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Entwicklung Werkstoff und Einführung in den Serienprozess

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HEFT 11/12 GIESSEREI RUNDSCHAU 60 (2013)<br />

Wirtschaftliches Stahlgießen für die Produktion<br />

von Turb<strong>in</strong>engehäusen –<strong>Entwicklung</strong> <strong>Werkstoff</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Serienprozess</strong>*)<br />

Commercial Cast<strong>in</strong>g for Production of Steel Turb<strong>in</strong>e Hous<strong>in</strong>gs –<br />

Development Material and Introduction <strong>in</strong>to Series Process<br />

Dipl.-Ing. (FH) Timotheus Kaiser,<br />

nach Studium der Mechatronik an der FH<br />

Regensburg (2005) M.Sc. <strong>in</strong> Materials Science<br />

a. Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g an der Christian-Albrechts-<br />

Universität Kiel (2007). Seither<br />

Doktorand <strong>in</strong> Materialwissenschaften an<br />

der TU Clausthal. 2007 bis 2010 tätig <strong>in</strong><br />

Forschung u. Vorentwicklung bei der<br />

Daimler AG Ulm, seit 2010 <strong>Entwicklung</strong>s<strong>in</strong>genieur<br />

im Bereich Technologietransfer Stahlguss bei der<br />

Daimler AG <strong>in</strong> Stuttgart<br />

Dipl. Ing. (FH) Siegfried Botsch,<br />

studierte an der Fachhochschule für Wirtschaft<br />

Gießen-Friedberg (jetzt Technische<br />

Hochschule Mittelhessen) Gießerei <strong>und</strong><br />

<strong>Werkstoff</strong>technik. Nach Tätigkeiten bei der<br />

Fa. Fritz W<strong>in</strong>ter Eisengießerei ist er heute<br />

bei der Daimler AG <strong>in</strong> dem Technologiecenter<br />

Ur- <strong>und</strong> Umformen verantwortlich<br />

für das Metallmanagement <strong>und</strong> <strong>den</strong> Technologietransfer im<br />

Stahl- <strong>und</strong> Eisenguss.<br />

Dipl.-Ing. Dr. rer.nat. Karl-L. Weisskopf,<br />

studierte an der technischen Universität Erlangen-Nürnberg<br />

mit <strong>den</strong> Schwerpunkten<br />

<strong>Werkstoff</strong>wissenschaften <strong>und</strong> Verfahrenstechnik.<br />

Nach Promotion am Max-Planck-<br />

Institut für Metallforschung <strong>in</strong> Stuttgart-<br />

Büsnau sowie nach Tätigkeiten <strong>in</strong> der<br />

Daimler-Benz AG <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Alum<strong>in</strong>ium-<br />

Zuliefer<strong>in</strong>dustrie ist er heute bei der Daimler<br />

AG <strong>in</strong> der Forschung <strong>und</strong> Vorentwicklung verantwortlich<br />

für Leichtbau Gusskomponenten Powertra<strong>in</strong> <strong>und</strong> Rohbau.<br />

*) Vorgetragen von T. Kaiser auf der 7. VDI-Tagung „Gießtechnik<br />

im Motorenbau“ (5. bis 7. 2. 2013) <strong>in</strong> Magdeburg, s.a.<br />

VDI-Berichte 2189 „Gießtechnik imMotorenbau“, VDI-Verlag<br />

Düsseldorf 2013, S. 285/300.<br />

Nachdruck aus GIESSEREI 100 (2013) Nr. 10, S. 36/45 mit<br />

fre<strong>und</strong>licher Zustimmung der Redaktion.<br />

Kurzfassung<br />

Im Bereich der Abgasturboaufladung ist für das Turb<strong>in</strong>engehäuse<br />

bei Mercedes-Benz Ottomotoren die Stahlgusslegierung<br />

DIN1.4849 (GX40NiCrSiNb38-19) im<br />

Seriene<strong>in</strong>satz. Bei Abgastemperaturen bis maximal<br />

1050 °C wer<strong>den</strong> besondere Anforderungen an das Temperaturverhalten<br />

gestellt. Die hauptsächlichen Schädigungsmechanismen<br />

im Betrieb stellen Kriechen, Ermüdung<br />

<strong>und</strong> Korrosion dar.<br />

Für <strong>den</strong> Serienherstellungsprozess dieser Bauteile<br />

s<strong>in</strong>d die E<strong>in</strong>zelschritte Schmelzen, Formen der Kernpakete,<br />

Gießen, Zerspanen <strong>und</strong> Fügen separat zu betrachten.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der mit dem hohen Nickelgehalt verb<strong>und</strong>enen<br />

Materialkosten wird an e<strong>in</strong>er Alternativlegierung<br />

mit deutlich reduziertem Nickelanteil gearbeitet.<br />

Dabei müssen die positiven Eigenschaften des hohen<br />

Nickelgehalts durch alternative, weniger kosten<strong>in</strong>tensive<br />

Legierungselemente kompensiert wer<strong>den</strong>. Der<br />

neue <strong>Werkstoff</strong> wird derzeit h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>es möglichen<br />

Seriene<strong>in</strong>satzes getestet.<br />

Schlüsselwörter: Stahlguss, Turb<strong>in</strong>engehäuse, Niederdruckgießen,<br />

<strong>Werkstoff</strong>technik<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Der technologische Trend führt derzeit auch im Bereich<br />

der Otto-Motoren zur Aufladung aller Baureihen. Diese<br />

<strong>Entwicklung</strong> wird durch die Senkung der Schadstoffemissionen,<br />

die Erhöhung des Wirkungsgrades <strong>und</strong> die<br />

Verr<strong>in</strong>gerung des Kraftstoffverbrauchs getrieben. Dabei<br />

steht e<strong>in</strong>e Anhebung der Leistung Pbei e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerung<br />

des Hubraums VimVordergr<strong>und</strong>, wodurch Volllastanteil<br />

<strong>und</strong> Wärmestromdichte steigen. Bei gleichbleibender<br />

Drehzahl nkann die Leistungssteigerung bei kle<strong>in</strong>volumigen<br />

Motoren somit nur durch e<strong>in</strong>e Anhebung des Ladedrucks<br />

pimMotor realisiert wer<strong>den</strong>.<br />

a<br />

Krümmer<br />

b<br />

Turb<strong>in</strong>enrad<br />

Turb<strong>in</strong>e<br />

Verdichter<br />

Wastegate-Klappe<br />

Abb. 1: a) Vier-Zyl<strong>in</strong>der Abgasturbolader, b)Turb<strong>in</strong>engehäuse mit Wastegate.<br />

