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Coaching heute

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Serie: <strong>Coaching</strong>-Tools<br />

<strong>Coaching</strong>-Tools aus der Positiven Psychologie (12)<br />

„Ego-Erschöpfung“<br />

Oder: Warum es manchmal im <strong>Coaching</strong> oder mit den guten Vorsätzen oder mit<br />

dem Erreichen der selbstgesetzten Ziele oder mit dem Nachbarn nicht klappt?<br />

Viele Menschen kennen das<br />

Problem, über das Apostel<br />

Paulus so beredt, so leidend<br />

und sich selbst beschuldigend<br />

– Klage führt: Denn ich weiß nicht, was ich<br />

tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern<br />

was ich hasse, das tue ich … Wollen<br />

habe ich wohl, aber das Gute vollbringen<br />

kann ich nicht. Denn das Gute, das ich will,<br />

das tue ich nicht; sondern das Böse, das<br />

ich nicht will, das tue ich … Ich elender<br />

Mensch! Wer wird mich erlösen …<br />

Warum klappt das so selten mit den guten<br />

Vorsätzen? Coaches, Trainer, Therapeuten,<br />

Manager, Eltern, Lehrer und alle anderen,<br />

die Menschen zu Verhaltensänderung führen<br />

möchten, brauchen hier eine Antwort.<br />

Gute Vorsätze – Unser Wollen<br />

verzehrt meist die Energie, die<br />

wir zum Können bräuchten<br />

Roy F. Baumeister hat zum „Paulus-Dilemma“<br />

wissenschaftliche Experimente<br />

durchgeführt und ein neues, erklärendes<br />

Wort eingeführt: Ego-Depletion – also Ich-<br />

Abbau, Ich-Erschöpfung, oder Ich-Entleerung.<br />

Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären ein<br />

Elektro-Auto. Sie laufen also auf Batterie,<br />

und die Batterie ist voller (aha!) Energie<br />

– anders ausgedrückt: In Ihrer Batterie<br />

sind (aha! aha!) Ihre Antriebskräfte gespeichert.<br />

Ihre Batterie wird – außer bei Verlust des<br />

Bewusstseins, extremstem Trauma oder<br />

beim Tod – nie leer, aber Ihre Antriebskräfte<br />

können sich verflüchtigen. Und Baumeister<br />

hat hier zwei Dinge nachweisen<br />

können, die wir alle schon erfahren haben,<br />

aber nicht wirklich glauben wollen:<br />

1. Die Antriebskräfte schwinden rasend<br />

schnell. Und sie schwinden<br />

2. auch schon, wenn wir eine Entscheidung<br />

treffen – zum Beispiel auch die, dass ab<br />

jetzt alles anders wird.<br />

Wer sich voll aufpumpt wie einen Fußball<br />

und sagt: „Ab jetzt<br />

nie wieder, jetzt reiße<br />

ich mich zusammen,<br />

das ist mein<br />

fester Wille …“ hat<br />

meist schon genau<br />

durch das Fassen<br />

dieses Vorsatzes<br />

verloren – merkt es<br />

aber leider nicht.<br />

Sie kennen das sicher:<br />

Immer wenn<br />

Sie sich ganz fest<br />

vornehmen, keine<br />

Schokolade zu essen,<br />

weil Sie Gewicht<br />

verlieren wollen, denken Sie besonders<br />

oft an den zarten Schmelz, das süße<br />

Glück. Und es erfordert sehr viel Disziplin<br />

– also: Energie – von Ihnen, dieser Versuchung<br />

nicht nachzugeben. Anders gesagt:<br />

Unsere gute Vorsätze verhindern durch Ich-<br />

Entleerung oft schon, dass wir sie einhalten<br />

können.<br />

Das hat Roy F. Baumeister in vier wissenschaftlichen<br />

Experimenten nachweisen<br />

können, die simple klingen. Das erste ist<br />

hier (noch simpler als es war) zusammengefasst:<br />

Menschen wurden zu einem Experiment<br />

eingeladen, vorher (und als Teil des Experiments,<br />

was ihnen aber nicht bewusst war)<br />

gab es etwas zu essen – köstliche Kekse<br />

oder Rettich. Einige Teilnehmer, wurden<br />

gebeten, sich gegen die Kekse und für den<br />

weniger schmackhaften Rettich zu entscheiden.<br />

Danach sollten alle Teilnehmer ein<br />

Puzzle legen – ein gezinktes, denn die Teile<br />

passten nicht alle zusammen.<br />

Irgendwann haben alle aufgegeben. Das<br />

spannende ist, dass die Teilnehmer, die sich<br />

dazu durchgerungen hatten, statt der Schokokekse<br />

Rettich zu essen, beim Puzzle sehr<br />

viel schneller aufgegeben haben. Wie ist das<br />

zu erklären? Baumeisters Erklärung war:<br />

Es braucht Selbstkontrolle, um sich für<br />

Gute Vorsätze sind wie ein Loch im Fußball: Rasch ist die Luft raus<br />

Rettich und gegen die Schokokekse zu entscheiden.<br />

Solche Selbstkontrolle braucht<br />

Energie. Ebenfalls braucht es Selbstkontrolle<br />

(und somit ebenfalls Energie) zu<br />

versuchen, ein einfach aussehendes, aber<br />

unlösbares Puzzle zusammenzulegen. Der<br />

Energie-Speicher der Rettich-Esser muss<br />

durch den ersten Willensakt (die Entscheidung<br />

gegen die Schokokekse) bereits um<br />

ein gut Stück entleert worden sein. Deshalb<br />

haben sie früher aufgegeben.<br />

Anders ausgedrückt: Hier liegt Ego-Depletion<br />

vor: Ich-Abbau, Ich-Erschöpfung, Ich-<br />

Verarmung, Ich-Schwund, Ich-Raubbau,<br />

Ich-Auszehrung, Ich-Entleerung. Die zur<br />

Zeit verfügbaren Ich-Kräfte aus dem Energiespeicher<br />

der Rettich-Esser waren bereits<br />

durch diese mini-bitzel-klitze-kleine Willensentscheidung<br />

gegen die Schokokekse<br />

zu einem Gutteil aufgebraucht.<br />

Gute Vorsätze – und nicht erst<br />

die Verhaltensänderung – wirken<br />

bereits als Stress<br />

Was hier abläuft, hat Ähnlichkeit mit dem<br />

Ablaufschema bei Stress, das gekennzeichnet<br />

ist durch vier Stufen:<br />

1. Alarm bei Störungen – Ihr Körper mobilisiert<br />

Ressourcen;<br />

2. Widerstand gegen die Störungen – Ihr<br />

Körper erhöht die Herzfrequenz und<br />

© Josef Becker – Fotolia.com<br />

– Februar 2010<br />

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