Wolfenbüttel - DGB Niedersachsen - Bremen
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Bärbel DÖRGE-OEVERMANN, <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
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Biografische Daten<br />
von / über<br />
Bärbel Dörge-Oevermann<br />
Gesprächsprotokolle<br />
1. Gespräch<br />
Beteiligte:<br />
2. Gespräch<br />
Beteiligte:<br />
3. Gespräch<br />
Beteiligte:<br />
am 08.01.2009 in <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
Bärbel Dörge-Oevermann, Gundolf Algermissen.<br />
am 20.01.2009 in <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
Bärbel Dörge-Oevermann, Gundolf Algermissen.<br />
am 05.02.2009 in <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
Bärbel Dörge-Oevermann, Gundolf Algermissen.
Bärbel DÖRGE-OEVERMANN, <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
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Lebensdaten<br />
Geboren am 27. Januar 1941 in <strong>Wolfenbüttel</strong>,<br />
Vater hatte Notariatsgehilfe gelernt, nach 1945<br />
Verwaltungsdirektor der Krankenhäuser <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
Mutter Kontoristin, nach meiner Geburt Hausfrau<br />
Erinnerung<br />
Meiner ersten Erinnerungen sind die ersten Luftangriffe auf<br />
<strong>Wolfenbüttel</strong> Ende 1943. Mit meiner Mutter gingen wir zu<br />
Verwandten ins Sudentenland. Im April 1944 kamen wir auf<br />
Anraten meines Onkels in den Sudeten zurück nach <strong>Wolfenbüttel</strong>,<br />
sein Hinweis „demnächst marschieren die Tschechen<br />
hier ein“, war der Hauptgrund. Wir fuhren mit der Bahn, die<br />
Fahrt dauerte etwa 24 Stunden, es gab keine Fenster, Decken<br />
waren der Ersatz.<br />
In unserer großzügigen Fünf-Zimmerwohnung mit großer<br />
Küche und Plumpsklo auf dem Hof konnten wir nicht zurück,<br />
unsere Wohnung war mit ausgebombten Saarländern belegt.<br />
Die einzige Alternative, wir zogen zu meinen Großeltern.<br />
Erinnerung<br />
Hier erlebte ich als vierjähriges Mädchen, was es hieß, wenn<br />
Fliegeralarm gegeben wurde, das kannte ich bis dahin nicht.<br />
Durch meinen Aufenthalt bei unserer Verwandtschaft in den<br />
Sudeten sprach ich anfangs Dialekt. Die Folge, eines Tages<br />
kam ich heulend nach Hause und berichtete meiner Mutter<br />
unter Tränen, „die verstehen mich hier nicht“.<br />
Im Sommer 1945 ging die saarländische Familie zurück in ihre<br />
Heimat. Die Wohnsituation in unserer alten Wohnung sah wie<br />
folgt aus: Wir bekamen zwei Zimmer mit Küchenbenutzung,<br />
weitere Mieter waren ein Schauspielerehepaar, ein Ehepaar<br />
mit Säugling und ein Zimmer war mit zwei Ingenieuren belegt,<br />
die bis 1947 in den ehemaligen Hermann Göringwerken in<br />
Salzgitter arbeiteten.<br />