335


GIESSEREI RUNDSCHAU 60 (2013) HEFT 11/12<br />

P ≈ V.n.p (1)<br />

In Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er Wirkungsgraderhöhung steigt die<br />

maximale Abgastemperatur auf bis zu 1050 °C an. Dadurch<br />

wer<strong>den</strong> besondere werkstofftechnische Anforderungen<br />

h<strong>in</strong>sichtlich der Temperaturbeständigkeit an das<br />

Turb<strong>in</strong>engehäuse gestellt [1].<br />

E<strong>in</strong> Teil der im Abgasstrom enthaltenen Energie wird<br />

über die Turb<strong>in</strong>e des Abgasturboladers <strong>in</strong> mechanische<br />

Energie gewandelt, die zur Ansaugung <strong>und</strong> Verdichtung<br />

von Umgebungsluft im Verdichtergehäuse genutzt wird.<br />

Die gekühlte Luft wird wiederum dem Brennraum zugeführt.<br />

Der Ladedruck wird mittels Wastegate gesteuert.<br />

Dieser Bypass verh<strong>in</strong>dert e<strong>in</strong> Überdrehen des Laders bei<br />

Höchstlast durch Öffnen der Wastegate-Klappe (Abb. 1).<br />

Beim Mercedes-Benz Vierzyl<strong>in</strong>der-Ottomotor M271evo<br />

(150 kW Leistung, 310 Nm Drehmoment bei e<strong>in</strong>er Drehzahl<br />

von 2000 1/m<strong>in</strong>) wird serienmäßig das Turb<strong>in</strong>engehäuse<br />

des Turboladers als Stahlgussteil gefertigt. Es ist<br />

über e<strong>in</strong>en luftspaltisolierten Blechkrümmer mit dem<br />

Motor verb<strong>und</strong>en [2] (Abb. 2).<br />

Abb. 2: Turbolader-Turb<strong>in</strong>engehäuse am Ottomotor M271evo.<br />

Als <strong>Werkstoff</strong> für dieses Gehäuse dient die im E<strong>in</strong>satz<br />

erprobte, hitzebeständige <strong>und</strong> hochlegierte Stahlgusslegierung<br />

DIN1.4849 (GX40NiCrSiNb38-19). Deren Nickelgehalt<br />

liegt zwischen 36 <strong>und</strong> 38 %**). Dies gewährleistet<br />

e<strong>in</strong> im gesamten Temperaturbereich vollaustenitisches<br />

Gr<strong>und</strong>gefüge.<br />

Nickelpreis <strong>in</strong> Euro/t<br />

50 000<br />

40 000<br />

30 000<br />

20 000<br />

10 000<br />

0<br />

März 2007<br />

März 2009<br />

Abb. 4: Volatilität der Nickelkosten, nach [3].<br />

März 2011 März 2013<br />

Abb. 3 stellt das Korngefüge <strong>und</strong> <strong>den</strong> <strong>den</strong>dritischen<br />

Aufbau mit <strong>den</strong> zwischen<strong>den</strong>dritischen Chrom- <strong>und</strong><br />

Niob-Mischkarbi<strong>den</strong> dar, sowohl unter dem Lichtmikroskop<br />

(Abb. 3a), unter dem Rasterelektronenmikroskop<br />

(REM) (Abb. 3b) <strong>und</strong> durch energiedispersive Röntgenspektroskopie<br />

(EDX) (Abb. 3c). Die Elementanalyse zeigt<br />

Tabelle 1.<br />

Insbesondere die Verteilung der Chrom- <strong>und</strong> Niobkarbide<br />

bestimmt das Verhalten des <strong>Werkstoff</strong>es.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des hohen E<strong>in</strong>kaufspreises <strong>und</strong> der starken<br />

Volatilität von Nickel (zwischen ca. 7<strong>und</strong> 40 Euro/kg Ni<br />

seit 2007, Abb. 4) entstand die Aufgabe, e<strong>in</strong>en alternativen<br />

<strong>Werkstoff</strong> mit deutlich reduziertem Nickelgehalt zu<br />

entwickeln <strong>und</strong> h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>es möglichen Seriene<strong>in</strong>satzes<br />

zu erproben. Dabei stehen die gr<strong>und</strong>legen<strong>den</strong><br />

<strong>Werkstoff</strong>kennwerte, die Gieß- <strong>und</strong> Bearbeitbarkeit der<br />

Bauteile <strong>und</strong> deren E<strong>in</strong>satz-Performance im Fokus. Als<br />

direkter Bezug dazu gilt jeweils das Verhalten des Serienwerkstoffes<br />

DIN1.4849.<br />

Während die <strong>Entwicklung</strong>sarbeit hauptsächlich das<br />

Turb<strong>in</strong>engehäuse des M271evo betrifft, wer<strong>den</strong> auch Turb<strong>in</strong>engehäuse<br />

weiterer Baureihen h<strong>in</strong>sichtlich deren Eignung<br />

betrachtet.<br />

Überblick<br />

Bezüglich des Serienwerkstoffes ist e<strong>in</strong>erseits die Untersuchung<br />

der für das E<strong>in</strong>satzgebiet notwendigen Eigenschaften,<br />

andererseits s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>zelnen Schritte des Serien-Herstellungsprozesses<br />

von Interesse. Der Serien-Herstellungsprozessgliedert<br />

sich<strong>in</strong><strong>den</strong> Schmelzprozess, die<br />

Herstellung der Kernpakete, <strong>den</strong> Gießprozess, die Bear-<br />

a<br />

b<br />

c<br />

Abb. 3: <strong>Werkstoff</strong> DIN1.4849: a) Lichtmikroskopaufnahme, b) REM-Aufnahme, c) EDX-Aufnahme.<br />

**) Sofern nicht anders erwähnt, handelt essich bei <strong>den</strong> prozentualen Angaben zur Zusammensetzung um Massenanteile.<br />

336


HEFT 11/12 GIESSEREI RUNDSCHAU 60 (2013)<br />

Anteil chemisches Element <strong>in</strong>%<br />

C Si Cr Fe Ni Nb<br />

Matrix 0,3 2,4 20 39 36 3<br />

Stelle 1 0,1 2 18 45 34,5 0,5<br />

Stelle 2 2,1 0,4 5 6,5 5,2 81<br />

Stelle 3 3,8 0,1 84 11 1,5 0,2<br />

Tabelle 1: Elementzusammensetzung des <strong>Werkstoff</strong>es 1.4849.<br />

beitung <strong>und</strong> das Fügen des Krümmers. Hierbei steht besonders<br />

das Niederdruckgießen im Vordergr<strong>und</strong>. H<strong>in</strong>sichtlich<br />

e<strong>in</strong>er alternativen Legierung wer<strong>den</strong> die <strong>Entwicklung</strong>sschritte<br />

