Abrahamson<br />

214 Seiten<br />

CHF 19.90<br />

dtv


44 | BuCHtipps Books Nr. 3/2013<br />

Alle Bücher finden Sie auch auf Mein Buch | 45<br />

Marisha Pessl<br />

Die amerikanische<br />

Nacht<br />

Ashley ist tot – gerade einmal 24 Jahre<br />

alt, eine Leiche in einer verlassenen<br />

Lagerhalle Manhattans. Tief unten im<br />

Schacht leuchtet rot ihr Mantel. Ein<br />

Unfall? Oder Selbstmord? Und was<br />

hat Cordova, der übermächtige Vater<br />

und besessene Filmemacher, mit<br />

ihrem Tod zu tun? Der Schlüssel zum<br />

Geheimnis liegt in seinen magischen<br />

Filmen, die nach und nach zu einer<br />

Wirklichkeit werden, aus der es kein<br />

Entkommen gibt. «Die alltägliche<br />

Physik des Unglücks» machte Marisha<br />

Pessl 2006 weltberühmt – jetzt kehrt<br />

die New Yorkerin mit einem donnernden<br />

Paukenschlag zurück.<br />

Milena Moser<br />

Das wahre<br />

Leben<br />

Zwei Frauen in der Mitte ihres<br />

Lebens, beide in der Krise: Nevada<br />

ist krank und lernt gerade damit<br />

umzugehen. Immer noch unterrichtet<br />

sie Yoga, und das so erfolgreich, dass<br />

ihr eine Klasse mit schwierigen, absturzgefährdeten<br />

Mädchen anvertraut<br />

wird. Erika dagegen beschliesst, angesichts<br />

ihres Versagens als Mutter und<br />

Ehefrau das zu tun, was ihr niemand<br />

zutraut: Sie verlässt ihr luxuriöses Zuhause<br />

am Zürichberg und zieht in eine<br />

heruntergekommene Vorstadtsiedlung.<br />

Dort lernt sie Nevada kennen,<br />

die sich unverhofft verliebt.<br />

Mit Witz, Verve und voller Zuneigung<br />

lockt Moser ihre Figuren durch<br />

existentielle Höhen und Tiefen. Eine<br />

intensive Liebesgeschichte rund um<br />

Schmerz, Krankheit und Trennung.<br />

Ka Hancock<br />

Tanz auf Glas<br />

Vielleicht hätten Lucy Houston und<br />

Mickey Chandler sich nie verlieben<br />

dürfen. Und erst recht nicht heiraten<br />

sollen. Denn beide haben ein<br />

schweres Schicksal zu tragen. Doch<br />

die Liebe geht ihre eigenen Wege,<br />

und so führen Lucy und Mickey<br />

eine ungewöhnliche, aber glückliche<br />

Ehe. Als ihr Leben eine dramatische<br />

Wendung nimmt, wird die Kraft ihrer<br />

Gefühle jedoch einer harten Prüfung<br />

unterzogen.<br />

Nicholas Sparks<br />

Mein Weg zu dir<br />

Mit 17 verlieben sich Dawson und<br />

Amanda ineinander. Sie werden ein<br />

Paar – obwohl ihre Familien nicht<br />

unterschiedlicher sein könnten und<br />

die Beziehung nach Kräften bekämpfen.<br />

Ein Jahr lang hält die Liebe, dann<br />

trennen widrige Umstände und ein<br />

Schicksalsschlag die beiden. Erst als<br />

25 Jahre später ein gemeinsamer<br />

Freund stirbt, sehen sich Dawson und<br />

Amanda wieder. Erneut sind sie von<br />

den Gefühlen füreinander überwältigt,<br />

aber mit beiden hat es das Leben<br />

nicht nur gut gemeint. Sie haben wichtige<br />

Entscheidungen getroffen, die sie<br />

nachträglich bereuen. Kann ihre Liebe,<br />

die schon einmal ihr Leben verändert<br />

hat, die Vergangenheit überwinden<br />

und die Zukunft von Dawson und<br />

Amanda prägen?<br />

Nur noch schnell<br />

ein Buch kaufen<br />

Wir möchten von Orell-Füssli-Kundinnen und -Kunden wissen: Welches ist<br />

Ihr liebstes Buch? Heute antwortet Fabienne Dirbach aus Zürich.<br />

Erik Brühlmann<br />

Ferienzeit – Lesezeit! Das gilt auch für die<br />

15-jährige Fabienne Dirbach, die sich zusammen<br />

mit ihrer Mutter in der Orell Füssli<br />

Filiale am Flughafen Zürich mit Ferienlektüre<br />

