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MITMENSCHEN Dezember 2013 - Diakonie de La Tour

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Rückkehr in ein<br />

selbstbestimmtes Leben<br />

CORINA UNTERKOFLER<br />

Die meisten Menschen freuen sich auf<br />

<strong>de</strong>n Tag, an <strong>de</strong>m sie aus <strong>de</strong>m Kranken<br />

haus nach Hause kommen. Bei vielen<br />

älteren Patienten ist es nicht so und<br />

die Heimkehr stellt sie vor große Pro<br />

bleme. Oft sind Angstzustän<strong>de</strong> und<br />

Depressionen die Grün<strong>de</strong>. „Aktuelle<br />

österreichweite Studien belegen, dass<br />

mehr als 30 Prozent aller Senioren, die<br />

in einem Krankenhaus aufgenommen<br />

wer<strong>de</strong>n, psychische Probleme haben“,<br />

erklärt Primarius Dr. Richard Gaugeler,<br />

ärztlicher Leiter <strong>de</strong>s Krankenhauses<br />

Waiern. „Nur die Hälfte erfährt eine<br />

diagnostische Abklärung und das An<br />

gebot für psychologische Interventionen<br />

für diese Patienten liegt bei knapp 10<br />

Prozent. Grün<strong>de</strong> dafür sind zu geringe<br />

Personalressourcen und die fehlen<strong>de</strong>n<br />

nichtmedikamentösen Therapiean<br />

gebote. Auch wird <strong>de</strong>r Nutzen in Bezug<br />

auf die Lebensqualität älterer Patienten<br />

nicht ausreichend erkannt.“ „Im Kran<br />

kenhaus Waiern ist es uns gelungen,<br />

während <strong>de</strong>s stationären Aufenthaltes,<br />

diese Therapiequote von 10 Prozent auf<br />

Professionelle psychologische Nachbetreuung für geriatrische Patienten?<br />

GERN! Im Krankenhaus Waiern verzeichnet das ambulante Nachsorgeangebot<br />

mit 60+ Gruppentherapien große Erfolge.<br />

51 Prozent zu steigern“, führt Mag. Dr.<br />

Ingrid Salem, psychologische Leitung<br />

im Krankenhaus Waiern, aus.<br />

„Wichtig ist aber vor allem die Fort<br />

führung <strong>de</strong>r Gesprächsgruppen nach<br />

<strong>de</strong>r Entlassung aus <strong>de</strong>m Krankenhaus“,<br />

erläutert Gaugeler. Dazu wer<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>rzeit zwei Gruppen für je acht bis<br />

zehn Personen zwischen 70 und 90<br />

Jahren angeboten. Diese 60+ Nach<br />

betreuungsgruppen können mehrere<br />

Monate in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Danach gibt es die Möglichkeit, in eine<br />