<strong>in</strong> Bezug auf die wesentlichen <strong>Werkstoff</strong>kennwerte,<br />

die Gießbarkeit <strong>und</strong> die Erprobung der<br />

Turb<strong>in</strong>engehäuse näher betrachtet. Bei e<strong>in</strong>em zum Serienwerkstoff<br />

1.4849 alternativen <strong>Werkstoff</strong> ist e<strong>in</strong>e gleichwertige<br />

thermische Beständigkeit h<strong>in</strong>sichtlich Kriechen,<br />

a<br />

Ermüdung <strong>und</strong> Korrosion bei Abgastemperaturen von bis<br />

zu 1050 °C zu gewährleisten. Die Belastungen im Betrieb<br />

entstehen hauptsächlich aus Vibrationen, Staudruck <strong>und</strong><br />

zyklischen Temperaturwechseln, die plastische Verformungen<br />

<strong>und</strong> somit Risse erzeugen. Verstärkt wer<strong>den</strong> diese<br />

Effekte durch Verz<strong>und</strong>erung bei Kontakt mit der Umgebungsluft<br />

außen bzw. dem heißen Abgas im Inneren<br />

des Bauteils.<br />

<strong>Werkstoff</strong>technik <strong>und</strong> Legierungsentwicklung<br />

Das Temperaturverhalten e<strong>in</strong>es <strong>Werkstoff</strong>es ist von vielfältigen<br />

Eigenschaften geprägt, wie Festigkeit, Elastizitätsmodul,<br />

Kriechrate, Phasenstabilität, Versprödung,<br />

Wärmeausdehnung, Wärmeleitfähigkeit, Oxidationsbeständigkeit,<br />

Randschichtbildung <strong>und</strong> dem thermomechanischen<br />

Ermüdungsverhalten im gesamten Temperaturbereich.<br />

Diese Eigenschaften wer<strong>den</strong> durch die beteiligten<br />

Legierungselemente bestimmt, die <strong>in</strong> Ferrit-, Austenit-,<br />

Karbid- <strong>und</strong> Nitridbildner e<strong>in</strong>geteilt wer<strong>den</strong> <strong>und</strong> für<br />

<strong>den</strong> Gefügeaufbau verantwortlich s<strong>in</strong>d [4]. Besonders die<br />

genaue Festlegung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>grenzung dieser Legierungselemente<br />

gewährleistet die geforderte Performance im Betrieb.<br />

Verkürzt kann dies wie folgt dargestellt wer<strong>den</strong>:<br />

b<br />

Abb. 5: a) Eisen-Kohlenstoff-Diagramm<br />

nach [5], erstellt mit dem Softwareprogramm<br />

Pandat, b) Gitterstruktur Fe-C.<br />

a<br />

Wärmefluß<br />

b<br />

Dendrit<br />

c<br />

Abb. 6:<br />

a) Schema<br />

der Erstarrung<br />

der<br />

Legierung,<br />

b) Schema<br />

Schnitt durch<br />

<strong>den</strong> Dendriten,<br />

nach [6],<br />

c) REM-Aufnahme<br />

337


GIESSEREI RUNDSCHAU 60 (2013) HEFT 11/12<br />

Legierungselemente ➝ Gefügeaufbau ➝ Kennwerte/<br />

Eigenschaften ➝ Bauteilverhalten.<br />

Der <strong>Werkstoff</strong> DIN1.4849 ist <strong>in</strong> die Gruppe der austenitischen,<br />

kubisch flächenzentrierten Stahlgusslegierungen<br />

mit ca. 0,3 bis 0,35 %Kohlenstoff e<strong>in</strong>zuordnen. Dieser<br />

Bereich im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm <strong>und</strong> die resultierende<br />

kubisch flächenzentrierte Gitterstruktur s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

Abb. 5 dargestellt.<br />

Der E<strong>in</strong>fluss der austenitstabilisieren<strong>den</strong> Elemente auf<br />

das Gefüge liegt <strong>in</strong> der Erweiterung des γ-Mischkristallgebietes<br />

bis unter die Raumtemperatur. Somit ergibt sich<br />

e<strong>in</strong> stabiles Gefüge im gesamten E<strong>in</strong>satzgebiet mit Temperaturen<br />

von ca. –40 °C bis 1050 °C. E<strong>in</strong>e Gefügeumwandlung<br />

vom γ-Mischkristall <strong>in</strong> <strong>den</strong> α-Mischkristall ist<br />

zu vermei<strong>den</strong>, da diese mit e<strong>in</strong>er Volumenänderung verb<strong>und</strong>en<br />

ist. Bei mehrfachen Aufheiz- <strong>und</strong> Abkühlvorgängen<br />

des <strong>Werkstoff</strong>es im Betrieb führt dies zu e<strong>in</strong>er Bauteilschädigung.<br />

Hochlegierte austenitische Stahlgusslegierungen<br />

erstarren exotherm <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>den</strong>dritischen<br />

Struktur (Abb. 6).<br />

Ausscheidungen, Verunre<strong>in</strong>igungen <strong>und</strong> Porositäten<br />

wer<strong>den</strong> an <strong>den</strong> Dendritengrenzen gebildet bzw.bei hohen<br />

Schmelzpunkten vor diesen hergeschoben. Das <strong>den</strong>dritische<br />

Gefüge mit e<strong>in</strong>em Netzwerk an karbidischen Ausscheidungen<br />

ist anschaulich im Schliffbild <strong>in</strong> Abb. 7 zu<br />

erkennen. Die stabilen <strong>in</strong>ter<strong>den</strong>dritischen Partikel bewirken<br />

e<strong>in</strong>e Festigkeitssteigerung durch e<strong>in</strong>e Beh<strong>in</strong>derung<br />

der Versetzungsbewegungen.<br />

Mittels verschie<strong>den</strong>ster Probekörper,die aus <strong>in</strong> Schwerkraft<br />

vergossenen Y-Blöcken gewonnen wer<strong>den</strong> (Abb. 8),<br />

können <strong>Werkstoff</strong>kennwerte bzw.weitere wichtige Eigenschaften<br />

ermittelt wer<strong>den</strong>. Mit Hilfe von Zug- <strong>und</strong> Kriechproben<br />

wer<strong>den</strong> neben Kennwerten wie Zugfestigkeit, Dehnung<br />

<strong>und</strong> Kriechrate bei verschie<strong>den</strong>en Laststufen bis zu<br />

