Handlungsempfehlungen des Bayerischen Integrationsrates ...
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Geschäftsstelle <strong>des</strong> Integrationsbeauftragten<br />
der <strong>Bayerischen</strong> Staatsregierung (IntB)<br />
Martin Neumeyer, MdL<br />
<strong>Handlungsempfehlungen</strong> <strong>des</strong> <strong>Bayerischen</strong> <strong>Integrationsrates</strong><br />
„Fachkräfte sichern – Potentiale fördern“<br />
1. Grundlegen<strong>des</strong><br />
Der Fachkräftemangel ist in Bayern angekommen und breitet sich infolge <strong>des</strong> demographischen<br />
Wandels und der wirtschaftlichen Entwicklung weiter aus 1 . Somit steigen der Bedarf<br />
der heimischen Wirtschaft an qualifizierten Fachkräften und gleichzeitig die Anforderungen<br />
an diese. Um dem zu begegnen, empfiehlt der <strong>Bayerischen</strong> Integrationsrat eine Doppelstrategie:<br />
Die umfassende Aktivierung bislang ungenutzter, wertvoller, heimischer Potentiale 2<br />
und eine Anpassung der Zuwanderungspolitik an die geänderten arbeitsmarktpolitischen und<br />
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Für Menschen, die aus beruflichen Gründen<br />
Deutschland verlasen haben, sollten auf Basis der vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten<br />
Rückkehrprogramme angeboten werden.<br />
Um die Fachkräftelücke dauerhaft schließen zu können, müssen vorrangig die heimischen<br />
Potentiale umfassend und nachhaltig – insbesondere über Aus-, Weiter- und Fortbildung -<br />
aktiviert werden. Das wird jedoch die Lücke nicht vollends schließen können. Aus diesem<br />
Grund muss auch die Zuwanderungspolitik flexibel genug sein, um die zusätzlich benötigten<br />
Fachkräfte für den Freistaat zu gewinnen. Die Überwindung <strong>des</strong> Fachkräftemangels ist eine<br />
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der nicht nur der Staat, sondern alle Akteure <strong>des</strong> Arbeitsmarktes<br />
aktiv mitwirken müssen.<br />
Um den Wirtschaftsstandort Bayern attraktiver zu machen, empfiehlt der Integrationsrat die<br />
Entwicklung und Förderung einer Willkommens- und Anerkennungskultur, die alle im Anschluss<br />
behandelten Bereiche umfasst. Nur wenn sich die Menschen mit Migrationshin-<br />
1 Siehe auch Bun<strong>des</strong>agentur für Arbeit: „Perspektive 2025 – Fachkräfte für Deutschland“ in<br />
http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/Veroeffentlichungen/Sonstiges/Perspektive-2025.pdf<br />
2 Damit sind alle Menschen gemeint, die bereits in Deutschland leben, aber noch keinen oder nur begrenzten<br />
Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt gefunden haben. Der Schwerpunkt der Empfehlungen liegt auf den hier<br />
lebenden Menschen mit Migrationshintergrund.<br />
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der <strong>Bayerischen</strong> Staatsregierung (IntB)<br />
Martin Neumeyer, MdL<br />
tergrund und auch die zugewanderten Fachkräfte im Freistaat willkommen und gebraucht<br />
fühlen, kann deren Potential nachhaltig aktiviert werden.<br />
2. Erhöhung der Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt<br />
2.1. Bildung<br />
Die Chancengerechtigkeit <strong>des</strong> Schulsystems wird seit langem kontrovers diskutiert. Die<br />
Schüler/-innen mit Migrationshintergrund haben im dreigliedrigen Schulsystem oftmals geringere<br />
Chancen zur Entwicklung ihrer Potentiale als einheimische Schüler. Bei <strong>des</strong>sen Weiterentwicklung<br />
gilt es <strong>des</strong>wegen darauf zu achten, ihre individuelle Leistungsfähigkeit und ihre<br />
Talente stärker als bisher zu berücksichtigen und diese durch gezielte individuelle Förderung<br />
vor einer verfehlten Allokation nach der Grundschule – also der Aufnahme in einer Schulart,<br />
die der Begabung nicht entspricht - zu bewahren, um so noch vorhandene geringere Chancen<br />
auszugleichen. Ein wichtiger Punkt diesbezüglich ist der Ausbau der interkulturellen<br />
Ausbildung/Schulungen sowie die interkulturelle Öffnung der Schulen und Kindertageseinrichtungen<br />
3 .<br />
2.1.1. Kindertageseinrichtungen<br />
Je früher eine qualitativ hochwertige und flächenwirksame Sprachförderung ansetzt, <strong>des</strong>to<br />
erfolgreicher ist sie. Aus diesem Grund schlägt der Rat vor, die Sprachstandserhebung bei<br />
allen Kindern bereits ab dem Kindergartenalter (4. Lebensjahr) einzuführen. Die Kinder, bei<br />
denen so Förderbedarf festgestellt wird, sollten weiterhin gezielt Sprachförderung erhalten.<br />
Demzufolge muss auch die Aus- und Fortbildung <strong>des</strong> pädagogischen Personals in interkultureller<br />
Hinsicht 4 erfolgen bzw. ausgebaut werden. Da in diesem Zusammenhang insbesondere<br />
das familiäre Umfeld der Kinder eine wichtige Rolle spielt, sollte in den Kindertagesstätten<br />
der Ansatz der Erziehungspartnerschaften, sowie Eltern- und Familienbildungsprogramme<br />
3 Siehe auch die <strong>Handlungsempfehlungen</strong> „Werteverständnis und Geschichtsbilder von Migranten und Mehrheitsgesellschaft“<br />
<strong>des</strong> <strong>Bayerischen</strong> <strong>Integrationsrates</strong><br />
4 Interkulturelle Kompetenz meint in diesem Zusammenhang die Fähigkeit, sich in die Perspektive einer Person<br />