Selbsthilfegruppe zu wechseln, um die<br />

psychische Gesundheit langfristig zu<br />

stabilisieren. „In Zusammenarbeit mit<br />

<strong>de</strong>r Universität Klagenfurt wur<strong>de</strong> 2010<br />

und 2011 das wissenschaftliche Stu<br />

dienprojekt ‚Geriatrische Nachsorge<br />

– GERN‘ durchgeführt. 2012 wur<strong>de</strong> es<br />

in die Praxis umgesetzt und seit<strong>de</strong>m<br />

haben wir rund 70 Patienten lang<br />

fristig betreut“, berichtet Mag. Ingrid<br />

Zeilinger, Leiterin <strong>de</strong>s psychologisch<br />

geriatrischen Bereiches.<br />

Anfangs hatten einige Patienten Vor<br />

behalte, sich mit Gesprächen in <strong>de</strong>r<br />

Gruppe zu öffnen. „Diese Generation<br />

wur<strong>de</strong> so erzogen, dass man Probleme<br />

nicht nach außen trägt, son<strong>de</strong>rn mit<br />

sich selbst klärt“, so Salem.<br />

In <strong>de</strong>r Praxis hat sich auch gezeigt,<br />

dass für ältere Patienten vorab einige<br />

Rahmenbedingungen und Voraussetz<br />

ungen für eine erfolgreiche Gesprächs<br />

therapie geschaffen wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

„Es beginnt damit, dass die Patienten<br />

selbst nicht mobil sind, <strong>de</strong>n Angehö<br />

rigen nicht zur <strong>La</strong>st fallen wollen und<br />

somit die Frage <strong>de</strong>s Transports zum<br />

Krankenhaus geklärt wer<strong>de</strong>n muss“,<br />

führt Salem weiter aus. „Ein weiterer<br />

Lernprozess für uns war, dass wir<br />

unsere Therapiezeiten flexibel gestalten<br />

mussten: Im Sommer, wo es mittags<br />

heiß ist, müssen wir unsere Termine auf<br />

<strong>de</strong>n Morgen verlegen. Und im Winter,<br />

wenn es in <strong>de</strong>r Früh kalt und finster<br />

ist, halten wir die Gruppentherapien am<br />

frühen Nachmittag ab.“<br />

Einmal in <strong>de</strong>r Woche zur Gruppenthera<br />

pie – ist das genug? „Ja, weil das <strong>de</strong>n<br />

Bedürfnissen <strong>de</strong>r älteren Patienten ent<br />

spricht“, so Salem. „Eine Patientin hat<br />

mir gesagt, dass sie schon zwei Tage<br />

vorher aufgeregt ist und sich auf <strong>de</strong>n<br />

Termin freut. Danach braucht sie zwei<br />

Tage, um das Besprochene zu verarbei<br />

ten. Dann kommt das Wochenen<strong>de</strong> und<br />

dann freut sie sich schon wie<strong>de</strong>r auf die<br />

Gruppe.“<br />

„Professionelle Arbeit von engagierten<br />

Mitarbeitern in interdisziplinären<br />

Teams – so lässt sich <strong>de</strong>r<br />

Erfolg <strong>de</strong>s Projektes zusammenfassen.“<br />

Mag. Gerald Amlacher, MAS,<br />

Fachbereichsleitung Gesundheit<br />

„Unsere engagierten Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter waren und sind <strong>de</strong>r<br />

Garant für die erfolgreiche Umsetzung<br />

dieses Projektes“, sind sich Salem<br />

und Gaugeler einig. Neben <strong>de</strong>n Gruppen<br />

therapien im Krankenhaus Waiern<br />

wer<strong>de</strong>n auch die bei<strong>de</strong>n angrenzen<strong>de</strong>n<br />

Altenwohn und Pflegeeinrichtungen,<br />

sowie die Häuser in Villach und Klagen<br />

furt, mitbetreut. Auf Anfrage <strong>de</strong>r Pflege<br />

dienstleitung stehen Psychologen für<br />

Einzelgespräche vor Ort zur Verfügung.<br />

Im Fokus <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r interdiszipli<br />

