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Hannover - DGB Niedersachsen - Bremen

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Mathilde KASPER, <strong>Hannover</strong><br />

Seite 1 von 9 Seiten<br />

Biografische Daten<br />

von / über Mathilde Kasper<br />

Gesprächsprotokolle<br />

1. Gespräch<br />

Beteiligte:<br />

2. Gespräch<br />

Beteiligte:<br />

am 10.04.2008 in <strong>Hannover</strong><br />

Mathilde Kasper, Gundolf Algermissen.<br />

am 10.06.2008<br />

Mathilde Kasper, Gundolf Algermissen.


Mathilde KASPER, <strong>Hannover</strong><br />

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Lebensdaten<br />

Schulbildung<br />

Geboren am 11. Januar 1921 in Gleiwitz,<br />

Vater war Stellwerkmeister,<br />

Mutter war Hausfrau.<br />

Ich hatte vier Geschwister.<br />

Besuch der Volksschule von 1927 bis 1935 mit erfolgreichem<br />

Abschluss.<br />

Erinnerung<br />

Ich wollte nicht BDM-Mädchen werden, deshalb ging ich in<br />

eine Hauhaltslehre bei einem Pastor und bestand nach zwei<br />

Jahren die Prüfung als Haushaltsgehilfin.<br />

1938 habe ich in einem Ferienheim in Oberschreihau<br />

gearbeitet, es war eine interessante aber auch sehr<br />

anstrengende Arbeit. Zum 31. August 1939 habe ich meine<br />

Anstellung gekündigt.<br />

Erinnerung<br />

Am 1. September 1939 versuchte ich, zurück zu meinen Eltern<br />

nach Gleiwitz mit der Bahn zufahren. Auf dem Bahnhof erhielt<br />

ich einen kurzen, aber eindeutigen Hinweis, es ist Krieg und<br />

heute fahren keine Züge mehr“. Ich fuhr in den Ort Patschkau,<br />

der war mir aus mehreren Aufenthalte mit meinen Eltern aus<br />

der Sommerfrische (Urlaub) noch bekannt. Irgendwie kam ich<br />

dann im Laufe des Monats September zu meinen Eltern<br />

zurück.<br />

Weitere Ausbildung<br />

Mein Vater hatte mich in einer privaten Handelsschule zur<br />

Weiterbildung angemeldet. Die Ausbildung begann am<br />

01.10.19039 und endete sechs Monate später, ich beendete<br />

die Fortbildung mit Erfolg. Anschließend fand ich eine<br />

Anstellung bei der Handels- und Gewerbebank.<br />

Erinnerung<br />

Der Krieg und ein Einsatz in der Kriegszeit beim Militär machte<br />

auch vor mir keinen Halt. Vor die Alternative gestellt zum Militär<br />

zu gehen oder Rechnungsführerin bei der Fahrersatzabteilung<br />

acht in Worolowitz (Geburtsort des Papstes Johannes Paul II.)<br />

zu werden entschied ich mich für die zweite Möglichkeit. Als<br />

Zivilangestellte arbeitete ich später auch in Schweidnitz und<br />

Glatz. Ende 1944 wurden diese Einheiten aufgelöst, ich<br />

landete wieder (Februar 1945) in Patschkau, wo ich auch das<br />

Kriegsende erlebte.<br />

Im Oktober 1945 mussten wir unser zu Hause verlassen.<br />

Menschen mit polnischer Nationalität waren von den Russen<br />

aus dem ehemaligen Ostpolen vertrieben worden und<br />

benötigten nun auch unseren Wohnraum.


Mathilde KASPER, <strong>Hannover</strong><br />

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Wir zogen zuerst nach Strehlen zu Verwandten, mein Vater<br />

ging zum örtlichen Amt, um einen Antrag zu stellen, dass wir<br />

nach <strong>Hannover</strong> wollten. Mein Bruder hatte während des<br />

Krieges eine Frau aus <strong>Hannover</strong> geheiratet und wohnte dort.<br />

