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Vorstand und Verwaltungsrat<br />

<strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />

Dr. Andreas Gauger<br />

Harald Knauss<br />

Dipl.-Biol. Günter Ickert<br />

Dr.Werner Lauterbach<br />

Dr.Michael Liebscher<br />

Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />

Dr. Rolf A.Meyer<br />

<strong>INHALT</strong><br />

Editorial<br />

Das Ringen um ganzheitliche Erkenntnis<br />

am Beispiel von Paracelsus und Jacob Böhme<br />

Die 7 Künste <strong>de</strong>s Paracelsus –<br />

I<strong>de</strong>en einer mo<strong>de</strong>rnen, ganzheitlichen<br />

Schulung <strong>de</strong>s Menschen<br />

Zur <strong>Ges</strong>chichte <strong>de</strong>r<br />

Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />

Rezension – Information<br />

(Andrew Weeks: Paracelsus – Böhme)<br />

Empfehlung<br />

(V.Weigel – Dr. Pfefferl)<br />

Angebot an Dresdner Gymnasien<br />

Maria Suutala<br />

(Zur <strong>Ges</strong>chichte <strong>de</strong>r Naturzerstörung – Frau und<br />

Tier in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Revolution)<br />

2<br />

4<br />

15<br />

33<br />

39<br />

40<br />

42<br />

44<br />

1


In <strong>de</strong>n ›Betrachtungen zum Menschen als theologisches Wesen‹ (1) zitiert Kurt Goldammer<br />

Paracelsus wie folgt: »Der Mensch legt <strong>de</strong>n Eckstein nit, allein Gott. Das ist:<br />

so er ein Menschen brauchen will zu einem Ding, ...so die Zeit kommt, so nimmt ihn<br />

Gott und macht aus ihm, das er aus ihm machen will.« Könnte <strong>de</strong>r Christ Paracelsus<br />

damit meinen, dass Gott in seiner Allwissenheit unter seinen <strong>Ges</strong>chöpfen – ungeachtet<br />

von Rasse, Kulturkreis o<strong>de</strong>r Weltanschauung – zu <strong>de</strong>m ihm rechten Zeitpunkt Menschenkin<strong>de</strong>r<br />

fin<strong>de</strong>t und anstößt, Werke zu tun, <strong>de</strong>ren Auswirkungen zunächst noch verborgen<br />

sind? Wenn <strong>de</strong>m so wäre, dann müsste in einem Menschen auch die Bereitschaft –<br />

bewusst o<strong>de</strong>r unbewusst – vorhan<strong>de</strong>n sein, »so die Zeit kommt«, von Gott die betreffen<strong>de</strong><br />

Aufgabe nicht nur zu akzeptieren, son<strong>de</strong>rn auch nach besten Kräften zu lösen.<br />

Das o.a. Zitat rückte ins Bewusstsein, als bekannt wur<strong>de</strong>, dass Herr Professor Yuzo<br />

Okabe (Universität Tokio) nicht nur Schriften <strong>de</strong>s Hohenheimers ins Japanische überträgt<br />

(2), son<strong>de</strong>rn auch Stu<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Universität Tokio in das Werk <strong>de</strong>s Paracelsus einführt.<br />

Während einer zweiten Begegnung mit Professor Okabe in Leipzig (Juli 2000)<br />

wur<strong>de</strong> ihm natürlich die Frage gestellt, welche Motive ihn bewegt haben, sich Paracelsus<br />

zuzuwen<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ssen Werk interessierten Landsleuten zugänglich zu machen. In<br />

einer e-mail (06.09.2000) teilte uns Professor Okabe seine Antwort auch schriftlich mit,<br />

die wir mit seiner Erlaubnis nachfolgend wie<strong>de</strong>rgeben:<br />

»Was Paracelsus in Japan betrifft, so ist <strong>bei</strong> uns die Forschung über hermetische Traditionen<br />

(wie auch vielseitige christliche Traditionen im Abendland) natürlich sehr mangelhaft,<br />

obwohl zwei Biographien über Hohenheim vorliegen, eine von Professor Ohashi<br />

(medizingeschichtliches Seminar), eine von <strong>de</strong>m Germanisten Tanemura, <strong>de</strong>r auch sehr<br />

gute Biographien über Hil<strong>de</strong>gard von Bingen und die Rosenkreuzer geschrieben hat,<br />

und einige Paracelsus-Übersetzungen herausgegeben wor<strong>de</strong>n sind. Lei<strong>de</strong>r kenne ich neue<br />

Strömungen <strong>de</strong>r Paracelsus-Forschung in Japan nicht. Trotz<strong>de</strong>m bin ich überzeugt, dass<br />

die ostasiatische Kultur und Naturanschauung zu <strong>de</strong>n Paracelsus-Forschungen sicher<br />

<strong>bei</strong>tragen kann, weil Paracelsus verborgene, geistige Naturkräfte viel näher erfahren hat<br />

als die Europäer heutzutage (wir bezeichnen sie oft scherzhaft als ›aufgeklärte, aber sehr<br />

exotische Bewohner in Fernwest‹), geistige Naturkräfte, die die Ostasiaten sehr intim<br />

empfin<strong>de</strong>n und in <strong>de</strong>nen sie in <strong>de</strong>r Tat leben. Nicht nur das Konzept <strong>de</strong>r Natur, son<strong>de</strong>rn<br />

auch die Natur o<strong>de</strong>r die Landschaft selbst (wir nennen sie normalerweise ›lebendige,<br />

kräftige, einerseits sehr anmutige, aber an<strong>de</strong>rerseits grausame‹ Natur) ist zwischen Ost und<br />

West sehr unterschiedlich. Wir leben auf <strong>de</strong>m Lavaland und kennen <strong>de</strong>n festen Grundstein<br />

o<strong>de</strong>r Eckstein nicht. Wir leben so, als ob wir zwischen Himmel und Er<strong>de</strong> schwebten.<br />

Bitte sehen Sie sich einmal Fotos von japanischen Teehäusern an, die aus Holz und<br />

Papier bestehen: Ihre hölzernen Pfeiler stehen nur auf kleinen Steinen, und ein Teehaus<br />

scheint so, als ob es nicht auf <strong>de</strong>m Erdbo<strong>de</strong>n aufgebaut wäre, son<strong>de</strong>rn einige Zentimeter<br />

hoch schwebte. Wir glauben nicht an Gott als einzigen Gott, son<strong>de</strong>rn an Götter.<br />

Wie <strong>de</strong>m einzigen Gott eine einzige Welt entspricht, entsprechen Götter verschie<strong>de</strong>nen<br />

Welten, und zwar nicht nur wirklichen Welten, son<strong>de</strong>rn auch potentiellen Welten. Uns<br />

scheinen also die Geister z.B. in <strong>de</strong>n vier Elementen, die Paracelsus phantasievoll dargestellt<br />

hat, nicht so ganz fremd, weil wir sie als eine Art von genius loci fin<strong>de</strong>n können.«<br />

In <strong>de</strong>n <strong>Ges</strong>prächen mit Professor Okabe wur<strong>de</strong> in wachsen<strong>de</strong>r Erkenntnis <strong>de</strong>utlich,<br />

dass Menschen von einer Sendung überzeugt sein können, die sie zu entsprechen<strong>de</strong>m<br />

Han<strong>de</strong>ln drängt. Eben dieses Erleben veranlasst zum Nach-Denken; es hat etwas zu tun<br />

mit <strong>de</strong>m Auftrag <strong>de</strong>s Menschen. Der Hohenheimer äußert sich im »drit capitel. De compositione<br />

humana« seiner »Astronomia Magna« wie folgt (3): »...<strong>de</strong>r mensch sol on alle<br />

einred und aufzug sein ampt volbringen, darumb in got beschaffen hat und das nicht<br />

wi<strong>de</strong>rbellen o<strong>de</strong>r verachten. dan wo wir im liecht <strong>de</strong>r natur nit das volen<strong>de</strong>n, das got<br />

2<br />

EDITORIAL


durch uns haben wil, es muß ein rechnung darumb gegeben wer<strong>de</strong>n am jüngsten tag...<br />

also hat got <strong>de</strong>n menschen beschaffen, das seine unsichtbaren werk durch das sichtbar<br />

geschehen sollen, das ist, durch <strong>de</strong>n menschen. darumb beschicht solches durch das<br />

sichtbar, das dan die person <strong>de</strong>s menschen ist, durch welche götliche werk offenbar<br />

wer<strong>de</strong>n, das dan gottes wil ist.«<br />

Dem ist nichts hinzuzufügen, es sei <strong>de</strong>nn, man ordnet die For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Hohenheimers<br />

seiner Ethik (Lehre vom sittlichen Wollen und Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>s Menschen!) zu und<br />

hält sie sich als Spiegel vor: Was ist mein »ampt«, für das ich Rechenschaft abzulegen<br />

habe vor Gott?<br />

Die Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft begeht in diesen Tagen ihr zehnjähriges Bestehen.<br />

Dieses Jubiläum ist uns Anlass zu großer Freu<strong>de</strong> und Dankbarkeit. Dass die<br />

Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft nach so kurzer Zeit einen geachteten und eben ihren<br />

Platz neben <strong>de</strong>n Schwestergesellschaften gefun<strong>de</strong>n hat, ist neben vielen sachlichen vor<br />

allem sehr bereichern<strong>de</strong>n persönlichen Kontakten zu <strong>de</strong>n Präsi<strong>de</strong>nten wie Vorstandsmitglie<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>r Internationalen und Schweizerischen Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft zu danken.<br />

Wir danken in ehren<strong>de</strong>m Ge<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>n verstorbenen Gründungsmitglie<strong>de</strong>rn für ihren<br />

rastlosen Einsatz in <strong>de</strong>r so schwierigen Anfangszeit: Herr OMR Dr. med.Wolfgang Klinger,<br />

erster Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft (gest. 2000), Frau Ursula<br />

Gul<strong>de</strong>, erste stellvertreten<strong>de</strong> Vorsitzen<strong>de</strong> (gest. 1999) sowie Herrn Prof.em.Dr.-Ing. Gottfried<br />

Heinicke, Mitbegrün<strong>de</strong>r (gest. 1993). Wir danken <strong>de</strong>m Urania-Vortragszentrum<br />

Dres<strong>de</strong>n und seinem <strong>Ges</strong>chäftsführer, Herrn Dipl.-Ing. Karl-Heinz Kloppisch, für eine<br />

hervorragen<strong>de</strong> Zusammenar<strong>bei</strong>t <strong>bei</strong> Vortragsveranstaltungen sowie Exkursionen. Nicht<br />

min<strong>de</strong>r herzlich danken wir <strong>de</strong>r Oberlausitzischen <strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>r Wissenschaften zu<br />

Görlitz und ihrem bisherigen Präsi<strong>de</strong>nten, Herrn Prof.Dr.phil habil.Ernst-Heinz Lemper,<br />

für ein anregen<strong>de</strong>s Miteinan<strong>de</strong>r, für die Vertiefung <strong>de</strong>r Erkenntnisse in <strong>de</strong>n Beziehungen<br />

zwischen Jakob Böhme und Paracelsus sowie für die Öffnung von Wegen in <strong>de</strong>n nie<strong>de</strong>rschlesischen<br />

Kulturkreis. Mit beson<strong>de</strong>rer Herzlichkeit jedoch danken wir allen unseren<br />

Mitglie<strong>de</strong>rn, ob in unserem Vaterland o<strong>de</strong>r im Ausland, für ihre Treue, für ihr Interesse<br />

an unseren Veranstaltungen und für die Spen<strong>de</strong>n, die unserer Ar<strong>bei</strong>t bisher eine sichere<br />

materielle Basis schufen.<br />

Am 24. März 2001 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>s zehnjährigen Bestehens <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<br />

<strong>Ges</strong>ellschaft im Deutschen Hygiene-Museum zu Dres<strong>de</strong>n mit einer festlichen Jahreshauptversammlung<br />

gedacht. Wir gehen, gestützt auf das Vertrauen unserer Mitglie<strong>de</strong>r<br />

und auf das harmonische Verhältnis mit unseren Schwestergesellschaften, in froher<br />

Zuversicht an die Lösung <strong>de</strong>r vor uns liegen<strong>de</strong>n Aufgaben, <strong>de</strong>nn:<br />

»...<strong>de</strong>r mensch sol on alle einred und aufzug sein ampt volbringen,<br />

darumb in got beschaffen hat« (Paracelsus, XII/59)<br />

Vorstand und Verwaltungsrat<br />

<strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />

(1) PARACELSUS: Vom Licht <strong>de</strong>r Natur und <strong>de</strong>s Geistes<br />

Eine Auswahl<br />

Hrg. Kurt Goldammer<br />

Philipp Reclam jun. Stuttgart 1984 S.154<br />

(2) »Manuskripte –Thesen – Informationen« Heft 15 – 1/2000 S. 27<br />

Hrg. Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />

(3) PARACELSUS: Sämtliche Werke<br />

Hrg. Karl Sudhoff XII/59<br />

3


Vorab einige grundsätzliche Bemerkungen:<br />

1. Ich vertrete die These, dass Paracelsus<br />

und Böhme (*) als eigenständige Denker auf<br />

einen Weg <strong>de</strong>r Erkenntnis verwiesen, <strong>de</strong>r<br />

sich nicht mit <strong>de</strong>m »Weg« <strong>de</strong>r »Vielen« zu<br />

ihren Zeiten und in ihrem Lebensraum<br />

<strong>de</strong>ckt. <strong>Ges</strong>chichte und Zeit haben sich für<br />

Paracelsus und Böhme in ihrem bisherigen<br />

»Verlauf« ver-laufen – sie sind für <strong>bei</strong><strong>de</strong><br />

Denker zu korrigieren!<br />

Einen eigenen Weg suchen und beschreiten<br />

– dies ist eine Grundlage für wesentliches<br />

und damit beständiges Denken. Sowohl<br />

für Paracelsus als auch für Böhme<br />

war dieser Schritt wichtig. Die Deutlichkeit<br />

dieser Erfahrung ist für <strong>bei</strong><strong>de</strong> Denker v.a.<br />

aus ethischen <strong>Ges</strong>ichtspunkten gegeben.<br />

Paracelsus schreibt so 1533 in seiner kleinen<br />

Schrift: »Der Krieg als Sün<strong>de</strong>; insbeson<strong>de</strong>re<br />

<strong>de</strong>r weltanschauliche Krieg« (1):<br />

»Denn das Gebot muß <strong>bei</strong> <strong>de</strong>n Christen gehalten<br />

wer<strong>de</strong>n, das ist: seinem Rat muß gefolgt<br />

wer<strong>de</strong>n. Darum führt ihr sie mit euren Rechtssprüchen<br />

in die Fehle <strong>de</strong>r Gebote, als töten, steh-<br />

4<br />

Dr. Andreas Gauger<br />

DAS RINGEN UM GANZHEITLICHE ERKENNTNIS<br />

AM BEISPIEL VON PARACELSUS UND JACOB BÖHME<br />

»Ein Beitrag zu <strong>de</strong>n Merkmalen einer philosophia perennis«.<br />

Was haben uns Paracelsus (1493–1541) und Jacob Böhme (1575–1624) – zwei <strong>de</strong>r<br />

faszinierendsten <strong>Ges</strong>talten <strong>de</strong>r abendländischen Geistesgeschichte – heute noch zu<br />

sagen?<br />

Was mag es bringen, sich mit solchen Inhalten <strong>de</strong>r Vergangenheit zu beschäftigen?<br />

Es wird in <strong>de</strong>m Vortrag versucht, diesen Fragen etwas auf <strong>de</strong>n Grund zu gehen und da<strong>bei</strong><br />

v.a. die tiefe Menschlichkeit und die große spirituelle Sehnsucht in ihrem inneren Ringen<br />

und Lei<strong>de</strong>n zu erhellen.<br />

Die Nähe (<strong>de</strong>r zunächst schwierig zu erschließen<strong>de</strong>n Gedankenfülle) dieser Denker zu<br />

<strong>de</strong>n Grundfragen <strong>de</strong>s heutigen Daseins ist erstaunlich und nicht zufällig!<br />

Es ist evi<strong>de</strong>nt, dass das Thema hier nicht erschöpfend behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Vielmehr möchte ich grundsätzliche Gemeinsamkeiten in <strong>de</strong>r Anschauungswelt und in<br />

<strong>de</strong>r Wirkung dieser Anschauungen auf die Moral und Ethik dieser Denker aufzeigen.<br />

Daher wer<strong>de</strong> ich versuchen, folgen<strong>de</strong> Glie<strong>de</strong>rung mit Inhalt zu füllen:<br />

Vorbemerkungen allgemeiner Art<br />

1. Kurze Bemerkungen zu <strong>de</strong>n Lebensumstän<strong>de</strong>n (»Außen«) von Paracelsus und Böhme<br />

2. »Innerer Weg« dieser Denker<br />

3. Schlussfolgerungen und ihre Aktualität<br />

Vorbemerkungen<br />

len und frem<strong>de</strong>s Gut begehren; die drei ratet ihr<br />

durch euer Recht auf einmal zu brechen, und<br />

Gott muß in euren Räten zurücktreten.<br />

Also habt ihr <strong>de</strong>n Schlüssel zu <strong>de</strong>r Weisheit<br />

genommen, die Gottes ist und geht euren Weg;<br />

darum kommet ihr nicht zu Gott.«<br />

Und Böhme wird in seinem letzten<br />

Lebensjahr noch <strong>de</strong>utlicher, wenn er<br />

schreibt:<br />

»...Meister, ich kann nicht mehr ertragen, das<br />

mich irret; wie mag ich <strong>de</strong>n ...Weg... fin<strong>de</strong>n?<br />

Der Meister sprach: Wo <strong>de</strong>r Weg am härtesten<br />

ist, da gehe hin, und was die Welt wegwirft, <strong>de</strong>s<br />

nim dich an; und was sie thut, das thue du<br />

nicht: Wan<strong>de</strong>le <strong>de</strong>r Welt in allen Dingen zuwi<strong>de</strong>r,<br />

so kömmst du <strong>de</strong>n ...Weg zu ihr.<br />

35. ...die Welt liebet nur Trug und Eitelkeit,<br />

und wan<strong>de</strong>lt auf falschem Wege ... dann <strong>de</strong>r<br />

Weg zur Liebe Gottes ist <strong>de</strong>r Welt eine Thorheit,<br />

und aber <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Gottes eine Weisheit ...«<br />

(Vom übersinnlichen Leben, 34-35)<br />

2. Bei<strong>de</strong> waren und sind singuläre Denker –<br />

d.h., trotz ihrer historischen Einordnung


sind sie Phänomene <strong>de</strong>r <strong>Ges</strong>chichte, aber<br />

keine geschichtlichen Phänomene!<br />

Dieser Umstand muss notwendigerweise<br />

in <strong>de</strong>r Betrachtung berücksichtigt wer<strong>de</strong>n<br />

und daher a-historische Aspekte implizieren<br />

(als Ergänzung zu »bloß« historischen<br />

Aspekten, welche die Menschen durch die<br />

Dinge in Zeit und Raum erklärt, aber die<br />

subjektive Sicht <strong>de</strong>s Menschen auf diese<br />

Dinge ignoriert).<br />

Eigentümlicherweise zeigt es sich <strong>bei</strong><br />

dieser Betrachtung, dass subjektive Intuition<br />

und »historisches Ergebnis« in solchen<br />

Fällen oft nicht <strong>de</strong>ckungsgleich sind. Bei<strong>de</strong><br />

Seiten sind aber wichtig!<br />

Demgemäß betrachte ich zunächst (extrem<br />

verkürzt) das historische »Außen« <strong>de</strong>r zwei<br />

Denker, danach werfe ich einen (wie<strong>de</strong>r verkürzten)<br />

Blick auf ihr »Innen«, um schließlich<br />

im Vergleich wichtige Wesensmerkmale<br />

solcher Betrachtung zu erhellen.<br />

3. Ich wer<strong>de</strong> Begriffe verwen<strong>de</strong>n, die keine<br />

Ein<strong>de</strong>utigkeit im gegenwärtigen Sprachgebrauch<br />

erkennen lassen (und dies auch<br />

nicht haben können)!<br />

So wird <strong>de</strong>r Begriff »Mystik« erwähnt<br />

und da<strong>bei</strong> diejenige Erfahrungs-Erkenntnis<br />

von Gott gemeint, die sowohl das Bewusstsein<br />

vom Herkommen aus Gott für das<br />

Subjekt (Hinweg) als auch das Bewusstsein<br />

für das Ziel in Gott für das Subjekt (Rückweg)<br />

<strong>bei</strong>nhaltet.<br />

Außer<strong>de</strong>m wird von »Sophia«, d.h.<br />

»Weisheit«, die Re<strong>de</strong> sein. Diese »Weisheit«<br />

wird erstrebt von <strong>de</strong>r »Philo-Sophie«.<br />

Philo-Sophisch gibt es da<strong>bei</strong> drei Haupt-<br />

Möglichkeiten, diese Weisheit zu erlangen:<br />

1. Über eine Weisheit in <strong>de</strong>r Mensch-Erkenntnis<br />

(d.h.»Anthropo-Sophie«);<br />

2. Über eine Weisheit in <strong>de</strong>r Natur-<br />

Erkenntnis (d.h. »Kosmo-Sophie«) und<br />

3. Über eine Weisheit in <strong>de</strong>r Gott-Erkenntnis<br />

(d.h. »Theo-Sophie« i.e.S.)<br />

Die Summe dieser Weisheiten heiße ich<br />

All-Weisheit (»Pan-Sophie«) und diese ist,<br />

wenn sie das mystische Ziel in und aus<br />

Gott erreicht hat, eine »Theo-Sophie<br />

i.w.S.«!<br />

Der Begriff »Theosophie« (i.e.S.) wird<br />

von mir allgemein in <strong>de</strong>rjenigen Form gebraucht,<br />

<strong>de</strong>r zu Böhmes Lebenszeit üblich<br />

war. Am besten charakterisiert J.V. Andreä<br />

(1586–1654) <strong>de</strong>n Begriff »Theosophie«<br />

(i.e.S. – Anm. A.G.) in seiner »Christianopolis«<br />

(1619), wo diese begriffen wird als:<br />

»...eine Wissenschaft, die nichts zu erkennen<br />

sucht, was mit menschlicher Erfindung und Forschung<br />

zu tun hat, son<strong>de</strong>rn alles Gott verdankt.<br />

Wo die Natur aufhört, fängt sie an, und, vom<br />

höchsten göttlichen Geheimnis selbst belehrt,<br />

hütet sie fromm ihre Geheimnisse...« (2)<br />

Dieses mag als Vorbemerkung genügen<br />

und wir wen<strong>de</strong>n uns nun Paracelsus und<br />

Böhme zu:<br />

1. Kurze Bemerkungen zu <strong>de</strong>n Lebensumstän<strong>de</strong>n von Paracelsus und Böhme<br />

a) Paracelsus<br />

Paracelsus wur<strong>de</strong> 1493/94 als Theophrastus<br />

<strong>Bombastus</strong>(PhilippusAureolus)von Hohenheim<br />

in Einsie<strong>de</strong>ln geboren (und nannte<br />

sich selbst ab 1529 in astrologisch-politischen<br />

Broschüren »Paracelsus«). Er bekun<strong>de</strong>t<br />

eine hohe Achtung vor <strong>de</strong>r Autorität<br />

<strong>de</strong>s Vaters, mit <strong>de</strong>m er 1502 nach Villach<br />

übersie<strong>de</strong>lt. 1509 nahm er ein Studium in<br />

Wien auf und schloss es letztlich 1516 in<br />

Ferrara mit <strong>de</strong>r Promotion zum »doctor<br />

bey<strong>de</strong>r arzneyen« ab. Danach verdingte er<br />

sich in verschie<strong>de</strong>nen Kriegen als Feldarzt<br />

und wan<strong>de</strong>rte so bis 1524 durch ganz<br />

Europa; nach eigener Auskunft<br />

»...gen Granaten, gen Lizabon, durch Hispanien,<br />

durch England, durch <strong>de</strong>n Mark, durch<br />

Prüchsen, durch Litau, durch Poland, Ungern,<br />

Walachi, Sibenbürgen, Crabaten, Windisch<br />

mark, auch sonst an<strong>de</strong>re len<strong>de</strong>r ...« (X, 19f)<br />

Schließlich fin<strong>de</strong>t er sich wie<strong>de</strong>r in Villach<br />

ein. 1524 versucht er sich in Salzburg<br />

als Arzt nie<strong>de</strong>rzulassen, muss aber wegen<br />

seiner Sympathien mit aufständischen<br />

Bauern die Stadt wie<strong>de</strong>r verlassen. 1526 erwirbt<br />

er in Straßburg das Bürgerrecht und<br />

geht schließlich 1527, auf Empfehlung<br />

seines Patienten Erasmus von Rotterdam,<br />

als Stadtmedicus nach Basel.<br />

Seine starke Ablehnung <strong>de</strong>r vorherrschen<strong>de</strong>n<br />

scholastischen Medizin zwang<br />

ihn bereits 1528 zur Flucht aus Basel.<br />

Da die Ablehnung starrer Gedankengebil<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Institutionen zum Wesensmerk-<br />

5


mal eigenständiger Denker gehört, sei<br />

als Beispiel für Paracelsus nur auf jenes<br />

Flugblatt vom 5. Juni 1527 verwiesen, was<br />

er provokanterweise in Latein verfasste<br />

(damit es auch die »Gelehrten« richtig<br />

lesen). Dort heißt es z.B.: »...Da ganz allein<br />

die Medizin ...nur wenige <strong>de</strong>r Doktoren sie<br />

heute mit Glück ausüben, ...wollen wir sie von<br />

<strong>de</strong>n schwersten Irrtümern reinigen, nicht <strong>de</strong>n<br />

Regeln <strong>de</strong>r Alten zugetan, son<strong>de</strong>rn ausschließlich<br />

<strong>de</strong>njenigen, die wir aus <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r<br />

Dinge ...und in langer Übung und Erfahrung<br />

bewährt gefun<strong>de</strong>n haben. Wer weiß es <strong>de</strong>nn<br />

nicht, daß die meisten Ärzte heutiger Zeit zum<br />

größten Scha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kranken in übelster Weise<br />

daneben gegriffen haben, da sie allzu sklavisch<br />

am Wort <strong>de</strong>s Hippokrates, Galenos und<br />

Avicenna und an<strong>de</strong>rer geklebt haben, ...Wenns<br />

Gott gefällt, kann man auf diesem Wege wohl<br />

zu blen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Doktortiteln gelangen, wird aber<br />

niemals ein wahrer Arzt. Nicht Titel und Beredsamkeit,<br />

nicht Sprachenkenntnisse, nicht die<br />

Lektüre zahlreicher Bücher... sind Erfor<strong>de</strong>rnisse<br />

eines Arztes, son<strong>de</strong>rn die tiefste Kenntnis <strong>de</strong>r<br />

Naturdinge und Naturgeheimnisse...« (IV, 3)<br />

Solcherart Äußerungen wur<strong>de</strong>n und<br />

wer<strong>de</strong>n in menschlichen Gemeinschaften<br />

von <strong>de</strong>n »Machern« <strong>de</strong>r <strong>Ges</strong>ellschaft nicht<br />

gern gehört. Paracelsus floh von nun an,<br />

bis zu seinem To<strong>de</strong> 1541, quer durch Ober<strong>de</strong>utschland<br />

und fand seine Ruhe erst auf<br />

<strong>de</strong>m Salzburger Armenfriedhof.<br />

Der Nachwelt wur<strong>de</strong> er hauptsächlich<br />

durch seine zahlreichen Schriften bekannt,<br />

von <strong>de</strong>nen fast alle erst posthum verlegt<br />

wur<strong>de</strong>n. Zu seinen wichtigsten Werken<br />

zählen:<br />

Volumen Paramirum (1524); Herbarius,<br />

De minerabilis, Antimedicus (1527), Spitalbuch<br />

(1529); Paragranum, Paramirum,<br />

Von <strong>de</strong>n unsichtbaren Krankheiten (1531);<br />

Büchlein von <strong>de</strong>r Pest (1534); Astronomia<br />

Magna (1537); Kärntner Trilogie (1538).<br />

Die erste <strong>Ges</strong>amtausgabe erfolgte in 10<br />

Bän<strong>de</strong>n (1589–91) in Basel durch J. Huser.<br />

b) Jacob Böhme<br />

»Es ist <strong>de</strong>r selige Mann Jacob Böhme, im 1575.<br />

Jahre nach Christi unsers Herrn Geburt, zu<br />

Alt-Sei<strong>de</strong>nberg, einem gewesenen Marktflecken,<br />

ohngefehr an<strong>de</strong>rthalb Meilen von Görlitz in<br />

Ober-Lausitz, nach <strong>de</strong>n Gebirge zu, gelegen,<br />

6<br />

von seinem Vater Jacob und seiner Mutter<br />

Ursula, bey<strong>de</strong>n armen und geringen Bauers-<br />

Leuten, guter Teutscher Art, aus christlich und<br />

unbeflecktem Ehebett gezeuget, auf diese Welt<br />

geboren...« (3)<br />

So berichtet <strong>de</strong>r erste Biograph und<br />

Böhme-Freund, A. von Franckenberg,<br />

von <strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>utendsten und<br />

prägnantesten Persönlichkeit <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen<br />

Geisteslebens zwischen Reformation und<br />

Aufklärung.<br />

Kurz vor <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> (1624) <strong>de</strong>s Görlitzer<br />