mit Migrationshintergrund hineinversetzen zu können.<br />
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besonders berücksichtigt werden, bei denen die Familie der Kinder einbezogen und beraten<br />
wird 5 .<br />
2.1.2. Schule<br />
Der Schulerfolg hat maßgeblichen Einfluss auf den weiteren Lebensweg eines Kin<strong>des</strong>. Entsprechend<br />
kommt der Förderung in dieser Lebensphase eine entscheidende Bedeutung zu.<br />
Auch hier sollte der Fokus aber nicht nur auf den Schülern/-innen, sondern auch auf deren<br />
direkter Umgebung liegen. Die Eltern sollten somit stärker als bisher in das Schulleben mit<br />
einbezogen werden.<br />
Deshalb empfiehlt der Integrationsrat den Ausbau der Beratung und Begleitung der Eltern<br />
mit Migrationshintergrund insbesondere im Hinblick auf das bayerische Schul- und Ausbildungssystem<br />
6 . Die Basis dafür sind interkulturell geschulte und kompetente Lehrkräfte und<br />
Sozialpädagogen/-innen, die in der Lage sind, die heterogenen Lernvoraussetzungen der<br />
Schüler/-innen zu erkennen und zu berücksichtigen. Aufsuchende Angebote, bei denen<br />
Fachkräfte zu den Eltern gehen, zeigen erfahrungsgemäß die größte Wirkung, weshalb ihnen<br />
eine besondere Bedeutung zukommen sollte. In Zusammenhang damit sollte auch versucht<br />
werden, die Eltern im Rahmen dieser Projekte für die Mitarbeit in den Elternbeiräten zu<br />
gewinnen, um so deren Integration in das Schulleben dauerhaft zu gewährleisten.<br />
Im Hinblick auf die Sprachkompetenzen der Schüler/-innen - also <strong>des</strong> Erlernens der deutschen<br />
Sprache als Bildungssprache – besteht Bedarf für den weiteren Ausbau der Sprachförderung<br />
über alle Schularten hinweg in Kooperation mit den Universitäten 7 . Die bestehenden<br />
Übergangsklassen sind ein Instrument, das bedarfsgerecht (intensivere Förderung, kleinere<br />
Klassen) ausgebaut werden sollte. So ist auch der Übergang von der Grundschule an<br />
die weiterführenden Schulen für Schüler/-innen mit schlechten Deutschkenntnissen mit Problemen<br />
verbunden. Um deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, besteht zusätzlicher<br />
Bedarf für die Förderung fach- und berufsspezifischer Sprachkenntnisse im Hinblick<br />
auf die Erhöhung ihrer Ausbildungsfähigkeit. Weitere Angebote wie beispielsweise der Aus-<br />
5 In diesem Bereich existieren bereits einige erfolgreiche Projekte, die diesbezüglich Anregungen liefern können,<br />
wie beispielsweise Ostapje (http://www.opstapje.de/programm_kurzdarstellung.php) oder Hippy<br />
(http://www.hippy-deutschland.de/implementierung_funktioniert.php)<br />
6 Bei Eltern ohne ausreichende Sprachkenntnisse ist der Einsatz kultursensibler Dolmetscher denkbar, da die<br />
Funktionsweise und der Stellenwert <strong>des</strong> dualen Systems diesen – besonders im Falle mangelhafter Sprachkenntnisse<br />
– nur unzureichend bekannt sein dürfte.<br />
7 Siehe auch das Projekt „Fitis“ http://www-cgi.uni-regensburg.de/Fakultaeten/Germanistik/daz/?page_id=1702<br />
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bau von Ferien- und Lerncamps erscheinen dafür sinnvoll, da die Vermittlung spezieller<br />
Sprachkenntnisse im Fachunterricht nicht ausreichend Platz findet. Um die sprachlichen<br />
Kompetenzen der Kinder mit Migrationshintergrund auch in Deutsch zu fördern, ist es dringend<br />
notwendig, ihre mehrsprachige Spracherwerbssituation zu berücksichtigen.<br />
Der Übergang von der Schule in den Beruf gestaltet sich für Absolventen/-innen mit Migrationshintergrund<br />
oftmals schwieriger. Die umfangreichen Angebote der Schulen – wie z.B.<br />
Berufsgrundbildungsjahr, Berufseinstiegsjahr, Berufsvorbereitungsjahr – und der Bun<strong>des</strong>agentur<br />
für Arbeit – z.B. Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen, Einstiegsqualifizierung,<br />
erweiterte vertiefte Berufsorientierung und berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen<br />
– sind sicher ein Schritt in die richtige Richtung ebenso wie das Projekt „Ausbildungsakquisiteure“.<br />
Dennoch herrscht in diesem Bereich weiterhin ein großer Bedarf. Insbesondere<br />
Mentorenprogramme 8 können auf gute Erfahrungen bei der Vermittlung von Jugendlichen<br />
mit Migrationshintergrund zurückblicken, weshalb der Integrationsrat den Ausbau und die<br />
Weiterentwicklung solcher Programme anregt.<br />
2.1.3. Hochschule<br />
Bei den ausländischen Studierenden, die zum Studium nach Deutschland kommen, gibt es<br />
teilweise erhebliche Sprachdefizite 9 . Um deren Potential auch nach dem Studium adäquat<br />
nutzen zu können, empfiehlt der Bayerische Integrationsrat den Ausbau der Sprachförderung<br />
für ausländische Studierende. Die Bayerische Staatsregierung hat am 11.Mai 2011 ein Programm<br />
beschlossen, durch das die Internationalisierung der Hochschulen zu einem Schlüsselfeld<br />
der internationalen Zusammenarbeit Bayerns ausgebaut werden soll 10 . Der Integrati-<br />
8 Als Beispiele dafür dienen: „Die Begleiter“<br />
(http://www.erlangen.de/Portaldata/1/Resources/080_stadtverwaltung/dokumente/Patenschaftsvertrag.pdf );<br />
Schulversuch KommMit<br />