1050 °C (Abb. 9) auchInformationenzum Bruchverhalten<br />

<strong>und</strong> zur Versprödung gewonnen. Kriechen bedeutet e<strong>in</strong>e<br />

plastische, zeitabhängige Verformung des <strong>Werkstoff</strong>es unter<br />

Last. Bei der Versprödung können neue Phasen bei<br />

Temperature<strong>in</strong>fluss, wie z. B. Delta-Ferrit, gebildet wer<strong>den</strong>,<br />

die <strong>den</strong> <strong>Werkstoff</strong> schädigen.<br />

E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Faktor für die Lebensdauer e<strong>in</strong>es<br />

thermomechanisch hoch belasteten Turb<strong>in</strong>engehäuses ist<br />

die Beständigkeit gegenüber Ermüdung bei mehrfachen<br />

Temperaturzyklen. E<strong>in</strong>flussgrößen wie Bildung, Wachstum,<br />

Anzahl <strong>und</strong> Länge eventueller Risse wer<strong>den</strong> anhand<br />

von Scheibenproben untersucht (Abb. 10).<br />

Sowohl wegen der hohen E<strong>in</strong>satztemperaturen als auch<br />

der aggressiven Gase im Betrieb muss der <strong>Werkstoff</strong> resistent<br />

gegenüber Hochtemperatur-Oxidation se<strong>in</strong>.<br />

a<br />

Spannung <strong>in</strong> N/mm 2<br />

b<br />

Dehnung <strong>in</strong> %<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

16<br />

12<br />

8<br />

4<br />

0<br />

Raumtemperatur<br />

Dehnung <strong>in</strong> %<br />

1050 °C<br />

0 5 10 15 20 25 30<br />

0 100 200 300 400 500 600<br />

Zeit <strong>in</strong> h<br />

Abb. 9: a) Zug- <strong>und</strong> b) Zeitstandfestigkeit (Temperatur: 950 °C,<br />

Spannung: 30 MPa) des Serienwerkstoffes DIN1.4849.<br />

a<br />

b<br />

c<br />

Abb. 7: Gefüge des Serienwerkstoffes DIN1.4849: a) Querschnitt der Zugprobe, b) <strong>und</strong> c) Schliffbilder<br />

a<br />

b<br />

c<br />

d<br />

Abb. 8:<strong>Werkstoff</strong>-Proben: a) Y-Block, b) Zug-, Kriechprobe, c) TMF-Scheibe, d) Oxidationswürfel.<br />

338


HEFT 11/12 GIESSEREI RUNDSCHAU 60 (2013)<br />

Herstellungsprozess/Fertigungstechnologie<br />

Das Schmelzen der Stahlgusslegierungen erfolgt <strong>in</strong> Mittelfrequenz-Induktionsöfen<br />

verschie<strong>den</strong>er Größen. Bei<br />

der Kernherstellung kommt für Prototypen <strong>und</strong> Kle<strong>in</strong>serien<br />

imfrühen <strong>Entwicklung</strong>sstadium das variable Rapida<br />

b<br />

Abb. 10: a) Scheibenprobe <strong>und</strong> b) Auswertung der Rissbildung zur E<strong>in</strong>schätzung<br />

der Beständigkeit gegen thermomechanische Ermüdung.<br />

Auswirkungen können die Verr<strong>in</strong>gerung des tragen<strong>den</strong><br />

Querschnitts durch Abplatzungen <strong>und</strong> der Verlust der<br />

Festigkeit se<strong>in</strong>. Mittels Auslagerungen von Würfel- bzw.<br />

Zugproben (Abb. 11) wer<strong>den</strong> Randschichtbildung, Abplatzverhalten<br />

<strong>und</strong> Dicke bzw. Zusammensetzung der<br />

e<strong>in</strong>zelnen Oxidationsschichten im Rasterelektronenmikroskop<br />

dargestellt.<br />

Durch zahlreiche iterative Legierungsvergleiche <strong>und</strong> -<br />

variationen mit anschließender <strong>Werkstoff</strong>prüfung kann<br />

e<strong>in</strong> nickelreduzierter <strong>Werkstoff</strong> im Vergleich zum Serienwerkstoff<br />

DIN1.4849 def<strong>in</strong>iert wer<strong>den</strong>. Die <strong>Entwicklung</strong>sschritte<br />

gliedern sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Auswahl bereits bekannter<br />

<strong>Werkstoff</strong>e (zum Teil DIN-<strong>Werkstoff</strong>e) <strong>und</strong> die Korrelation<br />

von Legierungszusätzen <strong>in</strong> <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en <strong>Werkstoff</strong>gruppen<br />

mit <strong>den</strong> aus <strong>den</strong> Versuchen resultieren<strong>den</strong> Eigenschaften.<br />

Sowohl der E<strong>in</strong>fluss der e<strong>in</strong>zelnen Legierungselemente<br />

als auch deren komb<strong>in</strong>ierte Wirkung wer<strong>den</strong><br />

betrachtet. Der aus <strong>den</strong> Untersuchungen von ca. 40<br />

Legierungen bzw.Legierungsvarianten entstan<strong>den</strong>e hochtemperaturbeständige,<br />

austenitische <strong>Werkstoff</strong><br />

besitzt ebenfalls e<strong>in</strong> karbidisches Netzwerk aus<br />

fe<strong>in</strong> verteilten, eher r<strong>und</strong>lichen Ausscheidungen<br />

verschie<strong>den</strong>er Größe (Abb. 12). Da die Teilchen<br />

<strong>in</strong> besonderem Maße die Eigenschaften des<br />

<strong>Werkstoff</strong>es bestimmen, wer<strong>den</strong> diese näher betrachtet.<br />

Abb. 13stellt besonders die karbidischen<br />

Bestandteile im Gefügeaufbau mittels e<strong>in</strong>es<br />

Transmissionselektronenmikroskops (TEM)<br />

dar. Hier ist e<strong>in</strong> großes Niobkarbid-Teilchen teilweise<br />

von Chromkarbid umschlossen. Kle<strong>in</strong>ere<br />

Ausscheidungen wer<strong>den</strong> hauptsächlich als CrC<br />

i<strong>den</strong>tifiziert.<br />

Stickstoff ist gleichmäßig im austenitischen<br />

Gr<strong>und</strong>gefüge verteilt bzw. erhöhte Anteile des<br />

Elements s<strong>in</strong>d im Bereich des Niobkarbids zu<br />

f<strong>in</strong><strong>den</strong>. Aus diesen Informationen lässt sich schließen,<br />

dass Stickstoff sowohl am Aufbau der austenitischen Gitterstruktur<br />

als auch an der Zusammensetzung <strong>und</strong> somit<br />

<strong>den</strong> Eigenschaften der Ausscheidungen beteiligt ist <strong>und</strong><br />

somit gr<strong>und</strong>legend das Verhalten des <strong>Werkstoff</strong>s bestimmt.<br />