Schuhmachers und »ersten <strong>de</strong>utschen<br />

Philosophen« (lt.Hegel) hieß es aber seitens<br />

<strong>de</strong>s kirchlichen »Vorgesetzten« Böhmes,<br />

<strong>de</strong>s Pastor primarius an <strong>de</strong>r Görlitzer<br />

Kirche Skt.Peter und Paul, Gregor Richter,<br />

auch:<br />

»So viel als Zeilen sind, so viel sind Gotteslästerungen<br />

in <strong>de</strong>s Schusters Büchern zu befin<strong>de</strong>n,<br />

welche greulich nach Schuster-Pech und<br />

Schwärtze stincken: Pfuy, pfuy! dieser <strong>Ges</strong>tanck<br />

sey ferne von uns. ...Denjenigen Orten hange<br />

grosse Straffe zu, da solche Gottes-Lästerung<br />

ungestraft möge erdacht, geschrieben, ausgesprengt<br />

und geglaubet wer<strong>de</strong>n ... Der Schuster<br />

ist <strong>de</strong>r Anti-Christ. ...Dein Dreck, O Schuster!<br />

hat unsere Stadt heftig besu<strong>de</strong>lt. ...Ach daß alle<br />

diejenigen mit dir weg müsten, welche <strong>de</strong>ine<br />

Schriften lesen.« (4)<br />

Was lag also zwischen <strong>de</strong>n Jahren 1575<br />

und 1624, die zu solch unterschiedlicher<br />

Auffassung über die Person Böhmes<br />

führten?<br />

Das erste gesicherte Datum nach <strong>de</strong>m<br />

Geburtsjahr ist <strong>de</strong>r 24. April 1599, <strong>de</strong>r Tag,<br />

an <strong>de</strong>m Jacob Böhme das Görlitzer Bürgerrecht<br />

als Schuhmachermeister erwarb.<br />

Der von Natur und Statur schwächliche<br />

Böhme besuchte bis dahin wahrscheinlich<br />

nicht nur die einfache Dorfschule (die sogenannte<br />

Küsterschule), son<strong>de</strong>rn auch die<br />

»Stadtschule« in Sei<strong>de</strong>nberg. Seine Ausbildung<br />

umfasste sicher mehr als »etwas lesen<br />

und schreiben«,wie Franckenberg berichtet,<br />

son<strong>de</strong>rn ebenfalls Elementarkenntnisse in<br />

Latein, Rechnen etc.<br />

Er erlernte das Schusterhandwerk und<br />

begab sich (wie damals üblich) auf Wan<strong>de</strong>rschaft.<br />

Bereits am 10. Mai 1599 heiratete er in<br />

Görlitz die Tochter eines wohlhaben<strong>de</strong>n


Fleischermeisters, Katharina Kuntzschmann,<br />

und hatte in <strong>de</strong>r Folge mit ihr vier<br />

Söhne.<br />

In Görlitz sowie auf <strong>de</strong>n Gütern seiner<br />

mäzenatenartigen Bewun<strong>de</strong>rer (vorwiegend<br />

schlesische Adlige, welche <strong>de</strong>m Gedankengut<br />

von C. Schwenckfeld (1489–1561),<br />

Paracelsus (1493–1541), Valentin Weigel<br />

(1533–1588) und an<strong>de</strong>ren (ähnlich umstrittenen)<br />

I<strong>de</strong>en aufgeschlossen gegenüberstan<strong>de</strong>n),verfasste<br />

dann Böhme jene Werke,<br />

die ihn in <strong>de</strong>r Welt bekannt wer<strong>de</strong>n ließen:<br />

von <strong>de</strong>r (abgebrochenen) Erstlingsschrift<br />

»Aurora« (1612) bis zu <strong>de</strong>r (ebenfalls abgebrochenen)<br />

»Betrachtung göttlicher Offenbarung,<br />

gestellet in 177 Fragen« (1624).<br />

Ausgangspunkt seiner schriftstellerischen<br />

Tätigkeit waren mehrere Visionen und<br />

Theophanien, die ihn zutiefst berührten<br />

und zur Reflexion drängten.<br />

Im Juli 1613 wur<strong>de</strong> er wegen seiner<br />

»Aurora« zum Rat <strong>de</strong>r Stadt zitiert, an seinen<br />

Leisten verwiesen, auf <strong>de</strong>n lutherischen<br />

Glauben geprüft und schließlich – <strong>bei</strong><br />

Androhung von ernster Strafe – darauf<br />

verpflichtet, künftig höchstens Schuhe,<br />

aber keineswegs solche Schriften zu produzieren.<br />

Da jedoch hatte Böhme bereits<br />

seine Schuhbank verkauft – wohl in <strong>de</strong>r<br />

Hoffnung, vom Han<strong>de</strong>l zu leben und die<br />

Schriftstellerei zu betreiben.<br />

Böhme hielt sich – trotz andauern<strong>de</strong>r<br />

pastoraler Schmähungen – fast 6 Jahre an<br />

das Schreibverbot. Erst das Jahr 1618<br />

brachte eine erneute Wen<strong>de</strong>. Der 30jährige<br />

Krieg begann und Böhme hatte in <strong>de</strong>n<br />

letzten Jahren seine Erkenntnisse extrem<br />

verdichtet.<br />

Der Han<strong>de</strong>l – vorwiegend mit Garn und<br />

Le<strong>de</strong>r sowie <strong>de</strong>ren Produkten – ermöglichte<br />

ihm das Reisen (so v.a. nach Schlesien,<br />

Sachsen und Böhmen) und damit das<br />

Kennenlernen neuer I<strong>de</strong>en und Anschauungen.<br />

Seine grundsätzliche Meinung,<br />

welche eigentlich über seinem Leben und<br />

Werk zu stehen hätte, lautet:<br />

»Ich habe meine Wissenschaft nicht von<br />

Wahn o<strong>de</strong>r Meinungen, wie ihr; son<strong>de</strong>rn ich<br />

habe eine lebendige Wissenschaft in <strong>de</strong>r Beschaulichkeit<br />

und Empfindlichkeit: Ich darf<br />

keinen Doctor <strong>de</strong>r Schulen dieser Welt darzu;<br />

<strong>de</strong>nn von ihnen habe ichs nicht gelernet...<br />

54. Liebe Herren und Brü<strong>de</strong>r in Christo, seyd<br />

doch Schüler <strong>de</strong>r Weisheit Gottes...<br />

55. Was ists, daß ich ...verstün<strong>de</strong> nicht,<br />

was die Weisen haben gere<strong>de</strong>t ...wann ich nicht<br />

auch <strong>de</strong>nselben Geist habe, <strong>de</strong>n sie gehabt,...<br />

56. Zu solcher Erkentnis gehöret nicht Wähnen,<br />

und ...einen Hauffen Sprüche zusammen tragen:<br />

Das hat kein Heiliger o<strong>de</strong>r Weiser gethan;<br />

son<strong>de</strong>rn ein lebendiger Geist aus Gott, <strong>de</strong>r Mysterium<br />

schauen mag...« (Anti-Tilke II,53-56)<br />

Böhme setzt also seine Schau gegen die<br />

Dogmen <strong>de</strong>r gelehrten Meinungshüter.<br />

In <strong>de</strong>n knapp 7 Jahren von 1618–1624<br />

schrieb Böhme so wichtige Werke wie:<br />

Beschreibung <strong>de</strong>r drey Principien Göttliches<br />

Wesens (1619); Vom Dreyfachen<br />

Leben <strong>de</strong>s Menschen; Von <strong>de</strong>r Menschwerdung<br />

Jesu Christi; Mysterium Pansophicum<br />

(1620); Signatura rerum (1622);<br />

Von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>nwahl, Mysterium Magnum<br />

(1623); sowie verschie<strong>de</strong>ne Tractate seines<br />

»Weg zu Christo« (zwei dieser Tractate<br />

erschienen bereits 1624 unter diesem Titel<br />

im Druck).<br />

Neben seinen Werken sind es vor allem<br />

seine erhalten gebliebenen »Theosophischen<br />

Sendbriefe«, welche Aufschluss über<br />

das Leben <strong>de</strong>s Jacob Böhme geben.<br />

1624 wird Böhme erneut in Dres<strong>de</strong>n<br />

auf seinen Glauben geprüft, reist noch einmal<br />

nach Schlesien und kehrt von dieser<br />

Reise – bereits todkrank – am 7. November<br />

nach Görlitz zurück. Sein Leibarzt und<br />

Freund, <strong>de</strong>r Paracelsist Dr.Tobias Kober,<br />

pflegt <strong>de</strong>n Kranken, kann aber <strong>de</strong>ssen Tod<br />

am16./17.November 1624 nicht verhin<strong>de</strong>rn.<br />

Die Kirche verweigerte Böhme ein<br />

or<strong>de</strong>ntliches Begräbnis. Das von Freun<strong>de</strong>n<br />

gestiftete Grabkreuz wird zunächst verwehrt<br />

und umgehend wie<strong>de</strong>r entfernt – <strong>de</strong>r<br />

Pöbel nochmals gegen <strong>de</strong>n toten Böhme<br />

aufgehetzt. Eines wur<strong>de</strong> durch das Verhalten<br />

gegen <strong>de</strong>n Toten sehr <strong>de</strong>utlich: Böhme<br />

hatte nicht nur einen persönlichen Gegner<br />

in <strong>de</strong>r Kirche (Richter), son<strong>de</strong>rn es waren<br />

<strong>de</strong>ren viele. Böhmes Leben und Werk lässt<br />

sich mit <strong>de</strong>r Theologie <strong>de</strong>r Kirche(n) nicht<br />

in Übereinstimmung bringen! Er war, ist<br />

und bleibt jemand, <strong>de</strong>r sich je<strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ologischen<br />

Zuordnung entzieht (aber umgekehrt<br />

von zahlreichen I<strong>de</strong>ologen missbraucht<br />

wur<strong>de</strong> und wird).<br />

7


c) Zusammenfassung zu 1.<br />

Rein äußerlich unterschei<strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>r Arzt<br />

und Mediziner Paracelsus sowie <strong>de</strong>r Schuhmacher<br />

Böhme also scheinbar erheblich.<br />

Hie <strong>de</strong>r weitgereiste und stolz auf Erfahrung<br />

und Wissen Seien<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mische<br />

Provokateur und bis an sein Lebensen<strong>de</strong><br />

Suchen<strong>de</strong>; dort <strong>de</strong>r bo<strong>de</strong>nständige Schuster<br />

und »Philosophus <strong>de</strong>r Einfältigen«, <strong>de</strong>r<br />

duldsame und <strong>de</strong>mütige, aber selbstbewusste<br />

Denker, <strong>de</strong>r aus Gott sprechen<strong>de</strong><br />

Theosoph und Mystiker.<br />

Dennoch weisen <strong>bei</strong><strong>de</strong> Persönlichkeiten<br />

wichtige Übereinstimmungen im äußeren<br />

Leben auf, die für ihre Entwicklung be<strong>de</strong>utsam<br />

wer<strong>de</strong>n sollten.<br />

Bei<strong>de</strong> waren in ihrer sozialen Haltung<br />

<strong>de</strong>m »kleinen Mann« verpflichtet. Paracelsus<br />

unterstützte die Bauernbewegung und<br />

war als Arzt v.a. <strong>de</strong>r lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Bevölkerung<br />

verpflichtet – gemäß einem seiner<br />

sozial motivierten Grundsätze: »Du sollst<br />

<strong>de</strong>inen nächsten in seiner not helfen, und sei es<br />

an sabbath.« (vgl. IX,334)<br />

Böhme schreibt z.B.:<br />

»Wer war Habel? ein Schäfer: Wer war Henoch<br />

und Noa? einfältige Leute: Wer war Abraham,<br />

Isaac und Jacob? Viehehirten waren sie: Wer<br />

war Mose, <strong>de</strong>r theure Mann Gottes? ein Viehehirte:<br />

Wer war David, als ihn <strong>de</strong>s Herrn Mund<br />

berief? ein Schäfer. Wer waren die Propheten<br />

groß und klein? gemeine und geringe Leutlein;<br />

... man hielt sie nur für Narren. ...<br />

4. Nun wie kam unser König Jesus Christus in<br />

diese Welt? arm und in grossem Kummer und<br />

Elen<strong>de</strong>...<br />

5. Wer waren seine Apostel? arme, verachtete,<br />

ungelehrte Fischerknechte. Wer gläubete ihren<br />

Predigten? das arme, geringe Völklein.<br />

Die Hohen und Schriftgelehrten waren Christi<br />

Henkersknechte,...<br />

6. Wer ist je und allwege bey <strong>de</strong>r Kirche Christi<br />

am festesten gestan<strong>de</strong>n? das arme verachtete<br />

Völklein;... Wer hat die rechte reine christliche<br />

Lehre verfälschet, und je und allwege angefochten?<br />

die Schriftgelehrten, Päbste, Cardinäle,<br />

Bischöfe und grosse Hansen....<br />

7. Wer hat <strong>de</strong>s Pabsts Geldsucht, Abgötterey,<br />

Finanzen und Betrug in Teutschland aus <strong>de</strong>r<br />

Kirchen gefeget? ein armer verachteter Münch....<br />

8<br />

8. Was ist noch verborgen? die rechte Lehre<br />

Christi? nein, son<strong>de</strong>rn die Philosophia und <strong>de</strong>r<br />

tieffe Grund Gottes,...« (Aurora 9,3-8)<br />

Bei<strong>de</strong> schrieben <strong>de</strong>utsch. Sie hatten Verfolgung<br />

und Bestrafung wegen ihrer Äußerungen<br />

zu erlei<strong>de</strong>n und entwickelten ein<br />

eigenständiges »Selbst«. Deutlich war ihre<br />

Ablehnung von Autoritäten, Dogmen und<br />

Riten, welche in ihrer Beschränkung <strong>de</strong>r<br />

freien Entfaltung <strong>de</strong>s »Selbst« als unzeitgemäß<br />

empfun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n; <strong>bei</strong><strong>de</strong> griffen<br />

die Schulwissenschaften als unvollkommen<br />

an und entwickelten da<strong>bei</strong> eine ähnliche<br />

Sprache, ähnliche Gedanken und<br />

ethische Konsequenzen. Schließlich waren<br />

<strong>bei</strong><strong>de</strong> <strong>bei</strong> ihrem Tod verkannt, verachtet,<br />

verketzert und totgeschwiegen und lediglich<br />

im Bewusstsein einer kleinen, dafür<br />

aber sehr treuen (oft esoterischen) Anhängerschaft<br />

lebendig.<br />

Und noch eine Gemeinsamkeit hatten<br />

sie – nämlich in <strong>de</strong>m, was sie nicht waren:<br />

sie waren keine »Philosophen« im schulmäßigen<br />

Sinne, son<strong>de</strong>rn sie waren dies im<br />

eigentlichen Sinn (hatten ein aus <strong>de</strong>m Herzen<br />

kommen<strong>de</strong>s »Streben nach Weisheit«).<br />

Sie waren keine Reformatoren, nicht<br />

»Faust«, nicht Alchemie, Gnosis o<strong>de</strong>r<br />

Mystik – son<strong>de</strong>rn sie waren dies alles und<br />

doch wie<strong>de</strong>r nicht!<br />

Ihr Werk war keine Wissenschaft, kein<br />

»System«, keine Ethik – und <strong>de</strong>nnoch<br />

tiefste Erkenntnis und Wissenserweiterung,<br />

strukturelles und auf einem festen »metaphysischen<br />

Zentrum« (um einen Ausdruck<br />

Schopenhauers zu gebrauchen) beruhen<strong>de</strong>s<br />

Denken. Es war <strong>de</strong>r höchsten<br />

moralischen Norm (nämlich <strong>de</strong>r Gottes)<br />

verpflichtet und daher auf eine echte<br />

»Ethik« gerichtet.<br />

Bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r hier betrachteten Denker<br />

haben also, trotz – und dies sei ausdrücklich<br />

betont! – zahlreicher Unterschie<strong>de</strong> in<br />

ihrer Lebens-, Erfahrungs- und Gedankenwelt,<br />

wesentliche Gemeinsamkeiten, die<br />

sich auch im Kern ihrer »inneren« Entwicklung<br />

und Gedankenwelt wi<strong>de</strong>rspiegeln.<br />

Diese sollen im Folgen<strong>de</strong>n interessieren;<br />

wo<strong>bei</strong> ich mich aus Zeitgrün<strong>de</strong>n insbeson<strong>de</strong>re<br />

auf 3 Punkte beschränken wer<strong>de</strong>:


1. Die Entwicklung einer »ternarisch«<br />

(»dialektisch«) strukturierten Denkart als<br />

Überwindung <strong>de</strong>r »Zweiwertigkeit«.<br />

(Sinn- und Wegsuche)<br />

2. Die Anwendung dieser Denkart in <strong>de</strong>n<br />

Analogbereichen »Makrokosmos« und<br />

»Mikrokosmos«. (Zielsuche)<br />

3. Die »pansophische« Zentrierung <strong>de</strong>r gewonnenen<br />

Erkenntnisse auf ein »Wesen«.<br />

(Sinn-, Weg- und Zielfindung)<br />

2. »Innerer Weg« von Paracelsus und Böhme<br />

a) Paracelsus<br />

Ausgehend von seinem Wahlspruch: »Es<br />

sei keiner eines an<strong>de</strong>rn Knecht, <strong>de</strong>r sein eigener<br />

Herr zu sein vermag!« (5) entwickelte Paracelsus<br />

eine eigene Lehre, die sich in seinen<br />

Frühwerken erst un<strong>de</strong>utlich, später <strong>de</strong>utlicher<br />

und am stringentesten in <strong>de</strong>r »Astronomia<br />

Magna o<strong>de</strong>r Philosophia sagax«<br />

(1538) zeigt.<br />

Die Grundtrinität <strong>de</strong>r Betrachtung bil<strong>de</strong>t<br />

das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r 3 Bereiche <strong>de</strong>r <strong>de</strong>nkerischen<br />

Wirklichkeit: Gott – Natur – Mensch. Sie<br />

müssen einan<strong>de</strong>r entsprechen und sich ergänzen.<br />

Demgemäß entwickelt Paracelsus 3 Philosophien:<br />

a) eine allgemeine, aus astronomischer<br />

und menschlicher Betrachtung gewonnene<br />

»philosophia communis« (o<strong>de</strong>r:<br />

gemeine Philosophie); b) eine »philosophia<br />

a<strong>de</strong>pta« (bzw. »sagax«) und letztlich<br />

c) eine »philosophia a<strong>de</strong>pta coelestis«.<br />

Die <strong>bei</strong><strong>de</strong>n ersten erhellen mit <strong>de</strong>m<br />

»Licht <strong>de</strong>r Natur« die Dinge <strong>de</strong>r Welt und<br />

<strong>de</strong>s Geistes, wo<strong>bei</strong> die Welt <strong>de</strong>s Geistes<br />

auch eines beson<strong>de</strong>ren »Licht <strong>de</strong>s Geistes«<br />

bedarf, um restlos erhellt zu wer<strong>de</strong>n. Dies<br />

ist für Paracelsus dann die höchste Form<br />

<strong>de</strong>r Erkenntnis, wo sich das »Licht <strong>de</strong>r<br />

Natur« und das »Licht <strong>de</strong>s Geistes« verbin<strong>de</strong>n.<br />

Solcherart Erkenntnis lässt die<br />

grundsätzliche Einheit von Gott – Natur<br />

(Himmel und Er<strong>de</strong>) – Mensch <strong>de</strong>utlich<br />

wer<strong>de</strong>n. So schreibt er z.B.: »Nichts ist im<br />

Himmel noch auf Er<strong>de</strong>n, das nicht im Menschen<br />

sei... Denn Gott, <strong>de</strong>r im Himmel ist, <strong>de</strong>r ist<br />

im Menschen. Denn wo ist <strong>de</strong>r Himmel als <strong>de</strong>r<br />

Mensch? – Wir sind auch Götter, darum,<br />

das wir seine kin<strong>de</strong>r sind; aber <strong>de</strong>r Vater selbst<br />

nicht...« (6)<br />

Den Ausgang seiner Erkenntnisse bil<strong>de</strong>te<br />

die Betrachtung und Erforschung <strong>de</strong>r<br />

5 »Entien« (im »Volumen medicinae Paramirum«<br />

1520).<br />

Da<strong>bei</strong> beziehen sich die ersten 3 als:<br />

- Ens astrorum (Ens astrale)<br />

- Ens veneni (Venenum = Gift)<br />

- Ens naturale (als »Mitte« <strong>de</strong>r Entien)<br />

auf <strong>de</strong>n Leib; sowie das<br />

- Ens spirituale und das<br />

- Ens Dei auf <strong>de</strong>n Geist.<br />

Interessanterweise kommt Paracelsus über<br />

diese Entien-Lehre zu einer 3 Prinzipien-<br />

Lehre, welche in <strong>de</strong>n drei (4) Traktaten <strong>de</strong>s<br />

»Opus Paramirum« (1531) entwickelt wird<br />

(han<strong>de</strong>ln über philosophia, astronomia, alchemia<br />

und die proprietas – Redlichkeit,<br />

Ethik)), die ich hier nur erwähne.<br />

Der Grundgedanke besteht darin, dass<br />

sich die 4 Elemente (Wasser, Feuer, Er<strong>de</strong>,<br />

Luft) dynamisch in 3 »Kräften <strong>de</strong>r Natur«<br />

zeigen und auflösen, welche Paracelsus –<br />

in Anlehnung an alchemistische Vorstellungen<br />

– mit<br />

- Mercurius (Quecksilber – Prinzip <strong>de</strong>r<br />

Flüchtigkeit)<br />

- Sulphur (Schwefel – Prinzip <strong>de</strong>r Brennbarkeit)<br />

und<br />

- Sal (Salz – Prinzip <strong>de</strong>r Rückständigkeit)<br />

bezeichnet.<br />

Da sich diese 3 Prinzipien in <strong>de</strong>r Welt und<br />

im Menschen, in <strong>de</strong>r Naturerkenntnis<br />

(Philosophie) und <strong>de</strong>r Astronomie (Astrologie)<br />

zeigen und fin<strong>de</strong>n lassen, ist es prinzipiell<br />

auch möglich, in <strong>de</strong>r Betrachtung<br />

<strong>de</strong>s EINEN eine Erkenntnis vom<br />

GANZEN zu haben. Mensch und Natur<br />

müssen ähnlich strukturiert sein – ebenso<br />

wie GOTT. Denn:<br />

»...diese drei machen <strong>de</strong>n ganzen menschen<br />

und sind <strong>de</strong>r mensch selbs und er ist sie; aus<br />

<strong>de</strong>nen und in <strong>de</strong>nen hat er al sein guts und böses<br />

betreffend <strong>de</strong>n physicum corpus... Darauf ist<br />

nun not, das die drei ding durch <strong>de</strong>n arzt wol<br />

sollen erkennet wer<strong>de</strong>n...« (IX,40)<br />

9


So kann <strong>de</strong>r Arzt, als wahrer A<strong>de</strong>pt, die<br />

Herstellung <strong>de</strong>r Heilmittel auch alchemisch<br />

betreiben (was wir heute Iatro-Chemie;<br />

also Arzt-Chemie heißen). Außer<strong>de</strong>m folgt<br />

aus dieser Analogie zwingend, dass in ein<br />

und <strong>de</strong>mselben Ding o<strong>de</strong>r Mittel »guts<br />

und böses« (vgl. auch VI, 246) enthalten<br />

sein muss, d.h. in je<strong>de</strong>m »corpus« und<br />

Leib muss »Gift gleich so wohl... als <strong>de</strong>r Balsam«<br />

(vgl. ebd.) enthalten sein; in je<strong>de</strong>m<br />

Arcanum (die z.T. geheimen Wirk-Mittel,<br />

z.B. Elixiere, Heilmittel etc.) fin<strong>de</strong>t sich<br />

dieses. Und so kommt er in <strong>de</strong>r »Astronomia<br />

Magna« zur Erklärung <strong>de</strong>s Wesens <strong>de</strong>r<br />

Philosophia a<strong>de</strong>pta:<br />

» ...so merkent am ersten ...das alle die<br />

irdische corpora über das, das sie von elementen<br />

haben, eine firmamentische kraft und tugent mit<br />

tragen, also wo ein elementisch corpus ist, da<br />

ist auch ein firmamentische eigenschaft, <strong>de</strong>r nun<br />

weiß, was firmamentisch ist im elementischen<br />

corpus, <strong>de</strong>r ist philosophus a<strong>de</strong>ptus ...zu gleicher<br />

weis wie ein schüler lernet von seinem schulmeister,<br />

also mag auch <strong>de</strong>r mensch lernen in<br />

a<strong>de</strong>pta philosophia durch die himmlischen<br />

praeceptores.« (XII, 97f)<br />

Erlernen und verstehen lässt sich diese<br />

Denkweise nur bis zu einem gewissen<br />

Gra<strong>de</strong>. Sie ist aber folgenreich für die Beziehungen<br />

und Analogien zwischen <strong>de</strong>m<br />

»Mikrokosmos« und <strong>de</strong>m »Makrokosmos«.<br />

Die Mikrokosmos-Makrokosmos-Lehre ist<br />

für das Verständnis von <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

<strong>de</strong>s Denkens von Paracelsus äußerst wichtig.<br />

Sie geht auf ein hermetisches Prinzip<br />

(wie oben – so unten) zurück, das im ersten<br />

Satz <strong>de</strong>r »Tabula Smaragdina«, <strong>de</strong>r – neben<br />

<strong>de</strong>m gnostischen Poiman<strong>de</strong>r – alchemistischen<br />

Grundschrift <strong>de</strong>s »Corpus Hermeticum«.<br />

Zu ihrem genaueren Verständnis<br />

muss man schon eine »Weisheit« entwickelt,<br />

erkannt und erfahren haben, um<br />

dieses Prinzip »richtig« anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

»Also weiter ist auch zu wissen, das ...philosophia<br />

a<strong>de</strong>pta...vom menschen nicht zu<br />

lernen ist...dan <strong>de</strong>n verstant kan niemants<br />

schreiben...« (XII,193f)<br />

»...philosophia a<strong>de</strong>pta, die selbig weiß alle<br />

verborgene ding, alle heimlikeit, alle arcana <strong>de</strong>r<br />

natur ... wöllen wir nun lernen und erfaren,<br />

was himlisch, was firmamentisch ist in <strong>de</strong>n<br />

10<br />

irdischen corporibus...so müssen wir das lernen<br />

von <strong>de</strong>m philosopho a<strong>de</strong>pto...« (XII,195)<br />

Letztlich gelingt es nur <strong>de</strong>m Einzelnen,<br />

<strong>de</strong>m auf Gott vertrauen<strong>de</strong>n und Gott verstehen<strong>de</strong>n<br />

A<strong>de</strong>pten, diese so gewonnene<br />

All-Weisheit (Pan-Sophie) richtig zu begreifen<br />

und im ethischen Han<strong>de</strong>ln umzusetzen.<br />

Nur <strong>de</strong>r wahre A<strong>de</strong>pt ist wahrhaft<br />

Erkennen<strong>de</strong>r! »Es erkennt niemand Gott als<br />

allein <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r von Gott ist« (XII,326)<br />

Paracelsus meint, ein solcher A<strong>de</strong>pt zu<br />

sein. Er will mit seinen Erkenntnissen die<br />

Welt, die für ihn prinzipiell erkennbar ist,<br />

verän<strong>de</strong>rn. »Denn eine jegliche stun<strong>de</strong> gibt eine<br />

neue art, damit nichts auf <strong>de</strong>r welt gleich bleibt.«<br />

(VI,370)<br />

Man nannte ihn einen »Luther <strong>de</strong>r Medizin«<br />

(was er jedoch persönlich stets für sich<br />

zurückwies). Sein Weg weist bis in die Gegenwart.<br />

Begriffe wie Holismus, Ökologie,<br />

Ethik etc. sind eng mit seinem Namen verknüpft.<br />

Wenn ihm auch die mystische Dimension<br />

fehlt, die z.B. Böhme besaß, so ist<br />

doch sein »Weg« ein richtiger – nicht <strong>de</strong>m<br />

»Ver-Lauf« von <strong>Ges</strong>chichte und Zeit geschul<strong>de</strong>t,<br />

son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r von Gott gewiesene.<br />

Die »philosophia a<strong>de</strong>pta« <strong>de</strong>s Paracelsus<br />

wur<strong>de</strong> fester Bestandteil <strong>de</strong>r »philosophia<br />

perennis«, weil sie dieser entsprach!<br />

b) Böhme<br />

Böhmes »innere« Entwicklung verlief<br />

ähnlich <strong>de</strong>rjenigen von Paracelsus, obwohl<br />

sie nicht aka<strong>de</strong>misch begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>.<br />

Böhmes Wahlspruch könnte daher eher<br />

lauten: Man muss nicht alles wissen, um<br />

ALLES zu wissen.<br />

Franckenberg berichtet über <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Umschwung folgen<strong>de</strong>rmaßen:<br />

»Unter<strong>de</strong>ssen, und nach<strong>de</strong>m er sich als<br />

ein getreuer Ar<strong>bei</strong>ter seiner eigenen Hand,<br />

im Schweiß seines Angesichts genehret, wird<br />

er ...Anno 1600...vom Göttlichen Lichte ergriffen,<br />

...durch einen...Anblick eines Zinnern<br />

Gefässes...« (7)<br />

Den 25jährigen Schuhmacher ließ diese<br />

Vision nicht mehr los. Schlagartig begriff<br />

er die Dualität in allen Dingen; <strong>bei</strong><strong>de</strong> Seiten<br />

<strong>de</strong>s Daseins; die Notwendigkeit von Leid,<br />

Bosheit, Finsternis und Disharmonie –


kurz: er begriff, dass nicht nur Güte, Liebe,<br />

Licht und Harmonie in <strong>de</strong>r von Gott geschaffenen<br />

Welt zu fin<strong>de</strong>n seien, son<strong>de</strong>rn<br />

dass es <strong>de</strong>s Zornes Gottes bedarf, um seine<br />

wirkliche <strong>Ges</strong>talt erkennen zu können.<br />

Was ihn nach seiner eigenen Aussage bis<br />

dahin bewegte, war die permanente Flucht<br />

vor <strong>de</strong>m Zorn Gottes und seine Angst<br />

vorm Dasein. Er schrieb selbst dazu später:<br />

»Ich suchte allein das Hertze Jesu Christi,<br />

mich darinnen zu verbergen vor <strong>de</strong>m grimmigen<br />

Zorn Gottes und <strong>de</strong>n Angriffen <strong>de</strong>s Teufels,...«<br />

(Sendbriefe 12,6)<br />

Das »Jammertal« Er<strong>de</strong>, in das er sich geworfen<br />

sah, machte ihm zunächst Angst.<br />

Gott allein konnte ihm helfen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r<br />

Zorn Gottes war ja nur eine Seite. Böhme<br />

versuchte also, auch die an<strong>de</strong>re Seite zu<br />

erfahren. Und er tat es!<br />

Diesen Schlüsselpunkt seiner Entwicklung<br />

beschreibt Böhme selbst im 19. Kapitel<br />

<strong>de</strong>r »Aurora«, <strong>de</strong>m sogenannten »Durchbruchkapitel«.<br />

Er bekennt dort »ganz melancholisch und<br />

hochbetrübet« zu sein ob <strong>de</strong>r Sinnlosigkeit<br />

<strong>de</strong>s Weltlaufs und ob <strong>de</strong>r Nichtigkeit <strong>de</strong>s<br />