(http://www.isb.bayern.de/isb/download.aspx?DownloadFileID=27df2ff7ed4806a7126c81892c1d7479)<br />
9 Im Sommersemester 2010 waren an bayerischen Hochschulen 19.527 sogenannte Bildungsausländer, d.h. ausländische<br />
Studierende, die ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland bzw. als Absolventen eines Studienkollegs<br />
im Inland erworben haben, immatrikuliert. Die derzeitige Gesetzeslage stellt jedoch insbesondere Studierende<br />
aus sogenannten Drittstaaten vor große Herausforderungen. Bildungsausländer müssen für die Zulassung<br />
an einer deutschen Hochschule deutsche Sprachkenntnisse nachweisen<br />
10 Die Bayerische Staatsregierung hat am 11.05.2011 auf der Grundlage der Empfehlungen <strong>des</strong> Zukunftsrats der<br />
<strong>Bayerischen</strong> Staatsregierung und der Ergebnisse einer Arbeitsgruppe <strong>des</strong> Staatsministeriums für Wissenschaft,<br />
Forschung und Kunst mit den <strong>Bayerischen</strong> Hochschulverbünden ein Programm für bayerische Hochschulen<br />
beschlossen, durch das die Internationalisierung der Hochschulen durch ein gesondertes Maßnahmeprogramm zu<br />
einem Schlüsselfeld der internationalen Zusammenarbeit Bayerns ausgebaut werden soll. Der Ministerrat hat<br />
betont, dass für ein solches Programms aus fachlicher Sicht ein finanzieller Umfang von 65 Millionen Euro im<br />
Jahr zu begrüßen sei, im Einzelnen aber finanzielle Festlegungen den Haushaltsverhandlungen vorbehalten<br />
4
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onsrat begrüßt diese Initiative und regt die konsequente Umsetzung mit Schwerpunkt auf<br />
den integrationsfördernden Maßnahmen an.<br />
Ferner sollte ausländischen Studenten/-innen die Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme im Anschluss<br />
an das Studium besser als bisher aufgezeigt werden. Hier gibt es bereits wertvolle<br />
Ansätze, die es aber auszubauen gilt 11 . Nur wenn ausländische Studierende die gesetzlichen<br />
Rahmenbedingungen im Hinblick auf ihr Studium und eine anschließende Arbeitsaufnahme<br />
im Freistaat in vollem Umfang kennen, kann eine dauerhafte und nachhaltige Integration<br />
dieser in den bayerischen Arbeitsmarkt und die bayerische Gesellschaft gelingen.<br />
Die Mehrheit der Studierenden aus Drittstaaten (Nicht-EU-Staaten) muss ihren Lebensunterhalt<br />
selbst verdienen und hat keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung gemäß Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetz<br />
(Bafög) oder auf bayerische Studienbeitragsdarlehen der Kreditanstalt<br />
für Wiederaufbau (KfW). Gleichzeitig gilt für Studierende aus Drittstaaten während<br />
<strong>des</strong> Studiums, mit wenigen Ausnahmen, eine Beschränkung der Erwerbsmöglichkeit auf 90<br />
volle oder 180 halbe Tage pro Jahr. Der Bayerische Integrationsrat befürwortet <strong>des</strong>halb eine<br />
großzügigere Anwendung der Härtefallregel gemäß Bayerischem Hochschulgesetz (BayH-<br />
SchulG) um Studierende von Studiengebühren zu befreien 12 und bittet die Bayerische<br />
Staatsregierung, auf Bun<strong>des</strong>ebene auf die Ausweitung der Nebenverdienstmöglichkeiten<br />
während <strong>des</strong> Studienkollegs und <strong>des</strong> Studiums bzw. Ausbau von Fördermöglichkeiten u.a.<br />
eines zielgerichteten Stipendiumswesen 13 für diese hinzuwirken.<br />
Die meisten Studierenden möchten nach erfolgreich abgeschlossenem Studium weiter in<br />
Deutschland bleiben um zu arbeiten. Mehr als ein Drittel der ausländischen Studierenden<br />
und damit mehr als deutsche Studierende (einschließlich Bildungsinländer) in Bayern studiert<br />
eines der sogenannten MINT-Fächer 14 . Gerade in den Ingenieurwissenschaften stieg die<br />
Zahl der ausländischen Studierenden im Vergleich zum Sommer 2000 überdurchschnittlich<br />
an (+151,4 Prozent). 15 Das ist sehr erfreulich und von erheblichem Interesse für den Wirtschaftsstandort<br />
Bayern, der dringend auf hochqualifizierte Arbeitnehmer angewiesen ist.<br />
11 Siehe http://www.arbeitsagentur.de/Dienststellen/RD-BY/RD-BY/Regionalinformationen/Ausbildung/Wirbrauchen-Sie-in-Bayern-Flyer-pdf.pdf<br />
12 Siehe auch http://www.stmwfk.bayern.de/hochschule/pdf/flyer_studienbeitraege.pdf<br />
13 Als Beispiele hierfür können dienen: Das Deutschlandstipendium http://www.deutschland-stipendium.de/;<br />
14 Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik<br />
15 Bayerisches Lan<strong>des</strong>amt für Statistik und Datenverarbeitung<br />
https://www.statistik.bayern.de/presse/archiv/2010/248_2010.php.<br />
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2.2. Übergang<br />
Der Übergang von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt gestaltet sich<br />
weiterhin schwierig. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein Aspekt ist oftmals das nur gering<br />
ausgeprägte Wissen über die Bedeutung und Spannbreite der dualen Ausbildung. Hier sind<br />
gezielte Maßnahmen zur Verbreiterung <strong>des</strong> Wissensstan<strong>des</strong> wünschens- und fördernswert 16 .<br />
In diesem Bereich muss - ebenso wie in Kindertagesstätten und Schule – die Einbeziehung<br />
