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Es kommt Dicker - Marius Leutenegger

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40 | im schaufenster Books Nr. 3/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf im sCHaufenster | 41<br />

Ein reicher Schatz<br />

an Leben<br />

Mit «Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer» liefert Alex<br />

Capus einen weiteren Beleg seiner stupenden Erzählkunst.<br />

<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />

Marco Grob<br />

ausgeprägtem Gespür für aussagekräftige<br />

Details. Und ähnlich wie bei «Leon und<br />

Louise» schöpft Capus auch beim neuen<br />

Roman aus tatsächlichen Geschehnissen –<br />

die drei Personen, die im Titel genannt<br />

werden, haben alle gelebt. Der Fälscher ist<br />

Emile Gilliéron, der 1851 in Villeneuve am<br />

Genfersee zur Welt kam, mit dem Archäologen<br />

Heinrich Schliemann nach Griechenland<br />

ging und sich dort als «Restaurator»<br />

betätigte – Gilliéron gestaltete die Fantasien<br />

seiner Auftraggeber, schuf Fresken oder<br />

entwarf anhand einzelner Fundstücke<br />

grandiose Altertümer, die es so wohl nie<br />

gab. «Steht man vor dem Palast von Knossos,<br />

an dem Gilliéron arbeitete, fühlt man<br />

sich irgendwie an Art déco erinnert», erzählt<br />

Capus. «Kein Wunder: Das ist Art<br />

déco! Gilliéron und später auch sein Sohn<br />

prägten mit ihrem Stil unsere Vorstellung<br />

vom alten Griechenland, sie erfanden eine<br />

ganze Hochkultur – und das ist eine Leistung,<br />

die Respekt verdient.»<br />

Recherchiert in den USA<br />

Bei der Spionin im Buch handelt es sich um<br />

Laura d’Oriano, Tochter von Musikanten,<br />

die im osmanischen Reich herumtingelten<br />

dessen Heimatdorf Bottighofen zog. Weil<br />

ihr der Thurgau zu eng war, flüchtete Laura<br />

nach kurzer Zeit wieder zurück ans Mittelmeer,<br />

wo sie durch Zufall Spionin für die<br />

Alliierten wurde. Doch lange dauerte ihr<br />

Leben als Mata Hari nicht – 1943 kam ihr<br />

die zweifelhafte Ehre zu, als einzige Frau<br />

im Königreich Italien hingerichtet zu werden.<br />

«Ich las alle Verhörprotokolle», erzählt<br />

Capus, «eine sehr reiche Quelle! Leider<br />

schickte mir das Archiv in Rom Scans<br />

aller Protokolle auf einer CD, so dass sich<br />

meine geplante Italienreise erübrigte.»<br />

Trotzdem konnte Capus für sein neues<br />

Buch ins Ausland reisen: In den USA recherchierte<br />

er über seine dritte Figur, den<br />

Bombenbauer. Dabei handelt es sich um<br />

den Zürcher Felix Bloch, der 1951 den Nobelpreis<br />

für Physik gewann. Die Gräuel des<br />

Ersten Weltkriegs stiessen Bloch als jungen<br />

Mann derart ab, dass er eine Tätigkeit<br />

suchte, die sich mit Sicherheit nie für den<br />

Krieg verwenden liesse. Er glaube, sie bei<br />

der jungen Quantenphysik gefunden zu haben<br />

– am Ende landete er aber dennoch<br />

beim Manhattan-Projekt, das die erste<br />

Atombombe hervorbrachte. «Bloch steckte<br />

in einem ethischen Dilemma», sagt Alex<br />

Capus: «Sollte er helfen, die schlimmste<br />

Waffe zu bauen, um damit den Holocaust<br />

zu stoppen? Immerhin gehörte er dann<br />

aber zu den wenigen Leuten, die aus dem<br />