Bild links: Pfingsten<br />
1944 in Oberaltstadt<br />
(Schlesien)<br />
Bild rechts: meine<br />
Einschulung 1948
Bärbel DÖRGE-OEVERMANN, <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
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Schule<br />
Im Herbst 1947 war die Familie wieder komplett, mein Vater<br />
kam zurück aus kanadischer Gefangenschaft.<br />
Einschulung am 1. April 1948 in die Mädchenschule <strong>Wolfenbüttel</strong>.<br />
Ich war sieben Jahre und drei Monate jung. Mein Mantel<br />
war aus Armeestoff geschneidert, mein Tornister war aus<br />
Pappe, ebenfalls die „Schiefertafel“, die Schultüte war geborgt,<br />
der wenige Inhalt gehörte wenigstens mir. Wir waren 40<br />
Mädchen in der Klasse.<br />
Zwei Jahre nahm ich an der Schulspeisung teil. Um 9.30 Uhr,<br />
in der ersten großen Pause standen wir geduldig mit einem<br />
Armee-Henkeltopf an und erhielten einen Kellenschlag<br />
Milchwassersuppe mit eingerührtem Gries und walnussgroßen<br />
Weintrauben. Ich war in dieser Zeit mehrere Wochen krank,<br />
meine Mutter holte für mich täglich meine Suppenration.<br />
Erste politische<br />
Diskussionen<br />
Meine Eltern hatte die Braunschweiger Presse abonniert, mein<br />
Vater holte sich jede Woche das Magazin „Der Spiegel“.<br />
Anfangs konnte ich noch nicht lesen, deshalb sah ich mir die<br />
Bilder an und fragte meinen Vater welche Bedeutung bzw. was<br />
die Bilder zeigten. Mein Vater erklärte mir alles geduldig,<br />
schilderte auch politische Zusammenhänge – so wurde ich<br />
neugierig …<br />
Der Garten meiner Großeltern mit Gemüse, Obst und zwölf<br />
Hühnern war mehr als eine willkommene Abwechselung.<br />
Bereits Küken waren Hausbewohner. Mein Großvater zog sie<br />
in seiner Wohnung auf, und als sie begannen Eier zu legen<br />
brachte er die Hühner morgens in einem Wäschekorb in den<br />
Garten und holte sie abends auf dem gleichen Weg zurück –<br />
sie kamen dann über Nacht in den Kaninchenstall.<br />
Erinnerung<br />
Aufgrund einer Abgabeverordnung mussten meine Eltern pro<br />
Huhn eine bestimmte, festgelegte Menge Eier an einer<br />
Abgabestelle abliefern – egal ob die Eier Lust zum Legen<br />
hatten oder nicht. Ich habe meine Oma oft zu dieser Stelle in<br />
<strong>Wolfenbüttel</strong> begleitet und kann mich in diesem Zusammenhang<br />
an manche heftige Diskussion mit den „Abnehmern“<br />
erinnern. Die Pflanzen für den großelterlichen Garten bekam<br />
mein Opa „über Beziehungen“.<br />
Nach der vierten Klasse kam ich auf Schloßgymnasium in<br />
<strong>Wolfenbüttel</strong>. Doch bevor es soweit war, mussten alle<br />
Bewerberinnen eine Aufnahmeprüfung machen, sie dauerte<br />
zehn Werktage. Es entstanden drei Klassen mit jeweils 55<br />
Schülerinnen, davon war eine Lateinklasse.
