Es kommt Dicker - Marius Leutenegger
Es kommt Dicker - Marius Leutenegger
Es kommt Dicker - Marius Leutenegger
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
34 | Kaffeepause Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf BUCHtipps | 35<br />
jetzt bin ich aber froh, dass ich es für die<br />
Debatte lesen musste.<br />
Kommen wir zum dritten Buch, über das<br />
wir heute reden: «Gleis 4» von Franz<br />
Hohler, dem Zürcher Schriftsteller, der<br />
gerade 70 Jahre alt wurde.<br />
BZ: Der Roman erzählt von Isabelle, die<br />
eine Italienreise antritt. In Oerlikon will<br />
sie in den Zug zum Flughafen steigen,<br />
der Koffer ist schwer, ein älterer Herr<br />
<strong>kommt</strong> und will ihr helfen. Als der Koffer<br />
an seinem Platz ist, bricht der Mann<br />
zusammen und stirbt. Die Polizei <strong>kommt</strong>,<br />
Isabelle verpasst den Flieger und hat auch<br />
gar keine Lust mehr auf eine Ferienreise.<br />
Wieder daheim angekommen, merkt sie,<br />
dass sie aus Versehen eine braune Mappe<br />
des Toten mitgenommen hat. In dieser<br />
Mappe steckt ein Mobiltelefon, das immer<br />
wieder klingelt. Dieser Anfang ist schon<br />
einmal sehr gut, finde ich.<br />
DW: Das Telefon klingelt immer wieder.<br />
Isabelle weiss, dass sie es eigentlich zur<br />
Polizei bringen sollte, aber ihre Neugier<br />
ist stärker: Irgendwann nimmt sie einen<br />
Anruf entgegen. Der Anrufer sagt nur,<br />
Marcel dürfe keinesfalls an der Beerdigung<br />
auftauchen. Isabelle wird noch neugieriger.<br />
Schliesslich geht sie selber auf<br />
den Friedhof, findet heraus, um welche<br />
Beerdigung es geht und wer der anonyme<br />
Anrufer war. Von da an entwickelt sich<br />
fast so etwas wie ein Krimi: Isabelle ermittelt<br />
auf eigene Faust, welches Geheimnis<br />
den verstorbenen Marcel umweht.<br />
BZ: Dabei wird sie auch von Marcels Frau<br />
begleitet, die aus Kanada angereist ist. <strong>Es</strong><br />
stellt sich heraus, dass Marcel einst Martin<br />
hiess – und dass er eine himmeltraurige<br />
Familienbiografie hat. Wie gesagt,<br />
den Anfang des Romans fand ich sehr gut,<br />
aber danach häuften sich die Zufälle und<br />
Unwahrscheinlichkeiten. Das hat mich gestört.<br />
Diese ganzen Funde immer wieder,<br />
plötzlich steckt eine Telefonnummer im<br />
Koffer oder taucht eine neue Person auf –<br />
das fand ich dann schon recht konstruiert.<br />
DW: Da hast du Recht. Aber ich fand das<br />
Buch trotzdem spannend. <strong>Es</strong> liest sich<br />
leicht, es geht schnell voran, viele Situationen<br />
werden schön beschrieben. Und<br />
Franz Hohler ist ja auch dafür bekannt,<br />
dass er groteske Elemente in seine Texte<br />
einbaut. Wie Isabelles Tochter Sarah<br />
gegen Schluss des Buchs wegen einer<br />
Voodoo-Puppe zu einem Medizinmann<br />
geht, fand ich zum Beispiel sehr witzig.<br />
BZ: Jaja, das Buch ist nicht schlecht, aber<br />
die vielen Zufälle störten mich eben. Ich<br />
kenne das Werk von Franz Hohler nicht<br />
gut, doch ich denke, seine Fans werden<br />
diese Neuerscheinung auf jeden Fall<br />
mögen.<br />
DW: Den Fans kann man es sicher<br />
empfehlen. Hohlers beliebter Roman «<strong>Es</strong><br />
klopft» ist recht ähnlich wie «Gleis 4». Mir<br />
hat dieses Buch aber so gut gefallen, dass<br />
ich jetzt sicher noch mehr von Hohler<br />
lesen werde.<br />
BZ: Für mich ist «Gleis 4» dennoch die<br />
Nummer drei unter den drei Büchern, die<br />
wir hier vorgestellt haben. Aber das ist<br />
am Ende natürlich Geschmacksache.<br />
DW: Man kann die Bücher nicht miteinander<br />
vergleichen. Die anderen beiden<br />
haben einen tiefgründigen Inhalt, «Gleis<br />
4» ist ein Unterhaltungsroman. Aber ich<br />
finde ihn eine perfekte Sommerlektüre –<br />
ich habe ihn am See gelesen, und ich<br />
kann allen nur empfehlen, das auch zu<br />
tun.<br />
Die Geschichte des Kaffees<br />
erzählt in deinem Caffè Latte.<br />
T. C. Boyle<br />