Menschenlebens, aber diese Anfechtung<br />

besiegte ihn nicht, son<strong>de</strong>rn er »erhub« seinen<br />

»Geist... ernstlich in Gott als mit einem<br />

grossen Sturme« und stürmte »hart wi<strong>de</strong>r Gott<br />

und aller Höllen Porten... bis in die innerste<br />

Geburt <strong>de</strong>r Gottheit.... Was aber für ein Triumphiren<br />

im Geiste gewesen, kan ich nicht schreiben<br />

o<strong>de</strong>r re<strong>de</strong>n: es läst sich auch mit nichts vergleichen<br />

als nur mit <strong>de</strong>ine, wo mitten im To<strong>de</strong> das<br />

Leben geboren wird, und vergleicht sich <strong>de</strong>r<br />

Auferstehung von <strong>de</strong>n Todten.« (vgl.Aurora;<br />

19,9-12)<br />

Nach 12 Jahren <strong>de</strong>s Ringens um die innere<br />

Dimension seiner Vision brachte Böhme<br />

diese Gedanken zu »Philosophia«,<br />

»Astrologia« und »Theologia« zu Papier.<br />

Es entstand eines <strong>de</strong>r eigentümlichsten,<br />

tiefsinnigsten, ursprünglichsten und be<strong>de</strong>utendsten<br />

Werke <strong>de</strong>r Weltliteratur: »Aurora,<br />

o<strong>de</strong>r Morgen-Röte im auffgange«.<br />

Böhme versuchte darin, <strong>de</strong>n »Zeit-Geist«<br />

möglichst vollständig »einzufangen«.<br />

Das Zeitalter <strong>de</strong>r Reformation hatte doch<br />

für viele Bereiche einen be<strong>de</strong>utsamen<br />

Wan<strong>de</strong>l in vielen Anschauungen provo-<br />

ziert. Der Mensch, die Natur, <strong>de</strong>r gesamte<br />

Kosmos und schließlich auch die Vorstellungen<br />

von »Gott« wur<strong>de</strong>n »neu« ent<strong>de</strong>ckt<br />

und interpretiert. Gera<strong>de</strong> das Gezänk <strong>de</strong>r<br />

verschie<strong>de</strong>nen christlichen Konfessionen<br />

um die »rechte Lehre«, wie es von Schulgelehrten<br />

und »Meister Klüglingen« betrieben<br />

wur<strong>de</strong>, waren <strong>de</strong>m empfindsamen und<br />

sehr spirituell veranlagten Böhme zuwi<strong>de</strong>r.<br />

Schon das 1. Kapitel <strong>de</strong>r »Aurora« zeigt<br />

einen schriftstellerischen Laien, <strong>de</strong>r von<br />

sich meint, zu wissen, wie sich die Sache<br />

verhält. Er beginnt also seinen »Erstling«<br />

mit <strong>de</strong>n Worten:<br />

»Wiewol Fleisch und Blut das Göttliche<br />

Wesen nicht ergreifen kann, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Geist,<br />

wenn er von Gott erleuchtet und angezün<strong>de</strong>t<br />

wird: So man aber will von Gott re<strong>de</strong>n, was<br />

Gott sey, so muß man fleißig erwegen die Kräfte<br />

in <strong>de</strong>r Natur; darzu die gantze Schöpfung,<br />

Himmel und Er<strong>de</strong>n, sowol Sternen und Elementen,<br />

und die Creaturen, ...sowol auch die heiligen<br />

Engel, Teufel und Menschen, auch Himmel<br />

und Hölle.« (Aurora 1,1)<br />

Je<strong>de</strong>r Geist braucht (wie <strong>de</strong>r Körper) seine<br />

Nahrung. Diese geistige Nahrung suchte<br />

Böhme zunächst in Büchern und <strong>bei</strong> <strong>de</strong>n<br />

Menschen.Was er fand war – »toten Geist«,<br />

Meinungen und Worthülsen, Buchstabenwissen<br />

und... – je<strong>de</strong>nfalls nicht viel Brauchbares.<br />

Die wirklichen und ihn weitertreiben<strong>de</strong>n<br />

I<strong>de</strong>en und Gedanken schöpfte er<br />

v.a. aus <strong>de</strong>r Bibel und: aus sich selbst!<br />

Er suchte und fand letztlich seinen eigenen<br />

Weg zu Gott und in das Herz Christi.<br />

Er verwarf die Meinungen <strong>de</strong>r Schulgelehrten,<br />

die Dogmen <strong>de</strong>r Kirche und die<br />

Riten <strong>de</strong>r Sekten als unbefriedigend. Seine<br />

Gedanken kreisten stetig um <strong>de</strong>n Menschen,<br />

um sich selbst, um die Natur, <strong>de</strong>n<br />

ganzen Kosmos und um Gott sowie <strong>de</strong>ssen<br />

Sohn, Jesus Christus.<br />

Und diese Gedanken hatten es in sich!<br />

Allein mit einer dualen Sicht konnte er<br />

sich die Dinge und die Welt letztlich nicht<br />

erklären. Sein »Weg« führte ihn in <strong>de</strong>r<br />

»Aurora« zunächst zur Lehre von 7 »Quellgeistern«<br />

– die ihn schließlich später (ähnlich<br />

Paracelsus) zu einer ternarischen Sicht<br />

und (dialektischen) Denkweise führte<br />

(sogar in dreifacher Dimension –<br />

11


da 1,2,3,vier,5,6,7 zunächst erst einmal<br />

3 Ternare bil<strong>de</strong>n). Dieser eigenständige<br />

Versuch wur<strong>de</strong> die Grundlage <strong>de</strong>s »philosophischen<br />

Systems« von Böhme.<br />

Während die »Aurora« nun zwar einen<br />

großen Entwurf, aber eine weniger gute<br />

Ausführung enthielt, beginnt die eigentliche<br />

Schaffensperio<strong>de</strong>, welche bis zu seinem<br />

Tod andauern sollte, mit <strong>de</strong>m 2. Hauptwerk<br />

– »Beschreibung <strong>de</strong>r drey Principien<br />

Göttliches Wesens«.<br />

»Das ist ein Schlüssel und Alphabet aller<br />

<strong>de</strong>rer, so meine Schriften begehren zu verstehen.«<br />

– schreibt Böhme selbst dazu (Sendbrief<br />

12,67). Und weiter heißt es:<br />

»Das han<strong>de</strong>lt von <strong>de</strong>r Schöpfung. Item, von<br />

<strong>de</strong>r ewigen Geburt <strong>de</strong>r Gottheit: Von <strong>de</strong>r Busse,<br />

von <strong>de</strong>r Rechtfertigung <strong>de</strong>s Menschen, und seinem<br />

Para<strong>de</strong>is-Leben, und von <strong>de</strong>m Falle. Item:<br />

von <strong>de</strong>r neuen Geburt, und Christi Testamenten,<br />

und vom gantzen menschlichen Heil, sehr<br />

nützlich zu lesen...« (ebd.)<br />

An<strong>de</strong>rs als Paracelsus, <strong>de</strong>m es vorwiegend<br />

um reine Naturerkenntnis und <strong>de</strong>ren Nutzen<br />

für <strong>de</strong>n »Arzt« ging, wen<strong>de</strong>t Böhme<br />

diese nun gewonnene Lehre von <strong>de</strong>n 3<br />

(Grund-)Prinzipien in allen Dingen sofort<br />

auch auf transzen<strong>de</strong>nte – und nicht nur<br />

auf die in <strong>de</strong>r Natur und im Menschen<br />

immanenten – Bereiche an.<br />

Böhme hat – schneller als sein Vorgänger<br />

– diese Lehre auf ihren wesentlichen<br />

Kern verdichtet. Die zwingen<strong>de</strong> Dialektik<br />

seines Denkens machte vor keinem Gegenstand<br />

halt.<br />

Dies wird auch in seinem nächsten Werk,<br />

Vom dreyfachen Leben <strong>de</strong>s Menschen<br />

(1620), sehr <strong>de</strong>utlich.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re das Zusammenspiel und<br />

die Wechselwirkung <strong>de</strong>r drei Prinzipien<br />

wird entwickelt und von allen Seiten in<br />

verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>de</strong>r Betrachtung<br />

untersucht. Es ist <strong>de</strong>r dritte und letzte<br />

Versuch einer <strong>Ges</strong>amtschau, wo<strong>bei</strong> schon<br />

<strong>de</strong>utlich <strong>de</strong>r pansophisch-panentheistische<br />

(»Panentheismus« be<strong>de</strong>utet eine konzentrierte,<br />

zum Theismus hingewandte Form<br />

<strong>de</strong>s »Pantheismus« (»Alles ist Gott«-Lehre))<br />

Duktus <strong>de</strong>utlich wird. Böhme geht da<strong>bei</strong><br />

»von oben«, d.h. aus <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>s<br />

Wesens Gottes, aus, untersucht <strong>de</strong>ssen<br />

12<br />

Entwicklung in <strong>de</strong>r geschaffenen Natur<br />

und kommt abschließend – gewissermaßen<br />

»von unten« – zur Stellung <strong>de</strong>s Menschen<br />

innerhalb dieser Schöpfung. Auch ihm ist<br />

die analoge Betrachtung von Mikro- und<br />

Makro-Kosmos immanent.<br />

»Der Jünger sprach: Was ist...<strong>de</strong>r Leib eines<br />

Menschen? Der Meister sprach: Er ist die sichtbare<br />

Welt, und ein Bild und Wesen alles <strong>de</strong>ssen<br />

was die Welt ist;...« (Vom übersinnlichen<br />

Leben, 44)<br />

Deutlich sichtbar wird ebenfalls <strong>bei</strong><br />

diesem Aufbau, dass es ihm nicht mehr<br />

»nur« um »Theologie«, »Kosmologie« (bzw.<br />

»Astrologie«) und »Philosophie« geht, son<strong>de</strong>rn<br />

um »Theo-Sophie«, »Kosmo-Sophie«<br />

und »Anthropo-Sophie« (also <strong>de</strong>r »Weisheit«<br />

von Gott, <strong>de</strong>m Kosmos und <strong>de</strong>s<br />

Menschen)!<br />

Böhme schreibt dazu, dieses Buch<br />

(Vom dreyfachen Leben <strong>de</strong>s Menschen):<br />

»...ist ein Schlüssel von oben und unten zu<br />

allen Geheimnissen, wohin sich nur das Hertze<br />

schwingen möge. Es zeiget allen Grund <strong>de</strong>r<br />

3 Principien, und...mag fast alle Fragen, so<br />

die Vernunft ersinnen kann, darinnen grün<strong>de</strong>n;<br />

Und ist das nöthigste, so euch wol dienen<br />

möchte, ihr wür<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zanck-Bücher bald überdrüßig<br />

wer<strong>de</strong>n, so ihr dis ins Gemüthe brächtet.«<br />

(12. Sendbrief,68)<br />

In rascher Folge wagte sich nun Böhme<br />

mit seinen Spekulationen an alle nur<br />

<strong>de</strong>nkbaren Gegenstän<strong>de</strong>. Die 3 Principien<br />

und <strong>de</strong>r Grundsatz »wie oben, so unten«<br />

mussten sich überall fin<strong>de</strong>n lassen – ja<br />

selbst das »Wesen <strong>de</strong>r Wesen« (GOTT)<br />

musste so beschaffen sein. Böhme verschmolz<br />

sein Selbst zunehmend mit <strong>de</strong>n<br />

Inhalten seiner Betrachtung, die sich in<br />

<strong>de</strong>r unendlichen Vielfalt zeigten. Er begegnete<br />

dieser »ALL-EINHEIT« in seiner<br />

»ALLEIN-HEIT«, d.h. als Mystiker. So<br />

bemerkt er u.a. in <strong>de</strong>r »Rechenschaft <strong>de</strong>s<br />

Schreibers«, welche <strong>de</strong>n Schriften in <strong>de</strong>r<br />

Ausgabe von 1730 vorangestellt wur<strong>de</strong>:<br />

1.»Gott hat mir das Wissen gegeben. Nicht ich,<br />

<strong>de</strong>r ich <strong>de</strong>r Ich bin, weiß es, son<strong>de</strong>rn Gott weiß<br />

es in mir. ...So lei<strong>de</strong> ich nun und will nichts<br />

wissen, <strong>de</strong>r ich <strong>de</strong>r Ich bin, als ein Theil von <strong>de</strong>r<br />

äussern Welt, auf daß Er in mir wisse/was Er


wolle; ich bin nicht die Gebärerin im Wissen,<br />

son<strong>de</strong>rn mein Geist ist sein Weib, in <strong>de</strong>r Er das<br />

Wissen gebieret, nach <strong>de</strong>m Maß als Er will;<br />

...So Er nun gebieret, so thue nicht ichs, son<strong>de</strong>rn<br />

Er in mir; ich bin als todt im Gebären <strong>de</strong>r hohen<br />

Wissenheit, und Er ist mein Leben. Habe ich es<br />

doch we<strong>de</strong>r gesuchet noch gelernet. Er neiget sich<br />

zu meiner Ichheit, und meine Ichheit neiget sich<br />

in Ihn. ...ich lebe in Gott und Gott in mir,...<br />

4. ...ich, <strong>de</strong>r ich <strong>de</strong>r Ich bin, ...vermeinte, ich<br />

schrieb allein mir,... ist es nicht eure Gabe zu<br />

verstehen, so laßt mirs stehen; <strong>de</strong>nn ich verstehe<br />

es wohl, was ich geschrieben habe. ...<br />

6. Merket es doch, und wer<strong>de</strong>t sehen<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r<br />

Tag bricht an! Wer<strong>de</strong>t ihr meine Schriften lernen<br />

recht verstehen, so wer<strong>de</strong>t ihr von allem Zancke<br />

erlöset, und euch selber kennen lernen. Jedoch<br />

vermag es nicht eben <strong>de</strong>r Buchstabe, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />

lebendige Geist Christi allein. Der Weg ist euch<br />

treulich gewiesen. Nun thut, was ihr wollet:...<br />

9. Ich habe keine neue Lehre, son<strong>de</strong>rn nur die<br />

alte, welche in <strong>de</strong>r Bibel und im Reiche <strong>de</strong>r<br />

Natur zu fin<strong>de</strong>n ist; ich habe nur geschrieben,<br />

was die Natur und <strong>de</strong>r Mensch sey.«<br />

Paracelsus und Böhme waren zwei Menschen,<br />

welche in unterschiedlichen Zeiten<br />

und unterschiedlichen Räumen lebten.<br />

Bei<strong>de</strong> suchten »ihren«Weg <strong>de</strong>r Erkenntnis –<br />

ohne sich von gelten<strong>de</strong>r Autorität abhängig<br />

zu machen o<strong>de</strong>r sich dieser zu unterwerfen.<br />

Sie betrachteten die Natur, <strong>de</strong>n Menschen<br />

und Gott da<strong>bei</strong> sehr genau. Sie fan<strong>de</strong>n eine<br />

ungeheure Vielfalt <strong>de</strong>r Erscheinungen –<br />

sahen aber gleichzeitig das »Wesen« <strong>de</strong>r<br />

Dinge in ihrer Einheit. Sie überwan<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>n Geist und die Geißel <strong>de</strong>s abendländischen<br />

Denkens: das aristotelische Diktum<br />

<strong>de</strong>s Satzes vom ausgeschlossenen Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

(als Dritten). Sie fan<strong>de</strong>n durch die<br />

wi<strong>de</strong>rsprüchliche Vielheit und Zweiheit<br />

<strong>de</strong>n Weg zur ternarischen Einheit. (Sie<br />

zählten bis drei – was heute noch kein<br />

Computer vermag!) Bei<strong>de</strong> mussten für<br />

diese Erkenntnis zu Lebzeiten überdurchschnittlich<br />

lei<strong>de</strong>n und wur<strong>de</strong>n über ihren<br />

Tod hinaus bekämpft – eben weil ihr Denken<br />

stärker war, als das vieler ihrer Zeitge-<br />

3. Schlussfolgerungen und ihre Aktualität<br />

Und an<strong>de</strong>rswo heißt es: »Alles, was von<br />

Gott gere<strong>de</strong>t, geschrieben o<strong>de</strong>r gelehret wird,<br />

ohne die Erkentnis <strong>de</strong>r Signatur, das ist stumm<br />

und ohne Verstand, dann es kommt nur aus<br />

einem historischen Wahn,...daran <strong>de</strong>r Geist<br />

ohne Erkentniß stumm ist.« (Sign. 1,1)<br />

bzw.:<br />

»Klärer zu mel<strong>de</strong>n, ist nicht mein Fürhaben,<br />

es ist klar genung. Wer nicht will einen neuen in<br />

Gott gebornen Menschen dadurch suchen, und<br />

sich selber darzu machen, <strong>de</strong>r lasse meine Schriften<br />

mit frie<strong>de</strong>n.« (Signatura rerum 12,37)<br />

Böhmes Anspruch gipfelt in einer mystischen<br />

Ethik. Die Erkenntnisse sollen »zu«<br />

Gott führen und ein Han<strong>de</strong>ln »aus« Gott<br />

bewirken. Keinesfalls sollte man meinen,<br />

in bloß menschlicher und zeitlicher Erkenntnis<br />

<strong>de</strong>r »äußeren« Welt <strong>de</strong>n rechten<br />

Weg zu fin<strong>de</strong>n. Alle »<strong>Ges</strong>chichte« reduziert<br />

sich letztlich auf einen »historischen Wahn«.<br />

Alle Zeit hingegen strebt nach Ewigkeit<br />

in <strong>de</strong>r Unendlichkeit Gottes, alle Schöpfung<br />

nach »Wie<strong>de</strong>rgeburt« und Vere<strong>de</strong>lung.<br />

Böhme selbst wur<strong>de</strong> auf seinem »Weg« wesentlich.<br />

Und Wesenhaftes ist Bleiben<strong>de</strong>s.<br />

nossen. Sie dachten nicht i<strong>de</strong>ntisch, aber<br />

sie grün<strong>de</strong>ten ihre Gedanken letztlich auf<br />

die Weisheit Gottes.<br />

Nicht alle ihre Schlussfolgerungen waren<br />

gleich. Bei Paracelsus z.B. gibt es nur<br />

EINEN Ursprung <strong>de</strong>r Welt und ihrer <strong>Ges</strong>chichte<br />

sowie nur EIN Ziel: »Die Sterne<br />

zergehen nur einmal und kommen nimmer<br />

wie<strong>de</strong>r, das ist im End <strong>de</strong>r Welt.« (XIII,132)<br />

Für ihn treibt alles zur Offenbarung –<br />

irgendwann gibt es kein Mysterium<br />

Magnum mehr, wie z.B. für Böhme (dieser<br />

hat als Mystiker die I<strong>de</strong>ntität von »Ursprung«<br />

und »Ziel« erfahren). Aber schließlich<br />

sind die »letzten Dinge« so fern in<br />

<strong>de</strong>r <strong>Ges</strong>chichte, dass diese selbst »Zeit-los«<br />

wird. Und da – nämlich in <strong>de</strong>r Unendlichkeit<br />

Gottes (die Böhme stärker als Paracelsus<br />

artikuliert) – treffen sich ihre Spekulationen<br />

wie<strong>de</strong>r.<br />

Wichtig waren und bleiben jedoch für<br />

<strong>bei</strong><strong>de</strong> folgen<strong>de</strong> Erfor<strong>de</strong>rnisse:<br />

13


• Schau auf alle Dinge in ihrer <strong>Ges</strong>amtheit<br />

(holistische Weltanschauung);<br />

• Erforsche die Natur und <strong>de</strong>n Menschen<br />

als analoge Schöpfungen Gottes nicht<br />

mit <strong>de</strong>r Ansicht einer beson<strong>de</strong>ren Auszeichnung<br />

und Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s einen<br />

gegenüber <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren (Ökologiegedanke);<br />

• Bestimme vor <strong>de</strong>m Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>n Zweck<br />

und überprüfe diesen mit <strong>de</strong>m Willen<br />

Gottes (mystische Ethik).<br />

Und so seien abschließend <strong>bei</strong><strong>de</strong> Denker<br />

in ihrem Beitrag zur »philosophia perennis«<br />

gewürdigt mit ihren eigenen Worten.<br />

Paracelsus schrieb tapfer: »Was ist aber das<br />

<strong>de</strong>n medicus reut? Nichts; dann er hat sein tag<br />

volbracht mit <strong>de</strong>n arcanis und hat in got und<br />

14<br />

in <strong>de</strong>r natur gelebt als ein gewaltiger Meister <strong>de</strong>s<br />

irdischen liechts.« (VIII,321)<br />

Und Böhme sagt:<br />

»Unser Gantzes Schreiben und Lehren langet<br />

nur dahin, wie wir uns müssen selber suchen,<br />

machen und endlich fin<strong>de</strong>n; ...daß wir ein<br />

Geist mit Gott sind, daß Gott in uns sey, und<br />

wir in Gott...« (Menschwerdung II; 10,7)<br />

In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass<br />

noch viele Einzelne ihren Weg suchen und<br />

fin<strong>de</strong>n.<br />

Paracelsus und Böhme waren und sind<br />

da<strong>bei</strong> Weg-Weise(r) – nicht jedoch <strong>de</strong>r Weg<br />

selbst.<br />

Den Schatz ihrer Erfahrungen muss je<strong>de</strong>r<br />

Einzelne für sich ent<strong>de</strong>cken, <strong>de</strong>uten und<br />

heben.<br />

Vortrag am 6.September 2000 im Deutschen Hygiene-Museum Dres<strong>de</strong>n<br />

Dr. Andreas Gauger · Joachimstraße 12B · D-10119 Berlin · Telefon 030/281 32 18<br />

ANMERKUNGEN UND LITERATURHINWEISE<br />

*) Zitate <strong>de</strong>s Paracelsus im Text erfolgen – wenn nicht<br />

an<strong>de</strong>rs angegeben – nach: Karl Sudhoff (Hrsg.):<br />

Paracelsus. Sämtliche Werke; 1.Abteilung,<br />

Band 1-14; München, Berlin 1922-33;<br />

angegeben sind Bandnummer und Seite<br />

Zitate aus Böhme erfolgen im Text nach:<br />

J.Böhme. Sämtliche Schriften; Faksimile-Neudruck<br />

<strong>de</strong>r Ausgabe von 1730 in 11 Bän<strong>de</strong>n;<br />

neu hrsg. von W.-E.Peuckert; Stuttgart-Bad Cannstatt<br />

1955-61; angegeben sind Titel, Kapitel, Absatz<br />

Anmerkungen im Text:<br />

1. vgl.: Zur Frie<strong>de</strong>nsi<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Reformationszeit;<br />

Texte von Erasmus, Paracelsus, Franck;<br />

Hrsg. von S.Wollgast; Berlin 1968; S. 62<br />

2. V.Andreae: Christianopolis (verschie<strong>de</strong>ne<br />

Ausgaben, z.B. Stuttgart 1975); Kap. 60<br />

3. Abraham von Franckenberg: Gründlicher und<br />

wahrhafter Bericht...; 1651; in: J. Böhme:<br />

Sämtliche Schriften; Bd.10; 2; S. 6f<br />

4. Gregor Richter: Judicium; in J. Böhme:<br />

Schutz-Re<strong>de</strong> gegen G.Richter;<br />

in: Böhme, SS; Bd.5; 2,10, 29,71,72<br />

5. E.Kaiser: Paracelsus mit Selbstzeugnissen und<br />

Bilddokumenten, Reinbek 1969, S. 44<br />

6. vgl. Paracelsus: Vom Licht <strong>de</strong>r Natur und <strong>de</strong>s<br />

Geistes. Eine Auswahl. Hrsg. Von K. Goldammer;<br />

1984, S.153f (dort Angaben zur Primärquelle)<br />

7. Abraham von Franckenberg: Gründlicher und<br />

wahrhafter Bericht...,1651; in:<br />

J. Böhme: Sämtliche Schriften; Bd. 10; Abs. 11<br />

Literaturangaben zu Paracelsus siehe v.a. <strong>bei</strong><br />

Ernst Kaiser (wie Anm.: 5); S.142-156 sowie<br />

Heinrich Schipperges: Paracelsus heute;<br />

Frankfurt/Main 1994 (Knecht); S.168-175<br />

Literatur zu Böhme v.a. in: Gerhard Wehr:<br />

J.Böhme mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten;<br />

Reinbek 1971; S.145-154 sowie<br />

Andreas Gauger: Jakob Böhme und das Wesen seiner<br />

Mystik; Berlin 1999; S. 259-281<br />

Andreas Gauger, Dr.phil., geb. am 25.09.1960 in<br />

Görlitz. Nach Abitur und Wehrdienst von 1982-1985<br />

Studium <strong>de</strong>r Mathematik, Physik und Pädagogik an<br />

<strong>de</strong>r TH Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Abbruch aus<br />

gesundheitlichen Grün<strong>de</strong>n; Mitar<strong>bei</strong>ter Kultur in<br />

Görlitz; 1986-1989: Studium <strong>de</strong>r Philosophie (zzgl.<br />

<strong>Ges</strong>chichte und ev. Theologie) an <strong>de</strong>r Martin-Luther-<br />

Universität Halle-Wittenberg; Exmatrikulation aus<br />

politischen Grün<strong>de</strong>n (im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n<br />

Ereignissen in China) und Produktionsbewährung;<br />

dann Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>bei</strong>m Stadtkabinett für Kulturar<strong>bei</strong>t<br />

in Görlitz; 1990/91: Reimmatrikulation als Stu<strong>de</strong>nt<br />

an <strong>de</strong>r MLU Halle-Wittenberg; vorzeitiger Abschluss<br />

als Diplomphilosoph; 1991-1994: Stipendiat <strong>de</strong>r<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn (Grund- und Graduiertenför<strong>de</strong>rung)<br />

und Promotionsstu<strong>de</strong>nt an <strong>de</strong>r<br />

TU Dres<strong>de</strong>n; 1994/95: Projektleiter <strong>bei</strong>m Aufbaustab<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>smuseums Schlesien e.V. zu Görlitz; 1995:<br />

Promotion an <strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n; danach ar<strong>bei</strong>tslos,<br />

freie Tätigkeiten und Studien im In- und Ausland<br />

(Coaching, Projekthilfe, EDV-Jobs; Fortbildung zum<br />

Marketing- und Vertriebsassistenten für Buchhan<strong>de</strong>l<br />

und Verlage in Berlin; z.T. längere Aufenthalte u.a.<br />

in Israel, Südostasien und Lateinamerika); seit En<strong>de</strong><br />

1999 wissenschaflicher Projektleiter für die Oberlausitzische<br />

<strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>r Wissenschaften zu<br />

Görlitz e.V. im Rahmen <strong>de</strong>r Jacob-Böhme-Ehrung<br />

<strong>de</strong>r Stadt Görlitz.


Harald Knauss<br />

DIE 7 KÜNSTE DES PARACELSUS -<br />

I<strong>de</strong>en einer mo<strong>de</strong>rnen, ganzheitlichen Schulung <strong>de</strong>s Menschen<br />

»Wir sollen mehr suchen und lernen, als<br />

uns die Schule und <strong>de</strong>r Schulbrauch gibt«(1).<br />

Dieses Motto von Paracelsus, <strong>de</strong>r ja sein<br />

ganzes Leben lang von unermüdlichem<br />

Forschergeist durchdrungen war, möchte<br />

ich meinem heutigen Vortrag voranstellen.<br />

Ich möchte versuchen, dass Paracelsus<br />

einmal seinen Sockel als <strong>Ges</strong>chichtsfigur<br />

verlässt und unter Ihnen als Zuhörer lebendig<br />

wird. Wenn wir von großen Menschen<br />

vergangener Tage sprechen, dann fallen<br />

wir ja gerne in die Rolle <strong>de</strong>s aktuellen<br />

Menschen, für <strong>de</strong>n jene »geschichtlichen«<br />

Menschen Stufen o<strong>de</strong>r Vorbereitung für<br />

unsere heutige Zeit waren, <strong>de</strong>ren Leistung<br />

erkannt und manchmal auch anerkannt<br />

wird. Aber letztendlich ist es für uns Vergangenheit,<br />

überholt und überwun<strong>de</strong>n.<br />

Lesen wir heute über Paracelsus, so wer<strong>de</strong>n<br />

wir über ihn in <strong>de</strong>n Lexika loben<strong>de</strong> Erwähnungen<br />

fin<strong>de</strong>n als Vorbereiter einer pharmakologisch<br />

chemischen Medizin, als<br />

Vorreiter mo<strong>de</strong>rner Diagnostik usw.. Alles<br />

richtig! Wir sollten aber be<strong>de</strong>nken, dass es<br />

gleichzeitig zu einer linearen, materiellen<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r menschlichen <strong>Ges</strong>chichte<br />

auch eine innere, zyklische Entwicklung<br />

gibt. Wir entwickeln uns äußerlich weiter<br />

und sind doch als Individuum in je<strong>de</strong>m<br />

Augenblick innerlich vollkommen. Dies ist<br />

das Paradoxon <strong>de</strong>s menschlichen Lebens<br />

und gleichzeitig <strong>de</strong>r Ausgangspunkt jeglicher<br />

spirituellen o<strong>de</strong>r esoterischen Lehre.<br />

Wenn ein Mensch eine große innere Erkenntnis<br />

über das Wesen dieser Dualität in<br />

seinem Leben erreicht, eine Integration erreicht,<br />

dann sprechen wir von einem weisen<br />

Menschen. Ein solcher war Paracelsus.<br />

Die wesentliche, seelische, innere Welt blieb<br />

stets die gleiche, durch alle Jahrtausen<strong>de</strong>,<br />

ansonsten könnten wir nicht die uralten<br />

heiligen Schriften o<strong>de</strong>r Schriften von<br />

Paracelsus heute noch als unübertroffene,<br />

aktuelle Lebensweisheit empfin<strong>de</strong>n.<br />

Die inneren Themen wie Liebe, Glauben,<br />

Leben, Tod, Sinn, Kreativität usw. bleiben<br />

<strong>bei</strong> allem Wan<strong>de</strong>l für die Menschen stets<br />

dieselben, während die materiellen Gegebenheiten<br />

und wissenschaftlichen Kenntnisse<br />

kommen und gehen, stetig durch<br />

Neues und An<strong>de</strong>res überholt wer<strong>de</strong>n. Der<br />

Mittelalter-Mensch hat genauso geliebt,<br />

gefühlt o<strong>de</strong>r gelitten, seinen Lebenskampf<br />

gefochten und nach Lebenssinn gesucht,<br />

wie wir es heute auch tun. Er ist vielleicht<br />

zu Pfer<strong>de</strong> geritten, wir sitzen heute im<br />

Flugzeug. Die äußere Welt ist eine vollkommen<br />

an<strong>de</strong>re und doch sind es <strong>bei</strong><strong>de</strong>s<br />

dieselben Menschen, mit <strong>de</strong>nselben<br />

Sehnsüchten und Wünschen. Paracelsus<br />

war sich dieser Dualität in <strong>de</strong>r menschlichen<br />

Welt sehr stark bewusst und sein<br />

ganzes Streben zielte darauf ab, diese Kluft<br />

zu schließen. Er gehörte zu jenen großen<br />

Menschen, die für eine Verbindung <strong>de</strong>r<br />

inneren Weisheit mit <strong>de</strong>r äußeren Wirklichkeit<br />

gekämpft haben. Dies macht ihn für<br />

uns heute so überaus lebendig und brandaktuell.<br />

Er for<strong>de</strong>rte äußere Bildung, also<br />

das Lernen und Wissen, gleichzeitig aber<br />

auch eine innere Bildung.<br />

Als ich mich für diesen Vortrag in das<br />

Leben <strong>de</strong>s Paracelsus eingelesen habe,<br />

wur<strong>de</strong> mir <strong>de</strong>r Zwiespalt seiner Zeit wie<strong>de</strong>r<br />

einmal so recht <strong>de</strong>utlich und wie ähnlich<br />

ihre Problematik <strong>de</strong>r unserer heutigen Zeit<br />

15


ist. Es begann in jener Zeit mit Kopernikus<br />

<strong>de</strong>r glänzen<strong>de</strong> Aufstieg <strong>de</strong>r Naturwissenschaften.<br />