Auf mehreren Stationen und Aufenthalten mussten wir für die<br />

Familie immer wieder Dokumente von den örtlichen Stellen<br />

einholen. Wir wurden mit einem Eisenbahnwaggon erst einmal<br />

nach Belzig (bei Berlin) transportiert – das war unser „erstes<br />

Etappenziel“.<br />

Das Original der<br />

Reisegenehmigung<br />

für meinen Vater, den<br />

Haushaltsvorstand, und<br />

die gesamte Familie in<br />

polnischer Sprache …<br />

… die Übersetzung


Mathilde KASPER, <strong>Hannover</strong><br />

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Erinnerung<br />

Hier habe ich einige Wochen in einer Familie gearbeitet.<br />

Anschließend bekam ich eine stundenweise Bürostelle bei der<br />

örtlichen Bürgermeisterin, Frau Lange. Sie war überzeugte<br />

Kommunistin und hatte mehrere Frauenausschüsse gegründet.<br />

Im April 1946 habe ich meine Eltern mit einem Transport in<br />

Richtung <strong>Hannover</strong> gebracht, sie mussten erst einmal nach<br />

Friedland bei Göttingen. Ich ging zu einem letzten Gespräch<br />

mit Frau Lange, ein russischer Offizier war auch anwesend.<br />

Frau lange sagte ich die Wahrheit, dass ich mitfahren werde,<br />

sie gab mir die Hand und verabschiedete mich. Der russische<br />

Offizier fragte, was die Situation zu bedeuten habe, Frau<br />

Lange hat den Offizier belogen und gesagt, dass ich mich für<br />

heute verabschieden würde.<br />

Wir benötigten an der Grenze zur britischen Zone insgesamt<br />

acht Tage, immer wieder wurden wir kontrolliert, wir hatten<br />

große Angst, dass man uns wieder zurückschicken würde.<br />

Nach einigen Tagen Aufenthalt in Friedland wurden wir mit<br />

dem Reiseziel Godshorn (bei <strong>Hannover</strong>) im April 1946 in<br />

Friedland entlassen.<br />

Mit meinem Vater ging zum hannoverschen Rathaus, um<br />

Fragen zu den Pensionsansprüchen für meinen Vater zu<br />

klären. Mein Vater musste zuerst „zur Entnazifizierung“, das<br />

Verwaltungsgebäude war in der Wilhelmstraße, gegenüber<br />

dem damaligen Sitz der „Allgemeinen Gewerkschaft“.<br />

Erinnerung<br />

Während ich auf meinen Vater wartete, fragte ich eine<br />

Mitarbeiterin, ob sie Arbeit für hätten. Die Antwort, da müssen<br />

sie sich bewerben. Ich wusste aber nicht wie, meine Papiere<br />

waren mir in Dresden gestohlen worden. Die Frau gab mir<br />

einen Tipp, gehen sie doch da drüben zur Gewerkschaft, die<br />

sind im Aufbau.<br />

Mit diesem Blatt wurde<br />

der Zuzug nach<br />

<strong>Hannover</strong> bestätigt.


Mathilde KASPER, <strong>Hannover</strong><br />

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Mein erster Kontakt war aus meiner Sicht erfolgversprechend.<br />

Albin Karl und Kollegin Kracke machten mit mir einen Test, ich<br />

bestand und wurde eingestellt.<br />

Die Kollegen Frohme, Prochnow und die Kollegin Luise<br />

Gerecke (bis 1933 bei der Baugewerkschaft in A<strong>DGB</strong>)<br />

organisierten die Hauskassierungen und hatten auch die<br />

Betreuung der Kassierer zu organisieren. Bei den<br />

Abrechnungen der Hauskassierung mussten wir immer prüfen,<br />

zu welchen Wirtschaftsgruppen die Beiträge zuzuordnen<br />

waren, das war immer sehr viel „Papierkram“.<br />

Erinnerung<br />

Meine Hauptaufgabe war die Abrechnung mit den <strong>DGB</strong>-<br />

Kreisen, erst waren es über 40 Kreise in <strong>Niedersachsen</strong> und<br />

<strong>Bremen</strong>, später waren es noch 32 <strong>DGB</strong>-Kreise. Die Abrechnungen<br />

schickte ich weiter zur <strong>DGB</strong>-Bundesvorstandsverwaltung<br />

in Düsseldorf. Zur Währungsreform haben wir die<br />

Reichsmark-Geldbündel in mehreren schweren Aktentaschen<br />

zur Bank zum Umtausch gebracht und dort in die neue D-Mark<br />

eingetauscht.<br />

Ein Maiplakat<br />

von vielen in der<br />

britischen Zone 1946


Mathilde KASPER, <strong>Hannover</strong><br />

Seite 6 von 9 Seiten<br />

Erinnerung<br />

Den damaligen Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes,<br />

britische Zone, Hans Böckler habe ich während<br />

einer Zonenkonferenz persönlich kennengelernt. Er machte auf<br />

mich einen eher zurückhaltenden Eindruck, obwohl er sehr<br />

durchsetzungsfähig sein konnte. Meine Aufgabe während der<br />

Konferenz war die Vorbereitung der Barauszahlung für die<br />

Fahrtkasten an die Delegierten.<br />

Der erste Direktor der Bank für Gemeinwirtschaft war ein<br />

Kollege der IG Chemie und wurde gewählt. Bei vielen<br />

buchhalterischen Fragen haben wir ihm geholfen und vieles<br />

erklären können.<br />

Erinnerung<br />

In den Jahren 1949/1950 wurden die <strong>DGB</strong>-Kreise in<br />

<strong>Niedersachsen</strong>/<strong>Bremen</strong> offiziell eingerichtet. Die Aufgabe<br />

unserer Abteilung war die haushalterische Überwachung der<br />

<strong>DGB</strong>-Kreise. Die Kolleginnen aus den Kreisen, die mit der<br />

buchhalterischen Arbeit betraut waren, kamen regelmäßig zu<br />

Besprechungen zusammen. Dabei habe ich mit „Kreide und<br />

Tafel“ die Kolleginnen über Veränderungen in der Buchführung<br />

und den steuerlichen Vorgängen geschult.<br />

Im geschäftsführenden Landesbezirksvorstand <strong>Niedersachsen</strong>-<br />

