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Holger Heide Arbeitsgesellschaft und Arbeitssucht - Universität ...

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Scheitern derselben Leistungsversuche kann zu einer „Verliererhaltung“ oder<br />

“Opferhaltung“ führen. Aus dem Scheitern beim Versuch, Leistungen zu erbringen,<br />

oder wenn der eigene Maßstab für Zufriedenheit ins Unermessliche wächst, erklärt<br />

sich der depressive Zustand des Gelähmtseins angesichts der vor einem liegenden<br />

Arbeit, also das Nicht-anfangen-Können oder im fortgeschrittenen Stadium der<br />

<strong>Arbeitssucht</strong> das Überhaupt-nicht-mehr-arbeiten-Können.<br />

<strong>Arbeitssucht</strong> ist ja – wie jede andere Sucht – ein dynamischer Prozess 27 : Im<br />

Anfangsstadium herrscht meist noch das Gefühl der Leistungsfähigkeit, des<br />

Tatendrangs, des Sich-beweisen-Wollens. Die Bestätigung durch die soziale Umwelt<br />

spornt weiter an. Das Arbeiten <strong>und</strong> noch mehr die Resultate erfolgreichen Arbeitens<br />

werden oft als „Hochgefühl“ erlebt. Das Hochgefühl stellt sich schließlich immer<br />

seltener ein, jedenfalls immer nur sehr kurz. Dahinter lauert für den Betroffenen die<br />

Erkenntnis, dass er aufhören muss, wenn er sich nicht ruinieren will. Er erlebt jedoch<br />

regelmäßig, dass er nicht aufhören kann, er erlebt sich als getrieben. Die Diskrepanz<br />

zwischen dem zu erledigenden Berg an Arbeit <strong>und</strong> den immer knapper werdenden<br />

physischen <strong>und</strong> psychischen Reserven; die Diskrepanz zwischen dem Willen <strong>und</strong> der<br />

Fähigkeit, die Lage zu ändern, führen zu immer größeren Anstrengungen zu<br />

verdrängen <strong>und</strong> schönzureden, verstärkt noch dadurch, dass kritische Bemerkungen<br />

<strong>und</strong> nicht mehr erduldendes Verhalten aus der Familie, vom Partner, Fre<strong>und</strong>en den<br />

Süchtigen unter Druck bringen 28 . Zunehmend sieht er sich als Opfer des Verhaltens<br />

Anderer. Erst wenn die ersten Ausfälle durch Krankheit auftreten, ist das oft der<br />

Punkt, an dem viele Arbeitssüchtige ernsthaft einen Weg aus der Sucht suchen, sich<br />

z.B. in Therapien begeben. Sehr oft werden aber auch dann nur die Symptome<br />

behandelt (also Hypertonie, Magengeschwüre, Koronarerkrankungen usw.), zumal<br />

es eine Diagnose als <strong>Arbeitssucht</strong> (anders als bei Alkoholismus) bisher nicht gibt 29 .<br />

Wenn der Arbeitssüchtige im kritischen Stadium nicht aufhören kann, entgleitet die<br />

Sucht vollends. Der Versuch, die Opferrolle dadurch zu durchbrechen, dass man<br />

zum Täter wird, in zunehmender Rücksichtslosigkeit gegenüber Anderen wie gegen<br />

sich selbst. Ein Schein von Normalität ist häufig nur noch mit abwechselnd<br />

genommenen Aufputsch- <strong>und</strong> Beruhigungsmitteln aufrechtzuerhalten. Neben<br />

schweren körperlichen Krankheiten tritt ein moralischer Verfall ein. Am Ende steht<br />

oft der Tod durch Herzinfarkt oder durch Suizid. Als Massenerscheinung ist das<br />

bisher nur in Japan ernst genommen worden, wie auch aus dem Beitrag von Oliver<br />

Tieste hervorgeht.<br />

Im Verlauf des Suchtprozesses oder wenn erfolglose Leistungsversuche schon sehr<br />

früh zu Resignation geführt haben, entwickeln die Betroffenen oft „passive“ Süchte,<br />

27 Weiteres zu den Stadien der <strong>Arbeitssucht</strong> siehe bei Mentzel 1979, Fassel 1990, Robinson 1998, 28.<br />

28 Zumal mit <strong>Arbeitssucht</strong> oft auch ein neurotisches Bedürfnis, geliebt zu werden, verb<strong>und</strong>en ist (Pietropinto<br />

1986, 94).<br />

29 Vgl. dazu den Beitrag von Norbert Krischke in diesem Band.

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