der Eltern gewährleistet werden 17 . Diesbezüglich gilt es auch zu überlegen, wie Migrantenorganisationen<br />
stärker als bisher - als beratende und unterstützende Akteure - in diesen Prozess<br />
mit eingebunden werden können.<br />
Ein weiterer Aspekt ist das häufig nur gering ausgeprägte „diversity management“ in kleinen<br />
und mittelständischen Unternehmen. Für viele Arbeitgeber ist das Potential der Absolventen<br />
mit Migrationshintergrund in der Regel schwer einzuschätzen. Deshalb schlägt der Integrationsrat<br />
vor, das System <strong>des</strong> „diversity management“ mit Hilfe der Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften,<br />
Arbeitsagenturen und Kammern auch den kleinen und mittelständischen Unternehmen<br />
zur Verfügung zu stellen. Die Stärkung der bestehenden Beratung von Unternehmen<br />
bezüglich <strong>des</strong> interkulturellen Potentials für die eigene Personalpolitik, würde zum<br />
einen die Kosten begrenzen und zum anderen einheitliche Standards gewährleisten.<br />
Neben diesen Aspekten begrüßt der Integrationsrat die bereits bestehenden Kooperationen<br />
zwischen Schulen und Unternehmen 18 und empfiehlt, diese weiter auszubauen und die Belange<br />
der Jugendlichen mit Migrationshintergrund darin mit einzubeziehen. Im Bereich der<br />
schulischen Nachqualifizierung sind neben dem Staat auch die Unternehmen gefragt, eine<br />
nachhaltige und langfristig orientierte Personalentwicklungspolitik zu verfolgen.<br />
16 Beispielsweise über Mentorenprojekte, „Ausbildungsplatzakquisiteure“ etc.<br />
17 Siehe auch das Projekt „aktiF“ (http://www.johanniter.de/die-johanniter/johanniterorden/genossenschaftenund-kommenden/bayerische-genossenschaft/einrichtungen-und-werke/das-projekt-migration-und-integration/)<br />
18 Siehe auch http://www.schulewirtschaft-bayern.de<br />
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2.3. Ausbildung – Duales System<br />
2.3.1. Duale Ausbildung<br />
Die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung ist die Ausbildungsreife.<br />
Eine besondere Verantwortung dafür tragen Schule, Elternhaus und Betroffene. Eine besondere<br />
Verzahnung von Schulen, Eltern, Betroffenen, Wirtschaft und Bun<strong>des</strong>agentur für Arbeit<br />
ist notwendig, um noch nicht ausbildungsreife Jugendliche im Übergangssystem zu fördern<br />
und später auch während der Ausbildung zu unterstützen.<br />
Die Unternehmen selbst sind in der Pflicht, interkulturelle Aspekte in die eigene Personalpolitik<br />
zu integrieren. Studien zur beruflichen Integration Jugendlicher mit Migrationshintergrund<br />
19 belegen, dass gerade bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen diese seltener<br />
berücksichtig werden, als Jugendliche ohne Migrationshintergrund 20 . Aufgrund der demografischen<br />
Entwicklung werden Unternehmer in Zukunft verstärkt Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />
einstellen. Hierfür gibt es bereits Angebote (z. B. ausbildungsbegleitende Hilfen<br />
(abH)), die es auszubauen gilt.<br />
2.3.2. Berufsschule<br />
Für Jugendliche mit Migrationshintergrund, die sich in einer Berufsvorbereitungs-, Berufsintegrations-<br />
oder Eingliederungsklasse befinden, ist eine berufsbezogene Sprachförderung für<br />
den Berufseinstieg von großer Bedeutung. Generelle Sprachkenntnisse, wie sie über die<br />
Schule vermittelt werden, reichen für die Ausbildung und die anschließende Ausübung eines<br />
Berufes meistens nicht aus. Des Weiteren sind in der Lehreraus-, fort- und Weiterbildung<br />
verpflichtende Module zur interkulturellen Schulungen bzw. Deutsch als Zweitsprache erstrebenswert.<br />
19 Siehe unter anderem http://library.fes.de/pdf-files/wiso/06687.pdf und http://gaebler.info/hamburg/ulme-1.pdf<br />
20 Siehe auch http://www.dji.de/bibs/564_13314_Schulabsolventenstudie_3.pdf<br />
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2.4. Personen mit abgeschlossener/abgebrochener Ausbildung<br />
2.4.1. Fort- und Weiterbildung<br />
Personen mit Migrationshintergrund nehmen bisher unterproportional an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen<br />
teil. Oftmals sind mangelhafte Sprachkenntnisse ein Ausschlusskriterium<br />
bzw. die Ursache dafür. Diesbezüglich wäre es erstrebenswert, diese Maßnahmen beispielsweise<br />
mit einer gezielten fachspezifischen und berufsbezogenen Sprachförderung zu<br />
kombinieren.<br />
Teilweise haben Personen, die bereits in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (Minijob)<br />
vermittelt wurden, allein in Folge der Verteilung der Arbeitszeiten nicht mehr die Möglichkeit,<br />
die Angebote der Arbeitsagentur wahrzunehmen. Da ein solches Beschäftigungsverhältnis<br />
jedoch keine dauerhaft angelegte Lösung sein soll und kann, ist zu überlegen, wie<br />
ein Minijob mit zusätzlichen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen kombinierbar ist.<br />
2.4.2. Nach- und Anpassungsqualifizierung<br />
Eine Nachqualifizierung erfolgt unter anderem für Personen, deren Qualifikation nicht oder<br />
nur teilweise anerkannt wurde und die Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen, mit denen<br />
sie auf die Abschlussprüfung (gemäß BBiG §37), die sogenannte „Externenprüfung“, vorbereitet<br />