Gleichzeitig war aber das alte spirituelle<br />

Weltverständnis noch stark verankert.<br />

Die alten Lehren sahen sich plötzlich<br />

einer großen Herausfor<strong>de</strong>rung gegenüber,<br />

nämlich sich beweisen und behaupten zu<br />

müssen. Und so begann damals, was bis<br />

heute krampfhaft andauert. Je<strong>de</strong> Erfahrung<br />

und Erkenntnis, die auf an<strong>de</strong>ren Prämissen<br />

beruht als auf naturwissenschaftlichen, rationalen<br />

Vorlagen, muss sich experimentell<br />

und seriell beweisen. Dies ist schlichtweg<br />

aber unmöglich, <strong>de</strong>nn je<strong>de</strong> innere Erfahrung<br />

unterliegt gänzlich an<strong>de</strong>ren <strong>Ges</strong>etzen<br />

als die <strong>de</strong>r äußeren Welt. Wie sagte <strong>de</strong>r<br />

Astronaut Armstrong nach <strong>de</strong>r Mondlandung:<br />

»Wir waren da oben, haben Gott<br />

aber dort nicht gefun<strong>de</strong>n«. Innere und<br />

äußere Welt sind verschie<strong>de</strong>ne Wirklichkeitsebenen.<br />

Wer Gott auf einem entfernten<br />

Planeten sucht, liegt total daneben.<br />

Paracelsus war diese Kluft schon ganz klar<br />

und sein Bestreben war, <strong>bei</strong><strong>de</strong> Seiten als<br />

wichtige Pfeiler menschlicher Erkenntnis<br />

zu vereinen. Und dies macht ihn für uns<br />

heute so hochaktuell in einer Zeit, in <strong>de</strong>r<br />

<strong>bei</strong><strong>de</strong> Wirklichkeiten immer weiter auseinan<strong>de</strong>rdriften.<br />

Der sich unglaublich rasant<br />

und verselbstständigen<strong>de</strong>n Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r Technik steht eine immer größere Verunsicherung,<br />

ja innere Leere und Sinnlosigkeit<br />

im einzelnen Menschen gegenüber.<br />

Paracelsus war auch einer, <strong>de</strong>r nach Fortschritt<br />

rief, aber ihm war <strong>de</strong>r Mensch als<br />

seelisches Wesen, als Individuum, hinter<br />

<strong>de</strong>n Dingen wichtig. Er war nicht bestrebt,<br />

eine vom Menschen abgekoppelte Wissenschaft<br />

und Wirtschaft zu unterstützen.<br />

Wir wür<strong>de</strong>n heute sagen, er war Wissenschaftler<br />

und Esoteriker in einem. Er wollte<br />

keine Chemie, son<strong>de</strong>rn er war ein überzeugter<br />

Anhänger <strong>de</strong>r Al-Chemie. Die Alchemie<br />

braucht <strong>de</strong>n Menschen. Denn in-<br />

16<br />

<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Mensch sich als Alchemist <strong>de</strong>m<br />

Werk, <strong>de</strong>r Produktion sozusagen, hingibt,<br />

sich selbst einbringt, verwan<strong>de</strong>lt und entwickelt<br />

er sich <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r Herstellung <strong>de</strong>s<br />

Produktes gleichsam selbst. Der Arzt, <strong>de</strong>r<br />

im Prozess <strong>de</strong>r Entstehung eines Heilmittels<br />

da<strong>bei</strong> ist, wird einen an<strong>de</strong>ren Bezug<br />

zur Heilkraft haben, als jener, <strong>de</strong>r aus vorgefertigten<br />

Dosen die Pillen entnimmt.<br />

Paracelsus wollte <strong>de</strong>n magischen Menschen,<br />

<strong>de</strong>r die Wesenskräfte <strong>de</strong>r Natur erkennt<br />

und im Einklang mit ihnen ar<strong>bei</strong>tet.<br />

In diesem Sinne sind die I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>s Paracelsus<br />

über die inneren, geheimen Wissenschaften<br />

das I<strong>de</strong>al jeglicher menschlichen<br />

Ar<strong>bei</strong>t. Material und Mensch, Materie und<br />

Sinnhaftigkeit kommen zusammen. Es<br />

entsteht materielles Gold durch <strong>de</strong>n alchemistischen<br />

Prozess und gleichzeitig erreicht<br />

<strong>de</strong>r Alchemist eine seelische Verwandlung,<br />

eine Erleuchtung. Bei<strong>de</strong> Teile sind wichtig<br />

da<strong>bei</strong>, die Materie und die Seele, bis sie<br />

sich zum Schluss gegenseitig selbst aufheben,<br />

<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Erleuchtete braucht das<br />

Gold nicht mehr. Je<strong>de</strong>r Ar<strong>bei</strong>tsminister<br />

heute wäre froh, ein solches Patentrezept<br />

gegen die Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Paracelsus war ein ganzheitlicher Denker,<br />

aber auch das, was man heute als Quer<strong>de</strong>nker<br />

bezeichnet. Und er war äußerst<br />

unbequem. Er nahm kein Blatt vor <strong>de</strong>n<br />

Mund, re<strong>de</strong>te Dinge nicht schön im Rahmen<br />

einer Karriereplanung, war nicht zu<br />

faulen Kompromissen zu bewegen, also<br />

alles Eigenschaften, die konservative Kreise<br />

nicht gera<strong>de</strong> ruhig schlafen lassen. So bot<br />

er ein i<strong>de</strong>ales Angriffsziel und war zeitlebens<br />

ein Verfolgter.<br />

Auch heute noch fin<strong>de</strong>n Ärzte und<br />

Wissenschaftler eine fast inquisitorische<br />

Verfolgung, wenn sie es wagen, etwas gegen<br />

die vorherrschen<strong>de</strong> naturwissenschaftliche<br />

Auffassung zu vertreten. Die Metho<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Verfolgung sind auch heute noch ähn-


lich, bestehen in öffentlicher Diskreditierung,<br />

Missachtung, Verleumdung und beruflichem<br />

Aus. Paracelsus wollte eine Erneuerung<br />

<strong>de</strong>r Medizin, die er in schonungslosen,<br />

starken Worten for<strong>de</strong>rte. Diese Seite<br />

<strong>de</strong>s Paracelsus hebt <strong>de</strong>nn auch die heutige<br />

Naturwissenschaft stets heraus, wenn sie<br />

etwas Positives an ihm fin<strong>de</strong>n möchte.<br />

Gleichzeitig tat Paracelsus aber etwas anscheinend<br />

völlig Konträres, ja gera<strong>de</strong>zu<br />

Unverzeihliches, <strong>de</strong>nn gleichzeitig vertrat<br />

er eine magische Weltsicht. In dieser Hinsicht<br />

war er scheinbar gera<strong>de</strong>zu altmodisch,<br />

ja rückwärts orientiert, rückwärts ins Zeitalter<br />

<strong>de</strong>s Aberglaubens. Manche Biographen<br />

haben Paracelsus aus dieser seiner Haltung<br />

heraus ganz drastisch als Scharlatan o<strong>de</strong>r<br />

Autodidakten bezeichnet. Auch heute noch<br />

teilen sich die Lager. In dieser Kontroverse<br />

geht es nicht mehr um Paracelsus als Person<br />

allein, son<strong>de</strong>rn Paracelsus wird zum Symbol<br />

einer Lebenssicht und Lebenshaltung.<br />

Auf alle wesentlichen Fragen <strong>de</strong>s Lebens:<br />

Was ist eigentlich Leben? Wo kommt <strong>de</strong>r<br />

Mensch her und wo geht er hin? Was ist<br />

Heilung? Was ist das Wesentliche, das Ursächliche<br />

im Leben eines Menschen? Aus<br />

welcher Quelle kommt die Weisheit? Wie<br />

entsteht Inspiration?, kann nach Paracelsus<br />

die materielle Wissenschaft keine Antworten<br />

geben, <strong>de</strong>nn sie behan<strong>de</strong>lt Fragen <strong>de</strong>s<br />

Corpus, <strong>de</strong>r irdischen Materie, die <strong>de</strong>r Beschränkung<br />

und Vergänglichkeit unterliegt.<br />

Ganz in <strong>de</strong>r hermetischen Tradition geht<br />

Paracelsus von <strong>de</strong>r Zweiheit <strong>de</strong>s Menschen<br />

aus, nämlich <strong>de</strong>m äußeren, sichtbaren Körper<br />

und <strong>de</strong>m inneren, unsichtbaren Körper.<br />

In seinem VIII.Buch schreibt er:<br />

»Dem unsterblichen Körper <strong>de</strong>s Menschen<br />

hat Gott die Vernunft, die Sinne, die<br />

Weisheit, die Lehre, die Kunst, das Wesen<br />

etc. und alles gegeben, was über die Sterblichkeit<br />

ist. Der Mensch hat seine Hoheit<br />

und Weisheit nicht vom äußeren Körper.<br />

Denn alle Weisheit und Vernunft, die <strong>de</strong>r<br />

Mensch gebraucht, ist mit <strong>de</strong>m Körper als<br />

innerer Mensch ewig. So kann <strong>de</strong>r Mensch<br />

leben und nicht als äußerer. Denn <strong>de</strong>r innere<br />

Mensch ist ewig klarifiziert und wahrhaftig«<br />

(2).<br />

»Denn im Corpus ist <strong>de</strong>r Tod, ist auch<br />

<strong>de</strong>s Tods subiectum, und ist in ihm an<strong>de</strong>rs<br />

nichts we<strong>de</strong>r zu suchen noch zu fin<strong>de</strong>n,<br />

als <strong>de</strong>r Tod: Denn es mag zerstört wer<strong>de</strong>n<br />

in gar mancherlei Weg: Der spiritus aber<br />

nit, er bleibt allwegen ein Geist, und lebendig,<br />

ist auch <strong>de</strong>s Lebens subiectum, erhält<br />

auch sein eigen Corpus lebendig. Aber in<br />

<strong>de</strong>r Zerstörung <strong>de</strong>s Cörpers wird er davon<br />

abgeson<strong>de</strong>rt und geschei<strong>de</strong>n, und lasset<br />

<strong>de</strong>n Corpus tot liegen, und gehet wie<strong>de</strong>rumb<br />

dahin an <strong>de</strong>n Ort, von dannen es her<br />

ist kommen« (3).<br />

Paracelsus betrachtet also <strong>de</strong>n äußeren<br />

physischen Körper, <strong>de</strong>r endlich und begrenzt<br />

ist, gleichzeitig aber auch <strong>de</strong>n inwendigen<br />

Körper, <strong>de</strong>n Lichtkörper, <strong>de</strong>r<br />

ewig und unbegrenzt ist. Er schreibt »Es<br />

ist das Körperliche, das er hat, zu beachten,<br />

aber auch das Ewige, das er hat« (4).<br />

Für ihn ist die Seele ein Gast <strong>de</strong>s Körpers<br />

ähnlich <strong>de</strong>r östlichen Philosophie, die <strong>de</strong>n<br />

Körper als »Fahrzeug <strong>de</strong>r Seele« beschreibt.<br />

Der Lichtkörper, <strong>de</strong>r feinstoffliche Körper<br />

ist für ihn stets vollkommen, auch wenn in<br />

<strong>de</strong>r physischen Körperhülle ein Teil fehlen<br />

sollte. Es ist das innere, kosmische Wissen,<br />

Paracelsus bezeichnet dies als »Vernunft«,<br />

das von <strong>de</strong>r Geburt an im Menschen vorhan<strong>de</strong>n<br />

ist. Alles Wissen über die physische<br />

Welt, also auch die technischen Fertigkeiten<br />

usw., bezeichnet er als »Verstand«<br />

und kann erlernt wer<strong>de</strong>n. Aus diesem Gedanken<br />

heraus entsteht seine Vorstellung<br />

von Erziehung und Ausbildung.<br />

»Ihr sollet euch merken, daß ein Kind<br />

keine Erziehung zur Vernunft braucht,<br />

<strong>de</strong>nn sie wird ihm nicht gegeben. Nur<br />

17


zum Verstand soll es erzogen wer<strong>de</strong>n, die<br />

Vernunft hat es selbst« (5).<br />

Alles liegt nach Paracelsus eigentlich<br />

schon im Menschen bereitet, aber es<br />

braucht <strong>de</strong>n Verstand, damit <strong>de</strong>r Mensch<br />

»weiß«. Paracelsus hat in dieser Hinsicht<br />

schon die Probleme <strong>de</strong>r kommen<strong>de</strong>n<br />

Zeiten, das Auseinan<strong>de</strong>rdriften zwischen<br />

analytischem und synthetischem Denken<br />

vorhergesehen und genial erkannt, dass<br />

es <strong>bei</strong><strong>de</strong> Seiten braucht, um wirkliche Erkenntnis<br />

zu gewinnen. Heute formulieren<br />

wir dieses Thema eher als Problem zwischen<br />

<strong>de</strong>r unterschiedlichen Erfahrungswirklichkeit<br />

unserer linken, analytischen Gehirnhälfte<br />

und rechten, kreativen Gehirnhälfte,<br />

wo<strong>bei</strong> unser Ausbildungssystem eine Dominanz<br />

<strong>de</strong>r analytischen Gehirnhälfte för<strong>de</strong>rt.<br />

Paracelsus schreibt in seinem VI.Buch<br />

über das Fundament <strong>de</strong>r Weisheit:<br />

»Also liegen da auch im Menschen alle<br />

Handwerke, alle Künste, aber nicht alle<br />

sind offenbar. –<br />

Das Lernen vom Menschen ist kein Lernen,<br />

es ist vorher im Menschen, es ist nur<br />

ein Erwecken und Ermahnen.–<br />

Darum hat ein Kind alle Möglichkeiten<br />

in sich. Wie du es erweckst, so hast du es.<br />

Erweckst du es mit einem Schuster, so wird<br />

er ein Schuster, erweckst du es mit einem<br />

Steinmetzen, so wird es ein Steinmetz... .<br />

Darum wird es so, weil alle Dinge in ihm<br />

sind. Was du in ihm weckst, das kommt<br />

hervor, die an<strong>de</strong>ren bleiben schlafend,<br />

wür<strong>de</strong>n sie nicht schon mit <strong>de</strong>m Fleisch<br />

und Blut geboren, nimmer wür<strong>de</strong>st du in<br />

sie bringen, was du kannst« (6).<br />

Und ganz typisch für das ganzheitliche,<br />

erhabene Denken <strong>de</strong>s Paracelsus und für<br />

die Beschei<strong>de</strong>nheit, die nur einem großen<br />

Geist entspringt, ist sozusagen die »Moral«,<br />

die er aus dieser Erkenntnis zieht.<br />

»Darum bist du mit ihnen ein Schüler.<br />

Du weckst die Schüler und sie auch dich,<br />

18<br />

das heißt ein an<strong>de</strong>rer kann dich lehren und<br />

auch in einem an<strong>de</strong>ren erwecken, was in dir<br />

schläft, ebensowohl wie in <strong>de</strong>n Schülern<br />

und Kin<strong>de</strong>rn« (7).<br />

Und hier nähern wir uns nun <strong>de</strong>m<br />

Thema meines heutigen Vortrages. Paracelsus<br />

stellt aufgrund seines Wissens um die<br />

körperliche und spirituelle Wirklichkeit<br />

<strong>de</strong>s Menschen <strong>de</strong>n Grundsatz auf, dass<br />

je<strong>de</strong>r Mensch innerlich ein vollkommenes<br />

Wissen besitzt. Das innere Wissen können<br />

wir mit <strong>de</strong>r Festplatte und <strong>de</strong>n Programmen<br />

eines Computers vergleichen, <strong>de</strong>r Verstand<br />

ist sozusagen die Maus, die diese Programme<br />

aktivieren und sichtbar machen<br />

kann. Das Problem entsteht dann, wenn<br />

sich die Maus sozusagen verselbstständigt,<br />

sprich wenn <strong>de</strong>r Mensch nur noch in die<br />

äußere Welt hört. Sobald die äußeren<br />

Sinne das wahrnehmen und umsetzen,<br />

was von innen kommt, wird <strong>de</strong>r Mensch<br />

weise.<br />

»Hab acht auf <strong>de</strong>inen inwendigen Garten.<br />

Denn je<strong>de</strong>r innere Mensch ist beschaffen,<br />

allein er höre mit <strong>de</strong>m äußeren auf<br />

sich selbst, so wird er lernen, daß ihm niemand<br />

lehren mag, und sich ein jeglicher<br />

ob ihm verwun<strong>de</strong>rn muß« (8).<br />

Viele Lebensberater wer<strong>de</strong>n diesen Satz<br />

bestätigen können, <strong>de</strong>nn die meisten Klienten<br />

wissen eigentlich innerlich die Lösung<br />

für ihr Problem, sie können es lediglich<br />

nicht klar fassen und formulieren.<br />

Das ist die Aufgabe, die ein Berater mit<br />

<strong>de</strong>m Klienten erar<strong>bei</strong>tet. Unser inneres<br />

Wissen ist unglaublich groß, nur hat es<br />

selten Chance, sich zu Wort zu mel<strong>de</strong>n.<br />

Oft haben wir ganz spontane Einfälle, die<br />

wir <strong>bei</strong>m analytischen Nach<strong>de</strong>nken darüber<br />

aber durch unsere Zweifel so weit zerlegen,<br />

dass wenig von ihnen übrigbleibt und wir<br />

sie als Träume, Verrücktheiten o<strong>de</strong>r Hirngespinste<br />

abtun. Unser analytisches Denken<br />

basiert ganz auf <strong>de</strong>r Essenz vergangener


Erfahrungen und <strong>de</strong>m daraus resultieren<strong>de</strong>n<br />

Wertesystem, strebt also nach Bekanntem<br />

und nach Sicherheit. Es ist bestrebt<br />

alles zu vermei<strong>de</strong>n, was Schmerz hervorrufen<br />

könnte und schafft sich sogenannte<br />

Komfortzonen.Wie Sie wissen, neigen<br />

wir dazu, einen Muskel, <strong>de</strong>r schmerzt, zu<br />

schonen und möglichst nicht zu bewegen.<br />

Dies ist einer Heilung meist nicht för<strong>de</strong>rlich.<br />

Auch versuchen wir Situationen zu<br />

entgehen, in <strong>de</strong>nen emotionaler Schmerz<br />

eine Rolle spielen könnte. Unser inneres<br />

Wertesystem neigt dazu, alles zu umgehen,<br />

was irgendwie Schmerz erzeugen könnte.<br />

Eigentlich ist dies eine sinnvolle Einrichtung,<br />

die aber ins Gegenteil umschlägt,<br />

wenn sie anfängt, unsere Fähigkeiten zu<br />

limitieren. »Man kann doch nicht, weil...«<br />

o<strong>de</strong>r »Was sollen die Leute sagen...« o<strong>de</strong>r<br />

»Ich hab das doch nicht gelernt...« »Wer<br />

weiß, was da auf einen zukommt...« usw.<br />

sind Formulierungen, die wir verwen<strong>de</strong>n,<br />

weil wir das so in unserem Leben gelernt<br />

haben. Aber letztendlich beschränken wir<br />

damit uns selbst, die Unendlichkeit unseres<br />

Geistes und leugnen damit die Göttlichkeit<br />

in uns. Paracelsus formuliert <strong>de</strong>n Gedanken,<br />

dass je<strong>de</strong>r Mensch alle Wahrheit und<br />

alles Wissen latent in sich besitzt, was natürlich<br />

in einer konservativ struktuierten<br />

<strong>Ges</strong>ellschaft mit ihren Hierarchien höchste<br />

Unruhe hervorrufen muss. »Wo kämen wir<br />

<strong>de</strong>nn hin, wenn je<strong>de</strong>r...« Wir kennen diese<br />

Sätze zur Genüge. Es könnte jemand Millionen<br />

Menschen heilen und doch könnte<br />

er für die <strong>Ges</strong>ellschaft nie ein anerkannter<br />

Arzt wer<strong>de</strong>n, wenn er nicht ein Medizinstudium<br />

absolviert hat. Paracelsus sagt,<br />

dass ein Arzt <strong>bei</strong><strong>de</strong>s braucht, lassen Sie es<br />

uns »handwerkliches« Wissen nennen und<br />

geistiges Wissen, wo<strong>bei</strong> er allerdings ganz<br />

klare Prioritäten setzt. Es gibt nach seiner<br />

Meinung keinen guten Arzt, wenn er nicht<br />

das innere, geistige Wissen erkennt.<br />

Paracelsus hat etwas gegen die Diktatur<br />

von Hochschulscheinen und Abgangszeugnissen,<br />

spricht dafür lieber über das<br />

Licht <strong>de</strong>r Natur und <strong>de</strong>s Geistes. Sein<br />

Motto könnte eher sein »Wer heilt, hat<br />

recht.« Auf die Frage, wo lernt man diese<br />

inneren Fähigkeiten, hat Paracelsus selbst<br />

eine Antwort gegeben:<br />

»Nun kommen alle Hantierungen aus<br />

einem Brunnen, alle Handwerke aus einem<br />

Brunnen, alle Künste aus einem Brunnen,<br />

und alle stammen von einem Brunnen.<br />

Dieser verteilt seine Äste wie <strong>de</strong>r Baum<br />

seine Birnen, und keine Birne kann sich<br />

abson<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren, son<strong>de</strong>rn sie<br />

muß sagen, aus <strong>de</strong>m Baum, aus <strong>de</strong>m die<br />

an<strong>de</strong>ren sind, sei sie auch« (9)<br />

»...<strong>de</strong>nn nichts ist aus uns, wir sind<br />

nicht unser selbst, son<strong>de</strong>rn Gottes sind wir.<br />

Warum müssen wir durch ihn erproben,<br />

was in uns ist. Sein ist es, nicht unser, er<br />

hat uns <strong>de</strong>n Leib gemacht und das Leben<br />

gegeben und die Weisheit dazu. Aus ihm<br />

kommen nun alle Dinge« (10).<br />

Das äußere Wissen ohne eine innere<br />

geistige Haltung ist für Paracelsus nichts.<br />

Er hat Achtung vor dieser göttlichen Kraft,<br />

die das Universum und das Leben geschaffen<br />

hat, und verachtet die »kleinen Lichter«,<br />

jene Menschen, die sich wun<strong>de</strong>r was auf<br />

sich und ihr Können einbil<strong>de</strong>n. Viele Wissenschaftler<br />

heute unterschei<strong>de</strong>n sich in<br />

keiner Weise von <strong>de</strong>n Gelehrten zur Zeit<br />

<strong>de</strong>s Paracelsus. Auch sie glauben alles im<br />

Griff zu haben, auf alles eine Antwort zu<br />

wissen. Sie verlassen sich auf ihre Messwerte<br />

und Apparate, tun alles ab, was sich<br />

nicht durch serielle Experimente beweisen<br />

lässt. Das Individuelle verschwin<strong>de</strong>t damit,<br />

<strong>de</strong>nn die individuelle Wahrnehmung<br />

weicht einer Normwahrnehmung. In<strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>r Mensch heute sich ganz auf die materielle<br />

Wirklichkeit stützt, wird er abhängig<br />

von dieser. Wie sagt Paracelsus: Nur <strong>de</strong>r<br />

19


corpus ernährt <strong>de</strong>n corpus und dieser ist<br />

sterblich. Es ist nicht mehr ein Gott, eine<br />

kosmische Kraft, die Pflanzen wachsen<br />

lässt, die die Menschen ernährt, es sind<br />

Ciba Geigy o<strong>de</strong>r Bayer. Paracelsus stand<br />

an einer Schnittstelle menschlicher Entwicklung,<br />

die sich heute aktueller <strong>de</strong>nn<br />

je wie<strong>de</strong>r auftut. Er scheint eine Ahnung<br />

gehabt zu haben, was <strong>de</strong>m Menschen<br />

geschieht, wenn er es nicht schafft, <strong>bei</strong><strong>de</strong><br />

Welten zusammenzubringen. Die Zeit <strong>de</strong>s<br />

Paracelsus war das Vorspiel für heute und<br />

<strong>de</strong>shalb ist, meiner Meinung nach, sein<br />

Konflikt auch unser Konflikt.<br />

Eine stetig beschleunigen<strong>de</strong> Entwicklung<br />

äußerer technischer Möglichkeiten und<br />

Verän<strong>de</strong>rungen steht heute einem gleichzeitigen<br />

Schwin<strong>de</strong>n einer geistigen Gründung<br />

<strong>de</strong>s Menschen gegenüber. Das Problem<br />

da<strong>bei</strong> ist, dass all die faszinieren<strong>de</strong>n<br />

und unbestreitbar großartigen technischen<br />

Möglichkeiten im En<strong>de</strong>ffekt ein illusionäres<br />

Feuerwerk sind. Denn sobald wir selbst<br />

mit <strong>de</strong>n wesentlichen Grundfragen <strong>de</strong>s<br />

Lebens konfrontiert wer<strong>de</strong>n, wenn wir unglücklich<br />

sind, krank wer<strong>de</strong>n, sterben o<strong>de</strong>r<br />

auch nicht mehr Fuß fassen können, spielen<br />

technisch brilliante Erfindungen, spielt<br />

alles Materielle keine Rolle mehr, wären<br />

wir bereit, Hab und Gut zu opfern. In <strong>de</strong>n<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Dingen im Leben kann<br />

uns die Materie nicht helfen. Wir sind<br />

draußen aus <strong>de</strong>r großen Welt, sind ganz<br />

auf uns selbst zurückgeworfen und wer<strong>de</strong>n<br />

plötzlich mit etwas konfrontiert, wo es für<br />

uns nichts Festhaltbares gibt, wo wir vielleicht<br />

zunächst innere Leere empfin<strong>de</strong>n,<br />

da sich ein großes dunkles Loch vor uns<br />

auftut, das uns Angst macht. Ich möchte<br />

nicht wissen, was passieren wür<strong>de</strong>, wenn<br />

für eine Woche einmal keine Fernseh- und<br />

Radioprogramme liefen, wenn Menschen<br />

plötzlich mit <strong>de</strong>r Stille konfrontiert wür<strong>de</strong>n.<br />

Schon heute än<strong>de</strong>rt sich unsere Vor-<br />

20<br />

stellung vom Leben ganz dramatisch. Ein<br />

Musiker ist mit 28 Jahren schon zu alt für<br />

eine Karriere, für die Opernbühne kann<br />

man sogar ein jugendlicheres Alter ansetzen.<br />

Menschen, die <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r steten Verwandlung<br />

<strong>de</strong>r Computerprogramme nicht<br />

mehr mithalten können, wer<strong>de</strong>n im Beruf<br />

aussortiert. Junge, clevere Leute belegen<br />

die Stellen, bis auch sie schnell zu alt wer<strong>de</strong>n.<br />

Und man muss sich das vorstellen<br />

angesichts einer stetig steigen<strong>de</strong>n Lebenserwartung.<br />

Angesichts einer Überfülle <strong>de</strong>s<br />

Materiellen, dazu gehören auch Informationen,<br />

und einer gleichzeitigen inneren<br />

Leere ist die Sinnkrise vorprogrammiert.<br />

Für mich ist es daher wenig erstaunlich,<br />

dass trotz unseres mo<strong>de</strong>rnen Lebensstandards<br />

so wenige Menschen wirklich glücklich<br />

sind mit ihrem Leben, viele orientierungslos<br />

dahintreiben und die Nachfrage<br />

nach Therapie unendlich ist. Wir sind<br />

heute entwurzelt, weil wir nur auf einem<br />

Bein stehen, auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r äußeren Welt.<br />

Paracelsus wusste dies und hat <strong>de</strong>shalb so<br />

viel Nachdruck auf die Suche nach <strong>de</strong>m<br />

inneren Wissen gelegt. Denn im inneren<br />

Wissen ist Halt und Stabilität, es ist <strong>de</strong>r<br />

Mittelpunkt o<strong>de</strong>r die Nabe, um die sich<br />

das Weltenrad dreht. Im äußeren Wissen<br />

fin<strong>de</strong>n wir dagegen stete Verän<strong>de</strong>rung, ein<br />

steter Wechsel zwischen Aufbau – Blüte –<br />

Zerfall. Das innere Wissen <strong>bei</strong>nhaltet die<br />

ewigen, grundlegen<strong>de</strong>n Kräfte <strong>de</strong>s Menschen,<br />

gleich welche Ar<strong>bei</strong>t er macht, welches<br />

Studium er treibt und welches Leben<br />

er lebt. Deshalb bezeichnete er diese Kräfte<br />

als Künste.<br />

Und wie fin<strong>de</strong>t man nun dieses innere<br />

Wissen und wie lernt man die 7 Künste?<br />

Paracelsus hat uns einen Weg hinterlassen:<br />

»Der Vater (Gott) vermag alles durch<br />

seine Weisheit und Kunst. Also sollen nun<br />

auch wir alles vermögen, nichts soll uns<br />

wi<strong>de</strong>rstehen, we<strong>de</strong>r die Magie noch die


Zaubersprüche, die Superstitiones, die<br />

Nigromantia, die Chiromantia. Denn diese<br />

Dinge sind alle von Gott und sind seine<br />

Künste. Können wir das nicht, so sind wir<br />

in dieser Beziehung nicht erweckt und<br />

schlafen noch« (11).<br />

Die Namen dieser Künste wer<strong>de</strong>n vielen<br />

Zuhörern sofort eine Gänsehaut geben.<br />

Gutmeinen<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n sie in die esoterische<br />

Ecke abtun, an<strong>de</strong>re wer<strong>de</strong>n sie als Spinnerei,<br />

Humbug und primitiven Aberglauben<br />

abtun. Wie kann es sein, dass ein eigentlich<br />

zukunftsorientierter, mo<strong>de</strong>rner Mensch<br />

wie Paracelsus von Magie, Zauber o<strong>de</strong>r<br />

Totenbeschwörung spricht, ja sie zur hohen<br />

Kunst gar erhebt? Es bedarf einer Begriffsklärung,<br />

<strong>de</strong>nn auch die magischen Wissenschaften<br />

haben eine Materialisierung erlebt,<br />

was zu einer Verzerrung ihres wirklichen<br />

Wesens geführt hat. Spricht man heute<br />

von <strong>de</strong>r Nigromantie, so <strong>de</strong>nkt je<strong>de</strong>r sogleich<br />

an abstruse Schwarze Messen und<br />

seltsame Geisterbeschwörungen. Viele Anwendungen<br />

<strong>de</strong>r Volksmagie sind eine Verzerrung<br />

<strong>de</strong>r ursprünglichen Absicht und<br />

in ihrer mil<strong>de</strong>n Form kurios, können sich<br />

aber auch im völlig Abstrusen verlieren.<br />

Man <strong>de</strong>nke nur, welchen Grausamkeiten<br />

Tiere unterworfen wur<strong>de</strong>n im Namen einer<br />

solchen Volks-Magie. Noch heute haben<br />

wir in China einen großen Boom solcher<br />

Art »magischer« Volksmedizin, die Tiger,<br />

Nashörner und an<strong>de</strong>re Tiere in ihrem Bestand<br />

ganz existentiell bedroht. Solche<br />

Praktiken stehen <strong>de</strong>n westlichen Tierversuchen<br />

in nichts nach. Aber von diesen<br />

<strong>de</strong>ka<strong>de</strong>nten Auswüchsen geht Paracelsus<br />

nicht aus. Das versteht er nicht unter<br />

Magie. Er versucht das Wesentliche hinter<br />

ihr zu ent<strong>de</strong>cken. Sie ist für ihn <strong>de</strong>r Weg<br />

zur Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r inneren, himmlischen<br />