Manhattan-Projekt ausstiegen.»<br />

Begegnung wäre denkbar gewesen<br />

Der neue Roman handelt also von drei Leben<br />

und hat drei Handlungsfäden. Was haben<br />

die drei Figuren miteinander zu tun?<br />

Zur Antwort erzählt Alex Capus aus seiner<br />

Kindheit in Olten. «Ich sass oft am Bahnhof<br />

und beobachtete die Leute; es gefällt mir<br />

immer noch, einfach dort zu sitzen und<br />

diesen reichen Schatz an Leben an mir<br />

vorbeiziehen zu lassen. <strong>Es</strong> hat mich immer<br />

beeindruckt, wie viele Menschen meinen<br />

Lebensweg kreuzen, ohne dass wir voneinander<br />

Notiz nehmen – und als Kind stellte<br />

ich mir manchmal vor, wie es wäre, einfach<br />

einmal mit Leuten mitzugehen und sie<br />

durchs Leben zu begleiten.» Mit dem neuen<br />

Buch richtet er jetzt den Fokus auf drei<br />

Leute, deren Wege sich vielleicht auch einmal<br />

kreuzten – 1924 am Bahnhof in Zürich.<br />

«Eine Begegnung wäre zumindest<br />

möglich gewesen», sagt der Autor. «Ich<br />

halte allerdings schon ganz am Anfang des<br />

Buchs fest, dass die drei Handlungsstränge<br />

nicht zusammenkommen werden.» Dennoch<br />

bleiben die drei Hauptfiguren miteinander<br />

verbunden: «Am Ende dreht sich<br />

alles um die Frage, ob man seine Lebensträume<br />

und Ideale verwirklichen<br />

kann oder nicht. Der eine ist Künstler und<br />

will es nicht sein. Die andere will Künstlerin<br />

sein und ist es nicht. Der Dritte will einer<br />

Sache ausweichen und gerät dann<br />

doch in sie hinein. Ich selber bin jetzt 52<br />

Jahre alt, und in diesem Alter stellt man<br />

sich natürlich gewisse Fragen: Hat man<br />

wirklich die Begabung, das zu tun, was<br />

man gern macht? Tut man das Richtige?»<br />

Als Leser glaubt man im Fall von Alex Capus<br />

die Antwort zu kennen: Als Schriftsteller<br />

ist er am richtigen Platz.<br />

Der Fälscher, die Spionin<br />

und der Bombenbauer<br />

272 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Hanser<br />

Das letzte Buch von Alex Capus, der Roman<br />

«Leon und Louise», war ein Knüller: Die<br />

Kritik überschlug sich fast vor Euphorie,<br />

und die Verkaufszahlen schossen sozusagen<br />

durch die Decke des Buchhandels. Die<br />

zarte, zwei ganze Menschenleben dauernde<br />

Liebesgeschichte von Leon und Louise,<br />

die vor dem Hintergrund eines schrecklichen<br />

europäischen Jahrhunderts spielt,<br />

sprach offenbar ein sehr breites Publikum<br />

an. «Nach einem solchen Buch ein neues<br />

Projekt an die Hand zu nehmen, ist nicht<br />

leicht», gibt Alex Capus unumwunden zu.<br />

Kein Schriftsteller möchte schliesslich zu<br />

hören bekommen, sein letztes Buch habe<br />

besser gefallen – daher ist auch die Versuchung<br />

gross, ein Erfolgskonzept wieder<br />

und wieder zu kopieren. Alex Capus ist dieser<br />

Versuchung zum Glück nicht erlegen:<br />

Sein neuestes Buch «Der Fälscher, die Spionin<br />

und der Bombenbauer» – nach seiner<br />

Aussage sein ungefähr fünfzehntes – ist in<br />

vielerlei Hinsicht ganz anders als «Leon<br />

und Louise».<br />

Beschreibungen, die haften bleiben<br />

Parallelen gibt es natürlich schon: Auch<br />

mit dem neuen Buch zeigt Alex Capus,<br />