werden. Bei diesem Personenkreis ist eine berufsbezogene Sprachförderung von besonderer<br />
Bedeutung, da diese – aufgrund ihrer vorhandenen Qualifikationen - ein großes<br />
Potential für den heimischen Arbeitsmarkt darstellen. Ein verstärktes Engagement der Arbeitgeber<br />
wäre diesbezüglich wünschenswert.<br />
Die Anerkennung ausländischer Qualifikationen ist möglichst praxisnah zu gestalten (z.B.<br />
über Arbeitsproben). Daran anschließende Anpassungs- und Nachqualifizierungsmaßnahmen<br />
sollten passgenau durchgeführt werden.<br />
2.4.3. Darlehens-Programme<br />
Oftmals haben Personen, die Nach- und Anpassungsqualifizierungsmaßnahmen durchlaufen,<br />
keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt durch Beschäftigung zu sichern. Gerade Personen<br />
mit geringen finanziellen Ressourcen haben <strong>des</strong>halb häufig keinen Zugang zu diesen<br />
Maßnahmen, wodurch deren Potential nicht voll ausgenutzt wird. Hier ist zu überlegen, wie<br />
8
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diesem Personenkreis mit Hilfe von Darlehensprogrammen der Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen<br />
ermöglicht werden kann, wenn eine anderweitige Förderung nicht möglich ist.<br />
2.4.4. Begleitete Praktika<br />
Begleitete Praktika ermöglichen bisweilen den Einstieg in ein Unternehmen21. Deshalb sollten<br />
Arbeitgeber für den Ausbau <strong>des</strong> bestehenden Angebots gewonnen werden. Zudem wäre<br />
eine begleitende, berufsbezogene Sprachförderung22 empfehlenswert.<br />
2.4.5. Mentoren- und Patenprogramme<br />
Mentoren- und Patenprogramme können den Menschen mit Migrationshintergrund das notwendige<br />
Wissen über die Rahmenbedingungen und die Funktionsweise <strong>des</strong> bayerischen<br />
Arbeitsmarktes vermitteln. Zudem erleichtern sie diesen in der Regel auch den Einstieg, da<br />
Mentoren zugleich künftige Arbeitgeber sein können. Um die Effizienz dieser Programme<br />
weiter zu erhöhen, wäre es sinnvoll, diese Programme je nach Branche aufzugliedern, um so<br />
die Transparenz und Überschaubarkeit für so betreute Jugendliche (Mentees) zu erhöhen.<br />
Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sollten dafür gewonnen werden, da<br />
bei diesen das Bewusstsein für vorhandene Potentiale dieses Personenkreises noch nicht so<br />
stark verankert ist, wie bei multinationalen Unternehmen.<br />
Zudem können Mentoren- und Patenprogramme ebenfalls bei der Eingliederung und Einarbeitung<br />
von Personen mit ausländischen Abschlüssen bzw. Neuzuwanderern hilfreich<br />
sein.23<br />
21 Erfahrungen aus den Projekten „EmpowerMi“, „BAVF“ und“ Bins 50+“ (TaT) aber auch „QualiAdapt“<br />
(bayerische HWKs) zeigen, dass die Vermittlungschancen durch gezielt ausgewählte Praktikumsvermittlung<br />
deutlich steigen<br />
22 Beispiele:<br />
‐ Die HWK Schwaben organisierte berufsbegleitenden Sprachkurs- und weitere Fortbildunangebote in ihrem<br />
Projekt“ Chance M“ für Betriebe im ländlichen Raum.<br />
‐ Die IHK Schwaben führte einen berufsbegleitenden Sprachkurs für Fachkräfte bei Eurocopter in Donauwörth<br />
durch<br />
‐ Kooperation VHS Augsburg und Bäckerei Ihle: Sprachkurs für Beschäftigte in der Bäckerei<br />
23 Hierfür gibt es bereits Angebote von der Bun<strong>des</strong>agentur für Arbeit Unterstützung (z. B. Ausbildungsbegleitende<br />
Hilfen (abH)), die es auszubauen gilt. Zudem gibt es das projekt „die Begleiter“<br />
http://www.erlangen.de/<strong>des</strong>ktopdefault.aspx/tabid-1006/3136_read-21556/; Mentoring an der Uni Augsburg<br />
http://www.stmas.bayern.de/frauen/erwerbsleben/mint-loedermann-scharrer.pdf<br />
9
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2.4.6. Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
Flexible Arbeitszeitmodelle sowie flexible, wohnortnahe und bedarfsgerechte Kinderbetreuungsangebote<br />
sind von entscheidender Bedeutung: Um dies zu ermöglichen Bedarf es gemeinsamer<br />
Bemühungen seitens <strong>des</strong> Freistaates, der Kommunen, wie auch der Unternehmen<br />
und zivilgesellschaftlicher Akteure. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist kein<br />
spezifisch integrationspolitisches Handlungsfeld, betrifft aber Familien mit und ohne Migrationshintergrund<br />
gleichermaßen. Insbesondere im Bereich der Krippen und Kindertageseinrichtungen<br />
besteht diesbezüglich Handlungsbedarf.<br />
2.4.7. Anerkennung der Abschlüsse<br />
Zum inländischen Qualifikationspotential gehören auch ausländische Berufs- und Studienabschlüsse,<br />
die der Anerkennung bedürfen um auf dem deutschen Arbeitsmarkt verwertbar<br />
gemacht werden zu können. Daher sollten gemäß den Regelungen <strong>des</strong> geplanten Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes<br />
(BQFG) 24 Anerkennungsmöglichkeiten für alle lan<strong>des</strong>rechtlich<br />
geregelten Berufe (z.B. Lehrer, Erzieher) geschaffen werden. Um eine einheitliche<br />
Anerkennungspraxis in ganz Deutschland zu erreichen, ist es notwendig, dass die Bun<strong>des</strong>länder<br />
ihre Ländergesetze entsprechend anpassen. Damit Anerkennungsverfahren einheitlich<br />
verlaufen, müssen Kriterien und Standards für Verfahren und Bescheide geschaffen<br />