San Miguel<br />
Eine einsame Insel vor der Küste von<br />
Kalifornien: für die einen die Hölle,<br />
für die anderen das Paradies. Die<br />
schwindsüchtige Marantha verschlägt<br />
es 1888 nach San Miguel. Während<br />
sie sich – geplagt vom rauen Klima,<br />
von Monotonie und Einsamkeit – dem<br />
Leben entzieht, schafft es Adoptivtochter<br />
Edith, dem tyrannischen Vater<br />
und der verhassten Insel zu entfliehen.<br />
Jahrzehnte später zieht Elise Lester<br />
dorthin und findet mit ihrer Familie ihr<br />
Glück. Die Presse in den USA feiert<br />
die Lesters mitten in der Weltwirtschaftskrise<br />
als Sinnbild vom Mythos<br />
der Pioniere, doch die Idylle trügt.<br />
Boyle gelingt es meisterhaft, in dieser<br />
grossen Saga das Schicksal dreier<br />
starker Frauen lebendig werden zu<br />
lassen.<br />
Khaled Hosseini<br />
Traumsammler<br />
Abdullah ist zehn und liebt seine<br />
kleine dreijährige Schwester Pari über<br />
alles. Die beiden leben in den erhabenen<br />
kargen Weiten Afghanistans und<br />
fürchten nur eines: den Dämon aus<br />
den fernen Bergen, der in Sturmnächten<br />
auf die Dächer der Häuser klopft<br />
und sich eines der Kinder holt. Eines<br />
Tages bringt der Vater die Geschwister<br />
auf einem Fussmarsch quer<br />
durch die Wüste nach Kabul – in der<br />
grossen Stadt sucht er nach einem<br />
besseren Leben. Doch die beiden<br />
Kinder werden getrennt ...<br />
Ein grosser Roman, dessen emotionale<br />
Intensität und Erzählkunst neue<br />
Massstäbe setzen. Fesselnder, reicher,<br />
persönlicher als je zuvor – und noch<br />
bewegender als «Drachenläufer».<br />
Irena BreŽnÁ<br />
Die undankbare<br />
Fremde<br />
Auf der Suche nach einer besseren<br />
Welt verschlägt es eine Jugendliche<br />
1968 in die Schweiz, ins Land des<br />
harten Käses. Zuhause ist da, wo<br />
man motzen darf, hier aber soll sie<br />
dankbar sein. Die neue Umgebung<br />
scheint ihr sperrig, distanziert, sie<br />
rebelliert gegen das Gastland, das<br />
sie unter seine Regeln zwingt und sie<br />
nicht sie selbst sein lässt. Aber sie<br />
trifft auch auf viele andere Gestrandete,<br />
die hoffen, etwas aus ihrem Leben<br />
machen zu können: kleine Diebe,<br />
Depressive, Schlawiner, Kriegsflüchtlinge,<br />
Ausgebeutete, Überangepasste<br />
und Naive. Und sie lernt, Exil und<br />
Fremdheit als Reichtum zu erfahren,<br />
sie wird Brückenbauerin zwischen den<br />
Kulturen.<br />
Uwe Timm<br />
Vogelweide<br />
Ein Mann hat alles verloren, seine Geliebte,<br />
seinen Beruf, seine Wohnung,<br />
er ist hoch verschuldet. Nun lebt er<br />
für eine Weile ganz allein auf einer<br />
Insel in der Elbmündung und versieht<br />
dort den Dienst als Vogelwart. Ein<br />
geradezu eremitisches Dasein, das<br />
durch einen Anruf durcheinandergewirbelt<br />
wird. Anna kündigt ihren<br />
Besuch an – jene Anna, die vor sechs<br />
Jahren vor ihm geflohen ist und zuvor<br />
sein Leben komplett aus den Angeln<br />
gehoben hatte. Während <strong>Es</strong>chenbach<br />
sich auf das Wiedersehen mit ihr<br />
vorbereitet und seinen Alltagsritualen<br />
folgt, besuchen ihn die Geister der<br />
Vergangenheit ... Uwe Timm lässt ein<br />
konturscharfes Bild unserer Gegenwart<br />
entstehen, in der die Partnerwahl<br />
einerseits von Optimierungsstrategien,<br />
andererseits von entfesselter<br />
Irrationalität geleitet wird und immer<br />
auf dem Prüfstand steht.<br />
Besuche auch unsere Coffeehouses<br />
in den Orell Füssli Buchhandlungen<br />
im Westside in Bern sowie im Kramhof<br />
und am Bellevue in Zürich.<br />
448 Seiten<br />
CHF 35.90<br />
Hanser<br />
ISBN 978-3-446-24323-1<br />
448 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
S. Fischer<br />
ISBN 978-3-10-032910-3<br />
144 Seiten<br />
CHF 14.90<br />
Kiepenheuer & Witsch<br />
ISBN 978-3-462-04591-8<br />
336 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Kiepenheuer & Witsch<br />
ISBN 978-3-462-04571-0