welch hervorragender Schriftsteller er ist.<br />

Müsste man diesen Text kürzen, würde<br />

man wohl scheitern – jedes Wort sitzt, die<br />

Sprache scheint so ideal gemeisselt wie<br />

eine Statue von Praxiteles. Nie spürt man<br />

schriftstellerische Koketterie, alles fliesst<br />

ganz wunderbar. Und immer wieder stösst<br />

man auf kurze Beschreibungen, die haften<br />

bleiben; Capus erweist sich in diesen Passagen<br />

als aufmerksamer Beobachter mit<br />

Alex Capus<br />

ml. Alex Capus kam 1961 in der Normandie<br />

als Sohn eines Franzosen und<br />

einer Schweizerin zur Welt. Die ersten<br />

fünf Lebensjahre verbrachte er bei seinem<br />

Grossvater in Paris. Dann zog er mit seiner<br />

Mutter nach Olten. Er studierte Geschichte,<br />

Philosophie und Ethnologie in Basel<br />

und arbeitete als Journalist und Redakteur<br />

bei verschiedenen Tageszeitungen sowie<br />

bei der Schweizer Depeschenagentur.<br />

Sein erster Erzählband erschien 1994:<br />

«Diese verfluchte Schwerkraft». Seither<br />

hat er rund ein Dutzend weiterer Bücher<br />

publiziert, die in viele Sprachen übersetzt<br />

wurden und zahlreiche Preise gewannen.<br />

Oft verbindet Capus in seinen Werken<br />

sorgfältig recherchierte Fakten mit fiktiven<br />

Erzählebenen; einige seiner Publikationen<br />

sind Sammlungen literarischer Porträts<br />

und historischer Miniaturen. Einen Namen<br />

gemacht hat sich Capus auch als Übersetzer<br />

der Romane von John Fante und John<br />

Kennedy Toole.<br />

Alex Capus lebt noch immer in Olten.<br />

Dort besitzt er mit dem «Flügelrad» auch<br />

eine eigene Beiz – gemeinsam mit seinem<br />

Schriftstellerfreund Pedro Lenz («Der<br />

Goalie bin ig»). Capus ist verheiratet und<br />

Vater von fünf Kindern.<br />

und schliesslich in Südfrankreich sesshaft<br />

wurden. Laura wollte Sängerin werden,<br />

war aber nicht gut genug. Vom Studium in<br />

Paris nach Südfrankreich zurückgekehrt,<br />

lernte sie einen Schweizer kennen, mit<br />

dem sie während der Wirtschaftskrise in<br />

512 Seiten, Leinen, sFr 32.90*<br />

Ein junges marokkanisches Fußballteam<br />

hält Amsterdam in Atem. Ein dubioser<br />

jüdischer Geschäftsmann entdeckt plötzlich<br />

sein gutes Herz. Väter und Söhne<br />

finden schicksalhaft zueinander, eine alte<br />

Liebesgeschichte flackert wieder auf…<br />

Der neue atemberaubende Thriller von<br />

Leon de Winter!<br />

Neue Bücher bei Diogenes<br />

352 Seiten, Leinen, sFr 32.90* 336 Seiten, Leinen, sFr 32.90*<br />

»Kein Schriftsteller, der bei Trost ist,<br />

schreibt eine Autobiographie«, lautet der<br />

erste Satz. Urs Widmer hat die eigene<br />

Warnung in den Wind geschlagen und<br />

ein großartiges Erinnerungsbuch verfasst.<br />

Eine persönliche Geschichte aus<br />

den für die Weltgeschichte so entscheidenden<br />

Jahren 1938 – 1968.<br />

Eine Prinzessin von Sansibar, die mit<br />

einem Hamburger Kaufmann durchbrennt.<br />

Mit dieser verbotenen Liebe<br />

beginnt die spannende Saga einer westöstlichen<br />

Familie zwischen Europa und<br />

der arabischen Welt. Ein historischer<br />

Roman nach der wahren Geschichte von<br />

Emily Ruete.<br />

*unverbindliche Preisempfehlung

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