Bärbel DÖRGE-OEVERMANN, <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
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Die erste Klasse<br />
1948/49; Bärbel Dörge<br />
in der mittleren Reihe<br />
mit der großen<br />
Haarschleife<br />
Die Schülerinnen der<br />
Klasse 6a im April 1953,<br />
Bärbel Dörge in der<br />
unteren stehenden<br />
Reihe zweite von links.<br />
Abschlussball 1956 –<br />
Bärbel Dörge in der<br />
untersten stehenden<br />
Reihe, dritte von links
Bärbel DÖRGE-OEVERMANN, <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
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1950 schlief ich in einem großen Kinderbett, 1,50 m Länge bei<br />
meinen Eltern im Zimmer. Meine Eltern stellte einen Antrag auf<br />
Vergrößerung der Wohnfläche, kurz ich sollte ein eigenes Zimmer<br />
bekommen. Zwei Personen vom Sozialamt kamen, sahen<br />
mich im Bett liegen, der Wohnraum wurde vermessen – ich<br />
bekam mein eigenes Zimmer.<br />
Auf dem Gymnasium hatte ich viele Lehrerinnen im Unterricht,<br />
die meine Mutter schon unterrichtet hatten. Der Geschichtsunterricht<br />
endete in der Bismarckzeit. Zu unserer Zeit wurde<br />
auch das Fach Sozialkunde eingeführt, wir lernten viel über die<br />
Legislative, Judikative, usw. Wir lernten auch nichts über das<br />
Parteiensystem der Bundesrepublik. Die Bedeutung und<br />
Funktion des Parlaments haben wir erlernt und erarbeitet.<br />
Meine damalige Mitgliedschaft bei den Falken hat mit ab und<br />
zu Bespöttelungen eingebracht.<br />
Erinnerung<br />
Wir haben in der Schule auch als Mädchen viele Döhnkes<br />
gemacht. Wir wurden auch in der zehnten Klasse von unserem<br />
Klassenlehrer geduzt. Eines Tages teilte er uns mit, wir hatten<br />
mal wieder eine Lehrerin böse auf die Schippe genommen,<br />
dass er uns ab sofort siezen wird – das war für uns alle die<br />
größte Strafe während meiner ganzen Schulzeit.<br />
In der zehnten Klasse wurden meine schulischen Leistungen<br />
immer schlechter – ich hatte „die Nase voll von der Schule“. Ich<br />
ging nacherfolgreichem Jahrgangsabschluss nach der zehnten<br />
Klasse von der Schule.<br />
Mein Traumberuf war Goldschmiedin, doch den durfte ich nicht<br />
erlernen, mein Vater war strikt dagegen. Also fügte ich mich<br />
und machte eine zweitägige Aufnahmeprüfung für eine<br />
Ausbildung als medizinisch-technische Assistentin. Es waren<br />
Hunderte von Bewerberinnen, 25 wurden nur aufgenommen,<br />
eine sollte ich sein. Doch ich war erst 17 Jahre jung und mir<br />
wurde gesagt, „da müssen sie noch eineinhalb Jahre warten“.<br />
Die Wartezeit erarbeitete ich mir eine Reihe von Nachweisen,<br />
die für die Ausbildung als MTA gefordert wurden. Ich<br />
beschäftigte mich mit Haushaltslehre, machte ein Diätpraktikum<br />
im Krankenhaus, weiterhin ein Krankenpflegepraktikum,<br />
dreimal in der Woche lernte ich Stenografie und Maschineschreiben<br />
im <strong>Wolfenbüttel</strong>er Stenografenverein.<br />
Im Rahmen der Berufsvorbereitung war ich Krankenpflegeausbildung<br />
im DRK-Mutterhaus Braunschweig. Die Arbeitszeit<br />
von 6 morgens bis 20 Uhr abends, abzüglich einer Mittagspause.<br />
Um 20 Uhr war antreten auf dem Flur vor der Oberin.<br />
Ab 20.30 Uhr auf dem Zimmer (vier junge Frauen auf einem<br />
Zimmer) das Licht ging um 22.30 Uhr aus. Die Haustür wurde<br />
von einer Pförtnerin bewacht.