Welten. Betrachtet man seine Ausführungen<br />

näher, versucht hinter seine Worte zu<br />

schauen, so lehrt Paracelsus nichts als <strong>de</strong>n<br />

Weg zur ewigen Weisheit, natürlich in <strong>de</strong>n<br />

Worten seiner Zeit. Sein Weg <strong>de</strong>r Ausbildung<br />

for<strong>de</strong>rt die Verbindung zwischen<br />

faktischer Wissensvermittlung und gleichzeitiger<br />

seelischer Bildung. Und in dieser<br />

Hinsicht sind ihm sogenannte esoterische<br />

Metho<strong>de</strong>n das Richtige und er bezeichnet<br />

diese Art <strong>de</strong>r Schulung zu Recht als »Künste«.<br />

Es sind Tätigkeiten, die <strong>de</strong>n inneren Menschen<br />

schulen, die Selbsterkenntnis und<br />

Reifung mit sich bringen. Dass es gera<strong>de</strong><br />

sieben Künste sind, ist natürlich kein Zufall.<br />

Es gab die 7 freien Künste im Mittelalter,<br />

die noch die Studienzeit von Paracelsus<br />

bestimmten, und es gab die 7 Schritte<br />

<strong>de</strong>r Transmutation in <strong>de</strong>r Alchemie.<br />

Überhaupt ist diese Zahl stets als Zahl <strong>de</strong>r<br />

Schöpfung, <strong>de</strong>r zyklischen Erneuerung und<br />

jeglicher Periodizität betrachtet wor<strong>de</strong>n.<br />

Ich möchte im Folgen<strong>de</strong>n die 7 Künste<br />

<strong>de</strong>s Paracelsus vorstellen, um Ihnen einen<br />

Eindruck zu geben, was wirklich in diesen<br />

Künsten steckt, dass sie nicht irgen<strong>de</strong>ine<br />

abgehobene unrealistische I<strong>de</strong>e sind, son<strong>de</strong>rn<br />

ganz pragmatisch sind. Man muss<br />

stets vor Augen halten, dass Paracelsus sowohl<br />

Philosoph, vor allem aber auch Pragmatiker<br />

war. Und so möchte ich Ihnen die<br />

pragmatische Seite <strong>de</strong>r Künste vorstellen<br />

und wie sie uns heute helfen können,<br />

unser etwas einseitiges Ausbildungssystem<br />

zu revolutionieren.<br />

21


Schon <strong>bei</strong>m Begriff »Astrologie« <strong>de</strong>nkt<br />

je<strong>de</strong>r an die tägliche Zeitung mit ihren<br />

Horoskopen. Da<strong>bei</strong> gehörte die Astrologie<br />

einst zu <strong>de</strong>n königlichen Wissenschaften<br />

und wur<strong>de</strong> sogar noch in diesem Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

an einigen Hochschulen gelehrt. Astrologie<br />

hat mit <strong>de</strong>n himmlischen Kräften zu<br />

tun, mit <strong>de</strong>n Energien <strong>de</strong>s Weltenraums,<br />

mit elektromagnetischen Fel<strong>de</strong>rn. Es war<br />

die uralte innere Erkenntnis, dass es grundlegen<strong>de</strong><br />

kosmische Kräfte gibt, die alles<br />

Leben prägen. Heute sprechen Naturwissenschaftler<br />

von Informationsfel<strong>de</strong>rn und<br />

morphogenetischen Fel<strong>de</strong>rn, die Psychologen<br />

von Archetypen. Diese Energien sah<br />

man auch in <strong>de</strong>n Planeten verkörpert. Der<br />

Himmel ist die Ursache für alle Erscheinungen<br />

dieser Er<strong>de</strong>, ist ihre Matrix. In ihm<br />

sind die Urbil<strong>de</strong>r aller Kräfte, die auf Er<strong>de</strong><br />

und Mensch einwirken. Paracelsus vergleicht<br />

das Verhältnis zwischen Kosmos<br />

und Mensch mit einem Apfel. Der Kosmos<br />

umgibt die Er<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n Menschen, wie<br />

das Fruchtfleisch <strong>de</strong>n Apfelkern umgibt.<br />

Der Kern ist <strong>de</strong>r Mensch. Er ist das Zentrum,<br />

auf das die kosmischen Kräfte hinwirken,<br />

und da <strong>de</strong>r Mensch aus ihnen geschaffen<br />

ist, reagiert er auf sie. Solange<br />

<strong>de</strong>r Mensch unbewusst dahinlebt, machen<br />

diese Einflüsse mit ihm, was sie wollen.<br />

Er wird regiert von ihnen und sie erregen<br />

Emotionen in ihm, von <strong>de</strong>nen er nicht<br />

weiß, wo sie herkommen. Wer sich selbst<br />

erkennt, also <strong>de</strong>r Weise, ist nicht mehr<br />

Spielball dieser Kräfte, son<strong>de</strong>rn kann sie<br />

frei nutzen. »Der Weise beherrscht das<br />

<strong>Ges</strong>tirn«, sagt Paracelsus.<br />

Die Astrologie erklärt also <strong>de</strong>n Zusammenhang<br />

<strong>de</strong>r inneren Kräfte, so dass <strong>de</strong>r<br />

Weg zur Selbsterkenntnis geför<strong>de</strong>rt wird.<br />

Paracelsus lobt die Astrologie als wichtiges<br />

Instrument, innere Anlagen zu erkennen<br />

22<br />

Die erste Kunst<br />

Die Astrologie · Ganzheitliches Denken<br />

Ziel: Vernetztes Denken<br />

und <strong>de</strong>n rechten Lebensweg zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Und wer eine innere Ordnung in seinem<br />

Leben erkennt, <strong>de</strong>r wird die Zusammenhänge<br />

<strong>de</strong>r Welt erkennen.<br />

Ursprünglich erkannte man sieben verschie<strong>de</strong>ne<br />

kosmische Kräfte als bestimmend<br />

für das Leben und brachte diese in<br />

Verbindung mit <strong>de</strong>n Planeten. Die Planeten<br />

sind also energetischeQualitäten und archetypische<br />

Muster. Alles was sich verdichtet,<br />

konzentriert, sich verlangsamt, sich <strong>de</strong>r<br />

Er<strong>de</strong> zuneigt, alles was begrenzt sah man<br />

z.B.in <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>s Saturn wi<strong>de</strong>rgespiegelt.<br />

Wir wür<strong>de</strong>n das heute als Schwerkraft bezeichnen.<br />

Und damit besitzt alles Schwere,<br />

wie z.B. ein Stein, das Metall Blei (<strong>de</strong>nken<br />

Sie an das Senkblei o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Gangregler<br />

<strong>de</strong>r Uhren), die Dunkelheit etc., eine vorwiegend<br />

saturnale Qualität. In <strong>de</strong>r menschlichen<br />

Psyche entspricht dies <strong>de</strong>m melancholischen<br />

Temperament, entspricht einer<br />

Haltung, die mit Ruhe, Meditation,Schwerfälligkeit,<br />

Introvertiertheit usw. zu tun hat.<br />

Alle Pflanzen mit dunkler Farbe o<strong>de</strong>r<br />

Bäume die sich <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zuneigen, galten<br />

damit ebenfalls <strong>de</strong>m Saturn zugehörig. –<br />

Sie sehen, was wir in <strong>de</strong>r Astrologie wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n,<br />

ist die hohe Kunst <strong>de</strong>r inneren<br />

Entsprechungslehre, ähnlich <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n<br />

5 Elementen in <strong>de</strong>r chinesischen Philosophie,<br />

die sie vielleicht aus <strong>de</strong>r Akupunktur<br />

kennen. Aufgrund dieser Lehre war die<br />

Signaturenlehre überhaupt erst möglich. –<br />

Noch ein Beispiel eines Planeten, um die<br />

Dinge klar wer<strong>de</strong>n zu lassen. Alles was<br />

dynamisch, hitzig, explosiv, eruptiv, spannungsgela<strong>de</strong>n,<br />

antriebsstark, anregend,<br />

beschleunigend ist, bezeichnete man als<br />

Kraft <strong>de</strong>s Mars. Heute wür<strong>de</strong>n wir diese<br />

Kraft als Dynamik, Beschleunigungskraft<br />

o<strong>de</strong>r Spannkraft bezeichnen. Damit gehörte<br />

z.B. die Feuer-Hitze, <strong>de</strong>r Dorn o<strong>de</strong>r


Nagel, die Waffe, das Metall Eisen o<strong>de</strong>r<br />

die Farbe Rot zum Planeten Mars. Im Menschen<br />

entspricht dies <strong>de</strong>m cholerischen<br />

Temperament, entspricht z.B. einer hohen<br />

inneren Spannkraft, Kampfbereitschaft,<br />

Durchsetzungswillen und Aktivitätsdrang.<br />

Alle Pflanzen, die brennen (wie z.B. Nesseln)<br />

o<strong>de</strong>r die stechen (Dornsträucher),<br />

galten <strong>de</strong>m Mars zugehörig.<br />

Sie ersehen daraus, welch faszinieren<strong>de</strong><br />

Zusammenhänge entstehen, und diese Art<br />

Erkenntnis for<strong>de</strong>rte Paracelsus. Der Mensch<br />

kann mithilfe <strong>de</strong>r Astrologie erkennen,<br />

was in seinem Leben geschieht und er<br />

kann mit ihrer Hilfe lernen, im Einklang<br />

mit <strong>de</strong>n Energien zu leben und sie weise<br />

zu nutzen.<br />

Paracelsus übernimmt auch die damals<br />

gängige Vorstellung, dass die göttliche Kraft<br />

zuerst auf das <strong>Ges</strong>tirn und seinen Planeten<br />

einwirkt. Dann erst wirkt diese Energie als<br />

planetarische Kraft auf die Wesen <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />

ein. Wenn etwas abstirbt o<strong>de</strong>r vergeht auf<br />

dieser Er<strong>de</strong>, zeigt sich für Paracelsus dies<br />

vorher im Ursprung, nämlich in <strong>de</strong>r Planetenkraft,<br />

die schwach wird. Pflanzen und<br />

Tiere reagieren viel schneller auf die Planetenkräfte<br />

als <strong>de</strong>r Mensch, weshalb <strong>de</strong>r kluge<br />

Mensch aus <strong>de</strong>ren Verhalten seine eigene<br />

Zukunft erkennen kann. Auch dies hat <strong>de</strong>r<br />

Himmelsschöpfer laut Paracelsus so eingerichtet,<br />

dass <strong>de</strong>m Menschen Erkenntnis<br />

daraus erwachse. In <strong>de</strong>r Tat ist das, was wir<br />

aktuell auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> von einem Planeten<br />

aus wahrnehmen, seine Vergangenheit.<br />

Lange bevor eine negative Entwicklung<br />

<strong>de</strong>n Menschen erreicht, ist sie schon im<br />

Planeten sichtbar. Voraussetzung für dieses<br />

Denken war die allen Kulturen gemeinsame<br />

Weisheit, dass es eine Urquelle gibt,<br />

aus <strong>de</strong>r alles Sein entspringt und wohin es<br />

wie<strong>de</strong>r zurückkehrt. Materie galt nicht als<br />

toter Stoff, son<strong>de</strong>rn als dichteste Form<br />

jener Energie, die aus dieser Urquelle ent-<br />

stammt. Somit stand je<strong>de</strong>s Leben im Bezug<br />

zur Urquelle, wie auch im Bezug zueinan<strong>de</strong>r.<br />

Daraus ergeben sich Kräfteverhältnisse,<br />

Proportionen. Diese Verhältnisse<br />

aufzu<strong>de</strong>cken, war die Aufgabe <strong>de</strong>r Astrologie.<br />

Sie untersuchte die Entfaltung von<br />

Leben in Zeit und Raum. Paracelsus versteht<br />

unter <strong>Ges</strong>tirn schon damals nicht nur<br />

<strong>de</strong>n astronomisch zu erfassen<strong>de</strong>n Planeten,<br />

son<strong>de</strong>rn spricht vom inneren <strong>Ges</strong>tirn. Damit<br />

meint er die inneren Kräfte, die ein<br />

Wesen bewegen. Er vertritt die Auffassung,<br />

dass jemand, <strong>de</strong>r Horoskope erstellt und<br />

keine Ahnung vom <strong>Ges</strong>tirn <strong>de</strong>s Schicksals<br />

o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n <strong>Ges</strong>tirnen <strong>de</strong>r 4 Elemente<br />

hat, eine völlig be<strong>de</strong>utungslose Ar<strong>bei</strong>t tut.<br />

Es gilt, ihm Zugang zum Wesen dieser unsichtbaren<br />

Kräfte zu schaffen, die die Welt<br />

bewegen.<br />

Die Astrologie lehrt für ihn mehr die<br />

Sinnzusammenhänge und entspricht <strong>de</strong>m,<br />

was wir heute als ganzheitliches Denken<br />

bezeichnen. Lesen wir Astrologiebücher,<br />

so haben wir eine Unmenge an Details<br />

und Fakten, aber kein Mensch kann daraus<br />

allein eine vernünftige Horoskop<strong>de</strong>utung<br />

erstellen, wie die Computerhoroskope ja<br />

zeigen. Es gilt das faktische Wissen <strong>de</strong>r<br />

Astrologie zu studieren, aber dann gilt es<br />

die inneren Zusammenhänge zu erkennen<br />

und eine ganzheitliche Betrachtungsweise<br />

zu entwickeln. Dies kann man in <strong>de</strong>r Beschäftigung<br />

mit <strong>de</strong>r Astrologie erlernen.<br />

Es ist die Fähigkeit z.B., die ein guter Arzt<br />

hat, wenn er <strong>de</strong>n Patienten in allen Details<br />

sieht, daraus aber sich ein ganzheitliches<br />

Bild machen kann und die Zusammenhänge<br />

erkennt. Die Astrologie wird heute<br />

hauptsächlich im psychologischen, beraten<strong>de</strong>n<br />

Bereich genutzt, mit gutem Erfolg.<br />

Aber viele an<strong>de</strong>re Aspekte <strong>de</strong>r Astrologie<br />

wer<strong>de</strong>n noch viel zu wenig in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />

berücksichtigt. Die Astrologie lehrt<br />

die größeren Zusammenhänge, zeigt das<br />

23


Netz, das die Dinge dieser Er<strong>de</strong> zusammenhält.<br />

In <strong>de</strong>r Beschäftigung mit ihr können<br />

wir im besten Sinne vernetztes Denken<br />

lernen. Im Zuge <strong>de</strong>r fortschreiten<strong>de</strong>n Glo-<br />

Das Wort Magie hat für uns heute viele<br />

Be<strong>de</strong>utungen. Paracelsus dürfte unter ihr<br />

die anima mundi verstan<strong>de</strong>n haben, die<br />

Weltseele, die mithilfe von Schwingung<br />

bewirkt, dass sich aus <strong>de</strong>r Ursubstanz, <strong>de</strong>r<br />

Urmatrix, die vielfältigen Erscheinungsformen<br />

<strong>de</strong>r irdischen Welt herauskristallisieren.<br />

Vergleichbar ist dies <strong>de</strong>r En<strong>de</strong>ckung<br />

<strong>de</strong>s Physikers Chladni, <strong>de</strong>r Staub o<strong>de</strong>r Sand<br />

auf eine Metallplatte gab und mit einem<br />

Bogen dieselbe anstrich. Je<strong>de</strong>r Ton erzeugte<br />

ein an<strong>de</strong>res geometrisches Muster. Der<br />

Forscher Hans Jenny setzte diese Forschungen<br />

in <strong>de</strong>n 50er Jahren fort und bezeichnete<br />

dieses Gebiet als »Kymatik«. Die Schwingungen<br />

<strong>de</strong>r Töne bewirken eine Ordnung<br />

<strong>de</strong>r Moleküle, was eine bestimmte Struktur<br />

und Form hervorruft und gleichzeitig<br />

muss eine Resonanzfähigkeit, eine Wahrnehmungsfähigkeit<br />

vorhan<strong>de</strong>n sein, die<br />

auf die Schwingungen reagiert. Je<strong>de</strong>s Ding,<br />

je<strong>de</strong> Substanz hat also Empfindung und<br />

trägt eine bestimmte Schwingung in sich.<br />

Von nichts an<strong>de</strong>rem geht die Magie aus.<br />

Sie ist sozusagen eine Schwingungs-Wissenschaft.<br />

Sie erforscht, welchem Ding welche<br />

Schwingung innewohnt und wie Schwingung<br />

übertragen wer<strong>de</strong>n kann. Aus diesem<br />

Grund ist die Tonkunst auch immer eine<br />

zutiefst magische Kunst gewesen. Für uns<br />

heute fällt die Bioenergetik, Resonanztherapie<br />

und die Schwingungsmedizin unter<br />

diese Kunst. Sie nimmt mithilfe verschie<strong>de</strong>ner<br />

Metho<strong>de</strong>n die Eigenschwingung<br />

24<br />

Die zweite Kunst<br />

Die Magie · Die Bio-Energetik<br />

Ziel: Selbstverwandlung<br />

balisierung, <strong>de</strong>s Zusammenwachsens <strong>de</strong>r<br />

Weltteile, im sprunghaften Ansteigen von<br />

Wissensfakten, ist diese Fähigkeit dringend<br />

nötig.<br />

eines Klienten auf und kann sie verän<strong>de</strong>rn.<br />

Auch die Ar<strong>bei</strong>t mit Blüten-Essenzen fällt<br />

darunter.<br />

Paracelsus kannte diese Kunst auch. Nach<br />

alter Überlieferung übertrug er bestimmte<br />

Schwingungen auf Steine, Bil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r<br />

Gemmen. Verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n da<strong>bei</strong> Zeichen,<br />

Buchstaben, Namen, Formen o<strong>de</strong>r<br />

Pflanzen. Sie dienten dann als Schutzamulette.<br />

Für Paracelsus steckten in allen<br />

Dingen spezifische Energien, in Buchstaben,<br />

Lauten und Namen. Diese zu kennen<br />

und in Wirkung zu versetzen, war für ihn<br />

die Aufgabe <strong>de</strong>s Magiers. Dies war alte<br />

kabbalistische Tradition und noch heute<br />

gibt es in Indien die Kunst <strong>de</strong>s Mantrams,<br />

also magische Worte, die bestimmte Energien<br />

anregen o<strong>de</strong>r abschwächen. Paracelsus<br />

schätzte die Magie sehr hoch ein. Zwischen<br />

einem Heiligen und einem Magier gab es<br />

für ihn nur einen Unterschied: <strong>de</strong>r Heilige<br />

wirkt allein durch Gott,während <strong>de</strong>r Magier<br />

mit <strong>de</strong>m Wissen um die Natur <strong>de</strong>r Dinge<br />

wirkt. Vor allem in <strong>de</strong>r Heilkunst hielt Paracelsus<br />

diese Kunst für wichtig, da Krankheit<br />

für ihn durch falsche Strahlung, durch<br />

<strong>de</strong>n Einfluss falscher Energien erzeugt<br />

wur<strong>de</strong>. Mittel zu fin<strong>de</strong>n, die die richtige<br />

Schwingung wie<strong>de</strong>r herstellen o<strong>de</strong>r über<br />

Hän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Gedanken positive Energien<br />

übertragen, das waren die Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Magie. Ein Gedanke, <strong>de</strong>n Samuel Hahnemann<br />

dann so erfolgreich in seiner Homöopathie<br />

ausgear<strong>bei</strong>tet hat. Magie war also


stets die Wissenschaft von <strong>de</strong>n Energien<br />

und <strong>de</strong>ren Handhabung. Der Schüler, <strong>de</strong>r<br />

sich in richtiger Weise mit Magie beschäftigt,<br />

kommt nicht umhin, dass er sich im<br />

Laufe <strong>de</strong>s Prozesses selbst verän<strong>de</strong>rt, seine<br />

Energien neu strukturiert. Es gleicht <strong>de</strong>m<br />

Werk <strong>de</strong>s Alchemisten, <strong>de</strong>r zwar <strong>de</strong>n Stein<br />

o<strong>de</strong>r das Gold sucht, in <strong>de</strong>m aber die Selbstverwandlung<br />

zu einem höheren Menschenbild<br />

hin das eigentliche Ziel ist. Der »lapis«,<br />

<strong>de</strong>r Stein, ist die Seele. Das Werk <strong>de</strong>s Schülers<br />

<strong>de</strong>r Magie fängt stets <strong>bei</strong> ihm selbst an. Er<br />

muss erkennen, dass die persönliche Schwingung<br />

Ergebnisse anzieht, die auf diese ausgesandte<br />

Schwingung resonieren. So wird<br />

jemand, <strong>de</strong>r selbst mit sich uneins ist, stets<br />

disharmonische, unzufrie<strong>de</strong>ne Ergebnisse<br />

anziehen, <strong>de</strong>r zornige Mensch wird stets<br />

Konflikte anziehen. Seine eigene Schwingung<br />

in <strong>de</strong>r Welt erkennen, sie in eine<br />

höhere Schwingung zu verwan<strong>de</strong>ln, ist<br />

<strong>de</strong>r Weg.<br />

Die Voraussetzung für diese Kunst ist das<br />

alte Wissen, dass es verschie<strong>de</strong>ne Ebenen<br />

<strong>de</strong>r Wirklichkeit gibt. Für einen Träumer ist<br />

sein Traum eine absolut reale Welt, auch in<br />

körperlicher Hinsicht, was sich spätestens<br />

dann beweist, wenn jemand schweißgeba<strong>de</strong>t<br />

und mit rasen<strong>de</strong>m Puls aus einem<br />

Traum hochschreckt. O<strong>de</strong>r umgekehrt kann<br />

die irdische Wirklichkeit in extremen emotionalen<br />

Situationen, also durch übergroße<br />

Freu<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r übergroßen Schmerz, unwirklich<br />

wer<strong>de</strong>n. Wir sprechen dann z.B. von<br />

einem »Alptraum«. Hier mischen sich zwei<br />

<strong>de</strong>r Wirklichkeitsebenen menschlichen<br />

Erlebens. Der Harmoniker Hans Kayser<br />

fragte sich zu Beginn dieses Jahrhun<strong>de</strong>rts,<br />

Die dritte Kunst<br />

Die Divinatio · Die Sensitivitätsschulung<br />

Ziel: Erweiterte Wahrnehmung<br />

Gera<strong>de</strong> heute fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Aspekt <strong>de</strong>r<br />

Energetik wie<strong>de</strong>r ein ganz entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />

Interesse. Bio-Energetische Heil- und<br />

Messverfahren, die Möglichkeit energetisch<br />

Informationen auf Trägersubstanzen zu<br />

übertragen, Homöopathie usw. erleben<br />

heute wie<strong>de</strong>r einen großen Aufschwung.<br />

Und ihnen gehört die Zukunft. Denn<br />

schon heute ist es z.B. in <strong>de</strong>r Medizin nicht<br />

mehr möglich, sehr viele Krankheiten<br />

genau zu diagnostizieren, <strong>de</strong>nken wir z.B.<br />

nur an <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Allergien, <strong>de</strong>r psychosomatischen<br />

und chronischen Erkrankungen.<br />

Die meisten Ärzte wären froh,<br />

sie hätten in ihrer Praxis mal wie<strong>de</strong>r klare<br />

Krankheitsbil<strong>de</strong>r, z.B. ein Knochenbruch,<br />

wie es ihre Vorgänger noch kannten. Die<br />

richtigen Informationen zu bekommen,<br />

wird zunehmend wichtiger in neuerer Zeit.<br />

Energien richtig nutzen, sich selbst auch<br />

abschirmen zu können gegen energetische<br />

Einflüsse, wer<strong>de</strong>n zukünftige Themen sein.<br />

wie wohl die menschliche Welt aussehen<br />

wür<strong>de</strong>, wenn statt <strong>de</strong>m Tastsinn (man<br />

<strong>de</strong>nke an Be-Griff) z.B. <strong>de</strong>m Hörsinn absolute<br />

Priorität eingeräumt wor<strong>de</strong>n wäre,<br />

wenn <strong>de</strong>r Mensch nicht in einer abtastbaren,<br />

anfassbaren, begreiflichen Welt leben<br />

wür<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn allein in einer klingen<strong>de</strong>n.<br />

Die »Divinatio« <strong>de</strong>s Paracelsus han<strong>de</strong>lt<br />

genau von solchen unterschiedlichen<br />

Wirklichkeiten und ihrer Wahrnehmung.<br />

Paracelsus versteht unter Divinatio zunächst<br />

die Fähigkeit, Dinge zu erfahren,<br />

die nicht im Bereich <strong>de</strong>s Wissens, <strong>de</strong>r<br />

Erfahrung und <strong>de</strong>s analytisch logischen<br />

Denkens liegen. Es ist für ihn die Fähigkeit,<br />

über die direkte Inspiration mithilfe<br />

25


himmlischer Kräfte, Dinge in Erfahrung zu<br />

bringen. Anstatt Himmel verwen<strong>de</strong>n wir<br />

heute Begriffe wie »unbewusste Ebene«<br />

o<strong>de</strong>r Überselbst. Es ist die spontane Erkenntnis<br />

von Dingen, ihre Eingebung.<br />

Auch Wahrträume gehören für Paracelsus<br />

hierher. Für uns heute fällt dies in <strong>de</strong>n Bereich<br />

<strong>de</strong>r Kreativität und <strong>de</strong>r supranormalen<br />

Wahrnehmung. Wir wissen, dass große<br />

Werke und Erfindungen <strong>de</strong>r Menschheit<br />

meist über solche Eingebungen erfolgt<br />

sind. Natürlich haben viele solcher genialen<br />

Menschen vorher Wissen gesammelt,<br />

hart nach einer Lösung gesucht. Der Durchbruch<br />

zur Lösung kam aber meist unerwartet,<br />

z.B. durch einen Traum. Aber es<br />

gibt viele, die nach keiner Lösung für ein<br />

Problem suchten und doch Eingebungen<br />

hatten. Insbeson<strong>de</strong>re ist dies im künstlerischen<br />

Bereich <strong>de</strong>r Fall, wo es nicht um Lösungen<br />

geht, son<strong>de</strong>rn um Inspiration und<br />

schöpferische Kraft. Aber ich möchte auch<br />

an solche Versuche unter wissenschaftlichen<br />

Bedingungen erinnern, in <strong>de</strong>nen Menschen<br />

unter Hypnose o<strong>de</strong>r in Trance ihnen frem<strong>de</strong><br />

Sprachen sprechen konnten o<strong>de</strong>r als unmusikalische<br />

Menschen plötzlich recht gut<br />

Klavier spielen konnten. Auch die Versuche<br />

mit Telepathie stehen hierfür, in <strong>de</strong>nen<br />

Menschen Dinge wahrnehmen konnten<br />

von Personen, die tausen<strong>de</strong> Kilometer entfernt<br />

waren. Diese Kraft ermöglicht es uns<br />

auch, im entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Augenblick das<br />

Richtige zu tun. Sensitivität schult das<br />

Wahrnehmungsvermögen. Es gilt offen zu<br />

sein für das ganze Meer an Informationen,<br />

das an uns heranbraust. Es gilt zu unterschei<strong>de</strong>n<br />

und das Wirkliche und Wichtige<br />

auszuwählen. Durch die herkömmliche<br />

Ausbildung machen wir die Türen unseres<br />

Wahrnehmungsvermögens zu. Wir lernen<br />

in bestimmten Kategorien und Schubla<strong>de</strong>n,<br />

sozusagen auf einer flachen Ebene,<br />

zu <strong>de</strong>nken und diese bestimmen dann<br />

26<br />

unsere Wahrnehmung. Zu vielen Wahrnehmungen<br />

sagt unser Verstand, »das ist<br />

Blödsinn«, »Träume sind Schäume« usw..<br />

Sensitivität sagt, dass je<strong>de</strong> Wahrnehmung<br />

an sich richtig ist, dass oft aber die Deutung<br />

falsch ist. Wahrnehmung und das Deuten<br />

<strong>de</strong>r Wahrnehmung lehrt die Sensitivität.<br />

Paracelsus beschreibt, dass die »Divinatio«<br />

oft eine Sache <strong>de</strong>r ganz »einfachen«<br />

Menschen ist, da die gebil<strong>de</strong>ten, ja manchmal<br />

verbil<strong>de</strong>ten Menschen, spontane Eingebungen<br />

als »Einbildung« abtun. Sie achten<br />

nicht darauf und Paracelsus schreibt<br />

dazu: »Allein man merke darauf und verachte<br />

sie nicht, wie es <strong>de</strong>nn einem weisen<br />

Manne geziemt, nichts zu verachten,<br />

son<strong>de</strong>rn die Dinge mit Weisheit zu ermessen«<br />

(12).<br />

Es gibt für Paracelsus sechs Arten <strong>de</strong>r<br />

»Divinatio« o<strong>de</strong>r Sensitivität. Sie kann<br />

über <strong>de</strong>n Schlafzustand geschehen, also<br />

über das Träumen. »Also wird viel durch<br />

<strong>de</strong>n Traum diviniert, man achtet seiner<br />

nicht, bis es geschehen ist« (12). Die zweite<br />

Art bezeichnet er als »Phantasia«, worunter<br />

er versteht, sich von Bil<strong>de</strong>rn und Figuren<br />

inspirieren zu lassen. Paracelsus erwähnt<br />

dazu ein Beispiel:» So stehen manchmal<br />

seltsame Figuren am Himmel, die aussehen<br />

als ob sie Geister wären« (12). Im Gras zu<br />

liegen und die Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wolken zu beobachten<br />

und zu <strong>de</strong>uten, war eine Grundübung<br />

<strong>de</strong>r Schulung <strong>de</strong>r einstigen Seher.<br />

Eine weitere Art nennt er »Speculatio«:<br />

»So nimmt sich einer vor, über ein Ding<br />

nachzu<strong>de</strong>nken, was für ein En<strong>de</strong> es<br />

nehmen wer<strong>de</strong>, und <strong>bei</strong> diesem Nach<strong>de</strong>nken<br />

fin<strong>de</strong>t er wirklich das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Dinges« (12).<br />

Die weiteren Arten <strong>de</strong>r Divinatio gehen<br />

direkt über das seelische Erleben, das er als<br />

»Animus« bezeichnet, über die Sinne, als<br />

»Sensus« bezeichnet und über die innere<br />

Stimme, als »Vox« bezeichnet (13).