eindeckt. «In letzter Zeit bin ich<br />

ziemlich oft hier, da wir öfter mal fliegen»,<br />

sagt sie. Diesmal geht es erst nach London,<br />

dann nach Schweden und Finnland. «Und<br />

bald reisen wir sogar nach Japan!», freut<br />

sich die Schülerin.<br />

Fabienne Dirbach liest viel, zum Teil natürlich<br />

gezwungenermassen die Pflichtlektüre<br />

in der Schule. «In meiner Freizeit mag ich<br />

lieber Krimis und Fantasy-Geschichten<br />

wie die ‹Panem›-Saga.» Allzu viele Bücher<br />

stehen trotzdem nicht bei ihr zu Hause –<br />

vielleicht, weil sie E-Books vorzieht? «Nein,<br />

denn vom Lesen von E-Books bekomme<br />

ich Kopfschmerzen», erzählt sie. Vielmehr<br />

sei es so, dass sie Bücher häufig aus der<br />

Bibliothek hole oder dass sie mit ihren Kameradinnen<br />

und Kameraden Bücher austausche.<br />

«Mal hat jemand dieses Buch, ein<br />

anderer jene Trilogie – so hat man immer<br />

Lesestoff.» Apropos Trilogie: Fantasy-Autoren<br />

haben ja einen Hang, ihre Serien ins<br />

Unendliche fortzusetzen ... «Und meist folge<br />

ich den Serien auch bis zum Schluss»,<br />

sagt Fabienne. An eine Serie könne sie sich<br />

allerdings erinnern, bei der sie vorzeitig<br />

aufgab. «Da habe ich nach dem fünften<br />

Band aufgehört, weil es irgendwie immer<br />

dasselbe war.»<br />

Für unsere Rubrik empfiehlt Fabienne Dirbach<br />

den Krimi «Flavia de Luce – Mord im<br />

Gurkenbeet» von Alan Bradley. «Ich habe<br />

das Buch vor ein oder zwei Jahren gelesen,<br />

und die Geschichte ist mir einfach geblieben<br />

– nicht nur, weil meine Cousine auch<br />

Flavia heisst!» In der Geschichte, die mit<br />

dem renommierten «Dagger Award» ausgezeichnet<br />

wurde, geht es um ein Mädchen,<br />

das eines Morgens im Gurkenbeet<br />

eine Leiche findet. Verdächtigt wird Flavias<br />

Vater, der sich am Vortag mit dem Verstorbenen<br />

gestritten hat. Flavia macht sich auf<br />

die Suche nach dem wahren Mörder. «Gefallen<br />

hat mir, wie Flavia mit der Wissenschaft,<br />

vor allem mit Chemie, arbeitet, um<br />

den Fall zu lösen», sagt Fabienne. «Und<br />

dass Flavia eine Giftmischerin ist, die ihren<br />

Schwestern ständig Streiche spielt. Einmal<br />

stellt sie Enthaarungscrème her und<br />

tauscht sie gegen das Shampoo ihrer<br />

Schwester aus ...» Ein Roman, der Krimifans<br />

wohl ebenso begeistern wird wie Leserinnen<br />

und Leser, die mit ihren Geschwistern<br />

noch ein Hühnchen zu rupfen<br />

haben!<br />

Flavia de Luce – Mord im<br />

Gurkenbeet<br />

Alan Bradley<br />

382 Seiten<br />

CHF 14.90<br />

Blanvalet<br />

800 Seiten<br />

CHF 36.90<br />

S. Fischer<br />

ISBN 978-3-10-060804-8<br />

320 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Nagel & Kimche<br />

ISBN 978-3-312-00576-5<br />

528 Seiten<br />

CHF 32.90<br />

Knaur<br />

ISBN 978-3-426-65322-7<br />

400 Seiten<br />

CHF 15.90<br />

Heyne<br />

ISBN 978-3-453-40864-7<br />

URSUS & NADESCHKIN<br />

«SECHSMINUTEN»<br />

DI 17. – FR 20. SEP /<br />

DI 26. – SA 30. NOV<br />

20.00 Uhr, CHF 60.– / 40.– / 30.–<br />

JOACHIM RITTMEYER<br />

«ZWISCHENSAFT»<br />

DI 24. / DO 26. – SA 28. SEP<br />

20.00 Uhr, CHF 50.– / 40.– / 30.–<br />

Kartenbestellung und weitere Infos: www.casinotheater.ch oder Telefon 052 260 58 58<br />

HUTZENLAUB & STÄUBLI<br />

«Reif für den Oskar»<br />

MI 16. OKT Premiere /<br />

DO 17. – SA 19. OKT<br />

20.00 Uhr, CHF 55.– / 45.– / 35.–


46 | Kochbücher Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf Kochbücher | 47<br />