Mit der deutlichen Reduzierung des Nickelgehalts bei<br />

gleichzeitiger Substitution mit alternativen Legierungselementen<br />

wer<strong>den</strong> im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen<br />

bei diesem neuen <strong>Werkstoff</strong> im Vergleich<br />

zu der im E<strong>in</strong>satz bef<strong>in</strong>dlichen Legierung DIN1.4849 ke<strong>in</strong>e<br />

nachteiligen Eigenschaften festgestellt.<br />

a<br />

b<br />

Abb. 11: a) Würfel- <strong>und</strong> Zugproben (unten oxydationsbeständiger <strong>Werkstoff</strong>, oben <strong>in</strong>stabiler <strong>Werkstoff</strong>); b) e<strong>in</strong>zelne Oxidationsschichten.<br />

a<br />

b<br />

c<br />

Abb. 12: Gefüge des alternativen <strong>Werkstoff</strong>es: a) Querschnitt der Zugprobe, b) <strong>und</strong> c) Schliffbilder.<br />

339


GIESSEREI RUNDSCHAU 60 (2013) HEFT 11/12<br />

Abb. 13: Karbidische Bestandteile der alternativen Legierung.<br />

Prototyp<strong>in</strong>g zum E<strong>in</strong>satz. In der Serie wer<strong>den</strong> Cold-Box-<br />

Kernpakete aus Kernschießmasch<strong>in</strong>en verwendet. Proben<br />

<strong>und</strong> erste Prototypen verschie<strong>den</strong>er Legierungen wer<strong>den</strong><br />

mittels Schwerkraft vergossen, wobei die damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Nachteile, wie z. B. verr<strong>in</strong>gertes Formfüllvermögen,<br />

berücksichtigt wer<strong>den</strong> müssen. Das Niederdruckgießen<br />

bietet unter Serienbed<strong>in</strong>gungen die für das Bauteil notwendigen<br />

Vorteile wie erhöhte Qualität <strong>und</strong> Wiederholbarkeit.<br />

Bei der Zerspanung an Dreh- <strong>und</strong> Fräsmasch<strong>in</strong>en<br />

hat sich herausgestellt, dass besonders die Zähigkeit e<strong>in</strong>es<br />

<strong>Werkstoff</strong>es <strong>den</strong> Werkzeugverschleiß bzw. die Standzeit<br />

bee<strong>in</strong>flusst.<br />

Vorder Komplettierung des M271evo-Turboladers wird<br />

der luftspaltisolierte Krümmer an das Turb<strong>in</strong>engehäuse<br />

angeschweißt.<br />

<strong>Werkstoff</strong>es zur Verfügung. E<strong>in</strong>satzmaterial ist bis zu<br />

60 %Kreislauf <strong>und</strong> der Rest Vorlegierungen bzw. re<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>satzstoffe. Das Entfernen von Verunre<strong>in</strong>igungen aus<br />

der Schmelze ist bei dieser Art des Schmelzofens nur bed<strong>in</strong>gt<br />

möglich. Das Entleeren des Ofens <strong>in</strong> Tiegel geschieht<br />

bei Abstichtemperaturen von ca. 1600 °C.<br />

Im <strong>Serienprozess</strong> stehen zwei Induktionsöfen mit jeweils<br />

ca. 4,5 tFassungsvermögen zum Befüllen der Gießöfen<br />

zur Verfügung.<br />

Beim Schmelzprozess der alternativen Legierung ist im<br />

vorhan<strong>den</strong>en Prozess e<strong>in</strong>e angepasste Schmelzfolge der<br />

E<strong>in</strong>satzstoffe zu berücksichtigen. Dies wird nötig, da aufgr<strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong>er veränderten Legierungszusammensetzung andere<br />

Vorlegierungen zum E<strong>in</strong>satz kommen.<br />

Schmelzprozess<br />

In der Prototypen-Gießl<strong>in</strong>ie stehen zwei Mittelfrequenz-<br />

Induktionsöfen (500 Hz) mit e<strong>in</strong>em Volumen von je ca.<br />

900 kg (Abb. 14) zum Schmelzen des jeweiligen Stahl-<br />

Abb. 14: Schmelzprozess im<br />

Induktionsofen.<br />

340<br />

Abb. 15: Kerne<strong>in</strong>legen/Handl<strong>in</strong>g.<br />

Herstellung der Kernpakete<br />

Bei Prototypen bzw. teilweise auch bei Kle<strong>in</strong>serien wer<strong>den</strong><br />

die Kernpakete, bestehend aus Gr<strong>und</strong>-, Abdeckkern<br />

<strong>und</strong> Innenkernen, durch schichtweises Aufbr<strong>in</strong>gen von<br />

aktiviertem Sand <strong>und</strong> B<strong>in</strong>der bis zur Fertigstellung<br />

der chemisch geb<strong>und</strong>enen Form<br />

mittels „Rapid-Prototyp<strong>in</strong>g-Pr<strong>in</strong>tern“ hergestellt.<br />

In dem sogenannten Kernpaketverfahren<br />

wer<strong>den</strong> die Innenkonturen des Gussteils<br />

durch Kerne, die Außenkontur durch<br />

<strong>den</strong> Formkasten abgebildet. Der Prozess ermöglicht<br />

e<strong>in</strong>e Prototypen-Kernfertigung<br />

ohne die zeit- <strong>und</strong> kosten<strong>in</strong>tensive Herstellung<br />

mittels Kernform- werkzeugen. Auch<br />

der Konstruktionsaufwand kann deutlich<br />

reduziert wer<strong>den</strong>, daH<strong>in</strong>terschnitte möglich<br />

s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> Ausformschrägen nicht berücksichtigt<br />

wer<strong>den</strong> müssen.<br />

Serienpakete wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> Kernschießmasch<strong>in</strong>en<br />

mittels des PUR-Cold-Box-Pr<strong>in</strong>zips<br />

(Begasung mit Am<strong>in</strong>) gefertigt. Dies garantiert<br />

Kerne mit der geforderten Festigkeit,<br />

der nötigen Haltbarkeit <strong>und</strong> der Integrierbarkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Formstoffkreislauf für<br />

e<strong>in</strong>e Serienfertigung [7].<br />

Transport <strong>und</strong> Schlichten erfolgt automatisiert,<br />

wobei das E<strong>in</strong>legen der verschiede-


HEFT 11/12 GIESSEREI RUNDSCHAU 60 (2013)<br />

Abb. 16: Durch Schwerkraftgießen<br />

hergestellte Prototypen von Turb<strong>in</strong>engehäusen.<br />

Abb. 17: Niederdruckgießen der Prototypen,<br />

Ofen.<br />

nen Innenkerne <strong>in</strong> <strong>den</strong> Gr<strong>und</strong>kern e<strong>in</strong>en manuellen Prozessschritt<br />

darstellt (Abb. 15).<br />

Im Bereich Formstoff <strong>und</strong> Kernpaketherstellung s<strong>in</strong>d<br />

für Versuche mit dem alternativen <strong>Werkstoff</strong> ke<strong>in</strong>e Änderungen<br />

nötig.<br />

Gießprozess<br />

Durch Schwerkraftgießen wer<strong>den</strong> Versuchskörper <strong>und</strong><br />

