Bausteine des Lebens
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52 Innovate! 2/07 Biotechnologie<br />
Dr. Bernhard Korn, verantwortlich für die Genom- und Proteomforschung<br />
am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.<br />
Zudem kodiert die Säugetier-DNA nur zum geringen Prozentsatz<br />
konkrete Erbinformationen. Zwischen den 20 000 bis 30 000 Genen<br />
liegen informationsleere Abschnitte mit sich wiederholenden<br />
Basenfolgen, die die Identifi zierung der Gene sehr erschweren.<br />
Mittlerweile entwickelten sich die Technologien, mit denen DNA-<br />
Sequenzen analysiert werden können, erheblich weiter. „Wir forschen<br />
inzwischen mit einem System der zweiten Generation, das Sequenzen<br />
von 200 bis 300 Basenpaaren Länge erfassen kann und dabei mit<br />
einer über 99,5-prozentigen Genauigkeit arbeitet“, erklärt Korn.<br />
Mithilfe dieser Sequenzierungstechnologie fanden Mitchell L.<br />
Sogin und seine Arbeitsgruppe vom Josephine Bay Paul Center in<br />
Woods Hole, Massachusetts, in einem Liter Seewasser mehr als<br />
20 000 Arten Bakterien. Zwar haben Meeresbiologen in den letzten<br />
20 Jahren viele neue Mikroorganismen entdeckt und beschrieben,<br />
und inzwischen sind mehr als eine halbe Million Arten bekannt.<br />
Nach den neusten Ergebnissen von Sogin kann man aber<br />
davon ausgehen, dass die Artenvielfalt allein unter den Mikroben<br />
die Fünf- bis Zehnmillionengrenze überschreitet.<br />
RÄTSELHAFTE „RARE BIOSPHERE“ DER OZEANE<br />
Für die Analyse der marinen Arten wurden aus jeder Wasserprobe<br />
etwa 25 000 kurze DNA-Fragmente hergestellt. Die Meeresforscher<br />
konnten so auch sehr selten vorkommende Organismen<br />
fi nden, die in Studien mit weniger empfi ndlichen<br />
Nachweismethoden von häufi gen Arten überdeckt wurden. Bislang<br />
ist die „Rare Biosphere“ der Ozeane nicht erforscht, weder<br />
gibt es eine genaue Vorstellung<br />
über ihre Artenvielfalt, noch<br />
ist bekannt, ob ihre Vertreter<br />
exklusiv an einen einzigen <strong>Lebens</strong>raum<br />
angepasst sind oder<br />
ob sie als eine Art Generalisten<br />
weltweit vorkommen. Sie<br />
könnte ein unerschöpfl iches<br />
Reservoir für genetische Innovation<br />
sein, so Mitchell L. Sogins<br />
Theorie. Mit diesem Modell<br />
ließe sich erklären, warum<br />
sich mikrobielle <strong>Lebens</strong>gemeinschaften<br />
nach Umweltkatastrophen<br />
so schnell erholen<br />
und warum je<strong>des</strong> neu analysierte<br />
Mikroben-Genom sogar<br />
beim Vergleich mit nah verwandten<br />
Arten so große genetische<br />
Unterschiede zeigt.<br />
Glossar<br />
„Die Bedeutung von DNA-<br />
Analysen in der Life Science<br />
Forschung nimmt deutlich zu,“<br />
erklärt Dr. Bernhard Korn.<br />
BASEN <strong>Bausteine</strong> der DNA: Adenin (A), Thymin (T), Guanin (G), Cytosin<br />
(C). Die Basen bilden im Erbgutstrang stabile Paare aus, A paart sich immer<br />
mit T und G immer mit C.<br />
DNA Desoxyribonucleic acid (Desoxyribonukleinsäure): die chemische<br />
Substanz, aus der das Erbgut besteht.<br />
ELEKTROPHORESE Analysemethode durch Trennung geladener Teilchen<br />
in einem elektrischen Feld.<br />
GENE Funktionsabschnitte <strong>des</strong> Erbguts, die als Bauanleitung vor allem<br />
für Proteine dienen.<br />
GENOM Die Gesamtheit aller Gene eines Organismus.<br />