werden. Über das Bun<strong>des</strong>gesetz hinausgehend, könnte Bayern gute Praxis prägen, indem in<br />
den Anerkennungsbescheiden ein umfassen<strong>des</strong> Kompetenzprofil dargestellt werden würde.<br />
Davon würden sowohl Antragsteller, als auch Arbeitgeber profitieren. Die Bescheide sollten<br />
zudem öffentlich zugänglich sein 25 . Um Homogenität zu erreichen, wäre eine Vernetzung der<br />
Anerkennungsstellen untereinander förderlich, was beispielsweise durch einen Arbeitskreis<br />
geschehen könnte.<br />
Im BQFG sind im reglementierten Bereich Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen. Im Idealfall<br />
zeigt die Anerkennungsstelle bestehende Möglichkeiten auf und organisiert die Weiterleitung<br />
in die Anpassungsmaßnahme, beziehungsweise Eignungsprüfung. Damit Anpassungsmaßnahmen<br />
jedoch tatsächlich absolviert werden können, müssen sie flexibel gestaltet werden<br />
und dürfen nicht zu lange dauern. Sie sollten direkt im Anschluss an das Anerkennungs-<br />
24 Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen<br />
25 Vgl. Englmann, Bettina. „Verbesserte Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Berufsqualifikationen“ –<br />
Stellungnahme zum Fragenkatalog – Öffentliches Fachgespräch „Verbesserte Anerkennung ausländischer Abschlüsse<br />
und Berufsqualifikationen“. Augsburg, 2010, S. 2.<br />
http://www.bun<strong>des</strong>tag.de/bun<strong>des</strong>tag/ausschuesse17/a18/anhoerungen/auslaendische_abschluesse/ADrs_17-<br />
82_e.pdf<br />
10
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verfahren begonnen werden können. Eignungsprüfungen sollten regelmäßig angeboten und<br />
die Bestehenschancen durch Vorbereitungskurse erhöht werden. Im BQFG sind außerdem<br />
alternative Verfahren für dokumentenlose Flüchtlinge vorgesehen. Bisher existieren jedoch<br />
kaum Modelle für alternative Verfahren, was im Einzelfall zu einer erheblichen zeitlichen<br />
Verzögerung der Anerkennungsentscheidung und somit der Arbeitsmarktintegration führen<br />
kann. Es ist daher entscheidend, dass den gesetzlichen Regelungen eine entsprechende<br />
praktische Umsetzung folgt, damit die neu geschaffenen Möglichkeiten nicht ins Leere laufen.<br />
Um zu gewährleisten, dass qualifizierte Zuwanderer ihren erlernten Beruf tatsächlich in<br />
Deutschland ausüben können, sind oftmals an eine Anerkennung anknüpfende Maßnahmen<br />
notwendig. Es ist daher vonnöten, flächendeckend individuelle Brückenmaßnahmen zu entwerfen,<br />
zu fördern und Fachsprachkurse anzubieten. Die Qualifizierungen müssen auch für<br />
Migrant/innen verfügbar sein, die z.B. aufgrund familiärer Verpflichtungen nicht völlig flexibel<br />
sind 26 . Daher sollten erprobte Konzepte in verschiedenen Regionen angeboten werden und<br />
Unternehmen für die Durchführung individueller Programme gewonnen werden. Im nichtreglementierten<br />
akademischen Bereich ist weiterhin von einer Benachteiligung am Arbeitsmarkt<br />
auszugehen. Hinzu kommt der Zwang den ausländischen Grad in der Originalsprache<br />
zu führen. Durch das Bayerische Hochschulgesetz wird die Umwandlung eines ausländischen<br />
Gra<strong>des</strong> in einen deutschen ausgeschlossen. Der hierdurch entstehende Wettbewerbsnachteil<br />
sollte aufgehoben werden.<br />
Ausländische Fachkräfte müssen von den neuen Strukturen und Möglichkeiten der Anerkennung<br />
erfahren und bestmöglich davon profitieren können. Dazu ist es notwendig eine individuelle<br />
Beratung und Begleitung im Anerkennungsverfahren als Serviceleistung anzubieten.<br />
Beratung zu Anerkennungsmöglichkeiten 27 und –verfahren sollte persönlich und in erreichbarer<br />
Nähe stattfinden, weshalb kostenlose Beratungsangebote auf- und ausgebaut werden<br />
sollten. Die Beratungsangebote sollten auf Anerkennung spezialisiert sein.<br />
26 Vgl. Englmann, Bettina. „Verbesserte Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Berufsqualifikationen“ –<br />
Stellungnahme zum Fragenkatalog – Öffentliches Fachgespräch „Verbesserte Anerkennung ausländischer Abschlüsse<br />
und Berufsqualifikationen“. Augsburg, 2010, S. 2.<br />
http://www.bun<strong>des</strong>tag.de/bun<strong>des</strong>tag/ausschuesse17/a18/anhoerungen/auslaendische_abschluesse/ADrs_17-<br />
82_e.pdf<br />
27 Hierzu bietet insbesondere das von der Bun<strong>des</strong>regierung geförderte Netzwerk IQ ein breites Beratungsangebot.<br />
Siehe auch http://netzwerk-iq.de/anerkennung_abschluesse.html<br />
11
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2.4.8. Förderung der Existenzgründung und -sicherung<br />
Menschen mit Migrationshintergrund wagen deutlich häufiger als Einheimische den Weg in<br />
die Selbstständigkeit 28 . Dementsprechend liegt großes Potential in einer migrationssensiblen<br />
Existenzgründerberatung, wie sie bereits an einigen wenigen Orten existiert 29 . Hier gilt es die<br />
Beratung weiter auszubauen und die Existenzgründer mithilfe von Mikrokrediten zu fördern.<br />
Das vom BMBF und BMAS geförderte Netzwerk IQ, Integration durch Qualifizierung, hat in<br />
zahlreichen Modellprojekten 30 bun<strong>des</strong>weit gezeigt, dass migrationssensible Ansätze in der<br />