Bärbel DÖRGE-OEVERMANN, <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
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Wer nach 22 Uhr kam, wurde in das Wachbuch eingetragen<br />
und musste am nächsten Morgen zum Rapport und die<br />
Auszubildende bekam einen strengen Verweis. Ich bin des<br />
Öfteren mit meinem Vater in s Staatstheater in Braunschweig<br />
gegangen. Im Wachbuch stand dann nach Genehmigung ein<br />
Eintrag mit dem Hinweis, wann ich wieder im Mutterhaus sein<br />
werde – es gab für mich keinerlei Probleme. In einem solchen<br />
Fall war das Haus dunkel, das Licht war ausgeschaltet. Man<br />
musste sich in der Dunkelheit vorwärtstasten.<br />
Mit 18 Jahren kam ich in die Ausbildung. Meine Eltern mussten<br />
monatlich 85 D-Mark als Schulgeld zahlen, dazu kamen noch<br />
Hunderte von DM für Lehrbücher. Wir besuchten in der TU-<br />
Braunschweig Vorlesungen, sie waren fester Bestandteil der<br />
Ausbildung. Nach fünf Semestern war ich nach erfolgreichem<br />
Abschluss MTA – zum heutigen Vergleich des Berufsbildes<br />
waren das damals vier Berufe in einem. Dabei war das fünfte<br />
Semester ein „Anerkennungspraktikum“ in einem Klinikum mit<br />
angeschlossener Pathologie.<br />
Ich arbeite in einer Sechstagewoche, samstags war mittags<br />
Feierabend. Dreiviertel meiner wöchentlichen Arbeitszeit<br />
standen Röntgen- und Laborarbeit auf dem Arbeitszettel, dazu<br />
kamen noch Arbeiten in den Bereichen der Zytologie und der<br />
Bakteriologie. Anfangs habe ich auch immer noch gelernt und<br />
gearbeitet wie eine Maschine.<br />
Der verstärkte Einsatz im Röntgenbereich wurde MTA ein<br />
Mangelberuf. Ich arbeitete in diesem Bereich ein Jahr im<br />
Krankenhaus in <strong>Wolfenbüttel</strong>.<br />
Mikroskoparbeiten<br />
im Krankenhaus<br />
<strong>Wolfenbüttel</strong>
Bärbel DÖRGE-OEVERMANN, <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
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Der Inhaber der Elektronik-Werke KUBA hatte eine Spende zur<br />
Verfügung gestellt, damit wurde ein „Counter“ angeschafft, der<br />
die Arbeit bei Blutanalysen sehr erleichterte. Diese Arbeit kam<br />
mir später zugute.<br />
Nach Ende meiner Ausbildung war ich schnell im Arbeitsalltag<br />
angekommen. In dieser Zeit mussten wir für Laboranalysen<br />
alle Reagenzien selber herstellen, dass hieß, in den<br />
entsprechenden Zusammensetzungen wurden sie „angesetzt“.<br />
Die Laboruntersuchungen waren oft kompliziert und dauert im<br />
Vergleich zu heute sehr lang.<br />
Erinnerung<br />
Ende der 1960er Jahre gab es fertige Reagenzien und die<br />
Analysen wurden von Fotometern oder anderen „Analyzern“<br />
gefertigt. Dafür mussten wir nun die Wartung der Geräte<br />
gewährleisten, das war nur ein nicht unerheblicher Zeitfaktor.<br />
Sowohl im Labor und im Röntgenbereich war eine tägliche<br />
Qualitätskontrolle der Geräte und der verwendeten<br />
Chemikalien vorgeschrieben. Dazu kamen noch, dass die<br />
jeweiligen Ergebnisse dokumentiert werden mussten, ein<br />
weiterer täglicher, nicht unerheblicher Zeitaufwand.<br />
Als 21-jährige ging ich nach Hannover in Nordtadt-<br />
Krankenhaus. Mein Arbeitsschwerpunkt waren<br />
Untersuchungen von Blutkrankheiten beim „Deutschen<br />
Blutpapst“ Herrn Dr. Tischendorf. Ich bekam erst einmal einen<br />