Guter Geschmack –<br />

und gutes Gewissen<br />

Beim Thema vegane Ernährung gingen die Meinungen bisher deutlich<br />

auseinander. Nun gibt es eine Trendwende. Auch Fleischesser<br />

zeigen sich interessiert: <strong>Es</strong> zählt, was schmeckt. Neue Kochbücher<br />

animieren dazu, vegane Gerichte auszuprobieren.<br />

Markus Ganz<br />

«Vergessen Sie alles, was Sie bisher über<br />

vegane Küche gehört haben», heisst es in<br />

der Einführung zu Jérôme Eckmeiers neuem<br />

Kochbuch «Vegan. Tut gut – schmeckt<br />

gut!». Bisher war die Meinung vorherrschend,<br />

der Verzicht auf Fleisch, Eier und<br />

Milchprodukte bedeute zwangsläufig auch<br />

ein Verzicht auf kulinarischen Genuss.<br />

Jérôme Eckmeier möchte mit seinem zweiten<br />

Kochbuch belegen, dass seine Rezepte<br />

in erster Linie von der Leidenschaft für<br />

gutes <strong>Es</strong>sen geprägt sind. Dass Mensch,<br />

Tier und Umwelt von der veganen Ernährung<br />

profitieren, ist eher ein zusätzlicher<br />

Nebeneffekt.<br />

Mit dieser Argumentation hat sich auch<br />

der Kreis der Menschen geöffnet, die sich<br />

zumindest hin und wieder vegan ernähren.<br />

Während Vegetarier heute recht verbreitet<br />

sind – sie essen auch Eier und trinken<br />

Milch –, bleiben reine Veganer, die oft<br />

auch aus weltanschaulichen Gründen<br />

gänzlich auf Tierisches verzichten, nach<br />

wie vor selten: In Deutschland wurde ihr<br />

Anteil 2008 auf 0,1 Prozent der Bevölkerung<br />

geschätzt. Doch mittlerweile probieren<br />

auch Fleischesser vegane Gerichte aus<br />

und bauen sie nach Lust und Laune in den<br />

Speiseplan ein. Hauptsache, es schmeckt;<br />

wenn es auch noch sinnvoll ist, umso besser.<br />

«In Berlin floriert der vegane Lifestyle»,<br />

schrieb «Der Tagesspiegel». Vegane<br />

Supermärkte verbreiten sich mittlerweile<br />

in ganz Deutschland, und auch im «Schnitzel-Land»<br />

Österreich hat der erste Laden<br />

seine Türen geöffnet. Und mit «Eva's Apples»<br />

gibt es seit diesem Frühling auch in<br />

Zürich einen Laden, der sich auf rein vegane<br />

Produkte beschränkt.<br />

Jérôme Eckmeier betont in «Vegan. Tut gut<br />

– schmeckt gut!», dass für seine Rezepte<br />

alle Zutaten im normalen Supermarkt oder<br />

im Bioladen erhältlich seien. Nicht immer<br />

vorhanden und bei veganen Gerichten besonders<br />

wichtig sind hingegen Fantasie<br />

und Erfahrung. Und über die verfügt Jérôme<br />

Eckmeier, kochte er doch einst in renommierten<br />

Restaurants für Gäste wie<br />

Prince Charles und Helmut Kohl. Trotzdem<br />

verspricht er, dass all seine Rezepte wie<br />

etwa vegane Pizzataschen oder «Pikanter<br />

Wirsing-Auflauf mit getrockneten Aprikosen»<br />

leicht nachzukochen und alltagstauglich<br />

seien. Dabei helfen auch Grundrezepte<br />

und Tipps, wie man beispielsweise am besten<br />

Milchprodukte ersetzt.<br />

Spass mit der Punk-Küche<br />

Auch Uschi Herzer und Joachim Hiller<br />

liegt viel daran, die vegane Küche von ihrem<br />

schlechten Ruf zu befreien. «Veganismus<br />

ist nur cool, wenn er ohne erhobenen<br />

Zeigefinger aus<strong>kommt</strong>», schreiben sie in<br />

«Kochen ohne Knochen – Das Ox-Kochbuch<br />

5». Entsprechend munter und witzig<br />

präsentieren sie ihre Rezepte, die «von<br />

Punks und nicht nur für Punks» seien. So<br />

führen sie zu den Gerichten jeweils passende<br />

Songs an, und nicht etwa nur von<br />

Punk-Musikern: Beim «Maulwurf-Tiramisu»<br />

darf es auch Eros Ramazzotti sein. Musiker<br />

und bekannte Figuren der Vegan-<br />

Szene haben Gastrezepte beigesteuert.<br />

Mille von der bekannten Thrash-Band Kreator<br />

verrät, wie er Tofuscheiben mit Wurzelgemüse<br />

zubereitet. Und Kriminalbiologe<br />