Prototypengehäuse über e<strong>in</strong>e Pfanne vergossen (Abb. 16).<br />

Nach dem Umfüllen der Schmelze mittels e<strong>in</strong>er Pfanne<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Niederdruckgießofen (ND-Ofen) wer<strong>den</strong> die Kernpakete<br />

prozessgesteuert über die Gießdüse gefahren <strong>und</strong><br />

entgegen der Schwerkraft mittels Druck lam<strong>in</strong>ar mit konstanter<br />

Temperatur gefüllt. Diese besondere hier e<strong>in</strong>gesetzte<br />

Technologie gewährleistet durch das steuerbare<br />

Formfüllen e<strong>in</strong>en hohen Grad an Qualität <strong>und</strong> Ausbr<strong>in</strong>gung<br />

[8]. Gießtemperatur <strong>und</strong> Prozessparameter wie Gießdrücke<br />

<strong>und</strong> Haltezeiten, können <strong>in</strong>dividuell e<strong>in</strong>gestellt<br />

wer<strong>den</strong> <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d dabei <strong>den</strong> jeweiligen Bauteilen angepasst.<br />

Nur mit dieser Technologie ist e<strong>in</strong> prozesssicheres<br />

<strong>und</strong> fehlerfreies Füllen der immer komplexeren <strong>und</strong> weiter<br />

gewichtsreduzierten Bauteile möglich. Das verbesserte<br />

Formfüllen <strong>und</strong> die verbesserte Reproduzierbarkeit<br />

stellen wesentliche Vorteile dieses Verfahrens im Vergleich<br />

zum Schwerkraftgießen dar. Die ND-Versuchsgießanlage,<br />

die ausschließlich für die Darstellung von Prototypen<br />

verwendet wird, hat e<strong>in</strong> Fassungsvermögen von<br />

Versuchsanlage<br />

1ND-Ofen<br />

Stand Dez. 2011 Nov. 2012 Dez. 2013<br />

Bauteile/Arbeitstag 1500 3000 6000<br />

Tabelle 2: Kapazitäten des Versuchsofens <strong>und</strong> der Seriengießöfen.<br />

maximal drei Tonnen mit e<strong>in</strong>em Abgussgewicht<br />

von ca. 0,8 Tonnen pro Charge (Abb. 17).<br />

In der Serie stehen zwei ND-Öfen mit jeweils<br />

max. 6tFassungsvermögen zur Verfügung. Das<br />

Abgussgewicht vor der Nachfüllung aus <strong>den</strong><br />

Schmelzöfen beträgt ca. 2t.<br />

Tabelle 2 gibt e<strong>in</strong>en Vergleich der Gießkapazität<br />

der Versuchs- <strong>und</strong> Serienanlage. E<strong>in</strong><br />

Schwenkmechanismus zum An- <strong>und</strong> Abdocken<br />

der Kernpakete von der Gießdüse erhöht dabei<br />

die Produktivität. Die Gießtemperaturen betragen<br />

ca. 1520 °C.<br />

Die korrekte Legierungszusammensetzung<br />

des Materials <strong>in</strong> <strong>den</strong> Schmelz- <strong>und</strong> Gießöfen<br />

wird bei jedem Umfüllvorgang mittels Spektroskopie<br />

überprüft. Besonderes Augenmerk bei der anschließen<strong>den</strong><br />

<strong>Werkstoff</strong>prüfung <strong>in</strong> der Qualitätssicherung<br />

gilt der Verfolgung von Porositäten <strong>und</strong> ungewollten E<strong>in</strong>schlüssen<br />

imGuss. Dadurch kann die Qualität direkt mit<br />

der Prozesssicherheit <strong>und</strong> der verwendeten Anschnitt<strong>und</strong><br />

Speisertechnik korreliert <strong>und</strong> bei Bedarf angepasst<br />

wer<strong>den</strong>. Dies gilt sowohl serienbegleitend als auch im<br />

Prototypenstadium.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der erhöhten Liquidustemperatur des alternativen<br />

<strong>Werkstoff</strong>s muss die Gießtemperatur um 10 bis<br />

15 °C angehoben wer<strong>den</strong>. Weitere Versuche zur eventuellen<br />

Anpassung der Gießdrücke <strong>und</strong> Formfüllparameter<br />

wer<strong>den</strong> durchgeführt.<br />

Zerspanung<br />

Bei der Zerspanung der Turb<strong>in</strong>engehäuse <strong>in</strong> automatisierten<br />

Bearbeitungszentren s<strong>in</strong>d die wesentlichen Operationen<br />

Bohren, Drehen, Fräsen <strong>und</strong> Reiben (Abb. 18).<br />

Sowohl bei der flexiblen Prototypen- als auch bei der<br />

Serienbearbeitung s<strong>in</strong>d die kritischen Operationen bauteilabhängig<br />

<strong>und</strong> müssen jeweils gesondert betrachtet wer<strong>den</strong>.<br />

Werkzeugbruch <strong>und</strong> zu hoher Werkzeugverschleiß<br />

senken ganz erheblich die Produktivität. E<strong>in</strong>e Optimierung<br />

der Schneidparameter, Werkzeuge <strong>und</strong> Spannvorrichtungen<br />

bezogen auf <strong>den</strong> jeweiligen <strong>Werkstoff</strong> ist notwendig.<br />