Jahresarbeitsvertrag, der wurde um ein weiteres Jahr<br />
verlängert. Ich bekam Anfang der 1960er Jahre 320 D-Mark<br />
nette – und hin Hannover wurde ich auch Mitglied der<br />
Gewerkschaft ÖTV.<br />
Erinnerung<br />
In Hannover wohnte ich möbliert in einer „bewirtschafteten<br />
Wohnung“. Mein Zimmer war acht qm groß, hatte kein Bad<br />
(das fehlende Bad konnte ich durch Nutzung der sanitären<br />
Einrichtungen im Krankenhaus ausgleichen). Die Wohnung<br />
hatte Ofenheizung, die Kohlen wurden täglich aus dem Keller<br />
geholt. Die Vermieterin war eine ältere Dame, besonders sind<br />
mir ihre Kartoffelpuffer gut in Erinnerung.<br />
*) Als Kobaltbombe wird<br />
in der Medizin ein<br />
Therapiegerät zur<br />
Bestrahlung von Krebstumoren<br />
bezeichnet. Es<br />
handelt sich um einen<br />
Behälter aus Blei (und oft<br />
auch aus Wolfram), in dem<br />
viele schmale Bohrungen<br />
oder Röhrchen<br />
raumfächerartig<br />
angeordnet sind, sodass<br />
der Fokus ihrer Achsen<br />
sich außerhalb des<br />
Behälters befindet.<br />
Ich ging nach Hamburg in das St.-Georg-Krankenhaus und war<br />
als Angestellte der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
eingestellt. Die Schwerpunkte meiner Arbeit waren dort,<br />
Bestrahlungen von Tieren mit der „Kobaltbombe*)“ und<br />
Betatron, in dieser Zeit habe ich viel mit Physikern zusammengearbeitet<br />
und die Auswertungen zusammengetragen. Ich<br />
bekam immer nur einen Jahresvertrag, der jeweils am 31.12.<br />
eines jeden Jahres auslief.<br />
In Hamburg bewohnte ich ein Zimmer in einem Reihenhaus –<br />
mit Badbenutzung.
Bärbel DÖRGE-OEVERMANN, <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
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Mittagspause mit<br />
Kolleginnen im<br />
braunschweigischen<br />
Krankenhaus<br />
Celler Straße<br />
(Bärbel Dörge<br />
ganz rechts)<br />
Wir wollten heiraten, bekamen aber keinen Wohnungsbezugsschein,<br />
weil wir noch keine zwei Kinder hatten. Wir heirateten<br />
trotzdem und ich schwanger. Da mein Arbeitsvertrag zum<br />
Jahresende auslief, wurde er aufgrund meiner Schwangerschaft<br />
nicht erneuert/verlängert. Ich stand plötzlich mit leeren<br />
Händen da, wenigstens ein Viertel des Weihnachtsgeldes<br />
wurde mit noch ausgezahlt.<br />
Im Frühherbst 1965 bekamen wir von privater Seite in<br />
Hamburg-Schnelsen in einem Zwei-Familienhaus eine<br />
Wohnung mit 35 qm. Zwei Zimmer, Küche, Toilette. Gebadet<br />
wurde jeden Sonntag bei den Schwiegereltern.<br />
Unsere familiäre Situation war nicht einfach. Mein Mann war<br />
Beamter bei der Deutschen Bundesbahn und hatte<br />
ausschließlich Nachtschicht – ich arbeitete nach Ende meines<br />
Mutterschutzes wieder – acht Stunden am Tag. Mein Vater<br />
holte Tochter und Enkel im Juli 1966 auf meinen Wunsch nach<br />
<strong>Wolfenbüttel</strong> zurück und kaufte für uns eine Wohnung.<br />
Ich fing wieder an zu arbeiten, ich wurde Aushilfe im<br />
Krankenhaus in <strong>Wolfenbüttel</strong> – erst einmal für acht Monate.<br />
Erinnerung<br />
Um noch Geld hinzuzuverdienen, ließ ich mich oft für den<br />
Notdienst einteilen. Wir hatten kein Telefon, deshalb wurde ich<br />
des Öfteren nachts mit Blaulicht ins Krankenhaus von zu Haus<br />
abgeholt – das war immer spektakulär, besonders für meine<br />
Nachbarn.