NUKLEINSÄUREN Überbegriff für DNA und RNA. Kettenförmige Moleküle,<br />
deren einzelne <strong>Bausteine</strong> die Nukleotide sind.<br />
NUKLEOTIDE Die <strong>Bausteine</strong> der DNA und der RNA. Sie bestehen aus<br />
den vier Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin – in der RNA wird<br />
anstelle von Thymin das Uracil eingebaut – einem Zucker- und min<strong>des</strong>tens<br />
einem Phosphatrest.<br />
PCR Polymerase Chain Reaction (Polymerasekettenreaktion). Methode<br />
zum schnellen Vervielfältigen auch extrem kleiner DNA- und RNA-Mengen.<br />
RNA Ribonucleic acid (Ribonukleinsäure). Die chemische Verbindung,<br />
aus der beispielsweise die Arbeitskopien der Gene bestehen.<br />
Neue und verbesserte Sequenzierungstechniken könnten Hinweise<br />
auf Genmutationen geben, die ihre Träger für Krebs- oder<br />
Herzerkrankungen empfänglich machen. Über die Sequenzierung<br />
von Bakterien- und Virusgenomen lassen sich Aussagen zum Verlauf<br />
einer Infektion und zum Therapieansprechen gewinnen.<br />
Zurzeit wird auch an historischem Material gearbeitet: Wissenschaftler<br />
um Dr. Hendrik Poinar an der McMaster-Universität<br />
in Ontario, Kanada, untersuchen die DNA von Opfern der mittelalterlichen<br />
Pest-Epidemien in Europa. Davon erhofft man sich<br />
Hinweise auf Epidemien wie HIV oder die Vogelgrippe. Vielversprechend<br />
erscheint die Technologie bei der Suche nach Angriffspunkten<br />
für Tumortherapien, die gezielt in Regulationsvorgänge<br />
bösartig entarteter Zellen eingreifen.<br />
Professor Dr. Christian Strassburg von der Medizinischen Hochschule<br />
Hannover konnte mit seiner Arbeitsgruppe nachweisen, dass<br />
Träger der Gilbert-Meulengrachtschen Erkrankung Komplikationen<br />
entwickeln, wenn sie Medikamente einnehmen, die über die Glukuronidierung<br />
verstoffwechselt werden. Dadurch wird eine Arznei chemisch<br />
so verändert, dass sie wasserlöslich wird und über die Niere<br />
oder die Galle ausgeschieden werden kann. Von dem eigentlich unkomplizierten<br />
Gilbert-Meulengracht-Syndrom sind etwa neun Prozent<br />
der Bevölkerung betroffen. Normalerweise muss es nicht behandelt<br />
werden. „Zu Problemen kommt es, wenn der Betroffene auf ein<br />
Medikament angewiesen ist, das über diesen Stoffwechselweg ausgeschieden<br />
wird“, erklärt Strassburg. Die Varianten im Erbgut, die für<br />
die Störungen der Glukuronidierung verantwortlich sind, können<br />
durch einen Gentest nachgewiesen werden. „Wir konnten in unseren<br />
Untersuchungen zeigen, dass jeder zehnte Deutsche einen veränderten<br />
Stoffwechsel aufweist, der<br />
Ursache für Nebenwirkungen<br />
von Arzneimitteln sein kann“,<br />
betont der Gastroenterologe.<br />
Manchmal lässt sich mit<br />
der Gensequenzierung das Geschichtsbild<br />
korrigieren. Bislang<br />
dachte man, dass Iren von<br />
den Kelten und Engländer von<br />
den Angelsachsen abstammen.<br />
Da sich eine erhebliche Übereinstimmung<br />
der Gene in diesen<br />
Bevölkerungsgruppen nachweisen<br />
ließ, nimmt man nun<br />
an, dass beide gleiche Vorfahren<br />
haben. Nah stehen sich<br />
auch Mensch und Rhesusaffe:<br />
Wie sich jetzt zeigte, sind 97,5<br />
Prozent seiner Gene mit denen<br />
<strong>des</strong> Menschen identisch. !<br />
Fotos: Roche / Uwe Dettmar