Hamburger Morgenpost Ausgabe vom 18.11.2014 (Vorschau)
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MEINUNG<br />
Putin-Showinder ARD<br />
Logik eines<br />
Mannes von<br />
vorgestern<br />
„ZuRussland mussman ,Sie‘<br />
sagen“, brachtedie über alle<br />
Zweifel erhabene ehemalige<br />
Moskau-Korrespondentin Sonia<br />
Mikich Putins Gefühlslage<br />
auf den Nenner.Auf der Suche<br />
der „neuen Kreml-Astrologen“<br />
nach dem Ur-Impuls Putin’scher<br />
Politik klingt das irgendwie<br />
plausibel: Der Mann<br />
an der Spitzedes größten<br />
Landes der Erde verlangt Respekt<br />
und Politik auf Augenhöhe.<br />
Unddürftezumindest<br />
erreicht haben, dassRussland<br />
wieder so gefürchtet wird, wie<br />
zuletzt vor30Jahren. Doch<br />
wasbedeutetMikichs Interpretation,<br />
Russland wolle in<br />
der Respekt zollenden 3. Person<br />
Plural angesprochen werden,<br />
im Umkehrschluss? Dass<br />
es Staatengibt, die sich mit<br />
dem „Du“ begnügen müssen.<br />
Bonsai-Völkchen wie die<br />
Balten, Georgier,Moldawier<br />
oder Ukrainer haben eben<br />
Pech gehabt, müssen am politischen<br />
Katzentisch Platz nehmen.<br />
Undzusehen, wie „erwachsene<br />
Staaten“, sprich die<br />
„Sie“-Völker,über sie zu Gerichtesitzen.<br />
Wollen wir das?<br />
Nein, denn das ist die unheilvolle<br />
Logik vergangener Jahrhunderte.<br />
Europatickt anders:<br />
Ob Luxemburg,<br />
Slowenien oder<br />
Deutschland –alle<br />
Völker verdienen<br />
es, mit<br />
„Sie“ angesprochen<br />
zu<br />
werden.<br />
HARALD STUTTE<br />
politik@mopo.de<br />
ZITAT DES TAGES<br />
„Wer Frieden will, muss<br />
den Frieden vorbereiten<br />
und nicht den Krieg.“<br />
Die Präses der Evangelischen Kirche<br />
vonWestfalen, AnnetteKurschus, zur<br />
deutschen Rolle imweltweiten Waffenhandel<br />
POLITIK 4<br />
Allein<br />
gegen<br />
dieMafia<br />
Überraschungs-Präsident „SantaKlaus“ Iohannis will Rumänien vonKorruption befreien<br />
Bukarest – Der im siebenbürgischen<br />
Hermannstadt<br />
geborene Deutsch-Rumäne<br />
Klaus Iohannis wird neuer<br />
Präsident. Mit 54,66 Prozent<br />
siegte der bürgerliche<br />
Kandidat überraschend gegen<br />
den sozialistischen Regierungschef<br />
Victor Ponta.<br />
Jetztwill „SantaKlaus“ das<br />
EU-Sorgenkind Rumänien<br />
von der Geisel Korruption<br />
befreien.<br />
Dass ereinmal Rumäniens<br />
Präsident werde, habe ihm<br />
ausgerechnet Julio Iglesias<br />
vorausgesagt, schreibt der<br />
55-jährige Klaus Iohannis<br />
in seiner Autobiografie.<br />
Der einstige Physiklehrer,<br />
So nimmt der Staat seine<br />
Bürgeraus<br />
dessen Vorfahren im 12.<br />
Jahrhundert aus dem Moselgebiet<br />
in das Hochland<br />
im Karpatenknie einwanderten,<br />
genießt inRumänien<br />
einen legendären<br />
Ruf als<br />
Saubermann,<br />
den er sich als<br />
Bürgermeister<br />
Berlin – Trotz Gehaltserhöhung<br />
weniger Geld zur Verfügung<br />
–immer mehr Deutsche<br />
leiden unter heimlichen<br />
Steuererhöhungen.<br />