Bärbel DÖRGE-OEVERMANN, <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
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Im Kreis von Kolleginnen<br />
in Hamburg<br />
(Bärbel Dörge ganz rechts)<br />
Nach der Geburt meines zweiten Sohnes blieb ich bis 1982<br />
Alleinerziehende Mutter. In einer internistischen Praxis begann<br />
ich wieder zu arbeiten. 1983 erhielt ich einen Anstellungsvertrag<br />
beim Gesundheitsamt im Landkreis <strong>Wolfenbüttel</strong>. Die<br />
Arbeitsschwerpunkte waren Arbeit im Bereich Labor und<br />
Röntgen.<br />
Die Gründe für die Einstellung:Gute Zeugnisse,<br />
alleinerziehend, Mitglied einer Gewerkschaft. In Rahmen<br />
dieser Arbeitsschwerpunkte habe ich im Laufe der Zeit alle<br />
Schulen im Landkreis <strong>Wolfenbüttel</strong>, kennengelernt.<br />
„Ganz nebenbei“ waren wir mit Schwerpunkt-Impfungen<br />
unterwegs und führten Polio- und Rötelimpfungen durch.<br />
Vormittags bei den Kindern in den Schulen und ab spätem<br />
Nachmittag für die „großen Menschen“. Das war gerade<br />
nachmittags und abends im Winter nicht erfreulich. Die<br />
Heizungen in den Schulen wurden mittags „heruntergefahren“<br />
wir sind des Öfteren in der kalten Jahreszeit völlig<br />
durchgefroren nach Haus gekommen.<br />
Erinnerung<br />
Mit 59 Jahren bin an Krebs erkrankt. Ich erhielt einen Bescheid<br />
für eine Berufsunfähigkeitsrente, mit einigen Einschränkungen,<br />
die den Rentenbezug finanziell einschränkten. Die Einschränkuungen:<br />
Bis zu drei Stunden am Tag war Arbeit zumutbar, in<br />
wohltemperierten Räumen, dazu durfte ich nicht lange sitzen<br />
oder stehen, meine Hände durfte ich ebenfalls nicht<br />
gebrauchen. Die Anerkennung war auf 80 Prozent MdE<br />
festgestellt. Diesen „unlogischen Bescheid“ erhielt ich an<br />
meinem 60. Geburtstag. Wo, wie und was sollte ich arbeiten?
Bärbel DÖRGE-OEVERMANN, <strong>Wolfenbüttel</strong><br />
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Bärbel Dörge an dem<br />
Röntgengerät im<br />
Gesundheitsamt des<br />
Landkreises<br />
<strong>Wolfenbüttel</strong> –<br />
das Bild entstand Ende<br />
der 1980er Jahre<br />
Das Glück war dann doch auf meiner Seite. Im Rahmen einer<br />
Stichtagsregelung wurde für das neue Gesetz zum 1. Februar<br />
wirksam. Da mein Geburtstag am 27. Januar ist, konnte ich<br />
nach der alten Regelung verrentet werden.<br />
Das war allerdings nicht so einfach, wie das hier geschrieben<br />
steht – viele Anträge, Gespräche und kluge Reden musste ich<br />
führen bzw. auch ertragen.<br />
In dieser Zeit war ich sehr enttäuscht über meine Gewerkschaft.<br />
Ich wollte mich nach der Zusatzrente im öffentlichen<br />
Dienst erkundigen, im Büro habe ich eine halbe Stunde<br />
gewartet und gestanden. Die Auskunft, dass der Justiziar leider<br />
nicht erreichbar war. Nach mehreren Telefonaten erhielt ich die<br />
Zusage zu einem Rückruf – darauf warte ich bis heute.<br />
Meine Entscheidung stand schon fest, ich wollte austreten. Ein<br />
Gespräch und unsere Familientradition hat mich doch in der<br />
Gewerkschaft ver.di gehalten – bis heute.<br />
Protokollführung:<br />
Gundolf Algermissen, Abteilungsleiter im <strong>DGB</strong>-Bezirk NBS<br />
Technische Umsetzung und Bildbearbeitung:<br />
„moritz-grafik+design“ - Braunschweig