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6 TITELTHEMA<br />
Alltag in einer anderen Kultur<br />
Anna-Maria Kölbl aus Perlesreut ist seit zwei Jahren als Au-pair bei einer Gastfamilie in den USA<br />
Perlesreut. Von Beruf ist<br />
Anna Maria Kölbl Kinderkrankenschwester.<br />
Sie arbeitete in<br />
München in einem Kinderkankenhaus<br />
auf der Intensivstation.<br />
Für wahr kein leichter Job.<br />
Die Erlebnisse dort und andere<br />
persönliche Gründe weckten<br />
bei ihr den Wunsch, etwas<br />
anderes zu machen. Eine Kollegin<br />
hatte bereits als Au pair<br />
im Ausland bei einer Gastfamilie<br />
gearbeitet. Bei dieser Arbeit<br />
geht es in der Hauptsache um<br />
die Betreuung der Kinder in<br />
einer Gastfamilie. „Das wäre<br />
auch etwas für mich, auch zur<br />
Verbesserung meiner Englichkenntnisse“,<br />
meinte Anna-<br />
Maria. Neben ihrem Beruf hatte<br />
sie sich in ihrer Freizeit ja bereits<br />
um die Jugendarbeit bei Wasserlache<br />
und DLRG gekümmert.<br />
Nicht so einfach<br />
Freunde waren dann das entscheidende<br />
Kriterium, dass sie<br />
sich für die USA entschied. Das<br />
Internet erleicherte die Suche<br />
nach einer Organisation, die<br />
Au pair-Stellen in der USA<br />
anbot. Sie wurde fündig und<br />
bewarb sich. Dazu war sogar<br />
ein Video von ihr notwendig,<br />
dass Sie durch Unterstützung<br />
von Balboo und dessen Frau<br />
Babs schnell realisieren konnte.<br />
Wichtig war dies, damit Gasteltern<br />
sich einen Eindruck von<br />
ihrem Profil und ihren Sprachkenntnissen<br />
machen konnten.<br />
Sie hatte Glück. Bereits einen<br />
Tag nachdem ihr Video in den<br />
USA war, kam eine konkrete<br />
Anfrage einer Gastfamilie. Nach<br />
einem umfangreichen „Papierkrieg“<br />
konnte es los gehen. Es<br />
ging ins warme Kalifornien in<br />
die Küstenstadt Laguna Beach,<br />
etwa eine Autostunde entfernt<br />
von Los Angeles. Laguna<br />
Beach liegt direkt am Pazifischen<br />
Ozean. Die Einwohner<br />
des Ortes gehören meist der<br />
weißen amerikanischen Mittelschicht<br />
an. Ihre Gastfamilie<br />
hat zwei Jungs, die bei ihrer<br />
Ankunft acht Monate und zweieinhalb<br />
Jahre alt waren.<br />
Eindrücke<br />
Die Eingewöhnungszeit war<br />
nicht einfach. Trotz guter<br />
Sprachkenntnisse, denn in<br />
Amerika ist die Aussprache<br />
doch um einiges anders als in<br />
England. „Es ist natürlich nicht<br />
nur die Sprache. Gerade in den<br />
Alltagsgewohnheiten zeigen<br />
sich schon erhebliche Unterschiede<br />
zu dem, was man in<br />
Deutschland kennt“, meint<br />
Anna-Maria im Gespräch.<br />
Fernsehen läuft den ganzen<br />
Tag vom frühen Morgen an.<br />
Die Schönheits-OPs, die sehr<br />
beliebt sind, führen nach ihrer<br />
Meinung dazu, dass sich viele<br />
Frauen recht ähnlich sehen.<br />
Begrüßungen sind immer<br />
sehr direkt, als würde man sich<br />
schon lange kennen. Gerade<br />
die ältere Generation bestellt<br />
fast alles übers Internet. Das gilt<br />
auch für Lebensmittel. Wer bei<br />
Amazon fresh bis abends um 22<br />
Uhr bestellt, erhält die frischen<br />
Lebensmittel am nächsten<br />
Morgen. Bei Amazon Prime<br />
wird sogar Sonntags geliefert.<br />
Die jüngere Generation hält<br />
noch viel vom Cafébesuch und<br />
dem Shoppen gehen. Kinder<br />
werden wie perfekte kleine<br />
Erwachsene behandelt. Die<br />
Schule dauert fast den ganzen<br />
Tag, aber auch der Rest des<br />
Tages ist ziemlich verplant mit<br />
Sport wie beispielsweise Golf,<br />
Schwimmen oder Tennis. Die<br />
geplanten Freizeitaktivitäten<br />
beginnen oft schon in einem<br />
Alter von drei Jahren. Gemeinsame<br />
Aktivitäten mit den Eltern<br />
sind selten. I-Pods haben schon<br />
die Kinder. Spielzeug, bei dem<br />
man selbst was tun muss, ist<br />
nicht sehr begehrt. Soweit die<br />
Eindrücke aus dem Alltag.<br />
Schmelztiegel<br />
Neben der weißen Bevölkerung<br />
gibt es viele Mexikaner<br />
und Asiaten in Laguna<br />
Beach. Die Mexikaner sind<br />
allerdings nicht sehr beliebt.<br />
Es gibt sogar deutsche Lokale<br />
im Ort, in denen man Deutsch<br />
Anna-Maria Kölbl vor den Warner Brother-Studios.<br />
Anna-Maria Kölbl in Perlesreut. Foto: Demont<br />
Anna-Maria mit den Kindern ihrer Gastfamilie, die sie betreut.<br />
sprechen kann. Allgemein ist<br />
man deutschfreundlich. Wenn<br />
jemand im Gespräch bemerkt,<br />
dass Du aus Deutschland<br />
kommst, spricht er plötzlich<br />
zumindestens ein paar Brocken<br />
deutsch., berichtet Anna<br />
-Maria. Was die Schwarzen<br />
betrifft , gehört die Rassentrennung<br />
zwar der Vergangenheit<br />
an, aber in den Köpfen vieler<br />
Weißer ist sie noch vorhanden.<br />
Natürlich ist Amerika ein<br />
Schmelztiegel. Ihre Gastmuttter<br />
ist halb italienisch und halb<br />
native American (Indianer). Die<br />
meisten Amerikaner, die Anna<br />
Maria traf waren freundlich und<br />
hilfsbereit. Man schließt viele<br />
Kontakte. Man kümmert sich in<br />
Laguna Beach um die Obdachlosen.<br />
Dies ist aber nicht überall<br />
der Fall. Es gibt nämlich wenig<br />
ehrenamtliche Organisationen<br />
wie wir es hier gewöhnt sind.<br />
Vielleicht sollte man die Größe<br />
des Landes nicht übersehen.<br />
Wie erwähnt, ist es ein<br />
Schmelztiegel - eine Nation<br />
mit vielen Wurzeln. Es gibt zwar<br />
wenig Kriminalität in Laguna<br />
Beach. Besucht man aber Los<br />
Angeles Downtown wo viele<br />
Farbige wohnen oder das African<br />
Americanviertel von Brooklyn<br />
(New York) fühlt man sich<br />
besonders als Frau schon unsicher,<br />
meint Anna- Maria. Das<br />
fazinierende Land hat viele<br />
Seiten, die es zu entdecken<br />
lohnt. Anna-Maria Kölbl wird<br />
nach ihrem Urlaub, der dieses<br />
Gespräch ermöglichte, wieder<br />
zu ihren Gastfamilie zurückkehren<br />
und dort studieren. rd