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Till Eulenspiegel - eine kulturgeschichtliche Betrachtung

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der s<strong>eine</strong> Häßlichkeit erkennt, in dieser Erkenntnis sich selbst schon<br />

überwunden hat - wenn er bereit ist, sich auf diese neue Art von<br />

Schönheitsempfinden einzulassen. Wenn man es gelehrt ausdrücken<br />

will: <strong>Till</strong> <strong>Eulenspiegel</strong> begründet <strong>eine</strong> neue Ästhetik. Nicht <strong>eine</strong> des<br />

Glotzens, die verlangt, daß man auch mal etwas Schönes sehe,<br />

sondern <strong>eine</strong>, die die Schönheit in der vollständigen Verwandlung<br />

der Empfindungen dessen begründet, der bisher wie <strong>eine</strong> Kuh auf<br />

die ‹schöne› Wiese geglotzt hat, die ihm deshalb schön erschien,<br />

weil er sie eßbar findet.<br />

Die Wahrheit, die durch die Schönheit so wirkt, daß sie diese zur<br />

freien Tat, zum schönen Tun fortbildet - das ist ein neues ‹Eu-<br />

Angelion›, <strong>eine</strong> neue ‹schöne Botschaft›. Luther hat ‹Evangelium›<br />

falsch übersetzt: als ‹frohe› Botschaft. Wie gesagt, so froh sind die<br />

Leute nicht, wenn sie diesem Engel <strong>Till</strong> <strong>Eulenspiegel</strong> begegnen.<br />

Jeder Engel ist schrecklich, weil er die Schönheit der Wahrheit an<br />

sich trägt, weil er die Wahrheit durch die Schönheit offenbart. <strong>Till</strong> ist<br />

ein solcher Engel, ein Bote. Und die Aufgabe des ‹Hermann Bote›<br />

war es, die ‹schöne Botschaft› in die Schrift zu fassen, damit in der<br />

Zukunft durch die Schrift die Menschen ein freies Verhältnis zu<br />

dieser Botschaft finden können, indem sie sich auf <strong>eine</strong> rein geistige<br />

Art - durch <strong>eine</strong> volkstümliche Freude an der Wahrheit - zu ihr ins<br />

Verhältnis setzen können.<br />

<strong>Till</strong>, der Narr:<br />

Das Geheimnis von <strong>Till</strong> <strong>Eulenspiegel</strong>s Leben<br />

<strong>Till</strong> <strong>Eulenspiegel</strong> lebt in uns zunächst durch die Geschichten, die von<br />

ihm erzählt wurden, und die noch heute von Kindern und<br />

Erwachsenen in aller Welt gelesen werden. Diese Geschichten<br />

handeln von Begegnungen ‹normaler› Menschen mit <strong>Till</strong><br />

<strong>Eulenspiegel</strong>. Sein Leben besteht in nichts anderem als in diesen<br />

Begegnungen. <strong>Till</strong> hat kein ‹eigenes› Leben geführt, k<strong>eine</strong>n<br />

Hausstand, kein Eheweib, k<strong>eine</strong> Kinder gehabt, k<strong>eine</strong>n Beruf<br />

ausgeübt als nur den, s<strong>eine</strong>r Bestimmung zu leben. S<strong>eine</strong> Leben<br />

geht aus dem Leben der anderen Menschen hervor. Er ist eigentlich<br />

nichts anderes als ein Glied des Wesens der Menschen, die ihm<br />

begegnen. In ihm drängt die Wahrheit des menschlichen Lebens zur<br />

Offenbarung. Und durch s<strong>eine</strong> Wahrheitstaten zeigt er die<br />

Lügenhaftigkeit, die Bewußtseinsschwächen der Menschen auf. Sein<br />

Leben hat im Sinne Goethes <strong>eine</strong>n ‹symbolischen› Charakter.<br />

‹Symbol› ist ein griechisches Wort und setzt sich zusammen aus<br />

‹sym-› und ‹bolein›. ‹Sym› bedeutet als Vorsilbe soviel wie<br />

‹Zusammen›, und ‹bolein› ist in unserem ‹Ball› enthalten. Es<br />

bedeutet soviel wie ‹werfen›. Ein Symbol ist mit dem, was es<br />

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