Die vierte Kunst<br />

Die Nigromantia · Die Medialität<br />

Ziel: Kommunikation außerhalb von Zeit und Raum<br />

Paracelsus bemüht sich die Begrifflichkeit<br />

hier ganz klar zu stellen, da auch damals<br />

diese Kunst schon als Totenbeschwörung<br />

in Verruf geraten war. Er bemerkt, dass<br />

diese Kunst früher »Schwarze Kunst« genannt<br />

wur<strong>de</strong>, da man sie hauptsächlich im<br />

Dunkeln ausübte. Mit Verstorbenen Kontakt<br />

aufzunehmen, sei eine völlig natürliche<br />

Angelegenheit und nichts Beson<strong>de</strong>res,<br />

so Paracelsus, da <strong>de</strong>r Mensch mit <strong>de</strong>m Tod<br />

seinen physischen Körper ablege, aber in<br />

seinem si<strong>de</strong>risch-astralen Körper weiterlebe.<br />

So habe die Nigromantia auch nichts<br />

Schrecken<strong>de</strong>s, da sie ja nicht mit <strong>de</strong>m toten<br />

Körper ar<strong>bei</strong>tet, son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>r Person,<br />

die auf <strong>de</strong>r feinstofflichen Ebene ganz natürlich<br />

weiterlebt. Die Fähigkeit, mit Wesen<br />

Kontakt aufzunehmen, die nicht an einen<br />

irdischen Körper gebun<strong>de</strong>n sind, also z.B.<br />

auch Naturgeister, fällt für Paracelsus ebenfalls<br />

unter die Nigromantia.<br />

Für viele Menschen heute ist sie sicherlich<br />

die zweifelhafteste Kunst, hat sie doch<br />

durch abstruse okkulte Praktiken gestörter<br />

Menschen gelitten, wie auch unter <strong>de</strong>r verdrehten<br />

Vorstellung <strong>de</strong>r Kirchen über <strong>de</strong>n<br />

Tod. Viele Menschen glauben auch heute<br />

noch, sie liegen bis zum Tag <strong>de</strong>r Auferstehung<br />

im Sarg. Sterben und Tod sind sehr<br />

vorbelastete Themen, so muss natürlich<br />

die Kommunikation mit Verstorbenen<br />

noch weit mehr irritieren. Manchen Menschen<br />

macht die Vorstellung, dass die physisch<br />

Toten gar noch unsichtbar anwesend<br />

sein können, noch weit mehr Stress, als<br />

die Angst vor <strong>de</strong>m Tod. In <strong>de</strong>n östlichen<br />

Län<strong>de</strong>rn ist <strong>de</strong>r Umgang mit <strong>de</strong>n Verstorbenen<br />

und Ahnen weitaus natürlicher als<br />

im Westen.<br />

Aber auch im Westen gibt es eine Art<br />

dieser Kunst, nämlich in <strong>de</strong>r Medialität,<br />

wie sie in England gelehrt wird. Dort ist es<br />

<strong>de</strong>r Spiritualismus, <strong>de</strong>r lehrt, dass alles auf<br />

dieser Er<strong>de</strong> beseelt ist und dass <strong>de</strong>r physische<br />

Tod nur eine Übergangsform in ein<br />

an<strong>de</strong>res Dasein ist. Viele Menschen suchen<br />

heute in England Medien auf. Ihre Ausbildung<br />

wird zum größten Teil strengen<br />

Kriterien unterzogen. Medien wer<strong>de</strong>n<br />

meist aufgesucht, um in Kontakt zu Verstorbenen<br />

zu treten, um <strong>de</strong>ren Hilfe und<br />

Rat fürs eigene Leben zu bitten. Auch die<br />

Polizei nutzt die Gabe solcher Menschen,<br />

zum Teil mit spektakulärem Erfolg.Während<br />

<strong>de</strong>s Weltkrieges waren Medien die Zuflucht<br />

vieler verzweifelter Eltern, <strong>de</strong>ren Söhne als<br />

vermisst galten. Ich habe selbst jahrelang<br />

in England Kurse mit Medien besucht und<br />

kann die Seriosität und Präzision in <strong>de</strong>r<br />

Ar<strong>bei</strong>t dieser Menschen,wie ich sie kennengelernt<br />

habe, nur bewun<strong>de</strong>rn.<br />

Die Nigromantia beschäftigt sich mit<br />

<strong>de</strong>r Trennung <strong>de</strong>s si<strong>de</strong>rischen Körpers, wir<br />

bezeichnen dies heute als Astralkörper,<br />

vom physischen Körper. Es ist auch im irdischen<br />

Leben eine ganz natürliche Fähigkeit<br />

<strong>de</strong>s Menschen. Künstler könnten ohne<br />

diese Fähigkeiten nicht zu ihren Inspirationen<br />

und Visionen kommen. Aus <strong>de</strong>n Zitaten<br />

vieler berühmter Komponisten gibt es<br />

zahlreiche Belege, in <strong>de</strong>nen sie Komponieren<br />

als somnambulen, medialen, trancehaften<br />

Zustand bezeichnen. Komponisten<br />

wie Wagner, Mahler o<strong>de</strong>r Brahms sprechen<br />

gar direkt von <strong>de</strong>m Gefühl, dass jemand<br />

an<strong>de</strong>res im Raum anwesend war und ihre<br />

Hand geführt habe. Bruckner hatte regelrechte<br />

Visionen, in <strong>de</strong>nen er mit Engeln<br />

kommunizierte, ebenfalls übrigens Robert<br />

Schumann. Ich will diese Dinge anführen,<br />

damit Sie erkennen können, dass diese<br />

Künste keine Seifenblase sind, son<strong>de</strong>rn<br />

ganz reale, enorme Energien <strong>bei</strong>nhalten.<br />

27


Interessanterweise erwähnt Paracelsus<br />

auch eine ganz beson<strong>de</strong>re Art <strong>de</strong>r Nigromantia:<br />

die Clausura nigromantica.<br />

»...daß sie <strong>de</strong>rjenige beherrscht, welcher in<br />

einen Menschen hineingreifen kann, ohne<br />

ihn zu verletzen, das ist, ohne daß eine sichtbare<br />

Öffnung da wäre« (14). Was heute mit<br />

großem Interesse auch wissenschaftlich verfolgt<br />

wird, ist genau diese Kunst, die manche<br />

philippinischen und brasilianischen<br />

Heiler beherrschen, die ohne Verletzung<br />

und Blutung operieren können. Auch zur<br />

Zeit <strong>de</strong>s Paracelsus scheint es das schon<br />

gegeben zu haben.<br />

Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n letzten Monaten erleben<br />

wir das Aufblühen eines Interesses, das für<br />

Paracelsus auch unter Nigromantia fällt,<br />

nämlich die Kommunikation mit Tieren.<br />

Das Buch »Der Pfer<strong>de</strong>flüsterer« bricht alle<br />

Rekor<strong>de</strong> und viele Menschen möchten<br />

lernen, mit ihren Tieren zu re<strong>de</strong>n.<br />

»Nichts gibt es, was die Natur nicht gekennzeichnet<br />

hätte. Durch diese Zeichnung<br />

kann man erkennen, was dadurch bezeichnet<br />

ist. – Wie ihr sehet, daß je<strong>de</strong>s Kraut<br />

in <strong>de</strong>r Form wächst, die seiner Natur entspricht,<br />

so erhält auch <strong>de</strong>r Mensch die<br />

Form, die seiner Natur entspricht« (15).<br />

Nach Paracelsus ist das »Signatum« die<br />

Kunst, aus <strong>de</strong>r äußeren Erscheinungsform<br />

eines Wesens auf seine inneren Qualitäten<br />

zu schließen. Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Heilpflanzenkun<strong>de</strong><br />

war diese Kunst mit am wichtigsten.<br />

Das aus dieser Kunst entstan<strong>de</strong>ne Wissen<br />

über die Heilwirkung <strong>de</strong>r Pflanzen konnte<br />

in <strong>de</strong>n meisten Fällen heute auch in wissenschaftlicher<br />

Hinsicht nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Kunst <strong>de</strong>s Signatum ist ebenfalls wich-<br />

28<br />

Nigromantia ist nach Paracelsus generell<br />

die Kunst, mit »Systemen« zu kommunizieren,<br />

die an<strong>de</strong>rs ausgerichtet sind, als die<br />

<strong>de</strong>s alltagsbewussten Menschen. Dies setzt<br />

natürlich voraus, dass man die Beseeltheit<br />

aller Wesen anerkennt, das Vorhan<strong>de</strong>nsein<br />

unterschiedlicher energetischer Körperebenen<br />

und anerkennt, dass es Dinge gibt,<br />

die außerhalb unserer Raum- und Zeitwahrnehmung<br />

existieren. Beschäftigt man<br />

sich mit dieser Kunst, so ist es unausweichlich,<br />

dass man zu einem übergeordneten<br />

Sinn im Leben fin<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r sich nicht erschöpft<br />

im Erreichen kurzfristiger materieller<br />

Ziele. Und gera<strong>de</strong> heute, wo alle Menschen<br />

das Gefühl haben, dass die Zeit rast,<br />

dass Menschen nach <strong>de</strong>m <strong>Ges</strong>ichtspunkt<br />

gesellschaftlicher Erfor<strong>de</strong>rnisse mit 40 Lebensjahren<br />

schon zum alten Eisen gehören,<br />

brauchen wir mehr <strong>de</strong>nn je einen neuen<br />

Sinnbezug zum Leben.<br />

Die fünfte Kunst<br />

Die Zeichen<strong>de</strong>utung · Die Signaturenlehre<br />

Ziel: Erkenntnisvermögen und Unterscheidungsfähigkeit<br />

tig, um das Wesen eines Menschen zu erkennen.<br />

»Der Bildner <strong>de</strong>r Natur ist so kunstreich,<br />

daß er die Form nach <strong>de</strong>m Gemüte<br />

schmie<strong>de</strong>t« (16). Deshalb sind die Chiromantie,<br />

die Kunst aus <strong>de</strong>n Handlinien zu<br />

lesen, und die Physiognomik in <strong>de</strong>n Augen<br />

von Paracelsus sehr wichtig. Gera<strong>de</strong> diese<br />

Fähigkeiten sind heute nicht mehr allzuhäufig<br />

vertreten. Manche Heilpraktiker<br />

sind darauf noch spezialisiert.<br />

Chiromantie, Physiognomik, Beobachtung<br />

<strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n und Mimik sind die<br />

praktischen Formen <strong>de</strong>r Kunst <strong>de</strong>r Zeichen<strong>de</strong>utung.<br />

Aber hinter ihrem einfachen<br />

Namen verbirgt sich eigentlich eine sehr<br />

hohe spirituelle Kunst. Paracelsus sagt, dass<br />

es göttlicher Wille ist, dass die Dinge sich


irgendwann offenbaren müssen. Auf dreifache<br />

Weise können sie offenbar wer<strong>de</strong>n:<br />

1. durch die Zeichen <strong>de</strong>r Natur – 2. in<strong>de</strong>m<br />

sich das Wesen selbst offenbart – 3.wenn<br />

Gott es offenbart. Hier haben wir einen<br />

ethischen Anspruch, <strong>de</strong>n gera<strong>de</strong> die Wissenschaften<br />

heute beherzigen sollten. Ent<strong>de</strong>cken<br />

und Forschen gehören zum göttlichen<br />

Willen und sind an sich nichts<br />

Schlechtes. Aber ob und wann etwas offenbart<br />

wird, dies sollte von einem höheren<br />

<strong>Ges</strong>ichtspunkt abhängen. Deshalb sollte<br />

nach Paracelsus jemand erst die Zeichen<br />

erkennen lernen, seine eigenen Zeichen als<br />

Akt <strong>de</strong>r Selbsterkenntnis und die Zeichen<br />

<strong>de</strong>r Zeit, bevor er Dinge offenbart. Be<strong>de</strong>nken<br />

wir, welche Folgen manche Forschungsergebnisse<br />

heute haben, Folgen für Generationen,<br />

da muss man <strong>bei</strong> aller wissenschaftlicher<br />

Freiheit doch fragen, ob es<br />

nicht sinnvoll ist, erst die eigene mensch-<br />

»Ich heiße sie Artes Incertae (ungewisse<br />

Künste) entsprechend <strong>de</strong>m Zustan<strong>de</strong>, in<br />

<strong>de</strong>m sie sich zu meinen Zeiten befin<strong>de</strong>n.<br />

Wären sie noch so wie <strong>bei</strong> <strong>de</strong>n Alten und<br />

wären die Jungen wie die Alten, so wollte<br />

ich sie Artes Certae (gewisse Künste)<br />

heißen« (17).<br />

Zunächst versteht Paracelsus darunter<br />

die Fähigkeit <strong>de</strong>r Vorfahren, aus <strong>de</strong>n Elementen<br />

heraus »Prophezeiungen« zu lesen.<br />

Er führt dazu die Geomantie an, die vor<br />

allem auch mit <strong>de</strong>r Wünschelrute ar<strong>bei</strong>tet,<br />

und die für Ortsgründungen, Hausbau<br />

und Bergbau eine wichtige Rolle spielte.<br />

Heute erleben wir einen Wie<strong>de</strong>raufgang<br />

<strong>de</strong>r Geomantie, vor allem auch in <strong>de</strong>r<br />

populären östlichen Form <strong>de</strong>s Feng Shui.<br />

Die sechste Kunst<br />

Ungewisse Kunst · Mentale Techniken<br />

Ziel: Konzentration<br />

liche Reife zu för<strong>de</strong>rn, bevor man Dinge<br />

unverantwortlich in die Welt setzt.<br />

Und noch etwas steckt nach Paracelsus<br />

in <strong>de</strong>r Signatur, nämlich die richtige Benennung<br />

<strong>de</strong>r Dinge. »Die Kunst Signata<br />

lehrt, einem je<strong>de</strong>n die rechten Namen<br />

geben nach <strong>de</strong>n ihm angeborenen Eigenschaften«<br />

(16). Aus zeitlichen Grün<strong>de</strong>n<br />

kann ich nicht ausführlicher darauf eingehen,<br />

aber die Benennung und Namensgebung<br />

war in frühen Zeiten ein magischer<br />

Akt. Der Name eines Ortes o<strong>de</strong>r einer<br />

Familie war nicht einfach ein Akt einer<br />

nominalistischen Bestimmung o<strong>de</strong>r Benennung,<br />

son<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong> mit kosmischen<br />

Energien in Verbindung gebracht. Namensgebung<br />

ist in diesem Sinne für Paracelsus<br />

keine einfache Begriffsfestlegung, son<strong>de</strong>rn<br />

muss aus <strong>de</strong>m tiefen Wissen um das Wesen<br />

entstehen.<br />

Des Weiteren erwähnt er die Möglichkeit,<br />

aus Feuer,Wasser und Luft Prophezeiungen<br />

zu gewinnen. Es sind heute fast vergessene<br />

Orakelkünste, von <strong>de</strong>nen es noch einige<br />

im Volksbrauch gibt.<br />

Diese ungewissen Künste beruhen nach<br />

Paracelsus auf <strong>de</strong>r Fähigkeit zur Imagination<br />

und auf <strong>de</strong>m Glauben. Paracelsus sagt,<br />

dass <strong>de</strong>r Mensch, <strong>de</strong>r einen starken Glauben<br />

hat, sein inneres <strong>Ges</strong>tirn und damit<br />

sein Schicksal verän<strong>de</strong>rn kann. Er nennt<br />

sie ungewisse Kunst, da nichts greifbar ist<br />

und <strong>de</strong>r Ausgangspunkt Unsicherheit und<br />

Ungewissheit ist. Allein <strong>de</strong>r Glaube ermöglicht<br />

die Verwirklichung. »Wie also <strong>de</strong>r<br />

Glaube ist, so ist die Vorstellung,... so ist<br />

das <strong>Ges</strong>tirn, so das Werk« (18), sagt Paracel-<br />

29


sus. Die Schulung fin<strong>de</strong>t mithilfe <strong>de</strong>r Elemente<br />

statt und könnte als Seher-Schulung<br />

bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Gelesen wird z.B. aus<br />

<strong>de</strong>r Bewegung <strong>de</strong>s Wassers o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rung<br />

im Feuer. So soll das menschliche<br />

Denken geschult wer<strong>de</strong>n, flüchtige Dinge<br />

festzuhalten. Was Paracelsus hier anführt,<br />

Diese Kunst ist die heutige vorherrschen<strong>de</strong><br />

und besteht in <strong>de</strong>r Erforschung <strong>de</strong>r materiellen<br />

Welt. Es ist mir wichtig hervorzuheben,<br />

dass Paracelsus die Naturwissenschaften<br />

ebenfalls als Kunst betrachtet. Es geht<br />

Paracelsus und auch mir nicht darum, diese<br />

und ihre Erfolge abzuwerten. Im Gegenteil,<br />

Erforschung, Erfindung, Konstruktion<br />

usw. sind eine Kunst. Wichtig in <strong>de</strong>r heutigen<br />

Zeit, in <strong>de</strong>r wir uns fast ausschließlich<br />

auf diese 7. Kunst beschränken, ist es zu<br />

be<strong>de</strong>nken, dass es weitere 6 Künste gibt.<br />

Und dies gibt einer zukünftigen Ausbildung<br />

und Studium völlig neue Perspektiven.<br />

Stellen Sie sich doch einmal eine Hochschule<br />

vor, die alle Künste lehrt. Stellen<br />

Sie sich die Reife vor, mit <strong>de</strong>r Menschen<br />

eine solche Ausbildung abschließen und<br />

ihren Weg in die Welt beginnen. Wir brauchen<br />

heute in diesem Dickicht unentwirrbarer<br />

Einzelinformationen und Details<br />

wie<strong>de</strong>r Menschen mit einer visionären,<br />

ganzheitlichen, ja vielleicht prophetischen<br />

Sicht, damit die Entwicklung auf dieser<br />

Er<strong>de</strong> nicht einem Zug <strong>de</strong>r Lemminge<br />

gleicht, son<strong>de</strong>rn eine Wen<strong>de</strong> zum Besseren<br />

nimmt.<br />

In <strong>de</strong>n 7 Künsten haben wir eigentlich<br />

die grundlegen<strong>de</strong>n Fähigkeiten <strong>de</strong>s Menschen<br />

dargestellt, die fast alle unabhängig<br />

von Zeit und Raum sind und seit Jahrtau-<br />

30<br />

Die siebte Kunst<br />

Die Manualis · Die technische Welt<br />

Ziel: Nachahmung<br />

fällt heute in <strong>de</strong>n Bereich Bewusstseins-<br />

Schulung, worunter auch das Positive Denken<br />

fällt. Diese Schulungen beruhen auf<br />

<strong>de</strong>m <strong>Ges</strong>etz, dass Energie <strong>de</strong>m Gedanken<br />

folgt. Kann man an diesem Gedanken festhalten,<br />

so kann man <strong>de</strong>ssen Verwirklichung<br />

erreichen.<br />

sen<strong>de</strong>n angewandt wer<strong>de</strong>n. Meiner persönlichen<br />

Erfahrung nach sind dies die wesentlichen<br />

Lernbereiche für je<strong>de</strong>n Menschen,<br />

die ihn auch unabhängig machen von<br />

äußeren Bedingungen, die sich ja stetig<br />

verän<strong>de</strong>rn. Es schult die inneren Sinne <strong>de</strong>s<br />

Menschen. »Wissen« und »Fakten« sind<br />

heute eine vergängliche Substanz. Eine<br />

Theorie wird heute als genial und bahnbrechend<br />

gefeiert und übermorgen schon<br />

als unhaltbar und unbrauchbar abgesetzt,<br />

um einer neuen I<strong>de</strong>e Platz zu machen.<br />

Hetzen wir diesen vergänglichen Werten<br />

hinterher, so altert unser Nervensystem<br />

schneller als uns lieb ist. Eine <strong>de</strong>r wichtigsten<br />

inneren Erfahrungen, die man heute<br />

machen kann, ist die, dass <strong>de</strong>r Kosmos zu<br />

je<strong>de</strong>m Augenblick vollkommen ist, dass<br />

uns zu je<strong>de</strong>m Augenblick die richtigen Informationen<br />

zur Verfügung stehen. Nur<br />

müssen wir unsere Fähigkeiten wie<strong>de</strong>r<br />

schulen, dies zu erkennen und anzunehmen.<br />

Nicht Detailwissen wird in Zukunft<br />

wichtig sein, son<strong>de</strong>rn ein ganzheitliches<br />

Erfassen <strong>de</strong>r Dinge, die Zusammenschau<br />

<strong>de</strong>r Dinge, wie sie die Astrologie lehrt.<br />

Nicht die materiellen Substanzen und<br />

Aspekte <strong>de</strong>s Lebens wer<strong>de</strong>n die Priorität in<br />

<strong>de</strong>r Zukunft haben, son<strong>de</strong>rn die energetischen.<br />

Nicht die einseitige För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

analytischen Denkens unserer linken Ge-


hirnhälfte wird in Zukunft wichtig sein,<br />

son<strong>de</strong>rn Inspirationen und Eingebungen,<br />

wie sie die Sensitivität ermöglicht. Für die<br />

totale Ausbeutung <strong>de</strong>r Lebewesen dieser<br />

Er<strong>de</strong> wird es keine Zukunft geben, son<strong>de</strong>rn<br />

nur für die Kommunikation <strong>de</strong>s Menschen<br />

mit <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Bewusstseinsebenen<br />

dieses Planeten; eine Fähigkeit, die über<br />

Medialität entwickelt wird. Die Zeichen<br />

<strong>de</strong>s Lebens auf dieser Er<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>uten, wird<br />

zu einer neuen Sinngebung führen. Mentale<br />

Techniken zur Bewusstseinsschulung,<br />

neue Lerntechniken feiern heute schon<br />

große Erfolge, ohne dass das herkömmliche<br />

Ausbildungssystem bereit ist, dies<br />

anzuerkennen. Schulen wir uns in diesen<br />

Künsten, so können wir mit allen Verän<strong>de</strong>rungen<br />

Schritt halten, da wir eine innere<br />

Leitlinie haben, nämlich unsere inneren<br />

Fähigkeiten. Und die veralten nicht, sind<br />

ewig zeitlos und helfen uns weit über<br />

unsere irdische Zeitspanne hinaus. Die<br />

Schulung dieser Kräfte sollte die Grundlage<br />

<strong>de</strong>r Ausbildung sein und erst an zweiter<br />

Stelle sollten die Fachinformationen<br />

stehen.<br />

Dass es schon I<strong>de</strong>en in dieser Hinsicht<br />

gibt, zeigt <strong>de</strong>r Ehlers-Verlag mit seiner Zeitschrift<br />

und seinen Kursen. Endlich gibt es<br />

damit ein Forum für diejenigen, die <strong>de</strong>m<br />

antiquierten Schubla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>r etablierten<br />

Systeme entkommen möchten und<br />

<strong>de</strong>ssen Opfer viele Quer- und Zukunfts<strong>de</strong>nker<br />

sind. Erkenntnis und Forschung<br />

sollte für alle Menschen offen sein, nicht<br />

nur für die studierten Fachspezialisten.<br />

Je<strong>de</strong>r Mensch sollte in <strong>de</strong>n Diskurs über<br />

solche Themen eintreten dürfen, sollte<br />

Themen vorschlagen können, <strong>de</strong>nn wir<br />

alle sind später davon betroffen, was heute<br />

die Herren, meist sind es solche, in <strong>de</strong>n<br />

Fachgremien über unsere Köpfe hinweg<br />

beschließen. Es sollte zum Nach<strong>de</strong>nken<br />

anregen, dass viele spektakuläre Erkennt-<br />

nisse nicht von <strong>de</strong>n Nachbetern irgendwelchen<br />

Wissens kommen, son<strong>de</strong>rn von<br />

Außenseitern und sogenannten Laien.<br />

In Deutschland ist es im Verhältnis zu<br />

Amerika ungemein auffällig, dass alles in<br />

Fachgebiete, Fachkreise eingeteilt ist, die<br />

wie<strong>de</strong>rum aus einzelnen Lobbys bestehen,<br />

die sich alle untereinan<strong>de</strong>r nicht grün sind.<br />

Deutschland ist ein Land <strong>de</strong>r Verwaltungsbereiche<br />

gewor<strong>de</strong>n,wo die Luft zum Atmen<br />

knapp, <strong>de</strong>r Freiraum für kreatives Leben<br />

eng gewor<strong>de</strong>n ist. Je<strong>de</strong> Lobby hütet eifersüchtig<br />

ihr Revier und ihren Markt. Es<br />

sollte allein die menschliche Leistung (die<br />

Betonung liegt auf menschlich und nicht<br />

auf Leistung!) zählen und nicht das irgendwann<br />

erworbene Diplom o<strong>de</strong>r ein irgendwann<br />

erworbener Titel. Die Schulung <strong>de</strong>s<br />

Menschlichen sollte alle Priorität haben<br />

vor <strong>de</strong>m Fachwissen. Stellen Sie sich doch<br />

einmal die Tagesnachrichten im Fernsehen<br />

vor, die natürlich über die Ereignisse <strong>de</strong>s<br />

Tages informieren, in <strong>de</strong>nen aber auch<br />

Menschen vorgestellt wer<strong>de</strong>n, die an diesem<br />

Tag sich durch eine beson<strong>de</strong>re menschliche<br />

Leistung ausgezeichnet haben. Dies<br />

wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Zuschauer positiver für sein<br />

Leben stimulieren als Gewalt, kapitalorientierter<br />

Sport o<strong>de</strong>r seichtes Show-Entertainment.<br />

Wie sagte unser aller Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt<br />

doch so schön: »Es muss ein Ruck<br />

durch unsere <strong>Ges</strong>ellschaft gehen.« Es wäre<br />

schön, wenn solche Herrschaften sich nicht<br />

nur in schönen Worten verlieren wür<strong>de</strong>n<br />

und darin vorangingen. Aber das müssen<br />

wir wohl selbst in die Hand nehmen.<br />

31


1 Paracelsus IV/538 Konkordanzzwischen<br />

Aschner und Sudhoff<br />

(XII/169)<br />

2 ebenda III/901 (I/299)<br />

3 Kayser S. 265<br />

4 Paracelsus III/904 (I/303)<br />

5 ebenda III/902 (I/301)<br />

6 ebenda IV/372 (XIII/298-299)<br />

7 ebenda IV/372 (XIII/299)<br />

8 Kayser S. 57<br />

PARACELSUS: Sämtliche Werke (Bän<strong>de</strong> I-IV)<br />

Hrg.: Bernhard Aschner<br />

Verlag von Gustav Fischer<br />

Jena 1926–1932<br />

32<br />

ANMERKUNGEN<br />

LITERATUR<br />

9 Paracelsus IV/366 (XIII/291-292)<br />

10 ebenda IV/367 (XIII/293)<br />

11 ebenda IV/399 (XIII/330)<br />

12 ebenda IV/487 (XII/104-105)<br />

13 ebenda IV/485 (XII/103)<br />

14 ebenda IV/471 (XII/86)<br />

15 ebenda IV/475 (XII/91)<br />

16 ebenda IV/476 (XII/92)<br />

17 ebenda IV/477 (XII/93-94)<br />

18 ebenda IV/785 (XII/475)<br />

KAYSER, Hans: Schriften Theophrasts von Hohenheim<br />

genannt Paracelsus<br />

Insel-Verlag Leipzig 1924<br />

Autor:<br />

Harald Knauss 16, rue Talmattrain<br />

F-67280 Oberhaslach


Günter Ickert<br />

ZUR GESCHICHTE DER<br />

DEUTSCHEN BOMBASTUS- GESELLSCHAFT<br />

Im Sommer 1929 erging <strong>de</strong>r Aufruf zur<br />

Gründung einer Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />

mit <strong>Ges</strong>chäftsstelle in München.<br />

Der »Aufruf zum Beitritt« wur<strong>de</strong> u.a.<br />

von <strong>de</strong>n Gründungsmitglie<strong>de</strong>rn<br />

Bernhard Aschner, Wien<br />

Hans Hofmann-Montanus, Salzburg<br />

Hermann Kerschensteiner, München<br />

Erwin Guido Kolbenheyer, Tübingen<br />

Ferdinand Sauerbruch, Berlin<br />

Friedrich Strunz, Wien<br />

Karl Sudhoff, Leipzig<br />

unterschrieben.<br />

Bereits am 20.11.1929 betrug die Mitglie<strong>de</strong>rzahl<br />

177. In <strong>de</strong>n Städten Berlin,<br />

Breslau, Frankfurt, Wien, Salzburg und<br />

München wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wunsch nach Gründung<br />

von Ortsgruppen geäußert. In Berlin<br />

entstand eine spagyrische Ar<strong>bei</strong>tsgemeinschaft<br />

unter Leitung von Dr. med. Kröner.<br />

Das erste Heft <strong>de</strong>r Zeitschrift »Acta Paracelsica«<br />

wur<strong>de</strong> für Ostern 1930 angekündigt.<br />

Die in dieser Zeit herausgegebene<br />

<strong>Ges</strong>amtausgabe <strong>de</strong>r Werke Paracelsi seitens<br />

Prof. Sudhoffs wur<strong>de</strong> durch Subskription<br />

von Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />

unterstützt. Im Frühjahr 1930 wur<strong>de</strong> zur<br />

1.<strong>Ges</strong>amttagung aufgerufen, die nach<br />

München einberufen wur<strong>de</strong> und mit einem<br />

Besuch Salzburgs verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n sollte.<br />

Regierungsrat Hans Hofmann-Montanus<br />

plante in Salzburg die Einrichtung eines<br />

Paracelsus-Museums. Pfingsten 1932 wur<strong>de</strong><br />

das 5.Heft <strong>de</strong>r »Acta Paracelsica« ausgeliefert.<br />

Alle diese verheißungsvollen Aktivitäten<br />

wur<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Machtantritt <strong>de</strong>r<br />

Nationalsozialisten (30.01.1933) unterbun<strong>de</strong>n.<br />

Das Paracelsus-Bild im sogenannten<br />

»III. Reich« wur<strong>de</strong> weitgehend geprägt<br />

durch die Paracelsus-Trilogie <strong>de</strong>s Schrift-<br />

stellers Erwin Guido Kolbenheyer (1878-<br />

1962), die ab 1917 erschien. Das von<br />

Kolbenheyer dargestellte Bild ist nicht<br />

durchgehend wissenschaftlich fundiert.<br />

Es wird gut erzählt, trägt aber einen unverkennbar<br />

<strong>de</strong>utsch-völkischen Einschlag. In<br />

seiner Ge<strong>de</strong>nkre<strong>de</strong> zum 400.To<strong>de</strong>stag <strong>de</strong>s<br />

Hohenheimers 1941 schil<strong>de</strong>rte Kolbenheyer<br />

das Leben eines »<strong>de</strong>utschen Genies«,<br />

fühlte er sich berufen, die »Ehre seines<br />

An<strong>de</strong>nkens« wie<strong>de</strong>rherzustellen. Paracelsus<br />

habe sich stets als »Stellvertreter seines<br />

Volkes« gefühlt. Kolbenheyer sprach vom<br />

Wirken <strong>de</strong>s Hohenheimers in <strong>de</strong>r »völkisch-revolutionären«<br />

