20.11.2014 Aufrufe

MITMENSCHEN Dezember 2013 - Diakonie de La Tour

MITMENSCHEN Dezember 2013 - Diakonie de La Tour

MITMENSCHEN Dezember 2013 - Diakonie de La Tour

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

pünktlich um sechs am Abend sein Bier<br />

trinken möchte, wie er es immer getan<br />

hat, dann wird er es natürlich auch<br />

hier tun. Viele Frauen, die früher in <strong>de</strong>r<br />

Hauswirtschaft tätig waren und heute<br />

bei uns wohnen, entspannen sich beim<br />

Falten von Servietten. Eine Bewohnerin<br />

war Amme, heute lebt sie schon so weit<br />

in <strong>de</strong>r Vergangenheit, dass sie sich um<br />

eine Puppe wie um ein Kind kümmert.<br />

Eine Liste, die sich lange fortsetzen<br />

ließe“, erzählt die Pflegedienstleiterin.<br />

Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Biografiearbeit als<br />

zentrales Thema <strong>de</strong>s Hauses erschließt<br />

sich einem schon beim Betreten <strong>de</strong>s<br />

Gebäu<strong>de</strong>s: Antike Bauernschränke,<br />

Kommo<strong>de</strong>n, alte Tische, eine Puppe<br />

im Lehnstuhl, ein Leiterwagen mit<br />

Milchkanne – Gegenstän<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r<br />

Besucher meist wenig Be<strong>de</strong>utung bei<br />

misst, <strong>de</strong>n hier wohnen<strong>de</strong>n Menschen<br />

wird damit jedoch ein Stück „ihrer<br />

Welt von damals“ zurückgegeben. Als<br />

Ankerpunkte und Leitsysteme geben sie<br />

Halt und Orientierung in einer Lebens<br />

phase, in welcher vieles unverständlich,<br />

fremd und oft beängstigend kompliziert<br />

erscheint.<br />

„Alltagsnormalität tut <strong>de</strong>n<br />

Bewohnern gut.“<br />

Sonja Wieser<br />

Lebensbil<strong>de</strong>r<br />

NIKOLAUS ONITSCH<br />

Unterschiedliche Biografien, unterschiedliche Bedürfnisse - Begegnungen auf Augenhöhe nehmen Angst und<br />

schaffen Vertrauen. In <strong>de</strong>n Wohn und Pflegeeinrichtungen für Menschen im Alter <strong>de</strong>r <strong>Diakonie</strong> <strong>de</strong> <strong>La</strong> <strong>Tour</strong> versucht<br />

man, Bewohnern, die immer mehr in <strong>de</strong>r Vergangenheit leben, eine Brücke in die Gegenwart zu bauen.<br />

„In <strong>de</strong>n Schuhen <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren<br />