<strong>Bremen</strong> gab es zwischen 1947 bis Mitte der 50er Jahre zwei<br />

politische Orientierungen. Die Vorstandmitglieder Hermann<br />

Beermann und Konrad Frohme waren eher dem ISK<br />

(Internationaler Sozialistischer Kampfbund) zuzuordnen; die<br />

Vorstandsmitglieder Hermann Grote und Dr. Hickel waren eher<br />

der SPD zuzuordnen. Es gab immer wieder Grundsatzstreite<br />

zwischen diesen beiden politischen Orientierungen, die auch in<br />

den wöchentlich stattfindenden Bürobesprechungen (montags<br />

um 9 Uhr) diskutiert und erstritten wurden.<br />

Die Kollegen Hermann Beermann und Albin Karl sind in den<br />

Jahren zum <strong>DGB</strong>-Bundesvorstand nach Düsseldorf<br />

gewechselt.<br />

Erinnerung<br />

Im Juli 1948 war eine Informations- und Studienfahrt nach<br />

Schweden, u.a. auch nach Stockholm, ausgeschrieben. Wir<br />

waren insgesamt drei Frauen, die aus dem <strong>DGB</strong>-Landesbezirk<br />

<strong>Niedersachsen</strong>/<strong>Bremen</strong> teilnahmen. Ich erinnere mich, dass<br />

wir einen einmaligen Zuschuss vom <strong>DGB</strong>-Bundesvorstand in<br />

Höhe von 50 D-Mark erhielten. Es war meine erste<br />

Auslandsreise. Ich kann mich an die Ausschreibung erinnern,<br />

in der stand u.a., dass Männer keine geflickten Hosen tragen<br />

dürften.


Mathilde KASPER, <strong>Hannover</strong><br />

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Studienfahrt in<br />

Stockholm –<br />

Stadtbesichtigung mit<br />

dem Boot …<br />

… auf dem Rathausturm<br />

der Stadt Stockholm<br />

Mit Helmut Breuer, später Vorsitzender der <strong>Hannover</strong>schen<br />

Volkshochschule, haben wir die ersten Schwerpunkte in der<br />

gewerkschaftlichen Jugendarbeit organisiert. Er hat die<br />

Kontakte zu Schulleitern organisiert, um die Adressen von<br />

etwa 20, Schülerinnen und Schülern zu erhalten, dann wurden<br />

die Eltern angeschrieben. Die Absicht war, die jungen<br />

Menschen in Jugendgruppen zu holen und mit attraktiven<br />

Veranstaltungen, z.B. Wochenaufenthalte verbunden mit<br />

Bildungsangeboten, sie in die Gewerkschaften einzubinden.<br />

Eine Jugendgruppe entstand sehr bald bei der Hanomag.


Mathilde KASPER, <strong>Hannover</strong><br />

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Erinnerung<br />

Der Käuferstreik 1948 wurde von den <strong>DGB</strong>-Gewerkschaften<br />

ausgerufen, u.a. mit dem Hinweis, dass die Hausfrauen kein<br />

Fleisch einkaufen sollten. Eines Tages stand eine Frau in<br />

meinem Büro vor und jammerte, dass ihr Mann von ihr<br />

erwartete, dass sie ihm ein Fleischgericht zubereiten sollte. In<br />

ihrer Verzweiflung hatte sie sich „an die Gewerkschaft“ um<br />

Hilfe gerichtet. Wir haben sie getröstet und ihr gesagt, dass sie<br />

mit ihrem Mann über den Sinn des Käuferstreiks noch einmal<br />

reden sollte.<br />

Dieses Aufrufplakat zur<br />

Teilnahme an dem<br />

Demonstrationsstreik<br />

1948 wurde in der<br />

Bi-Zone ausgehängt.


Mathilde KASPER, <strong>Hannover</strong><br />

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Protokollführung:<br />

Gundolf Algermissen, Abteilungsleiter im <strong>DGB</strong>-Bezirk NBS<br />

Technische Umsetzung und Bildbearbeitung:<br />

Gunda Jortzig, PCA beim <strong>DGB</strong>-Bezirk NBS

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