Mark Benecke zeigt, wie man einen<br />

schmackhaften «Reste-Auflauf» zubereitet.<br />

Trotz des unkonventionellen Ansatzes bieten<br />

die beiden Autoren ein seriöses und<br />

umfassendes Kochbuch. Sie präsentieren<br />

neben Grundlagen auch komplette Menüs<br />

und aufwändigere Gerichte – und zeigen,<br />

dass es gar nicht so schwer ist, ohne Eier,<br />

Käse und andere Tierprodukte auszukommen.<br />

Dazu gehört, wie man Fleischalterna-<br />

tiven aus Soja und Seitan einsetzt. Die Autoren<br />

stellen aber auch Rezepte vor, die<br />

ohne Anlehnung an Gerichte mit Fleisch<br />

und Milchprodukten auskommen. Zum<br />

Buch gehören auch «Das Einmaleins der<br />

veganen Ernährung» von Dr. Markus Keller<br />

sowie allgemeine Infos zum Veganismus.<br />

Aus aller Welt<br />

Justin P. Moore ist Veganer und Weltenbummler,<br />

der auf seinen Reisen in über 40<br />

Länder viele lokale Gerichte kennen- und<br />

liebengelernt hat. Manche waren bereits<br />

vegan, bei anderen wandelte er das Rezept<br />

entsprechend ab; oft liess er sich auch zu<br />

Eigenkreationen inspirieren. Über 100<br />

dieser Rezepte hat er zu seinem neuen<br />

Kochbuch «The Lotus and the Artichoke<br />

– Vegane Entdeckungen eines Weltreisenden»<br />

zusammengefasst. Darunter findet<br />

man auch vegane Varianten von Klassikern<br />

wie der vietnamesischen Pho-Suppe<br />

oder des russischen Bœuf Stroganoff. Ergänzt<br />

werden die Rezepte mit persönlichen<br />

Geschichten und Anekdoten.<br />

Auch Surdham Göb lässt sich von den <strong>Es</strong>serfahrungen<br />

in fremden Ländern inspirieren.<br />

Der deutsche Autor, der Bali seine<br />

zweite Heimat nennt, ist seit 16 Jahren<br />

Chefkoch in verschiedenen veganen Restaurants.<br />

Dank dieses Hintergrunds kann<br />

er in seinem Kochbuch «Meine veganen<br />

Superfoods» eine euro-asiatische Küche<br />

präsentieren, die neue Geschmackserlebnisse<br />

eröffnet. Dies ist auch auf die Verwendung<br />

sogenannter «Superfoods» zurückzuführen.<br />

Damit meint Göb Lebensmittel wie<br />

Rohkakao, Lucuma, Maca und Gojibeeren,<br />

die über einen besonders hohen und konzentrierten<br />

Anteil an wertvollen Nährstoffen<br />

verfügen. Die 70 Rezepte reichen von<br />

originellen Frühstücksideen und Snacks<br />

über spezielle Drinks und Suppen bis zu<br />

abwechslungsreichen Hauptspeisen.<br />

Gesund für Körper und Geist<br />

Der Bestseller-Autor Ruediger Dahlke hat<br />

mit seinen Büchern Brücken zwischen<br />

Schulmedizin und Naturheilkunde sowie<br />

zwischen Religion und spiritueller Philosophie<br />

geschlagen. In «Peace Food – Das vegane<br />

Kochbuch» überträgt der Arzt und<br />

Psychotherapeut seine Erkenntnisse auf<br />

die praktische Ernährung. Eine rein<br />

pflanzliche Ernährung bringe nicht nur<br />

dem Planeten und seinen tierischen wie<br />

menschlichen Bewohnern Frieden. Als Argumente<br />

führt er in seiner ausführlichen<br />

Einleitung an, dass Menschen «keinen natürlichen<br />

Impuls» hätten, Tiere zu essen,<br />

und dass Tierprotein zudem schädlich sei.<br />

Wer sich vegan ernähre, baue ein «regelrechtes<br />

Schutzschild gegen die gravierendsten<br />

Krankheitsbilder der Moderne»<br />

auf. Sein Fazit: Eine ausgewogene pflanzliche<br />

Kost sei der beste Garant für ein langes<br />

gesundes Leben. Deshalb hat Dahlke seine<br />

Lieblingsköche gebeten, für dieses Buch<br />

ihre besten veganen Rezepte preiszugeben:<br />

Unter den 90 vorgestellten Gerichten<br />

findet man auch bekannt klingende wie<br />

Veggie-Burger, Scrambled (V)eggs und<br />

Spaghetti Sojanese.<br />

Vegan. Tut gut – schmeckt<br />

gut!<br />

Jérôme Eckmeier<br />

192 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Dorling Kindersley<br />