Laut einer Studie des Instituts<br />
der Deutschen Wirtschaft(IW)<br />
in Köln, die die<br />
„Welt“ zitiert, kosten versteckten<br />
Steuererhöhungen<br />
(„kalte Progression“)<br />
selbst Durchschnittsverdiener<br />
leicht mehr als 1000<br />
Euro. So musszum Beispiel<br />
ein Single mit einem Jahresbrutto<br />
von 54000 Euro<br />
mit Abschlägen von 1057<br />
Euro imZeitraum von 2014<br />
bis 2018 rechnen, ein Doppelverdiener-Haushalt<br />
(85500 Euro brutto) mit<br />
1435 Euro. Ein allein Erziehender<br />
mit einem Jahresbrutto<br />
von 27000 Euro<br />
„Ich werde der<br />
Präsident aller<br />
Rumänen sein“<br />
Klaus Iohannis<br />
Rumäniens neuer starker Mann:<br />
Klaus Iohannis. Seine Vorfahren<br />
stammen aus Deutschland<br />
von Hermannstadt<br />
(Sibiu) erwarb.<br />
In den oft hitzig und aufbrausend<br />
geführten Debatten<br />
überzeugte Iohannis,<br />
der kühl, bescheiden und<br />
wortkarg auftritt, nicht immer.<br />
Doch er kann auf eine<br />
makellose Bilanz verweisen:<br />
Selbst politische Gegner<br />
erkennen an, dasserals<br />
Bürgermeister das liebevoll<br />
restaurierteSibiu zu einem<br />
Magneten für Investoren<br />
und Touristen entwickelt<br />
hat. Hoch<br />
angerechnet<br />
wird ihm auch,<br />
dass er–imUnterschied<br />
zur<br />
Masse der einst<br />
800000 Menschen<br />
zählenden deutschen<br />
Minderheit –seiner<br />
Heimat die Treue gehalten<br />
hat.<br />
Er setzt auf eine liberale<br />
Wirtschaftspolitik, den<br />
Kampf gegen die Korruption<br />
und auf Treue zu EU und<br />
Nato. „Gutes Handwerk“ –<br />
zahlt zwar nur 453Eurozusätzlich<br />
– setzt man die<br />
<strong>Ausgabe</strong>n aber in Beziehung<br />
zum Einkommen, so<br />
ist die prozentuale Belastung<br />
höher als bei Gutverdienern.<br />
Die Studie geht<br />
von einer jährlichen Gehaltserhöhung<br />
von zwei<br />
Prozent und einer Inflation<br />
von1,5 Prozent aus.<br />
Dem Staat bringen die<br />
so sein Wahlkampf-Slogan.<br />
Viele Rumänen nennen ihn<br />
liebevoll „SantaKlaus“.<br />
„Ich werdeder Präsident<br />
aller Rumänen sein“, betonteIohannis<br />
gestern. Einfach<br />
wird seine Mission<br />
nicht: Auch in Rumänien<br />
gibt es anti-europäische,<br />
nationale Strömungen. Ethnische<br />
Minderheiten –Ungarn,<br />
Serben, Roma, aber<br />
auch Deutsche –haben einen<br />
schwerenStand.<br />
Ende Dezember tritt er<br />
offiziell sein Amt an. In<br />
dem verschuldeten Land<br />
ist er zum Erfolg verdammt.<br />
„Jetzt gehen wir an<br />
die Arbeit“, sagte erlapidar.<br />
STU<br />
Heimliche Steuererhöhungen kosten selbst<br />
Durchschnittsverdiener mehr als 1000 Euro<br />
Foto:ap<br />
heimlichen Steuererhöhungen<br />
binnen vier Jahren<br />
23,8 Milliarden Euro.<br />
Ursache für die staatliche<br />
Abzocke: Mit einer Gehaltserhöhung<br />
steigt auch<br />
der Steuertarif.<br />
An Vorschlägen, die Abzocke<br />
zubeenden, mangelt<br />
es nicht. Doch der Staatwill<br />
auf die Einnahmen bislang<br />
nicht verzichten.