nären Teams steht die ganzheitliche<br />

Behandlung. „Die Medizin hat sich in<br />

<strong>de</strong>n vergangen Jahren immer mehr<br />

spezialisiert. Eine Folge davon ist, dass<br />

sich <strong>de</strong>r körperliche und <strong>de</strong>r psychische<br />

Bereich auseinan<strong>de</strong>rentwickelt haben“,<br />

so Gaugeler. „Wir müssen <strong>de</strong>n Men<br />

schen als Ganzes betrachten. Sowohl<br />

„Körperliche und psychische<br />

Gesundheit sind bei<strong>de</strong> unerlässlich,<br />

um Lebensqualität im Alter<br />

zu erhalten.“<br />

Prim. Dr. Richard Gaugeler<br />

„Wenn die ‚Nützlichkeit‘ eines<br />

Menschen, seine Erwerbsfähigkeit und<br />

sein Erbringen für die Gesellschaft<br />

en<strong>de</strong>t, dann en<strong>de</strong>t auch oft das<br />

institutionelle Bemühen um seine<br />

psychische Gesundheit.“<br />

Mag. Dr. Ingrid Salem<br />

körperliche als auch psychische und<br />

soziale Faktoren sind dafür verantwort<br />

lich, dass er gesund wird und bleibt.<br />

Um dieses biopsychosoziale Mo<strong>de</strong>ll<br />

auch für geriatrische Patienten öster<br />

reichweit zu etablieren, braucht es<br />

noch große Anstrengungen und viele<br />

60+ Gruppen.“<br />

„Dieses Projekt stellt einen<br />

Meilenstein auf <strong>de</strong>m Wege zur<br />

nachhaltigen und ganzheitlichen<br />

Betreuung dar.“<br />

DGKP Marko Buttazoni,<br />

Pflegedienstleitung, Krankenhaus Waiern<br />

Neben <strong>de</strong>n messbaren Erfolgen <strong>de</strong>r<br />

geriatrischen Nachbetreuung 60+ – <strong>de</strong>r<br />

langfristigen, psychischen Gesundheit<br />

<strong>de</strong>r Patienten und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlichen Ver<br />

besserung <strong>de</strong>r Lebensqualität – gibt es<br />

viele ökonomische Vorteile. Gaugeler:<br />

„Unser Projekt ist praktikabel und<br />

finanzierbar. Unsere Patienten kommen<br />

selbstständig zu uns ins Haus und<br />

wer<strong>de</strong>n von einem Psychologen, eine<br />

Stun<strong>de</strong> pro Woche, in einer Gruppe<br />

gemeinsam betreut. Dies be<strong>de</strong>utet<br />

weniger stationäre Wie<strong>de</strong>raufnahmen<br />

und geringere Folgekosten im nie<strong>de</strong>r<br />

gelassenen Bereich. Mit <strong>de</strong>n eingesparten<br />

Kosten könnte sehr leicht z. B. das<br />

Gehalt eines zusätzlichen Psychologen<br />

bezahlt wer<strong>de</strong>n.“<br />

Qualität und Evaluierung wer<strong>de</strong>n groß<br />

geschrieben. Neben <strong>de</strong>r Teilnahme an<br />

einer österreichweiten, vergleichen<strong>de</strong>n<br />

Qualitätsdatenerhebung - <strong>de</strong>m Geri<br />

atrieBenchmarking – wird auch das<br />

Nachsorgeprojekt 60+ laufend evaluiert.<br />

Patientenfragebögen – am Anfang,<br />

während und am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gruppen<br />

therapie – zeigen die Verän<strong>de</strong>rungen<br />

in <strong>de</strong>r psychischen Stabilität.<br />

Das Studienprojekt „GERN“ wur<strong>de</strong><br />

zu Beginn durch <strong>de</strong>n Forschungsfonds<br />

<strong>de</strong>r Kärntner Sparkassen unterstützt.<br />

„Seit 2012 wird das innovative<br />

Nachbetreuungsprojekt 60+ vom<br />

Kärntner Gesundheitsfonds finanziert“,<br />

so Gaugeler. „Unser Ziel ist es, für<br />

diese Nachbetreuung älterer Patienten<br />

eine gesicherte Finanzierung zu erlan<br />

gen, um damit die nötige Personal<br />

struktur abzusichern.“<br />

AMBULANTES<br />

NACHSORGEPROJEKT<br />

60+<br />

Was sind die Voraussetzungen, um<br />

an <strong>de</strong>r “Geriatrischen Nachbetreuung<br />

60+“ mitmachen zu können?<br />

• Vorangehen<strong>de</strong>r stationärer<br />

Aufenthalt im Krankenhaus<br />

Waiern<br />

• Alter über 60 Jahre<br />

• Bereitschaft zur Teilnahme<br />

• Selbstständige Anreise zum<br />

Krankenhaus<br />

• Demenzabklärung<br />

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