Kochen ohne Knochen –<br />

Das Ox-Kochbuch 5<br />

Uschi Herzer und Joachim<br />

Hiller<br />

192 Seiten<br />

CHF 16.90<br />

Ventil<br />

The Lotus and the Artichoke<br />

– Vegane Entdeckungen<br />

eines Weltreisenden<br />

Justin P. Moore<br />

216 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Ventil<br />

Meine veganen Superfoods<br />

Surdham Göb<br />

122 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

AT<br />

Peace Food – Das vegane<br />

Kochbuch<br />

Dahlke, Ruediger<br />

192 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Gräfe & Unzer<br />

Szegediner Gulasch –<br />

rustikal und deluxe<br />

(Rezept aus dem nebenan vorgestellten Buch «Kochen ohne Knochen»)<br />

Für 2 Personen<br />

Zutaten:<br />

600 g Weinsauerkraut<br />

2 mittelgrosse Zwiebeln<br />

1 rote Spitzpeperoni<br />

400 g Seitan<br />

Olivenöl<br />

0,5 l dunkles Hefeweissbier<br />

Wacholderbeeren<br />

2 Lorbeerblätter<br />

Kreuzkümmel<br />

gemahlener Kreuzkümmel<br />

1-2 EL Gemüsebouillon<br />

schwarzer und roter Pfeffer<br />

scharfer und süsser Paprika<br />

1 kleine Dose geschälte Tomaten<br />

500 ml Tomatenpassata<br />

Sojasahne<br />

Sojasauce<br />

Zubereitung:<br />

Tag 1:<br />

1. Klein geschnittene Zwiebeln und<br />

Knoblauch mit Kreuzkümmel und<br />

Wacholderbeeren mit etwas Olivenöl<br />

in einem grossen Topf leicht<br />

andünsten. Die Spitzpeperoni in<br />

kleine Scheiben schneiden und<br />

dazugeben.<br />

2. Das Weinsauerkraut plus Lorbeerblätter<br />

dazu geben und weiter<br />

andünsten. Nach etwa 5 Minuten mit<br />

ca. 0,2 l Hefeweissbier aufschütten<br />

und den Rest nach und nach im Lauf<br />

des Kochvorgangs dazugeben. Mit<br />

Gemüsebouillon abschmecken (ca.<br />

1-2 EL).<br />

3. Nach ca. 10 Minuten die geschälten<br />

Tomaten und das Tomatenpassata<br />

dazumischen. Mit süssem und<br />

scharfem Paprika, schwarzem und<br />

rotem Pfeffer sowie Chili würzen.<br />

Das Ganze mit etwas gemahlenem<br />

Kreuzkümmel verfeinern.<br />

4. In der Zwischenzeit den gewürfelten<br />

und anschliessend in Sojasauce<br />

eingelegten Seitan in einer Pfanne<br />

kurz anbraten und danach das<br />

Gulasch beimengen. Bei fertig<br />

gekauftem Seitan entfällt das<br />

Einlegen in Sojasauce, diesen also<br />

nur würfeln und anbraten.<br />

5. Vorgekochte Kartoffel grob schneiden<br />

und in einer Pfanne mit etwas<br />

Olivenöl und Rosmarin anbraten.<br />

6. Das Gulasch in einem flachen Teller<br />

nebst den Kartoffeln anrichten.<br />

Tag 2:<br />

1. Den Rest Szegediner Gulasch vom<br />

Vortag mit ca. 120 ml Sojasahne<br />

verfeinern und im Topf langsam<br />

erhitzen.<br />

2. In der Zwischenzeit die Kamuthörnchen<br />

nach Kochanweisung in etwas<br />

Salzwasser kochen (ca. 10 Minuten).<br />

3. Kamuthörnchen in Olivenöl schwenken,<br />

in einen Pastateller geben und<br />

das Gulasch draufpacken.


48 | WETTBEWERB Books Nr. 3/2013<br />

Alle Bücher finden Sie auch auf VERANSTALTUNGEN | 49<br />

Das Literatur-Kreuzworträtsel<br />

Unter den richtigen Lösungen verlosen wir Gutscheinkarten von Orell Füssli:<br />