Zeit <strong>de</strong>r Reformation<br />

und versuchte, Brücken zu schlagen zur<br />

»völkisch-revolutionären« NS-Zeit.<br />

In Ge<strong>de</strong>nkartikeln zum 400.To<strong>de</strong>stag<br />

wird Paracelsus als aus <strong>de</strong>r »heimatlichen<br />

Er<strong>de</strong>« und aus <strong>de</strong>m »Blute kommend«<br />

beschrieben, das auch »unser Blut« sei.<br />

Hippokrates und Paracelsus wür<strong>de</strong>n erst<br />

»heute, in nationalsozialistischen Gedankenkreisen<br />

lebend«, wie<strong>de</strong>r verstan<strong>de</strong>n.<br />

Der Hohenheimer sei »durch und durch<br />

<strong>de</strong>utsch«, und in <strong>de</strong>r »<strong>de</strong>utschen Geistesgeschichte«<br />

stün<strong>de</strong> er auch neben Friedrich<br />

Nietzsche.<br />

Dieses Paracelsus-Bild vermittelte auch<br />

ein Spielfilm <strong>de</strong>r Bavaria-Filmgesellschaft<br />

im Rahmen <strong>de</strong>r Ehrungen zum 400.To<strong>de</strong>sund<br />

450.Geburtstag mit Werner Krauss als<br />

Hauptdarsteller. Ungeachtet aller künstlerischen<br />

Leistungen war dies ein <strong>de</strong>utlich<br />

nationalsozialistischer Film. Krauss war<br />

übrigens in <strong>de</strong>m Veit-Harlan-Film »Jud<br />

Süß« <strong>de</strong>r Hauptdarsteller und avancierte<br />

mit dieser Rolle zum nationalsozialistischen<br />

Para<strong>de</strong>schauspieler.<br />

Die in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Fachliteratur<br />

veröffentlichten seriösen Ar<strong>bei</strong>ten über<br />

Leben, Werk und Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Hohenheimers<br />

konnten das durch die national-<br />

33


sozialistische Propaganda in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />

erzeugte Paracelsus-Bild kaum beeinflussen.<br />

Im Schlusswort ihres 1941 erschienen<br />

Buches »Paracelsus und wir«<br />

(Müllersche Verlagshandlung, Planegg vor<br />

München) zitiert die Autorin Martha Stills-<br />

Fuchs aus Alfred Rosenbergs »Mythus <strong>de</strong>s<br />

20.Jahrhun<strong>de</strong>rts« und formt ein abstruses<br />

Paracelsus-Bild. Fellmeth und Kothe<strong>de</strong>r<br />

haben in ihrem Buch »Paracelsus Theophrast<br />

von Hohenheim« (Wissenschaftliche<br />

Verlagsanstalt Stuttgart 1993) zum Paracelsus-Bild<br />

im Dritten Reich einen Beitrag<br />

von Udo Benzenhöfer veröffentlicht, auf<br />

<strong>de</strong>n hier verwiesen wer<strong>de</strong>n soll. Selten<br />

wur<strong>de</strong> Paracelsus so verzerrt dargestellt<br />

wie im Dritten Reich und so hemmungslos<br />

durch eine I<strong>de</strong>ologie vergewaltigt.<br />

Zum Paracelsus-Bild in <strong>de</strong>r DDR liegt<br />

noch keine wissenschaftliche Analyse vor.<br />

Während <strong>de</strong>r 40jährigen Existenz dieses<br />

Staates erschienen folgen<strong>de</strong> Ar<strong>bei</strong>ten, die<br />

sich direkt o<strong>de</strong>r indirekt mit <strong>de</strong>m Hohenheimer<br />

beschäftigten:<br />

LÖTHER, Rolf:<br />

Paracelsus<br />

in: Gropp, R.O. und Fiedler,<br />

F.: Von Cusanus bis Marx.<br />

Deutsche Philosophie aus fünf<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rten.<br />

Leipzig 1965 S.31-36<br />

LEMPER, Ernst-Heinz:<br />

Görlitz und <strong>de</strong>r Paracelsismus<br />

in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie<br />

1970 Heft 18 S.347-360<br />

WOLLGAST, Siegfried<br />

und R. LÖTHER (Hrg):<br />

Paracelsus – Das Licht <strong>de</strong>r Natur<br />

Auswahl philosophischer Schriften<br />

Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1973<br />

LEMPER, Ernst-Heinz:<br />

Jakob Böhme – Leben und Werk<br />

Union-Verlag Berlin 1976<br />

34<br />

(mit Bezügen zum Einfluss Paracelsi<br />

auf J.Böhme)<br />

TRILLITZSCH, Winfried:<br />

Der <strong>de</strong>utsche Renaissance-Humanismus<br />

Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1981<br />

KÄSTNER, Ingrid:<br />

Paracelsus<br />

Biographien hervorragen<strong>de</strong>r Naturwissenschaftler,Techniker<br />

und Mediziner<br />

Band 82<br />

B.G.Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig<br />

1985<br />

Die in Dres<strong>de</strong>n herausgegebene, <strong>de</strong>r<br />

Ost-CDU nahestehen<strong>de</strong> Tageszeitung<br />

»Union« veröffentlichte in <strong>de</strong>r Beilage<br />

18/1965 einen aus <strong>de</strong>r Zeitschrift »medicamentum«<br />

übernommenen Artikel von<br />

Dr. Erich Koch über Paracelsus sowie im<br />

Juni 1974 von Bernt Karger-Decker über<br />

»Medizinisch-Chemisch-Chirurgische<br />

Opera <strong>de</strong>s Paracelsus«.<br />

In <strong>de</strong>r vom Zentralrat <strong>de</strong>r FDJ herausgegebenen<br />

Kin<strong>de</strong>rzeitschrift »Atze« (Heft<br />

9/1972) wur<strong>de</strong> eine Bildgeschichte über<br />

Paracelsus veröffentlicht, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Hohenheimer<br />

als »erfolgreicher Arzt, Pionier <strong>de</strong>r<br />

mo<strong>de</strong>rnen Medizin« und Helfer <strong>de</strong>r Bedrängten<br />

vorgestellt wur<strong>de</strong>.<br />

Rosemarie Schu<strong>de</strong>r (geb.1928) veröffentlichte<br />

<strong>de</strong>n Roman »Paracelsus und <strong>de</strong>r<br />

Garten <strong>de</strong>r Lüste« (Rütten und Loening,<br />

Berlin 1972). Sie behan<strong>de</strong>lt die Baseler Zeit<br />

<strong>de</strong>s Paracelsus, zugleich »verschränkt mit<br />

Inspirationen aus und um Hieronymus<br />

Bosch und seine Bil<strong>de</strong>rwelt«.<br />

Veröffentlichungen von Prof. Dr. Otto<br />

Prokop, Direktor <strong>de</strong>s Instituts für gerichtliche<br />

Medizin an <strong>de</strong>r Humboldt-Universität<br />

Berlin, wie z.B.<br />

Medizinischer Okkultismus, Paramedizin,<br />

VEB Gustav Fischer Jena 1964<br />

Der mo<strong>de</strong>rne Okkultismus,<br />

Gustav Fischer Stuttgart 1987


stellten so etwas wie die offizielle Meinung<br />

<strong>de</strong>r DDR zur Medizin dar und verwarfen<br />

alles, was nicht in sozialistische Hochschulmedizin<br />

passte. Von Toleranz zu an<strong>de</strong>ren<br />

Therapien und philosophischen Ansichten<br />

war nichts zu spüren. So wur<strong>de</strong> z.B. ein<br />

Anfang 1989 von einem Mitbegrün<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r späteren Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />

zur Veröffentlichung im »medicamentum«<br />

an das Kombinat GERMED<br />

eingereichtes Manuskript über therapeutische<br />

Prinzipien <strong>de</strong>s Paracelsus wegen<br />

»ten<strong>de</strong>nziös« angelegter Ausführungen und<br />

»anzuzweifeln<strong>de</strong>r naturphilosophischer<br />

Betrachtungsweisen« zurückgewiesen und<br />

<strong>de</strong>r Autor mit einem generellen Veröffentlichungsverbot<br />

belegt.<br />

Die o.g.Veröffentlichungen von in <strong>de</strong>r<br />

DDR leben<strong>de</strong>n Autoren waren nicht in<br />

<strong>de</strong>r Lage, <strong>de</strong>n Paracelsus-Missbrauch <strong>de</strong>s<br />

Dritten Reiches zu rehabilitieren. Der<br />

Hohenheimer wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r offiziellen<br />

DDR totgeschwiegen – die wenigen<br />

Veröffentlichungen erreichten nur einen<br />

kleinen Kreis ohnehin informierter Leser –<br />

bzw. als paramedizinischer und nicht ins<br />

Weltbild <strong>de</strong>r DDR passen<strong>de</strong>r Außenseiter<br />

abqualifiziert (Prokop).<br />

Nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> vom Herbst 1989 kam es<br />

zu Kontakten mit Prof. Dr.Wollgast (S. 34)<br />

mit <strong>de</strong>m Ziel, die Chancen für die Gründung<br />

einer <strong>de</strong>m Hohenheimer verpflichteten<br />

wissenschaftlichen <strong>Ges</strong>ellschaft zu erkun<strong>de</strong>n.<br />

Zu unserer großen Überraschung<br />

war es nach 1945 auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r damaligen<br />

Bun<strong>de</strong>srepublik nicht zu einer<br />

Wie<strong>de</strong>r- bzw. Neugründung <strong>de</strong>r 1933 untergegangenen<br />

Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft gekommen<br />

und auch 1990/91 war solches<br />

offensichtlich nicht vorgesehen. So kam es<br />

im Sommer 1991 zur Gründung <strong>de</strong>r <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft.<br />

Den Gründungsmitglie<strong>de</strong>rn<br />

war klar, dass es im Hinblick auf<br />

die inzwischen jahrzehntelange erfolgreiche<br />

Ar<strong>bei</strong>t <strong>de</strong>r Schweizerischen wie Internationalen<br />

Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft sowie die<br />

Erfahrungen mit <strong>de</strong>m Missbrauch <strong>de</strong>s<br />

Hohenheimers im Dritten Reich und das<br />

Totschweigen in <strong>de</strong>r DDR kein direktes<br />

Fortsetzen <strong>de</strong>r Ar<strong>bei</strong>t <strong>de</strong>r 1929 gegrün<strong>de</strong>ten<br />

Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft geben konnte, son<strong>de</strong>rn<br />

ein völliger Neuanfang gewagt wer<strong>de</strong>n<br />

musste. Auch hatten die Gründungsmitglie<strong>de</strong>r<br />

zunächst keine gesamt<strong>de</strong>utschen<br />

Ambitionen, son<strong>de</strong>rn wollten in Dres<strong>de</strong>n<br />

gemeinsam mit <strong>de</strong>m Urania-Vortragszentrum<br />

durch Vorträge das sechs Jahrzehnte<br />

währen<strong>de</strong> Informations<strong>de</strong>fizit hinsichtlich<br />

Leben,Werk und Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Paracelsus<br />

abbauen. Dazu sollte auch das Periodikum<br />

»Manuskripte-Thesen-Informationen«<br />

<strong>bei</strong>tragen, <strong>de</strong>ssen erstes Heft im Mai 1992<br />

erschien. Vorrangiges Ziel <strong>de</strong>r <strong>Ges</strong>ellschaft<br />

war die Vorbereitung eines würdigen Ge<strong>de</strong>nkens<br />

an <strong>de</strong>n 500.Paracelsus-Geburtstag<br />

im Jahre 1993. Am 18.September 1993<br />

wur<strong>de</strong> im Landhaus, <strong>de</strong>m Stadtmuseum<br />

Dres<strong>de</strong>ns, eine Paracelsus-Ausstellung mit<br />

einer Ansprache <strong>de</strong>s Dezernenten für <strong>Ges</strong>undheit<br />

und Soziales <strong>de</strong>r Stadt Dres<strong>de</strong>n<br />

in Vertretung <strong>de</strong>s Oberbürgermeisters<br />

eröffnet. Anwesend waren eine Delegation<br />

aus Einsie<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Oberlausitzischen<br />

<strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>r Wissenschaften,<br />

Prof. Dr. Lemper, sowie Dr. Frenzel vom<br />

Sächsischen Staatsministerium für <strong>Ges</strong>undheit,<br />

Soziales und Familie. Diese Ausstellung<br />

fand in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit eine große<br />

Resonanz. Die <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />

wur<strong>de</strong> zur Festsitzung <strong>de</strong>s Kumpfmühler<br />

Kollegiums anlässlich <strong>de</strong>s 500.Paracelsus-<br />

Geburtstages nach Regensburg eingela<strong>de</strong>n<br />

und beteiligte sich neben Prof. Dr. Schipperges<br />

an <strong>de</strong>n <strong>bei</strong><strong>de</strong>n Festvorträgen.<br />

Auf Einladung <strong>de</strong>s Festkomitees <strong>de</strong>r Stadt<br />

Einsie<strong>de</strong>ln weilte eine Delegation <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft zum Festakt am<br />

6.11.1993 im Geburtsort <strong>de</strong>s Hohenheimers.<br />

Zum Abschluss <strong>de</strong>r Ausstellung<br />

35


im Dresdner Stadtmuseum veranstaltete<br />

die <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft am 17.11.1993<br />

im Haus <strong>de</strong>r Bildung und Kultur zu Dres<strong>de</strong>n<br />

einen Festakt mit einem Grußwort <strong>de</strong>s<br />

Sächsischen Staatsministers für <strong>Ges</strong>undheit,<br />

Soziales und Familie sowie Festvorträgen<br />

von Frau Dr. Kästner, Karl-Sudhoff-<br />

Institut <strong>de</strong>r Universität Leipzig, Prof. Dr.<br />

Lemper (Görlitz) und Prof. Dr.Wollgast<br />

(Dres<strong>de</strong>n). Diesem Festakt wohnten etwa<br />

400 Personen <strong>bei</strong>, auch aus <strong>de</strong>n alten<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn. Die Aktivitäten um <strong>de</strong>n<br />

500.Paracelsus-Geburtstag wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb<br />

so ausführlich dargestellt, weil die<br />

<strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft nicht nur zu <strong>de</strong>n<br />

<strong>bei</strong><strong>de</strong>n Schwestergesellschaften in Zürich<br />

und Salzburg, son<strong>de</strong>rn auch zu verschie<strong>de</strong>nen<br />

Universitäten und Institutionen<br />

Kontakte knüpfte und ihre Mitglie<strong>de</strong>rzahl<br />

erheblich vergrößerte. Innerhalb von drei<br />

Jahren war die <strong>Ges</strong>ellschaft auch in einer<br />

Reihe <strong>de</strong>r alten Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r präsent und<br />

hatte <strong>de</strong>n Rahmen regionalen Wirkens<br />

gesprengt. Im Mai 1995 entschie<strong>de</strong>n die<br />

Mitglie<strong>de</strong>r die Umbenennung in Deutsche<br />

<strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft.<br />

Konfrontiert mit <strong>de</strong>r historischen Schuld<br />

zweier totalitärer Regime auf <strong>de</strong>utschem<br />

Bo<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ren Folgen sowie im Hinblick<br />

auf die Ar<strong>bei</strong>ts- und Forschungsbereiche<br />

<strong>de</strong>r Internationalen und Schweizerischen<br />

Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft entschied sich die<br />

Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft, die<br />

Ethik <strong>de</strong>s Christen Paracelsus in <strong>de</strong>n Mittelpunkt<br />

ihres Wirkens zu stellen,ohne ihre<br />

Informationspflicht zum paracelsischen<br />

<strong>Ges</strong>amtwerk zu vernachlässigen. Die Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r zurückliegen<strong>de</strong>n Jahre hat gezeigt,<br />

dass die DBG mit ihrer Zuwendung<br />

zur paracelsischen Ethik eine Art Schlussstein<br />

in das Wirkungsgefüge <strong>de</strong>r <strong>bei</strong><strong>de</strong>n<br />

Schwestergesellschaften einfügte, <strong>de</strong>r das<br />

wechselseitige Geben und Nehmen offensichtlich<br />

befruchtet. Wir meinen, dass die<br />

Ethik <strong>de</strong>s Hohenheimers gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />

36<br />

gegenwärtigen Zeit notwendiger <strong>de</strong>nn je<br />

ist, weil – Zitat <strong>de</strong>s verstorbenen Baseler<br />

Physikochemikers Prof. Dr. Thürkauf –<br />

»nur Liebestaten sinnvoll« sind; »eine Tat,<br />

die keine Liebestat ist, ist sinnlos, und<br />

wenn sie noch so zweckvoll ist. Aus diesem<br />

Grun<strong>de</strong> wird die mo<strong>de</strong>rne Naturwissenschaft<br />

täglich zweckvoller und täglich sinnloser.«<br />

Das Generalthema <strong>de</strong>s II. Dresdner<br />

Symposiums <strong>de</strong>r DBG verwies mit einem<br />

Paracelsus-Zitat auf die gleiche Problematik:<br />

»dan kunst und werkschaft müssen<br />

aus <strong>de</strong>r liebe entspringen, sonst ist nichts<br />

volkommens da« (XI/146). Der Christ<br />

Paracelsus sah seine Weltanschauung nicht<br />

an als Auslöser philosophischer Debatten<br />

o<strong>de</strong>r Streitgespräche um Spitzfindigkeiten.<br />

Dem Hohenheimer ging es nicht ums<br />

Missionieren, son<strong>de</strong>rn um das <strong>bei</strong>spielhafte<br />

Vorleben christlicher Nächstenliebe – »<strong>de</strong>r<br />

aber die liebe nit sucht in seinem schatz<br />

(Herz – GI), <strong>de</strong>r hoffet leer stro« (Abt. II,<br />

Supplement, Wiesba<strong>de</strong>n 1973, S.7). Die<br />

DBG will in diesem Sinne wirken und<br />

bekennt mit Paracelsus: »Darumb schreib<br />

ich <strong>de</strong>n christen ein lehr einer christlichen<br />

policei (= Sozial- und Staatslehre – GI).<br />

dann alle lehr, regiment, gebott, kunst usw.<br />

sollen auf <strong>de</strong>n eckstein Christum gesetzt<br />

sein« (ebenda S.6).<br />

Von Anfang an kam es <strong>de</strong>r DBG darauf<br />

an, all ihr Wirken unter Einbeziehung<br />

<strong>de</strong>r interessierten und zu interessieren<strong>de</strong>n<br />

Öffentlichkeit zu vollziehen. Das Wirken<br />

<strong>de</strong>s Hohenheimers spielte sich stets »coram<br />

omnibus« ab, und Ethik ist im Sinne eines<br />

immanenten Bildungsauftrages »unter die<br />

Leute« zu bringen. Das erfor<strong>de</strong>rte von Anfang<br />

an die schwierige Verknüpfung von<br />

Wissenschaftlichkeit mit Allgemeinverständlichkeit<br />

sowohl in <strong>de</strong>n Vortragsveranstaltungen<br />

als auch im Periodikum. Die<br />

relativ hohe Zahl von ca. 250 Mitglie<strong>de</strong>rn<br />

aus allen Bevölkerungsschichten und<br />

nahezu allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn sowie (Einzel-


personen) aus <strong>de</strong>m Ausland scheinen, wie<br />

auch die Akzeptanz unseres Periodikums<br />

und <strong>de</strong>r Symposien <strong>bei</strong> »Laien« wie Wissenschaftlern,<br />

darauf hinzu<strong>de</strong>uten, dass<br />

Wissenschaftlichkeit Allgemeinverständlichkeit<br />

nicht ausschließen muss.<br />

Ihren Bildungsauftrag verwirklicht die<br />

DBG durch<br />

– öffentliche Vorträge im Deutschen<br />

Hygiene-Museum zu Dres<strong>de</strong>n in Form<br />

von Gemeinschaftsveranstaltungen mit<br />

<strong>de</strong>m Urania-Vortragszentrum Dres<strong>de</strong>n.<br />

Seit März 1992 fan<strong>de</strong>n 24 solcher Vorträge<br />

statt mit einer durchschnittlichen<br />

Teilnehmerzahl von 90 Personen. Die<br />

Referenten kamen aus Deutschland,<br />

Österreich, <strong>de</strong>r Schweiz, Frankreich und<br />

<strong>de</strong>n USA.<br />

– das Periodikum »Manuskripte-Thesen-<br />

Informationen«, von <strong>de</strong>m bisher 16 Hefte<br />

erschienen.Vorträge wie Periodikum<br />

sollen über die gesamte Bandbreite<br />

paracelsischen Wirkens informieren.<br />

– die Symposien. Nach <strong>de</strong>m Festakt von<br />

1993 fand das I. Dresdner Symposium<br />

im September 1996, das II. im Mai 1999<br />

statt. Der Dreijahresrhythmus <strong>de</strong>r Symposien<br />

soll <strong>bei</strong>behalten wer<strong>de</strong>n, damit<br />

eine zu dichte Folge nicht das Interesse<br />

lähmt. Im Mittelpunkt <strong>de</strong>r Symposien<br />

wird <strong>de</strong>zidiert die Ethik <strong>de</strong>s Hohenheimers<br />

stehen. Die im Grußwort Herrn<br />

Prof. Dr. Harrers zum II. Symposium<br />

<strong>de</strong>r DBG zum Ausdruck gebrachte hohe<br />

Wertschätzung, mit diesen Symposien<br />

»das Beziehungsgefüge zwischen <strong>de</strong>r<br />

Persönlichkeit <strong>de</strong>s Hohenheimers und<br />

seinem Wirken als Arzt, Naturforscher,<br />

Philosoph und Theologe sichtbar zu<br />

machen«, verleiht uns Mut, auf <strong>de</strong>m<br />

eingeschlagenen Weg zu bleiben. Die<br />

Dresdner Symposien <strong>de</strong>r DBG sollen<br />

eine Tradition wer<strong>de</strong>n, die auch <strong>de</strong>r<br />

Kulturstadt Dres<strong>de</strong>n zur Ehre gereicht.<br />

Das III.Dresdner Symposium <strong>de</strong>r DBG<br />

fin<strong>de</strong>t am 11.Mai 2002 wie<strong>de</strong>rum im<br />

Haus <strong>de</strong>r Kirche statt.<br />

Nach <strong>de</strong>r Konsolidierung ihres Fundaments<br />

– eine zehn Jahre alte wissenschaftliche<br />

<strong>Ges</strong>ellschaft steht ja erst am Beginn<br />

ihrer Entwicklung und Profilierung –<br />

wer<strong>de</strong>n wir uns auch <strong>de</strong>n sächsischen<br />

Paracelsisten<br />

Valentin Weigel (1533-1588),<br />

Christoph Weickhardt (Weigels Kantor),<br />

Georg Forberger (Mittweida, Herausgeber<br />

paracelsischer Schriften, 16. Jhd.),<br />

Christoph Büttner (Annaberg-Buchholz,<br />

Pharmazeut im Dienste Kurfürst Augusts<br />

von Sachsen, 1526–1586, und <strong>de</strong>ssen<br />

Leibarzt) und JoachimTanckius (Professor<br />

<strong>de</strong>r Poesie sowie <strong>de</strong>r Anatomie und<br />

Chirurgie, 1593 und 1599 Rektor an <strong>de</strong>r<br />

Leipziger Universität) – sh. MTI<br />

Nr. 5-1/1994, S.23f. –<br />

zuwen<strong>de</strong>n. Eine ausgezeichnete Basis für<br />

dieses Wirken erar<strong>bei</strong>teten sowohl u.a.<br />

Herr Dr. Pfefferl (Marburg) als auch<br />

Herr Prof. Dr. Benzenhöfer (Hannover),<br />

Herr Dr.Telle (Nürtingen) und<br />

Herr Prof. Dr.Wollgast (Dres<strong>de</strong>n).<br />

Im Herbst 1999 versandte die DBG mit<br />

Genehmigung <strong>de</strong>s Regional-Schulamtes<br />

Dres<strong>de</strong>n Informationsposter über Leben,<br />

Werk und Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Hohenheimers<br />

an Gymnasien in Dres<strong>de</strong>n und Umgebung<br />

mit <strong>de</strong>m Angebot zu entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Vorträgen. In 11 Veranstaltungen zwischen<br />

März und Juni 2000 nutzten 11. Klassen<br />

dieses Angebot, um ergänzend zum Literaturunterricht<br />

über das Thema »Goethe–<br />

Faust–Paracelsus–Magie« durch ein Mitglied<br />

<strong>de</strong>s Verwaltungsrates informiert zu<br />

wer<strong>de</strong>n und in tiefgründigen Debatten<br />

über Paracelsus und weltanschauliche Probleme<br />

Auskunft zu erhalten. An diesen Vorträgen<br />

nahmen etwa 500 Gymnasiasten<br />

und ca. 40 Lehrer teil, und das Echo war<br />

37


schon berührend – Saat auf Hoffnung!<br />

Die christliche Ethik <strong>de</strong>s <strong>Bombastus</strong><br />

Paracelsus verbin<strong>de</strong>t Wissenschaftler wie<br />

»Laien«, <strong>Ges</strong>tan<strong>de</strong>ne und Suchen<strong>de</strong>.<br />

Die geistige Verwandtschaft Jakob Böhmes<br />

mit Bombast von Hohenheim ist auch<br />

Gegenstand <strong>de</strong>s Wirkens <strong>de</strong>r Oberlausitzischen<br />

<strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>r Wissenschaften zu<br />

Görlitz, die am 21.04.1779 von Karl Gottlob<br />

Anton (<strong>Ges</strong>chichte, Rechtskun<strong>de</strong>, Sprachen)<br />

und Adolf Traugott von Gersdorf<br />

(Philosophie, Physik, Botanik, Ökonomie)<br />

gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Die unmittelbar nach<br />

Gründung <strong>de</strong>r DBG gesuchten und seit<strong>de</strong>m<br />

engen Kontakte zur Oberlausitzischen<br />

<strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>r Wissenschaften wirken<br />

sich för<strong>de</strong>rnd auf <strong>bei</strong><strong>de</strong> <strong>Ges</strong>ellschaften aus,<br />

auch durch wechselseitig in Dres<strong>de</strong>n wie<br />

Görlitz gehaltene Vorträge. Durch die<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t mit <strong>de</strong>r Görlitzer <strong>Ges</strong>ellschaft<br />

kann auch <strong>de</strong>r schlesisch-böhmischlausitzische<br />

Kulturraum in die Ar<strong>bei</strong>t <strong>de</strong>r<br />

DBG einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die zurückliegen<strong>de</strong>n zehn Jahre haben die<br />

Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft in Aufgaben<br />

und Verantwortung geführt, von<br />

<strong>de</strong>nen in <strong>de</strong>r Gründungsphase die kühnsten<br />

Träume weit entfernt waren. Wir danken<br />

das in erster Linie unseren Mitglie<strong>de</strong>rn,<br />

ohne <strong>de</strong>ren i<strong>de</strong>elle wie finanzielle Unterstützung<br />

diese Entwicklung unmöglich gewesen<br />

wäre. Wir danken diesen guten Weg<br />

<strong>de</strong>r Akzeptanz und <strong>de</strong>r Unterstützung seitens<br />

<strong>de</strong>r Schwestergesellschaften, <strong>de</strong>r Internationalen<br />

Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft und <strong>de</strong>r<br />

Schweizerischen Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft,<br />

<strong>de</strong>ren Präsi<strong>de</strong>nten – Herrn Prof. Dr. Pöldinger<br />

und Herrn Dr. Ganten<strong>bei</strong>n – wir diesen<br />

Dank hier persönlich übermitteln können.<br />

In diesem Zusammenhang gilt unser Dank<br />

auch <strong>de</strong>r Oberlausitzischen <strong>Ges</strong>ellschaft<br />

<strong>de</strong>r Wissenschaften und ihrem damaligen<br />

Präsi<strong>de</strong>nten, Herrn Prof. Dr. Lemper,<br />

sowie <strong>de</strong>m Kumpfmühler Kollegium in<br />

38<br />

Regensburg mit seinem ehrwürdigen Inspirator<br />

Dr. Max Josef Zilch. Nicht zuletzt<br />

und nicht min<strong>de</strong>r herzlich sei <strong>de</strong>m Urania-<br />

Vortragszentrum Dres<strong>de</strong>n mit Herrn<br />

Prof. Dr. Heinrich, <strong>de</strong>m Vorsitzen<strong>de</strong>n, und<br />

Herrn Dipl.-Ing. Kloppisch, <strong>de</strong>m <strong>Ges</strong>chäftsführer,<br />

gedankt, die uns selbstlos wenige<br />

Monate nach <strong>de</strong>r Gründung in ihr Programmheft<br />

und in das Hygiene-Museum<br />

aufnahmen und uns dadurch halfen, überraschend<br />

schnell in <strong>de</strong>n Blickpunkt <strong>de</strong>r<br />

Dresdner Öffentlichkeit zu gelangen. Noch<br />

eines weiteren Dresdners sei hier in Dankbarkeit<br />

gedacht: Herrn Prof. Dr.Wollgasts,<br />

<strong>de</strong>r bereits zum Festakt 1993 im Haus <strong>de</strong>r<br />

Bildung und Kultur als Vortragen<strong>de</strong>r zum<br />

Gelingen jener Veranstaltung <strong>bei</strong>trug und<br />

<strong>bei</strong><strong>de</strong> bisherigen Symposien mit Vorträgen<br />

bereicherte – herzlichen Dank!<br />

»Unsichtbar« und »unleiblich« wie die<br />

Kraft in <strong>de</strong>r Arznei wird <strong>de</strong>r Hohenheimer<br />

auch heute unter uns weilen und spüren,<br />

dass unser Dank vor allem an<strong>de</strong>ren Dank<br />

ihm gilt, seinem Leben und Wirken.<br />

»so gott ein solche reichtumb zufuegt (d.h.<br />

viel Wissen und Können – GI), so soll<br />

<strong>de</strong>r mensch, <strong>de</strong>r si hat...reichlich austeilen<br />

<strong>de</strong>nen, dohin es gehört« (II.Abt. Bd.II<br />

S.3). In diesem Sinne, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s <strong>Bombastus</strong><br />

Paracelsus, will die Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<br />

<strong>Ges</strong>ellschaft das zweite Jahrzehnt ihrer<br />

Ar<strong>bei</strong>t beginnen.