gehen, ist das, was Validation am<br />

besten ver<strong>de</strong>utlicht.“<br />

Evelin Lubi<br />

Gewohnheiten, mit <strong>de</strong>nen sie sich<br />

wohlfühlen, die ihnen Sicherheit geben<br />

und so zu einem Teil ihrer Persönlich<br />

keit wer<strong>de</strong>n. „Wenn ein Bewohner<br />

Um <strong>de</strong>n speziellen Bedürfnissen <strong>de</strong>r<br />

Bewohner und nicht zuletzt auch <strong>de</strong>r<br />

sie betreuen<strong>de</strong>n Mitarbeiter gerecht zu<br />

wer<strong>de</strong>n, bedarf es einer sorgfältigen<br />

Gestaltung und Planung, womit <strong>de</strong>r<br />

Architektur eine wichtige Rolle im<br />

pflegerischen Gesamtkonzept zukommt:<br />

Architekt Dietger Wissounig, verant<br />

wortlich für die Konzeption <strong>de</strong>r neuen<br />

Sein Mienenspiel lässt Deutungen<br />

Raum. Geht es ihm gut? Ist er traurig?<br />

Der großgewachsene alte Mann sitzt<br />

einfach nur da, wirkt in Gedanken<br />

versunken. Er lebt in einer Welt, die<br />

niemand kennt und die sich auch für<br />

ihn ständig zu än<strong>de</strong>rn scheint. Hermann<br />

Gerhold war einmal in leiten<strong>de</strong>r Position<br />

für einen Konzern tätig, jemand, <strong>de</strong>r<br />

Karriere gemacht und im Leben etwas<br />

erreicht hat. Vielleicht gehen ihm ge<br />

ra<strong>de</strong> Sequenzen dieser Zeit durch <strong>de</strong>n<br />

Kopf, während sein Blick <strong>de</strong>n großen<br />

Holztisch vor ihm nicht loslässt. Dass<br />

er im Haus St. Peter - einer Wohn und<br />

Pflegeeinrichtung <strong>de</strong>r <strong>Diakonie</strong> <strong>de</strong> <strong>La</strong><br />

<strong>Tour</strong> - lebt, weiß er vielleicht gar nicht.<br />

Herr Gerhold ist <strong>de</strong>ment.<br />

Jemand hält ihm die Hand hin, er blickt<br />

auf, es vergehen lange Momente, bis er<br />

zögernd nach ihr greift und sie schließ<br />

lich festhält. Es ist die Hand von Evelin<br />

Lubi, einer Mitarbeiterin, die mit Hilfe<br />

<strong>de</strong>r Validationsmetho<strong>de</strong> Menschen mit<br />

Demenz, sofern diese dazu bereit sind,<br />

die Möglichkeit zur gemeinsamen Inter<br />

aktion gibt. „Bei <strong>de</strong>r Validation versucht<br />

man, <strong>de</strong>n betroffenen Bewohner auf <strong>de</strong>r<br />

Gefühlsebene zu erreichen, um ent<br />

we<strong>de</strong>r verbal o<strong>de</strong>r nonverbal in seine<br />

Welt einzutauchen“, erklärt Lubi. „Oft<br />

befin<strong>de</strong>n sich Demenzkranke in weit<br />

zurückliegen<strong>de</strong>n Lebensphasen, die<br />

mitunter belastend sind. Das Validieren<br />

hilft, diese abzuarbeiten“, so die Alten<br />

arbeitSozialbetreuerin. „Ganz oben<br />

stehen aber immer die Wünsche <strong>de</strong>r<br />

Betroffenen; sie sollen sich das, was<br />

sie gera<strong>de</strong> brauchen, nehmen dürfen.“<br />

Herr Gerhold streichelt erst zaghaft,<br />

dann immer intensiver über die Hand<br />

seines Gegenübers. Nach einer Zeit<br />

hört er plötzlich auf, für ihn ist es<br />

jetzt genug.<br />

Im Klagenfurter Haus St. Peter und in<br />

<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Wohn und Pflegeeinrich<br />

tungen <strong>de</strong>r <strong>Diakonie</strong> <strong>de</strong> <strong>La</strong> <strong>Tour</strong> leben<br />

viele Menschen mit unterschiedlichen<br />

Demenzerkrankungen. Um Fähigkeiten<br />

und Fertigkeiten zu erhalten o<strong>de</strong>r zu<br />

verbessern, wird gezieltes Kompetenz<br />

training angewandt.<br />

„Es ist das Gegenteil von Animation, bei<br />

<strong>de</strong>r eine Gruppe, egal ob die Menschen<br />

mit <strong>de</strong>m Programm etwas anfangen<br />

können, frontal unterhalten wird. Unsere<br />

Vorgehensweise ist gezielter, in<strong>de</strong>m wir<br />

versuchen, individuell auf die Bedürf<br />

nisse <strong>de</strong>s einzelnen einzugehen“,<br />

veranschaulicht Pflegedienstleiterin<br />

Sonja Wieser <strong>de</strong>n Zugang, nach <strong>de</strong>m<br />

gearbeitet wird. „Bewohnern Zeit geben,<br />

sie selbst entschei<strong>de</strong>n lassen, das<br />

Erfüllen von psychischen Bedürfnissen<br />

und Genuss sowie die Berück sichtigung<br />

<strong>de</strong>r Biografie ist das, was Pflege aus<br />

macht.“<br />

Menschen verinnerlichen oft über<br />

Jahrzehnte hinweg Rituale, entwickeln<br />

4 5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!