Gründungsberatung zu dauerhafter Stabilität in Unternehmen führen, die von Migranten/-<br />
innen gegründet wurden. Die 4+1 Phasen der Gründungsunterstützung 31 eignen sich<br />
nachgewiesenermaßen für den Transfer in alle Beratungseinrichtungen.<br />
28 Siehe auch http://doku.iab.de/kurzber/2011/kb0811.pdf<br />
29 Siehe auch<br />
http://www.existenzgruender.de/selbstaendigkeit/entscheidung/branchen_zielgruppen/migranten/00496/index.ph<br />
p<br />
30 Siehe beispielsweise: Exis Europa e.V. (Dresden); Ausbildungsring ausländischer Unternehmer e.V. (Nürnberg);<br />
Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Migranten e.V. (ASM in Hamburg); hannoverimpuls GmBJ; RfK<br />
Bremen; Kompass – Zentrum für Existenzgründungen (Frankfurt)<br />
31 Phasen: Zugang und Absprache; Orientierungsphase; Planungsphase; Startphase; Konsolidierungs- und<br />
Wachstumsphase<br />
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der <strong>Bayerischen</strong> Staatsregierung (IntB)<br />
Martin Neumeyer, MdL<br />
3. Gestaltung der Zuwanderung – Förderung der Integration<br />
3.1. Gestaltung der Zuwanderung – Förderung der Integration<br />
Die Aktivierung, Förderung und Nutzung inländischer Potentiale hat Vorrang bei der<br />
Sicherung der Fachkräfte. Diese Potentiale werden im Hinblick auf den demografischen<br />
Wandel allerdings voraussichtlich nicht ausreichen, um dem Bedarf an Fachkräften gerecht<br />
zu werden. Insofern werden die Wirtschaftsunternehmen auch auf qualifizierte Zuwanderung<br />
angewiesen sein – vor allem aus den EU-Mitgliedsstaaten, aber auch aus Staaten außerhalb<br />
der Europäischen Union.<br />
Die Motivation der in Deutschland benötigten Fachkräfte sollte bereits im Herkunftsland<br />
geweckt und entwickelt werden. Mittlerorganisationen und Auslandsvertretungen informieren<br />
mit ihren weltweiten Netzwerken über Deutschland und seine Arbeits- und<br />
Studienbedingungen. Gerade auch die Wirtschaftsunternehmen und Wirtschaftsverbände<br />
sind angesprochen, für Deutschland als Standort zu werben und eventuell<br />
zuwanderungswillige Fachkräfte mit fachkräftesuchenden Unternehmen in Deutschland in<br />
Kontakt zu bringen („Matching“). Die Vernetzung dieser Aktivitäten – von Mittlerorganisationen,<br />
Auslandsvertretungen und Wirtschaftsverbänden - schon in den Herkunftsländern und<br />
in Deutschland ist ein wichtiger Schritt für die qualifizierte Zuwanderung. Durch die Herstellung<br />
von Prozessketten im Sinne einer Verzahnung nationaler, regionaler und lokaler Angebote<br />
kann das komplexe Zusammenwirken aller Beteiligten ohne große Abstimmungsprobleme<br />
ermöglicht werden.<br />
International tätige Mittlerorganisationen sowie national, regional und lokal tätige Akteure<br />
können in einer Prozesskette ihre jeweilige Expertise einbringen. Dies betrifft innerhalb der<br />
Prozesskette:<br />
- Sprachlicher und lan<strong>des</strong>kundlicher Unterrichte und Informationen bereits in den Herkunftsländern<br />
(Vorintegrationskurse/Sprachprüfungen, ggf. Vorbereitung auf Integrationskurse<br />
in Deutschland)<br />
- Feststellung von beruflichen Potentialen, berufliche Orientierung und Planung<br />
- Ermöglichung von Umsetzung und (Weiter-)Qualifizierung<br />
- Ermöglichung <strong>des</strong> Einstiegs in den Arbeitsprozess<br />
- Sicherung und Ausbau der Potentiale für den Arbeitsprozess<br />
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der <strong>Bayerischen</strong> Staatsregierung (IntB)<br />
Martin Neumeyer, MdL<br />
- Die Zuständigkeiten für die Prozessketten-Glieder und die Formen der Zusammenarbeit<br />
der an der Prozesskette Beteiligten ist noch zu definieren.<br />
Ein harmonisierter Zuwanderungsprozess erfordert es, alle Beteiligten engagiert einzubinden<br />
und ein weitreichen<strong>des</strong>, gemeinsames Verständnis von Zuwanderungspolitik herzustellen<br />
3.2. Willkommenskultur<br />
Eine überzeugende Willkommenskultur eines Lan<strong>des</strong> hat Einfluss darauf, welche Attraktivität<br />
es bei potentiellen Zuwanderern genießt, und damit letztlich auch auf die Qualität der Zuwanderung.<br />
An der Zuwanderung ist eine Vielzahl von öffentlichen und privaten Institutionen mit unterschiedlichen<br />
Funktionen beteiligt. Die Zusammenarbeit dieser Institutionen sollte weiter verstärkt<br />
werden, damit es auch in Zukunft nicht zu größeren Abstimmungsproblemen kommt<br />
und Zuwanderungswillige nicht von vermeintlichen bürokratischen Hürden abgeschreckt werden.<br />
Bezüglich der Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte sind klare Ansprechpartner sowie eine<br />
durchgängige Beratung und Begleitung von Bedeutung 32 . Dies gilt zum einen für die Fachkraft<br />
selbst, aber auch für deren Familie. Es wäre wünschenswert, dass bei nachziehenden<br />
Familienmitgliedern möglichst frühzeitig Informationen über Ausbildung und berufliche Qualifikationen<br />
vorliegen. Daneben benötigen die Familienangehörigen oftmals auch eine Beratung<br />
in Alltagsfragen:<br />
- Wohnungssuche<br />
- Gesundheitsversorgung<br />
- Kindertageseinrichtungen und Schule<br />
Sofern dieser Beratungsbedarf nicht bereits durch den Arbeitgeber <strong>des</strong> Zuwandernden oder<br />