Mit vier Bearbeitungsl<strong>in</strong>ien <strong>in</strong> Serie ergibt sich<br />

aktuell e<strong>in</strong>e durchschnittliche Kapazität von ca. 2500 Turb<strong>in</strong>engehäusen<br />

pro Arbeitstag.<br />

Durch die höhere Zähigkeit<br />

Serienanlage<br />

des alternativen <strong>Werkstoff</strong>es<br />

steigen Schneidkräfte <strong>und</strong><br />

2ND-Öfen<br />

Werkzeugverschleiß. Problematische<br />

Operationen wer<strong>den</strong><br />

def<strong>in</strong>iert <strong>und</strong> durch angepasste<br />

Parameter wie Vorschub,<br />

Drehzahl, Schnei<strong>den</strong>geometrie<br />

<strong>und</strong> Werkzeugmaterial optimiert.<br />

Auch sich ändernde<br />

Spannungen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Serienvorrichtungen<br />

müssen berücksichtigt<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

Abb. 18: Serienbearbeitung der Turb<strong>in</strong>engehäuse M271.<br />

Fügen des Krümmers<br />

Beim Schweißen des luftspaltisolierten<br />

Krümmers ist e<strong>in</strong>e<br />

gasdichte Verb<strong>in</strong>dung zu garantieren,<br />

welche die im Betrieb<br />

vorhan<strong>den</strong>en Kräfte kompensiert<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e ausreichende<br />

Temperaturstabilität auf-<br />

341


GIESSEREI RUNDSCHAU 60 (2013) HEFT 11/12<br />

a<br />

b<br />

Abb. 19: a) Motorenprüfstand, b) Heißgasprüfstand.<br />

weist. Der alternative <strong>Werkstoff</strong> ist unter Serienbed<strong>in</strong>gungen<br />

schweißbar.<br />

Erprobung der Turb<strong>in</strong>engehäuse<br />

Verschie<strong>den</strong>ste Varianten von Gehäusen, sowohl h<strong>in</strong>sichtlich<br />

Bauteil- als auch <strong>Werkstoff</strong>entwicklung, wer<strong>den</strong><br />

auf Prüfstän<strong>den</strong> mit diversen Programmen untersucht.<br />

Da vor allem Motorenprüfstände äußerst kosten<strong>in</strong>tensiv<br />

s<strong>in</strong>d, kommt zusätzlich e<strong>in</strong> temperaturprofilgesteuerter<br />

Heißgasprüfstand zum E<strong>in</strong>satz, der zudem die Möglichkeit<br />

der Parallelprüfung mehrerer Gehäuse- bzw.<br />

<strong>Werkstoff</strong>varianten bietet (Abb. 19). Beide Varianten sollen<br />

e<strong>in</strong>en realen Motordauerlauf im Fahrzeug bei <strong>den</strong> rea-<br />

len maximalen Temperaturen von >1000 °C simulieren<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig die Laufzeit im Vergleich zu e<strong>in</strong>em Fahrzeugdauerlauf<br />

verkürzen. Dabei wer<strong>den</strong> die Temperaturunterschiede<br />

der e<strong>in</strong>zelnen Zyklen deutlich erhöht, was<br />

zu e<strong>in</strong>er früher auftreten<strong>den</strong> Schädigung führt.<br />

Abb. 20 visualisiert die durch die Temperaturbelastung<br />

entstan<strong>den</strong>en Risse e<strong>in</strong>es Seriengehäuses nach e<strong>in</strong>em zyklus<strong>in</strong>tensiven<br />

Prüflauf auf dem Heißgasprüfstand. Je<br />

nach Test ist e<strong>in</strong>e spezifische Auswertung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>stufung<br />

der entstan<strong>den</strong>en Schä<strong>den</strong> nötig.<br />

Während der Erprobung von Gehäusen aus dem alternativen<br />

<strong>Werkstoff</strong> am Heißgasprüfstand, am Motorenprüfstand<br />

<strong>und</strong> teilweise auch im Fahrzeugdauerlauf zeigen<br />

sich ke<strong>in</strong>e Auffälligkeiten. In Abb. 21 s<strong>in</strong>d Serienwerkstoff<br />

<strong>und</strong> alternativer <strong>Werkstoff</strong> nach vergleichbaren<br />

Motordauerläufen gegenüber gestellt. Bei bei<strong>den</strong> Gehäusen<br />

treten ausschließlich Risse im markierten Bereich auf.<br />

Diese wirken sich im Betrieb nicht negativ aus <strong>und</strong> wer<strong>den</strong><br />

deshalb als unkritisch e<strong>in</strong>gestuft.<br />

Abb. 20: Farbe<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gprüfung beim Serienwerkstoff DIN1.4849.<br />

Abb. 21: Vergleich Motordauerlauf Serie –alternativer <strong>Werkstoff</strong> (rechts)<br />

342<br />

Zusammenfassung<br />

Die hier beschriebene Prozesskette von der Bauteil- bzw.<br />

<strong>Werkstoff</strong>entwicklung über die Kernherstellung, Schmelz<strong>und</strong><br />

Gießtechnik bis h<strong>in</strong> zur Komponentenprüfung ist<br />

notwendig, um <strong>den</strong> steigen<strong>den</strong> Anforderungen h<strong>in</strong>sichtlich<br />

komplexer, gewichtsoptimierter <strong>und</strong> <strong>den</strong>noch wirtschaftlicher<br />

Gussteile gerecht zu wer<strong>den</strong>. Bei immer kürzeren<br />

Vorlaufzeiten von der Idee zum Produkt ermöglicht<br />

<strong>in</strong>sbesondere die Komb<strong>in</strong>ation von Rapid Prototyp<strong>in</strong>g<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>em vorhan<strong>den</strong>en Seriengießprozess e<strong>in</strong>e seriennahe<br />

Gussteilentwicklung. Die auf <strong>den</strong> <strong>Werkstoff</strong> Stahl<br />

angepasste Technologie des Niederdruckverfahrens ist für<br />

komplexe Bauteile h<strong>in</strong>sichtlich<br />

Qualität <strong>und</strong> Reproduzierbarkeit<br />

deutlich dem<br />

Schwerkraftgießen überlegen.<br />

Nach erfolgreichen Versuchen<br />

h<strong>in</strong>sichtlich des allgeme<strong>in</strong>en<br />

<strong>Werkstoff</strong>verhaltens,<br />

der Herstellung <strong>und</strong> der Erprobungen<br />

im E<strong>in</strong>satz ist das<br />

enorme Potential des alternativen<br />

<strong>Werkstoff</strong>s erkennbar.<br />

Der wirtschaftliche Nutzen<br />

liegt <strong>in</strong> der deutlichen Verr<strong>in</strong>gerung<br />

des Nickelanteils <strong>und</strong>


HEFT 11/12 GIESSEREI RUNDSCHAU 60 (2013)<br />

der damit verb<strong>und</strong>enen E<strong>in</strong>sparung an Rohstoffkosten.<br />

E<strong>in</strong>e mögliche Serienumsetzung wird aktuell untersucht.<br />

E<strong>in</strong> besonderer Dank der Autoren geht andie Kollegen<br />

der Forschung <strong>und</strong> Vorentwicklung <strong>in</strong> Ulm, der <strong>Entwicklung</strong><br />