1. Preis: CHF 200.–, 2. Preis: CHF 100.–, 3. Preis: CHF 50.–, 4. bis 10. Preis: je CHF 20.–.<br />

September<br />

bis 30.<br />

16.<br />

18.<br />

Filiale Kramhof, Zürich<br />

20-Jahr-Jubiläum<br />

Diverse Veranstaltungen<br />

Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3, 20 h<br />

«Laure Wyss»<br />

Lesung und Gespräch mit der Biografin Barbara<br />

Kopp, veranstaltet von der Kellerbühne in<br />

Zusammenarbeit mit der Filiale Rösslitor<br />

Filiale Kramhof, Zürich 14-15 h<br />

«Das verwunschene Geschenk»<br />

Katja Alves und Boni Koller erzählen aus ihrem<br />

Kinderbuch; Kinderveranstaltung im Rahmen<br />

des 20-Jahr-Jubiläums des Kramhofs<br />

20. Filiale Rösslitor, St.Gallen 20 h<br />

«Der Fälscher, die Spionin und<br />

der Bombenbauer»<br />

Lesung mit Alex Capus<br />

Veranstaltungen von Orell Füssli<br />

Oktober<br />

2.<br />

4.<br />

5.<br />

5.<br />

Filiale Kramhof, Zürich 13-16 h<br />

Papa Moll und sein Zeichner<br />

kommen zu Besuch<br />

Filiale Kramhof, Zürich 20.15 h<br />

Spannung zum Geburtstag<br />

Zum 20-Jahr-Jubiläum veranstaltet der Kramhof<br />

einen grossen Krimiabend mit Bestseller-<br />

Autorin Ingrid Noll, Richterin Barbara Salesch<br />

und Forensikerin Lydia Benecke. Teilnahme<br />

kostenlos, nur mit Anmeldung:<br />

veranstaltungen.kramhof@books.ch<br />

Filiale Marktgasse, Winterthur Nachmittag<br />

Theo der Bär <strong>kommt</strong> zu Besuch<br />

Filiale Kramhof, Zürich 13-15 h<br />

Theo der Bär <strong>kommt</strong> zu Besuch<br />

10. Filiale Marktgasse, Winterthur 17-20 h<br />

Handanalysen mit Monika Hauser<br />

26. Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />

Märlischtund<br />

27.<br />

29.<br />

30.<br />

Tonhalle Zürich 11 h<br />

Zürich liest: «Musik mit Globi –<br />

Eine Reise in die Welt der Töne».<br />

Erstaufführung des Kinderkonzerts und Buchvernissage,<br />

veranstaltet vom Globi Verlag und<br />

von der Filiale Bellevue<br />

Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3 20 h<br />

«Das wahre Leben»<br />

Lesung mit Milena Moser, veranstaltet von der<br />

Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Filiale<br />

Rösslitor<br />

Filiale Frauenfeld 19 h<br />

Lesezirkel<br />

Anmeldung direkt im Laden oder unter<br />

info.frauenfeld@books.ch<br />

November<br />

✁<br />

Lösungswort:<br />

Bis zum 15. November 2013 in einer der Orell-Füssli-Filialen in Zürich, Basel, Bern,<br />

Winterthur, Frauenfeld, am Flughafen Zürich oder bei Rösslitor Bücher in St. Gallen<br />