eine hierfür speziell beauftragte Servicefirma (Relocation Firma) übernommen wird, können<br />
auch freiwillige Angebote etwa der Zielkommunen (Welcome Center) in Betracht kommen.<br />
Diese können sich auf diesem Weg als weltoffene und attraktive Standorte für qualifizierte<br />
32 Ein Beispiel hierfür bietet der Migration-Check der Bun<strong>des</strong>agentur für Arbeit<br />
http://www.arbeitsagentur.de/nn_27908/zentraler-Content/A01-Allgemein-Info/A015-<br />
Oeffentlichkeitsarbeit/Allgemein/Migration-Check-Aktuelles.html<br />
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der <strong>Bayerischen</strong> Staatsregierung (IntB)<br />
Martin Neumeyer, MdL<br />
inländische wie ausländische Fachkräfte präsentieren. Derartige Angebote würden als Beitrag<br />
zum Aufbau einer Willkommenskultur die Attraktivität Bayerns als Wirtschaftsstandort<br />
weiter erhöhen. Insgesamt gesehen ist es wichtig, für eine gesteuerte Zuwanderung ausländischer<br />
Fachkräfte bei der einheimischen Bevölkerung zu werben und deren positiven Aspekte<br />
in den Vordergrund zu rücken.<br />
3.3. Steuerung der Zuwanderung<br />
Gegenwärtig erfolgt die Steuerung der Zuwanderung von Fachkräften insbesondere über<br />
den Grundsatz der Zuwanderung bei Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebotes 33 und<br />
die sogenannte Vorrangprüfung 34 . In Anbetracht der vorhandenen Potentiale in Bayern –<br />
Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen, ältere Arbeitnehmer und Schulabbrecher –<br />
sind diese Instrumente zur Regulierung der Zuwanderung von Fachkräften durchaus sinnvoll.<br />
Der gegenwärtige Wirtschaftsaufschwung macht jedoch deutlich, dass es wichtig ist, die Vorrangprüfung<br />
flexibel und gemäß den Bedürfnissen <strong>des</strong> Arbeitsmarktes anzuwenden. Eine<br />
generelle Abschaffung macht jedoch aufgrund der sich ändernden Wirtschaftslage wenig<br />
Sinn. Vielmehr sollten die gesetzlichen Spielräume geprüft und genutzt werden. Das neu<br />
eingeführte Jobmonitoring wird künftig den Bedarf an Arbeitskräften ermitteln. Je nach Bedarf<br />
sollte dann über eine flexible Anwendung bzw. zeitlich begrenzte Aussetzung kurzfristig<br />
entschieden werden. Zudem bleibt zu überlegen, wie eine zeitlich begrenzte Aufenthaltssicherheit<br />
für Zuwanderer beim plötzlichen Verlust <strong>des</strong> Arbeitsplatzes gewährt werden kann.<br />
Hier sind die Ausländerbehörden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bereits heute bemüht,<br />
den betreffenden Zuwanderern Zeit einzuräumen, um eine neue Stelle zu finden, die<br />
durch einen Drittstaatsangehörigen besetzt werden kann.<br />
33 unter www.innenministerium.bayern.de/buerger/auslaender/leben findet sich ein Überblick über das geltende<br />
Recht der Arbeitsmigration<br />
34 Diese wurde bereits für einzelne Berufsgruppen ausgesetzt<br />
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Martin Neumeyer, MdL<br />
Glossar<br />
Nachqualifizierung:<br />
Unter Nachqualifizierung werden die Qualifizierungsangebote verstanden, die auf das Ablegen<br />
einer Abschlussprüfung (gemäß BBiG § 37) vorbereiten, der sogenannten „Externenprüfung“.<br />
Teilnehmende sind Personen (mit und ohne Migrationshintergrund) ohne formale Qualifikation<br />
in dem entsprechenden Beruf als auch An- und Ungelernte mit einschlägigen Erfahrungen<br />
im jeweiligen Berufsfeld. Nachqualifizierungen führen zu einem formalen Berufsabschluss.<br />
Dies zielt also in unserem Fall auf Ausbildungsabbrecher. Hierfür gibt es schon eine<br />
Vielzahl von Angeboten, die zwar noch ausgebaut werden könnten aber jetzt schon im Instrumentarium<br />
<strong>des</strong> SGB verankert sind.<br />
Anpassungsqualifizierung:<br />
Zielgruppe von Anpassungsqualifizierungen sind Personen mit formalen Qualifikationen, die<br />
im Aus- oder Inland erworben wurden und die Anforderungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt<br />
nicht (mehr) vollständig erfüllen. Im Zusammenhang mit der Anerkennung von im Ausland<br />
erworbenen Qualifikationen wird auch von Anpassungsmaßnahmen gesprochen. Der<br />
Begriff ist auf EU-Anerkennungsrichtlinien zurückzuführen (seit Oktober 2007 gilt die RL<br />
2005/36/EG). Wenn Ausbildungsinhalte differieren, besteht die Möglichkeit, durch das erfolgreiche<br />
Absolvieren einer Anpassungsqualifizierung eine volle Anerkennung der ausländischen<br />
Qualifikation zu erreichen. Im Rahmen <strong>des</strong> Anerkennungsverfahrens wird zunächst<br />
eine Teilanerkennung ausgesprochen, die mit einer Anpassungsmaßnahme in Form eines<br />
Lehrgangs oder eines Praktikums verknüpft wird. Mit der Absolvierung wird eine volle Anerkennung<br />
und damit eine Formalisierung <strong>des</strong> Berufsabschlusses erworben, ohne erneutes<br />
Ablegen einer Prüfung.<br />
Brückenmaßnahmen:<br />
Bei „Brückenmaßnahme“ handelt es sich um einen Sammelbegriff. Darunter werden alle<br />
Maßnahmen gefasst, die für Menschen mit Migrationshintergrund eine „Brückenfunktion“<br />
zum Arbeitsmarkt einnehmen, also den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern bzw. ermöglichen.<br />
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