<strong>in</strong> Untertürkheim <strong>und</strong> der Gießerei bzw. Mechanischen<br />

Bearbeitung <strong>in</strong> Mett<strong>in</strong>gen, die tatkräftig bei <strong>den</strong><br />

dargestellten Untersuchungen beteiligt waren <strong>und</strong> allgeme<strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Herstellungsprozess der Turb<strong>in</strong>engehäuse ermöglichen.<br />

Literatur<br />

[1] Hack, G.; Langkabel, G. I.: Turbo- <strong>und</strong> Kompressionsmotoren.<br />

Motorbuchverlag, 2003.<br />

[2] Motortechnische Zeitschrift 70 (2009), [Nr. 6], S. 454.<br />

[3] London Metal Exchange. www.lme.com, 2013.<br />

[4] Bürgel, R.: Handbuch Hochtemperatur-<strong>Werkstoff</strong>technik.<br />

Vieweg+Teubner, Wiesba<strong>den</strong>, 2006.<br />

[5] Bargel, H. J.; Schulze, G.: <strong>Werkstoff</strong>k<strong>und</strong>e. Spr<strong>in</strong>gerverlag,<br />

Berl<strong>in</strong>, Heidelberg, 2008.<br />

[6] Porter, D.A.; Easterl<strong>in</strong>g, K. E.; Sherif, M. Y.:Phase transformations<br />

<strong>in</strong> metals and alloys. CRC Press Boca Raton, Fl,<br />

2009.<br />

[7] Spur, G.; Stöferle, T.:Handbuch der Fertigungstechnik. Carl<br />

Hanser Verlag, München, Wien, 1981.<br />

[8] Lippek, P.:<strong>Entwicklung</strong> <strong>und</strong> Erprobung e<strong>in</strong>er Niederdruckgieße<strong>in</strong>richtung<br />

für Eisen-Kohlenstoff-Legierungen <strong>und</strong> Untersuchungen<br />

zur gesteuerten Formfüllung. Dissertation, TU<br />

Freiberg 2001.<br />

Kontaktadresse:<br />

Timotheus Kaiser |Daimler AG<br />

D-73733 Essl<strong>in</strong>gen |Emil-Kessler-Straße 4<br />

Tel.: +49 (0)151 586 196 81<br />

E-Mail: timotheus.kaiser@daimler.com<br />

1. VDI-Tagung<br />

„Gießen von Fahrwerks- <strong>und</strong> Karosseriekomponenten“<br />

am 11. <strong>und</strong> 12. Februar 2014 <strong>in</strong> München-Freis<strong>in</strong>g<br />

Der Markt für Strukturgussbauteile boomt, die<br />

Zeichen stehen auf Wachstum. Die vielen, teils<br />

sehr kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong> komplexen Bauteile zu produzieren,<br />

stellt Gießer, Entwickler <strong>und</strong> Konstrukteure<br />

vor zahlreiche Herausforderungen.<br />

Welche Anforderungen sie an <strong>Werkstoff</strong>- <strong>und</strong><br />

Fertigungskonzepte stellen <strong>und</strong> welche Probleme<br />

entlang der Prozesskette auftreten, diskutieren<br />

Experten auf der 1. VDI-Fachtagung<br />

„Gießen von Fahrwerks- <strong>und</strong> Karosseriekomponenten“<br />

am 11. <strong>und</strong> 12. Februar 2014 <strong>in</strong><br />

München-Freis<strong>in</strong>g. Die Tagungsleitung hat<br />

Dipl.-Ing. (FH) Mart<strong>in</strong> Schübel von BMW übernommen.<br />

Auf der Tagung präsentieren Fachleute aktuelle<br />

Beispiele, wie die Gießtechnik optimal gel<strong>in</strong>gen<br />

kann, anhand der wesentlichen Produktionsschritte<br />

– PEP, Fertigungsprozesskette,<br />

Produktion Gießprozesse sowie Produktion<br />

Folgeprozesse. E<strong>in</strong>leitend erläutert Paul Dick,<br />

Bild: VDI Wissensforum GmbH/BMW AG<br />

Leiter <strong>Entwicklung</strong> Rohbau von Daimler, welche<br />

Auswirkungen der E<strong>in</strong>satz von Gussbauteilen<br />

im Rohbau auf das <strong>Werkstoff</strong>- <strong>und</strong> Fertigungskonzept der neuen Mercedes-Benz S-Klasse hat. Michael Dukat,<br />

Leiter <strong>Entwicklung</strong> Aufbau Karosserie, berichtet über aktuelle <strong>in</strong>telligente Karosserieleichtbaukonzepte von Porsche.<br />

Möglichkeiten, um Fahrwerkteile oder Achsträger funktions- <strong>und</strong> fertigungsgerecht zu gießen sowie zu schmie<strong>den</strong>,<br />

präsentieren Experten von Mart<strong>in</strong>rea Honsel <strong>und</strong> Otto-Fuchs. Welches Innovationspotenzial <strong>in</strong> Salzkernen<br />

steckt, erläutern Vertreter von Daimler.Gregor Branner stellt unter anderem die erfolgreiche Druckguss-Produktion<br />

bei Audi vor.Neben Vorträgen zu Eigenschaften, Gießverfahren <strong>und</strong> Technologien berichten weitere Experten über<br />

Lösungen für verzugsm<strong>in</strong>imierte Strukturbauteile, Simulationen <strong>und</strong> Herausforderungen beim automatischen Richten.<br />

Fachleute von unter anderem Belte, Laub<strong>in</strong>ger +Rickmann sowie KSM Cast<strong>in</strong>gs stellen konkrete Beispiele im<br />

Bereich der Folgeprozesse vor. Stefan Zangerle, Leiter E<strong>in</strong>kauf Strukturguss von BMW, erörtert abschließend, welche<br />

Trends der Karosserie- <strong>und</strong> Fahrwerksmarkt <strong>in</strong> Zukunft zu erwarten hat.<br />

Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, an e<strong>in</strong>er Führung durch die Produktion der Leichtmetallgießerei von BMW<br />

<strong>in</strong> Landshut teilzunehmen. E<strong>in</strong>e Fachausstellung begleitet das Vortragsprogramm.<br />

Anmeldung <strong>und</strong> Programm unter www.vdi.de/giessen-fahrwerk oder über das VDI Wissensforum K<strong>und</strong>enzentrum,<br />

Postfach 10 11 39, D-40002 Düsseldorf, E-Mail: wissensforum@vdi.de, Telefon: +49 (0)211 6214-201,<br />

Telefax: +49 (0)211 6214-154.<br />

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