abgeben – oder per E-Mail senden an: books@books.ch.<br />

Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.<br />

Vorname / Name<br />

Adresse<br />

PLZ / Ort<br />

E-Mail<br />

21.<br />

23.<br />

Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich 20 h<br />

L-Reihe: «Sprechen wir über<br />

Eulen – und Diabetes»<br />

Lesung mit David Sedaris, veranstaltet mit der<br />

Filiale Kramhof<br />

Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3 20 h<br />

«Gleis 4»<br />

Lesung mit Franz Hohler, veranstaltet von der<br />

Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Filiale<br />

Rösslitor<br />

24. Filiale am Bellevue, Zürich 20.30 h<br />

«Maria Rosenblatt»<br />

Buchvernissage mit Corinna T. Sievers.<br />

Moderation: Denis Scheck<br />

25.<br />

Filiale Kramhof, Zürich 13-14.30 / 15-16.30 Uhr<br />

Zeichnen mit Greg<br />

Kinderveranstaltung im Rahmen des<br />

20-Jahr-Jubiläums des Kramhofs<br />

26. Filiale The Bookshop, Zürich 13-16 h<br />

«Diary of a Wimpy Kid»<br />

Drawing Class<br />

28. Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />

Märlischtund<br />

30.<br />

Hotel Einstein, Berneggstrasse 2, St. Gallen 20 h<br />

Gabriel Palacios<br />

Buchpräsentation und Demonstration<br />

17.<br />

25.<br />

25.<br />

25.<br />

25.<br />

Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich 20 h<br />

L-Reihe: Lesung mit<br />

Daniel Kehlmann<br />

Veranstaltet mit der Filiale Kramhof<br />

Filiale Kramhof, Zürich 18-20 h<br />

Zürich liest:<br />

«Stressfrei glücklich sein»<br />

Buchpräsentation mit Alain Sutter<br />

Filiale Marktgasse, Winterthur 19 h<br />

Zürich liest: Lesung und<br />

Diskussion mit Milena Moser<br />

und Katharina Faber<br />

Filiale The Bookshop, Zürich 20.15-22 h<br />

Zürich liest: «The Whatnot»<br />

Reading with Stefan Bachmann<br />

Filiale Bellevue, Zürich 20.30 h<br />

Zürich liest: «In Küstennähe»<br />

Lesung mit Joachim B. Schmidt<br />

26. Filiale am Bellevue, Zürich 18.30 h<br />

Zürich liest: «Carola & Heinz»<br />

Lesung mit Bernd Schroeder, Peter Gaymann<br />

zeichnet live dazu<br />

26. Filiale The Bookshop, Zürich 18.30-22 h<br />

Zürich liest:<br />

Saturday Night Special<br />

Music, Drinks and Discount<br />

2.<br />

2.<br />

11.<br />

Filiale Marktgasse, Winterthur 13-16 h<br />

Globi <strong>kommt</strong> zu Besuch<br />

Filiale Kramhof, Zürich 13-15 h<br />

Theo der Bär <strong>kommt</strong> zu Besuch<br />

Filiale Rösslitor St.Gallen 20 h<br />

Literaturcafé mit der<br />

Frauenzentrale<br />

Buchhändlerinnen und Buchhändler stellen<br />

Bücher vor<br />

14. Filiale Marktgasse, Winterthur 17-20 h<br />

Handanalysen mit Monika Hauser<br />

23.<br />

Märlischtund<br />

Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />

23.<br />

Globi <strong>kommt</strong> zu Besuch<br />

25.<br />

Filiale Rosenberg, Winterthur 13-16 h<br />

Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich 20 h<br />

L-Reihe: «Ein gutes Herz»<br />

Lesung mit Leon de Winter, veranstaltet mit<br />

der Filiale Kramhof<br />

Dezember<br />

Mehr Veranstaltungen und Informationen finden Sie auf www.books.ch<br />

9.<br />

Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich 20 h<br />

L-Reihe: Lesung mit Hans Magnus<br />

Enzensberger<br />

Veranstaltet mit der Filiale Kramhof


50 | Kolumne Books Nr. 3/2013<br />

GESCHICHTEN<br />

SPINNEN<br />

Schweizer Autorinnen und<br />

Autoren erzählen in «Books»,<br />

warum sie schreiben.<br />

Heute: Corinna T. Sievers<br />

Ich habe einen Brotberuf. Ich bin Kieferorthopädin.<br />

Ärztin kann man nicht ein bisschen<br />

sein. Mein Handy ist sieben Tage die<br />

Woche empfangsbereit, rund um die Uhr.<br />

Hat jemand am Sonntagnachmittag ein<br />

Problem, eile ich in die Praxis.<br />

Ausserdem bin ich Schriftstellerin.<br />

Ich habe gelernt, nachts zu schreiben.<br />

Wenn die Kinder schlafen und alles still ist,<br />

setze ich mich an den Laptop. Der steht auf<br />

einem winzigen, runden Tischchen hoch<br />

oben auf dem Dachstock eines Bauernhauses<br />

von 1659 (die Zahl ist in den gewaltigen<br />

Balken geschnitzt, der sich über meinem<br />

Kopf befindet). Aus dem Fenster blicke ich<br />

über den schwarzen See. Neben mir steht<br />

ein Glas Wein. Ab vier Uhr morgens Kaffee.<br />

Der Stoff <strong>kommt</strong> zum Schriftsteller, nicht<br />

umgekehrt.<br />

Ich habe eine allenfalls vage Vorstellung<br />

von der Handlung meines Romans, skizziere<br />

ihn auf weniger als einer halben Seite<br />

und warte. Beethoven hat gesagt, der liebe<br />

Gott habe ihm seine Musik nächtens ins<br />

Ohr gebrüllt. Auch noch, als er längst taub<br />

war. Er, Beethoven, brauche sie morgens<br />

bloss noch zu notieren.<br />

So ähnlich geht es mir auch. Meine Figuren<br />

kommen um Mitternacht. Ich rufe sie nicht.<br />

Plötzlich sind sie da und erzählen mir ihre<br />

Geschichten. Bisweilen sind es traurige Geschichten<br />

oder gewaltsame. Fast immer<br />

unartige. Häufig sehen die Figuren aus wie<br />

Menschen, die ich allzu gut kenne. Der<br />

Mann, den ich liebe, ist dabei, Freunde,<br />

Kollegen. Meine Kinder.<br />

Die Figuren lassen nicht locker. Ich schreibe<br />

auf, was sie zu sagen haben. Dabei schone<br />

ich niemanden. Manchmal lache ich,<br />

manchmal weine ich. Gelegentlich schäme<br />