Andrew Weeks: Paracelsus.<br />

Speculative Theory and the Crisis of the<br />

Early Reformation.<br />

State University of New York Press. 1997.<br />

238 Seiten, ausführliches Quellen- und<br />

Namensverzeichnis mit 174 Ergänzungsnotizen,<br />

Broschur, Frontispiz:<br />

Paracelsusbild von Hirschvogel;<br />

Herausgegeben von David Appelbaum in<br />

SUNY Series in Western Esoteric Traditions.<br />

Andrew Weeks: Boehme.<br />

An Intellectual Biography of the Seventeenth-Century<br />

Philosopher and Mystic.<br />

State University of New York Press. 1991.<br />

268 Seiten, ausführliches Quellen- und<br />

Namensverzeichnis und Ergänzungsnotizen,<br />

fester Einband, Frontispiz:<br />

Ausschnitt einer Karte <strong>de</strong>r Oberlausitz<br />

von 1495; mit Dank an die Archivare und<br />

Bibliothekare in Bloomington, Middlebury,<br />

Urbana,Wien,Wolfenbüttel und Görlitz<br />

für Unterstützung <strong>de</strong>r Böhme-Forschung.<br />

Professor Andrew Weeks steht in brieflichem<br />

Kontakt mit <strong>de</strong>m Vorstand <strong>de</strong>r<br />

Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft e.V.<br />

Er hat eine Professur für <strong>de</strong>utsche Sprache<br />

an <strong>de</strong>r Illinois State University. Motiv<br />

seiner Lehre über Paracelsus, Böhme und<br />

auch Hil<strong>de</strong>gard von Bingen ist seine<br />

Stellung als »amerikanischer Germanist, <strong>de</strong>r<br />

zwischen <strong>de</strong>n weniger zugänglichen <strong>de</strong>utschen<br />

Autoren und <strong>de</strong>m englischsprechen<strong>de</strong>n Publikum<br />

vermitteln möchte«.<br />

Aus dieser Position heraus lehrt er seine<br />

Stu<strong>de</strong>nten und Leser ein gründliches Weltbild<br />

<strong>de</strong>r Jahrzehnte <strong>de</strong>r Reformation und<br />

<strong>de</strong>s Barock. Weeks bin<strong>de</strong>t das Leben seiner<br />

Titel-Personen ein in das damalige Zeitgeschehen<br />

und stellt Verknüpfungen zu<br />

Zeitgenossen dar.<br />

Die Glie<strong>de</strong>rungspunkte seines Buches<br />

über Paracelsus lauten: Die Doppel<strong>de</strong>utigkeit<br />

<strong>de</strong>s Paracelsus. Pest und Erlösung. Bauernkrieg<br />

und Bil<strong>de</strong>rstürmerei. Die Befreiung von gött-<br />

Werner Lauterbach<br />

REZENSION – INFORMATION<br />

lichen Vorstellungen. Die Reise <strong>de</strong>r Medizin. Die<br />

Welt als Spiegel. Die Beleuchtung <strong>de</strong>r Theorie.<br />

Als interessante Thematik stellt <strong>de</strong>r Autor<br />

»seinen« Paracelsus zwischen Luther und<br />

Faust, »zwischen <strong>de</strong>n Reformator und <strong>de</strong>n<br />

Scharlatan«. Während im Lebensweg <strong>de</strong>s<br />

Paracelsus geklärte und ungeklärte Fahrten<br />

und Reisen durch verschie<strong>de</strong>ne Län<strong>de</strong>r<br />

anklingen, ist Böhmes Leben auf die<br />

Lausitz beschränkt. So erklärt Weeks einleitend<br />

im Böhmebuch recht gründlich die<br />

geschichtliche Situation in <strong>de</strong>r Oberlausitz,<br />

auch für Leser, die mit <strong>de</strong>r sächsischen<br />

<strong>Ges</strong>chichte vertraut sind, hochinteressant<br />

dargestellt. Es folgen die Kapitel: Die Entstehung<br />

von Böhmes Visionen. Die zweifache<br />

Aurora. Die drei Welten. Die Feuer-Welt.<br />

Der Spiegel <strong>de</strong>r Finsternis. Der Wille zur Offenbarung.<br />

Böhmes letztes Jahr. Nach Weeks<br />

Meinung sind <strong>de</strong>utsche Rezeptionen –<br />

speziell <strong>bei</strong> Böhme – häufig zu einseitig<br />

durch »erbauliche« o<strong>de</strong>r gar »nationalistische«<br />

Vorstellungen geprägt. Er wür<strong>de</strong><br />

sie gern mit <strong>de</strong>m Begriff »Alltagswelt«<br />

(aber ohne i<strong>de</strong>ologische Färbung wie <strong>bei</strong><br />

Kuczynski) verar<strong>bei</strong>ten. Für ihn sind<br />

»Böhmes Sprache und Bil<strong>de</strong>rschatz eine<br />

<strong>de</strong>r großen poetischen Leistungen <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Literatur«. Diese Wertung<br />

haben wir <strong>bei</strong> einem <strong>de</strong>utschen Autor über<br />

<strong>de</strong>n Philosophen auf <strong>de</strong>m Schusterschemel<br />

noch nicht gelesen! Zum Internationalen<br />

Wissenschaftlichen Symposium vom<br />

27. bis 30. Oktober 2000 in Görlitz hat dies<br />

Prof.Weeks überzeugend vorgetragen.<br />

Nachbemerkung:<br />

Interessant ist für uns ein Einblick in das<br />

Quellenverzeichnis. Es zeigt, welche Maßstäbe<br />

Weeks seiner Forschung zugrun<strong>de</strong><br />

legt. Er verweist im Buch über Paracelsus<br />

auf 200 Titel in <strong>de</strong>utscher Sprache, 45 in<br />

Englisch, 6 in Französisch.<br />

Für <strong>bei</strong><strong>de</strong> Bücher wäre eine Übersetzung<br />

in die <strong>de</strong>utsche Sprache sehr wünschenswert.<br />

39


VALENTIN WEIGEL: Gebetbuch (Büchlein<br />

vom Gebet). Vom Gebet. Vom Beten<br />

und Nichtbeten. Hrsg. und eingeleitet<br />

von Horst Pfefferl, Stuttgart-Bad Cannstatt<br />

1999.<br />

(= Valentin Weigel – Sämtliche Schriften.<br />

Begrün<strong>de</strong>t von Will-Erich Peuckert und<br />

Winfried Zeller, Neue Edition, Hrsg. von<br />

Horst Pfefferl, Band 4.)<br />

Ich schlage <strong>de</strong>n in rotes Leinen gebun<strong>de</strong>nen<br />

Band auf, durchblättere die ersten<br />

Seiten und wer<strong>de</strong> von Faksimiles jahrhun<strong>de</strong>rtealter<br />

Handschriften und gedruckter<br />

Titelseiten gefesselt. Es ist <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>r<br />

72seitigen und damit erfreulich umfangreichen<br />

Einleitung. Mit wissenschaftlicher<br />

Akribie wer<strong>de</strong>n darin die <strong>de</strong>m Buch zugrun<strong>de</strong><br />

liegen<strong>de</strong>n Handschriften und<br />

Drucke beschrieben und damit alle <strong>de</strong>rzeit<br />

bekannten überlieferten Quellen verbal<br />

für die Zukunft gesichert.<br />

Die Neugier auf das Buch selbst ist<br />

geweckt. Der Herausgeber <strong>de</strong>r Neuen Edition<br />

konnte sich auf eine wie<strong>de</strong>r ent<strong>de</strong>ckte<br />

Handschrift von 1606 stützen und das<br />

»Gebetbuch« damit weiter als bisher an<br />

das Original heranführen. Dieses ist nur<br />

durch vier alte Druckausgaben zwischen<br />

1612 und 1700 bekannt sowie durch die<br />

Übernahme <strong>de</strong>s ersten Teils in Johann<br />

Arndts Schrift »Vom wahren Christentum«.<br />

So wur<strong>de</strong> es zu »Weigels wirkungsreichster<br />

Erbauungsschrift«, die nachhaltig »zur Verinnerlichung<br />

<strong>de</strong>s Gebets in <strong>de</strong>r protestantischen<br />

Frömmigkeitsgeschichte« <strong>bei</strong>getragen<br />

hat (S. XLIX). Weigel unterrichtet die<br />

»Einfelttigen«, wie sie das richtige Beten<br />

erlernen können, wo<strong>bei</strong> er eine eigene<br />

Propä<strong>de</strong>utik (Vorbereitung, Heranführung<br />

an eine Wissenschaft) entwickelt. Eine<br />

konzentrierte Inhaltszusammenfassung,<br />

umfangreiche Informationen über Weigels<br />

Quellen und seine Rezeption <strong>bei</strong> Arndt<br />

sowie inhaltliche Zusammenhänge<br />

40<br />

Michael Liebscher<br />

EMPFEHLUNG<br />

zwischen <strong>de</strong>m Gebetbuch und <strong>de</strong>n im<br />

Anhang befindlichen Texten »Vom Gebet«<br />

und »Vom Beten und Nichtbeten« vervollständigen<br />

die Einleitung. Während <strong>de</strong>r<br />

Lektüre wer<strong>de</strong> ich häufig hierher zurückblättern<br />

und dann feststellen, dass sich<br />

damit gut ar<strong>bei</strong>ten lässt.<br />

Die Lektüre <strong>de</strong>s Gebetbuches (Büchlein<br />

vom Gebet) selbst wie auch <strong>de</strong>r Anhangstexte<br />

fasziniert mich mehrfach. Zum ersten<br />

sind die Gedanken von Innerlichkeit, Hingabe<br />

an <strong>de</strong>n Gegenstand, Originalität und<br />

Bildhaftigkeit geprägt und zum zweiten<br />

eröffnen Sprache und Schreibung höchst<br />

anschauliche Blicke in die Historie unserer<br />

(sächsischen) Sprache.<br />

Valentin Weigels Zielsetzung für <strong>de</strong>n<br />

Leser seines Gebetbuches ist, dass dieser<br />

»nun Christum mitt allen seinen himlischen<br />

güettern« in sich fin<strong>de</strong> »vnd Adam...getödtt<br />

wer<strong>de</strong>« (S. 6). Er meint damit das Umorientieren<br />

von äußeren Werten auf innere. Zu<br />

Christus fin<strong>de</strong> aber nur, wer bete. Dieses<br />

zu lernen formuliert er acht Vorbetrachtungen<br />

und empfiehlt zu <strong>de</strong>ren Verinnerlichung:<br />

»üebe dich dorinnen früe und abends,<br />

sueche die Zeügknus <strong>de</strong>r Schrifft, das du selber<br />

sehest, wie gründlich vnd Wahrhaftig dises<br />

büechlein sej geschriben, dorauff laß <strong>de</strong>in Vatter<br />

Vnser fliessen vnd gee an <strong>de</strong>inen berueff.« (S. 6)<br />

Je<strong>de</strong> Vorbetrachtung soll eine Woche lang,<br />

<strong>bei</strong> Schlaflosigkeit auch nachts, wie<strong>de</strong>rholt<br />

wer<strong>de</strong>n. Weigel führt jeweils zunächst vielfältige<br />

Bibelstellen an, aus <strong>de</strong>nen er dann<br />

entsprechen<strong>de</strong> Lehren ableitet und beschließt<br />

die Betrachtung immer mit einem<br />

sehr innigen Gebet.<br />

Auch in <strong>de</strong>n weiterführen<strong>de</strong>n Kapiteln,<br />

die vom Absterben <strong>de</strong>s äußeren und Erwecken<br />

<strong>de</strong>s inneren Menschen (Adam und<br />

Christus) han<strong>de</strong>ln bzw. recht umfangreich<br />

vom Vaterunser, greift Weigel vielfach die<br />

Vorbetrachtungsgedanken wie<strong>de</strong>r auf und<br />

festigt sie so <strong>bei</strong>m Leser – eine durchaus<br />

mo<strong>de</strong>rne Didaktik!


In diesen Teilen fin<strong>de</strong>n sich bereits aus<br />

früheren Schriften wie »Gnothi seauton«<br />

bekannte Gedanken und Passagen, aber<br />

auch oft Bezüge zu Martin Luther, Sebastian<br />

Franck, Meister Eckhart, Johannes<br />

Tauler o<strong>de</strong>r Paracelsus.<br />

Wenige Beispiele Weigelscher Gedanken<br />

sollen einen kleinen Einblick vermitteln.<br />

So befin<strong>de</strong>t er sich durchaus in mystischer<br />

Tradition: »Vnser geist o<strong>de</strong>r gemüett Jst wie ein<br />

Wasser darüber <strong>de</strong>r Geist Gottes Ohne Vnterlaß<br />

schwebet, sobald es still wirdt vnd von keinem<br />

Windt noch Zeitlichen gedancken hin vnd wi<strong>de</strong>r<br />

bewegt, alßbald blicket Gott ein vnd spricht sein<br />

kreftiges Wortt Jnn solches stilles Wasser« (S.34).<br />

»Es ist zu beClagen, wie wir vnß selber hin<strong>de</strong>rn<br />

mit vnserm hin und her lauffen, mit großer<br />

Sorg und Vleiß. Könten wir still sein vnd in gott<br />

ruhen wir hetten genug.« (S.171)<br />

In Übereinstimmung mit Luther wen<strong>de</strong>t<br />

er sich gegen die Werkgerechtigkeit: »was<br />

woltestu mitt <strong>de</strong>inen stincken<strong>de</strong>n Werckhen o<strong>de</strong>r<br />

frömmigkeit von Gott erwerben o<strong>de</strong>r erlangen?<br />

gar nichts, es Müessen sich trollen alle Werckheiligen<br />

vnd Müessen für Jhme schweigen alle<br />

Creaturn.« (S.44)<br />

Sehr <strong>de</strong>utlich stellt er sich gegen die Institutionalisierung<br />

<strong>de</strong>s Glaubens: »Wie ein<br />

seelig ding Jst es vmb ein Menschen <strong>de</strong>r do im<br />

Reich Gottes ist, dann er hatt <strong>de</strong>n Schatz Jn Jme<br />

vnd <strong>de</strong>r rechte Priester Jst In Ihme er sej an welchem<br />

Ortt <strong>de</strong>r gantzen Weldtt er welle.« (S.55)<br />

»Einen Trefflichen Trost hatt ein Christ er sej wo<br />

er welle dass er die Absolution bej sich habe«,<br />

<strong>de</strong>nn »Christus, <strong>de</strong>r Jst in Jm.« (S.56)<br />

Nicht mü<strong>de</strong> wird Weigel, die Gleichheit<br />

vor Gott zu betonen: »Verfluecht sej <strong>de</strong>r<br />

Mensch <strong>de</strong>r do sagen darff, Gott hab einen lieber<br />

dann <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn, ein solcher verschmeht die<br />

göttliche Mayestet, Macht Gott strachs Partheyisch<br />

vnd zum Anseher <strong>de</strong>r Person.« (S.38)<br />

Weigel bezeichnet sich selbst als<br />

»liebhaber <strong>de</strong>r Warheitt, welche Warheitt nichts<br />

Jst alß die Lebendige Erkantnuß Ihesu Christj«<br />

(S.120). Trotz<strong>de</strong>m lässt jener Gebetsausruf:<br />

»Erleuchte Mich weitter du wahres liecht, so<br />

werd Jch kein verfüerer, kein ketzer, kein verfelscher<br />

<strong>de</strong>r schrifft sein« (S.106), innere Kämpfe<br />

ahnen, o<strong>de</strong>r ist er eine Reaktion auf Vorwürfe<br />

seitens <strong>de</strong>r Kirche?<br />

Als von paracelsischem Gedankengut<br />

geprägt erweist sich die Auffassung, dass<br />

<strong>de</strong>r Mensch <strong>bei</strong> seiner Erschaffung aus »leib<br />

und geist« von Gott »alle göttliche Weißheitt<br />

vnd seligkeitt« empfing, aufgrund <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong><br />

aber »verblen<strong>de</strong>t vnd vnwissendtt« (S.76f.) gewor<strong>de</strong>n<br />

sich dieser »Natürliche[n] vnd Übernatürliche[n]güetter«<br />

nicht mehr erinnern<br />

könnte. »Darum befilcht Er vns zu beten nicht<br />

seinethalben/son<strong>de</strong>rn vns damitt zue erinnern,<br />

erweckhen vnd zue ermuntern« (S.88).<br />

Als letztes Beispiel mag jenes in seiner<br />

Schlichtheit ergreifen<strong>de</strong> Bild stehen:<br />

»Die Sonne leuchtet guetten vnd Bösen zue<br />

gleich, <strong>de</strong>r sich aber verburget vnnter die Er<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>m leuchtet sie nicht, O<strong>de</strong>r welcher sich vnter<br />

ein dach o<strong>de</strong>r baum verbürgett wirt auch<br />

nicht überleuchtet O<strong>de</strong>r auch erwärmet von<br />

<strong>de</strong>r Sonnen... Dise alle sollen <strong>de</strong>r Sonnen die<br />

schuldtt nicht geben son<strong>de</strong>r Jnen selbst dass<br />

sie sich nicht zue Jr wen<strong>de</strong>n vnd vnter Jr still<br />

sitzen.« (S.93)<br />

Weiterhin fasziniert <strong>de</strong>r umfangreiche<br />

Anmerkungsapparat, <strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r<br />

zum Verlassen <strong>de</strong>s Originaltextes und<br />

zum Nachspüren <strong>de</strong>r angeführten Informationen<br />

und Quellen, vor allem <strong>de</strong>r<br />

Bibel, verleitet. So sind Bibelstellen, auf<br />

die <strong>de</strong>r Text teilweise nur ungefähr verweist,<br />

durchweg präzise benannt, auch<br />

wer<strong>de</strong>n vielfältige Parallelstellen angeführt,<br />

ja selbst solche mit etwas weiter<br />

entferntem Bezug. Auch sind wichtige<br />

Zitate Martin Luthers, Sebastian Francks<br />

o<strong>de</strong>r von Predigttexten wie<strong>de</strong>rgegeben,<br />

so dass die Anmerkungen <strong>de</strong>n Text sofort<br />

inhaltlich aussagekräftig und nachvollziehbar<br />

in einen umfassen<strong>de</strong>ren Kontext<br />

stellen.<br />

41


Nicht zuletzt beeindruckt auch die Präzision<br />

<strong>de</strong>s Schriftsatzes, in <strong>de</strong>m alphabetische<br />

und numerische In<strong>de</strong>xzuweisung,<br />

Kursivsetzung teilweise einzelner Buchstaben,<br />

Schriftgröße und -art, Son<strong>de</strong>rzeichen<br />

sowie klare graphische Trennung <strong>de</strong>s<br />

textkritischen und Anmerkungsapparates<br />

einen beachtlichen optischen Beitrag zur<br />

effektiven Texterfassung leisten.<br />

Abschließend ist festzustellen, dass sowohl<br />

das Gebetbuch als auch die <strong>bei</strong><strong>de</strong>n kompilatorischen<br />

Schriften <strong>de</strong>s Anhangs, »Vom<br />

Gebet« und »Vom Beten und Nichtbeten«,<br />

Satzungsgemäße Aufgabe <strong>de</strong>r Deutschen<br />

<strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft ist es, ȟber die<br />

aus <strong>de</strong>m <strong>Ges</strong>amtwerk <strong>de</strong>s Arztes, Naturforschers,<br />

Sozialethikers und Laientheologen<br />

Theophrastus <strong>Bombastus</strong> von Hohenheim<br />

(Paracelsus) gewonnenen und noch zu gewinnen<strong>de</strong>n<br />

Erkenntnisse zu informieren,<br />

insbeson<strong>de</strong>re über die seinem Wirken<br />

zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong> Ethik aus christlicher<br />

Nächstenliebe« (Satzung <strong>de</strong>r Deutschen<br />

<strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft e.V.vom 6.5.1995).<br />

Ganz dieser Aufgabe verpflichtet sind<br />

die seit zwei Jahren verstärkten Aktivitäten,<br />

beson<strong>de</strong>rs Jugendliche mit <strong>de</strong>r faszinieren<strong>de</strong>n<br />

Gedankenwelt <strong>de</strong>s Hohenheimers in<br />

Berührung zu bringen. Sie begannen mit<br />

<strong>de</strong>m Zusen<strong>de</strong>n inhaltlich und graphisch<br />

hochwertiger Informationsposter an Gymnasien<br />

in Dres<strong>de</strong>n und seiner Umgebung<br />

und wur<strong>de</strong>n fortgesetzt mit <strong>de</strong>m Anbieten<br />

eines Vortrages zum Thema »Goethe–<br />

Faust–Paracelsus–Magie«, <strong>de</strong>r schließlich<br />

von Herrn Dipl.-Biol. Ickert mehrfach vor<br />

insgesamt ca.500 Dresdner Gymnasiasten<br />

42<br />

die fortführend Weigels Gedanken verar<strong>bei</strong>ten,<br />

aber auch an<strong>de</strong>re mystisch orientierte<br />

Texte <strong>bei</strong>spielsweise von Johannes<br />

Tauler und Meister Eckhart einbeziehen,<br />

in ihrer herausragen<strong>de</strong>n Qualität die Lust<br />

auf mehr erwecken, auf eigenes Nach-<br />

Denken und Nach-Han<strong>de</strong>ln. In diesem<br />

Sinne kann ich diesem 4. Band <strong>de</strong>r Neuen<br />

Edition nur wünschen, dass auf seiner<br />

Grundlage die Weigelschen Gedanken<br />

wie<strong>de</strong>r einem breiteren Leserkreis zugänglich<br />

wür<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn »<strong>de</strong>r Mensch Mueß<br />

kurzumben erwecket wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>m Schatz er<br />

Mueß es erkennen vnd Jn Jhme fin<strong>de</strong>n« (S.104).<br />

INFORMATIONEN<br />

Angebot <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft an Dresdner Gymnasien<br />

gehalten wer<strong>de</strong>n konnte. Die Orientierung<br />

auf studienvorbereiten<strong>de</strong> Bildungseinrichtungen<br />

ergab sich aus <strong>de</strong>m intellektuellen<br />

Anspruch <strong>de</strong>s Gegenstan<strong>de</strong>s, was geeignete<br />

Kontakte auch zu Mittelschulen jedoch<br />

keinesfalls ausschließen darf.<br />

Ein neues und vertiefen<strong>de</strong>s Projekt soll<br />

nun ins Leben gerufen wer<strong>de</strong>n.<br />

Ansatzpunkt ist die Möglichkeit <strong>de</strong>r Beson<strong>de</strong>ren<br />

Lernleistung, die seit <strong>de</strong>m Schuljahr<br />

1999/2000 freiwillig von Gymnasiasten<br />

erbracht und in die Bewertung <strong>de</strong>r<br />

Abiturprüfung einbezogen wer<strong>de</strong>n kann.<br />

In ihrem Rahmen sucht sich <strong>de</strong>r angehen<strong>de</strong><br />

Abiturient unter Mitwirkung eines Vertreters<br />

von Schule, Hochschulen, Instituten,<br />

Unternehmen, Kirchen, Verbän<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

Vereinen ein Thema, das einem Unterrichtsfach<br />

zugeordnet wer<strong>de</strong>n kann, und<br />

welches er dann relativ selbständig wissenschaftlich<br />

bear<strong>bei</strong>tet. Als Ergebnis legt er<br />

eine schriftliche, etwa 15seitige Dokumentation<br />

vor, die in einem Kolloquium zu<br />

verteidigen ist. Betreut wird die Ar<strong>bei</strong>t ent-


we<strong>de</strong>r von einem Fachlehrer <strong>de</strong>r Schule<br />

o<strong>de</strong>r von einem externen Experten unter<br />

Beteiligung eines geeigneten Lehrers.<br />

Das Kultusministerium sieht <strong>de</strong>n Wert<br />

einer <strong>de</strong>rartigen Ar<strong>bei</strong>t in <strong>de</strong>r Erhöhung<br />

<strong>de</strong>r Studierfähigkeit, in <strong>de</strong>r Gewinnung<br />

einer größeren Klarheit über eigenes Ar<strong>bei</strong>tsverhalten<br />

sowie über Breite und Tiefe<br />

eigener Interessen und in <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

kooperativer Fähigkeiten.<br />

Aus Sicht <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<br />

<strong>Ges</strong>ellschaft bietet die Beson<strong>de</strong>re Lernleistung<br />

eine hervorragen<strong>de</strong> Möglichkeit, sich<br />

auf einem Spezialgebiet über <strong>de</strong>n allgemeinen<br />

Lehrplan hinaus gründliche Kenntnisse<br />

anzueignen.<br />

Deshalb wird die Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<br />

<strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>n Gymnasien einen breit<br />

gefächerten Themenkatalog anbieten und<br />

damit die Voraussetzung schaffen, dass<br />

interessierte und intelligente junge Leute<br />

auf diesem Wege einen Zugang zu<br />

Theophrastus Bombast von Hohenheim<br />

bekommen und gleichzeitig interessante<br />

Themen im Sinne »noch zu gewinnen<strong>de</strong>r<br />

Erkenntnisse« (Satzung) vertieft bear<strong>bei</strong>tet<br />

wer<strong>de</strong>n können. Da das Projekt langfristig<br />

konzipiert ist, kann sich die Betreuung<br />

und Mitwirkung <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r Beson<strong>de</strong>ren Lernleistung<br />

zu einer öffentlichkeitswirksamen<br />

Möglichkeit <strong>de</strong>r Information und Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

über und mit Paracelsus<br />

sowie seinen I<strong>de</strong>en entwickeln.<br />

Folgen<strong>de</strong> Rahmenthemen wur<strong>de</strong>n im<br />

Mai 2001 <strong>de</strong>n Gymnasien angeboten und<br />

können dann individuell modifiziert<br />

wer<strong>de</strong>n:<br />

1. Elemente <strong>de</strong>s paracelsischen Weltbil<strong>de</strong>s<br />

in <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kunst seit <strong>de</strong>r Renaissance<br />

(Kunsterziehung, Ethik, Religion,<br />

<strong>Ges</strong>chichte)<br />

2. Anwendung und Erfolge paracelsischer<br />

Heilweisen <strong>bei</strong> Medizinern und Heilpraktikern<br />

– eine empirische Untersuchung<br />

(Biologie)<br />

3. Heilpflanzen <strong>bei</strong> Paracelsus und ihr<br />

gegenwärtiges Vorkommen in Sachsen<br />

(Biologie, Geographie)<br />

4. Heilpflanzen <strong>bei</strong> Paracelsus und ihre<br />

gegenwärtige pharmazeutische<br />

Verwendung (Biologie, Geographie)<br />

5. Künstlerische <strong>Ges</strong>taltung einer Plastik<br />

zum Thema »Der Mensch als<br />

Mikrokosmos« (auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />

wichtiger paracelsischer Schriften)<br />

(Kunsterziehung)<br />

6. Goethes Faust und Paracelsus –<br />

Vergleich ihres Magieverständnisses<br />

(Deutsch)<br />

7. Soziale Theorien <strong>bei</strong> Paracelsus –<br />

Utopie o<strong>de</strong>r Lösungsansatz?<br />

(<strong>Ges</strong>chichte, Gemeinschaftskun<strong>de</strong>)<br />

43


Maria Suutala: Zur <strong>Ges</strong>chichte <strong>de</strong>r Naturzerstörung<br />

– Frau und Tier in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />

Revolution, Lang, Frankfurt<br />

am Main, 1999 (Europäische Studien zur<br />

I<strong>de</strong>en- und Wissenschaftsgeschichte.<br />

Bd.7); 270 Seiten, 15 Abb., br. DM 79,–<br />

ISBN 3-631-35298-0<br />

Die Autorin ist Dozentin im Fachbereich<br />

I<strong>de</strong>en- und Wissenschaftsgeschichte an <strong>de</strong>r<br />

Universität Oulu, Finnland, wo sie 1990<br />

an <strong>de</strong>r humanistischen Fakultät ihre Dissertation<br />

»Tier und Mensch im Denken <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Renaissance« vorlegte. Die Autorin<br />

sieht die gegenwärtige ökologische<br />

Krise als Folge <strong>de</strong>r »Naturbeherrschung«<br />

durch <strong>de</strong>n Menschen, <strong>de</strong>ren I<strong>de</strong>e schon in<br />

<strong>de</strong>r Renaissance, in <strong>de</strong>n hermetischen<br />

Schriften und in <strong>de</strong>r biblischen Genesis<br />

auftauchte.Während jedoch in <strong>de</strong>r Renaissance<br />

die Natur noch als leben<strong>de</strong>r Organismus<br />

gesehen wur<strong>de</strong>, stellten Natur und<br />

Tiere für Descartes (1596–1650) leblose<br />

Automaten dar. Francis Bacon (1561–1626)<br />

vertrat eine religiös fundierte, grenzenlose<br />

Herrschaft über die Natur. Die Söhne <strong>de</strong>r<br />

Erkenntnis sollten in die Gebärmutter<br />

(Zellkern, Atomkern! »matrix« <strong>bei</strong> Paracelsus,<br />

RM) <strong>de</strong>r Natur hineindrängen.<br />

Margaret Cavendish sprach in diesem Zusammenhang<br />

von <strong>de</strong>r Natur als einer vergewaltigten<br />

Frau. Auch die Autorin sieht<br />

als Parallele zur Naturbeherrschung die<br />

Herrschaft <strong>de</strong>s Mannes über die Frau. Ausgehend<br />

vom Sün<strong>de</strong>nfall wur<strong>de</strong> die weibliche<br />

Sexualität als tierisch und gefährlich<br />

angesehen. Mitleid mit <strong>de</strong>n Tieren, z.B.<br />

<strong>bei</strong> Tierexperimenten, wur<strong>de</strong> als weibisch<br />

abgetan. Im 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt erreichten Verbrennung<br />

<strong>de</strong>r tierischen Frauen und Tierquälereien<br />

durch Vivisektion einen traurigen<br />

Höhepunkt. Die für die Renaissance<br />

44<br />

Dr. Rolf A.Meyer<br />

MARIA SUUTALA<br />

typische I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s zum bösen Tier gefallenen<br />

Menschen lebte weiter <strong>bei</strong> <strong>de</strong>n Rosenkreuzern<br />

und im Pietismus. Margaret<br />

Cavendish (1623–1673) unterschied sich<br />

vom männlichen Denken, in<strong>de</strong>m sie die<br />

Herrschaft <strong>de</strong>s Menschen über die Natur<br />

ablehnte. Für sie ist die Natur eine Frau,<br />

<strong>de</strong>r eine innere Herrschaftslosigkeit eigen<br />

ist. Nur eine praktisch orientierte Wissenschaft<br />

hält sie für gut: Ein Mikroskop<br />

macht einen Bettler nicht satt. Cavendish<br />

hatte es schwer in ihrer Zeit. So benötigte<br />

sie zur Publikation ihrer Bücher die Erlaubnis<br />

ihres Mannes. Ihre Kin<strong>de</strong>rlosigkeit<br />

wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r <strong>Ges</strong>ellschaft als Folge ihrer<br />

intellektuellen Tätigkeit angesehen.<br />

Die Verfasserin schreibt konsequent vom<br />

ökofeministischen Standpunkt aus. Ihre<br />

Thesen bieten Anlass zu einer weiteren<br />

Diskussion über unser heutiges Naturverhältnis,<br />

insbeson<strong>de</strong>re auch über unseren<br />

Umgang mit <strong>de</strong>n Tieren und die damit<br />

zusammenhängen<strong>de</strong>n ethischen Fragen.<br />

Das Buch ist mit aufschlussreichen zeitgenössischen<br />

Abbildungen versehen, u.a.<br />

mit Darstellung einer Frau, <strong>de</strong>ren <strong>Ges</strong>chlechtsteile<br />

vom Teufel besetzt sind, und<br />

mit Darstellungen von Vivisektionen am<br />

Tier. Wünschenswert wäre ein Personenregister.<br />

Viele <strong>de</strong>r besprochenen I<strong>de</strong>en gehen<br />

auf Paracelsus zurück, <strong>de</strong>r für die Autorin<br />

die zentrale <strong>Ges</strong>talt <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Naturphilosophie<br />

und Mystik im 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

darstellt und <strong>de</strong>r die neuplatonischhermetische<br />

Tradition <strong>de</strong>r italienischen<br />

Renaissance nördlich <strong>de</strong>r Alpen verbreitet<br />

hat. Mehr darüber fin<strong>de</strong>t sich im ersten<br />

Buch von Maria Suutala: Tier und Mensch<br />

im Denken <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Renaissance,<br />

Helsinki 1990, ISBN-951-8915-34-2.

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