ich mich. Um mit Kafka zu sprechen: «Ein<br />

Buch muss die Axt sein für das gefrorene<br />

Meer in uns.» Literatur muss brutal ehrlich<br />

sein, sonst ist sie wertlos. Damit ist gemeint,<br />

dass der Schriftsteller sein Inneres<br />

nach aussen kehrt, sei es vordergründig<br />

oder zwischen den Zeilen.<br />

Jedoch – im Prozess des Schreibens entfernen<br />

sich die Romanfiguren von ihren leibhaftigen<br />

Vorbildern. Was diese gesagt oder<br />

getan haben, unterliegt einer immer stärkeren<br />

Verwandlung. Gegen die der Autor<br />

machtlos ist. Die schriftstellerische Fantasie<br />

drängt sich in die Realität.<br />

Die an Torschlusspanik leidende Ärztin<br />

Phoebe aus meinem ersten Roman «Samenklau»<br />

hat nur noch entfernt mit mir zu<br />

tun, das Kind Ute aus «Schön ist das Leben<br />

und Gottes Herrlichkeit in seiner Schöpfung»<br />

ist nicht mehr jenes behinderte Mädchen<br />

aus meinem Dorf, das sieben Mal tötete,<br />

um sich zu befreien. Gerade erschienen<br />

ist mein Krimi «Maria Rosenblatt», der<br />

auch eine Liebesgeschichte ist. Ich habe<br />

mir einige skurrile Eigenschaften meines<br />

Ehemanns geborgt (er hat zugestimmt), ich<br />

schöpfe aus dem Fundus einer zwanzigjährigen<br />

Beziehung, aber es ist nicht unsere<br />

Ehe, die ich dort beschreibe.<br />

Irgendwann tippe ich das letzte Wort. Dann<br />

beginnt die eigentliche Arbeit. Hat die erste<br />

Niederschrift ein Jahr in Anspruch genommen,<br />

dauert es mindestens ebenso lange,<br />

den Text zu überarbeiten. Ich gehe ihn unzählige<br />

Male durch. Ich verknüpfe die Worte<br />

zu einer Melodie.<br />

Zwei Jahre sind vergangen. 300 Liter Kaffee<br />

getrunken. Schon lange bin ich des Textes<br />

überdrüssig. Ich vernachlässige meine<br />

Kinder und den Mann, den ich liebe. <strong>Es</strong> ist<br />

an der Zeit, mich vom Text zu trennen. Der<br />

Roman geht an den Lektor (und kehrt danach<br />

noch viele Male zu mir zurück).<br />

<strong>Es</strong> war Inspiration und Knochenarbeit.<br />

Schriftsteller sind manisch. Sie müssen es<br />

sein. Aus ihrer Besessenheit entsteht im<br />

besten Fall Literatur. Solche erhoffe ich mir<br />

in den Nächten an meinem winzigen, runden<br />

Tischchen oberhalb des schwarzen Zürichsees.<br />

Den Schlaf hole ich nach, wann<br />

immer es geht.<br />

Corinna T. Sievers<br />

Corinna T. Sievers, 48, studierte Politik,<br />

Medizin und Zahnmedizin. Sie betreibt am<br />

Zürichsee eine Praxis als Kieferorthopädin.<br />

2010 erschien ihr Debütroman «Samenklau»,<br />

jetzt hat sie einen Krimi verfasst – er<br />

feiert am 24. September 2013 um 20.30<br />

Uhr in der Filiale am Bellevue Premiere.<br />

Maria Rosenblatt<br />

144 Seiten<br />

CHF 24.90<br />

Edition Nautilus<br />

Hauptpreis:<br />

2 Übernachtungen für<br />

2 Personen in der<br />

Literaturküche in<br />

Bad Zurzach<br />

voralpen-express.ch<br />

Der wettbewerb Kurzgeschichten-<br />

2013!


UNSERE BUCHHANDLUNGEN<br />

ZÜRICH<br />

KRAMHOF<br />

Füsslistrasse 4, 8001 Zürich<br />

MO – FR: 09.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 18.00<br />

AM BELLEVUE<br />

Theaterstrasse 8, 8001 Zürich<br />

MO – FR: 09.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 18.00<br />

THE BOOKSHOP<br />

Bahnhofstrasse 70, 8001 Zürich<br />

MO – FR: 09.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 18.00<br />

FLUGHAFEN<br />

Airport Center, 8060 Zürich-Flughafen<br />

MO – SO: 08.00 – 21.00<br />

ZÜRICH HAUPTBAHNHOF<br />

Shopville, Halle Landesmuseum, 8001 Zürich<br />

MO – FR: 07.00 – 21.00 | SA : 08.00 – 21.00<br />

SO: 09.00 – 20.00<br />

BAHNHOF STADELHOFEN<br />

Stadelhoferstrasse 8, 8001 Zürich<br />

MO – FR: 08.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 19.00<br />

SO: 10.00 – 18.00<br />

ORELL FÜSSLI IM FRANZ CARL WEBER<br />

Bahnhofstrasse 62, 8001 Zürich<br />

MO – MI: 09.00 – 18.30 | DO / FR: 09.00 – 20.00<br />

SA: 09.00 – 18.00<br />

WINTERTHUR<br />

MARKTGASSE<br />

Marktgasse 3, 8400 Winterthur<br />

MO – MI / FR: 09.00 – 18.30 | DO: 09.00 – 21.00<br />

SA: 09.00 – 17.00<br />

ROSENBERG<br />

Einkaufszentrum Rosenberg<br />

Schaffhauserstrasse 152<br />

8400 Winterthur<br />

MO – FR: 08.30 – 20.00 | SA: 08.00 – 18.00<br />

ST.GALLEN<br />

RÖSSLITOR BÜCHER<br />

Multergasse 1– 3, 9001 St.Gallen<br />

MO – MI / FR: 09.00 – 18.30 | DO: 09.00 – 21.00<br />

SA: 09.00 – 17.00<br />

BAHNHOF ST.GALLEN<br />

Poststrasse 28, 9000 St.Gallen<br />

MO – FR: 08.00 – 21.00 | SA / SO : 10.00 – 20.00<br />

FRAUENFELD<br />

PASSAGE<br />

Einkaufszentrum Passage<br />

Bahnhofstrasse 70 / 72, 8500 Frauenfeld<br />

MO – DO: 08.00 – 19.00 | FR: 08.00 – 20.00<br />

SA: 08.00 – 17.00<br />

BERN<br />

WESTSIDE<br />

Einkaufszentrum Westside<br />

Gilberte-de-Courgenay-Platz 4, 3027 Bern<br />

MO – DO: 09.00 – 20.00 | FR: 09.00 – 22.00<br />

SA: 08.00 – 17.00<br />

BASEL<br />

BAHNHOF SBB<br />

Passerelle, Güterstrasse 115, 4053 Basel<br />

MO – FR: 07.00 – 21.00 | SA : 08.00 – 21.00<br />

SO: 09.00 – 20.00<br />

KUNDENSERVICECENTER<br />

Telefon: 0848 849 848<br />

Fax: 044 455 56 20<br />

E-Mail: orders@books.ch<br />

Orell Füssli Buchhandlungs AG<br />

Kundenservicecenter<br />

Dietzingerstrasse 3, Postfach<br />

8036 Zürich<br />

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