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Geopolitik der USA

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Birk: Napoleon Imperator<br />

die Grundlage seines weiteren Handelns. Sein machtpolitisches<br />

Ausgreifen in den Westen (Spanien) und Osten<br />

(Österreich, Preußen, Russland) glich - alles stets indirekt<br />

gegen das seit Trafalgar 1805 unerreichbare Großbritannien<br />

gerichtet - einem Ressourcen verschlingenden<br />

Marathon, in dem Napoleon das kurzfristige machtpolitisch<br />

begründete Prestige mit dem dauerhaften Verlust<br />

<strong>der</strong> inneren Freiheit Frankreichs erkaufte - ganz so wie<br />

die ungeheure Ausdehnung des Römischen Reiches den<br />

Boden für den Übergang von <strong>der</strong> Republik zum kaiserlichen<br />

Imperium bereitete. Seine dynamische Unrast und<br />

Ungeduld, in einem Leben alles zu erreichen, wofür Rom<br />

Jahrhun<strong>der</strong>te benötigte, führte schließlich in einen nicht zu<br />

gewinnenden Konflikt mit „<strong>der</strong> ganzen Welt“, an dessen<br />

Ende <strong>der</strong> individuelle Untergang stehen musste.<br />

Sein Krieg gegen seinen großen Dauer-Wi<strong>der</strong>sacher<br />

Großbritannien glich einem neuen „Punischen Krieg“, den<br />

Frankreich - wie einst Rom -, nachdem es Herr über die<br />

umliegenden kontinentalen Gemeinwesen geworden war,<br />

nun in einer letzten großen Auseinan<strong>der</strong>setzung um die<br />

Suprematie gegen eine „Händlernation“ - bereits „(d)er<br />

Konvent sprach von Karthago, wenn er England meinte,<br />

und die Jakobiner nannten sich Römer“ 42) - jenseits des<br />

Meeres zu führen hatte, obwohl Napoleon hierin mehr<br />

einem Hannibal als einem Scipio Africanus vergleichbar<br />

war. 43) Aus britischer Sicht hatte sich <strong>der</strong> Krieg „von einem<br />

Kampf gegen die Weltrevolution in einen Kampf gegen<br />

einen Welt-Cäsarismus gewandelt“. 44)<br />

Darüber hinaus erinnern die von Napoleon erzwungenen<br />

Bündniskonstellationen - insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> 1806<br />

geschaffene Rheinbund als militärstrategisches Glacis<br />

und Soldatenreservoir - genauso an das Gefolgschaft<br />

einfor<strong>der</strong>nde, indes stabilere römische Bundesgenossensystem<br />

45) wie <strong>der</strong> Zug nach Moskau im Jahre 1812 dem<br />

römischen Vordringen in den Osten unter Trajan im Jahre<br />

117 vergleichbar ist, das dem Römischen Reich mit dem<br />

Erreichen von Basra am Persischen Golf seine größte<br />

territoriale Ausweitung brachte - wenn auch, wie bei Napoleon,<br />

nur für kurze Zeit als temporäre Außenbastion eines<br />

imperial overstretch. 46) Als Kaiser eines überfor<strong>der</strong>ten<br />

„römischen“ Frankreich führte er sein Empire innerhalb<br />

eines Jahrzehnts in den Untergang.<br />

22<br />

III. Napoleon als Ikone<br />

Napoleon war „nach innen Sauveur <strong>der</strong> neuen französischen<br />

Gesellschaft und Welteroberer nach außen“<br />

sowie gleichzeitig als charismatischer Herrscher „<strong>der</strong><br />

lehrreichste Typus des Cäsarismus“. 47) Darüber hinaus gilt<br />

er auch in <strong>der</strong> Regel als <strong>der</strong> personifizierte Katalysator <strong>der</strong><br />

Mo<strong>der</strong>ne. 48) Das Diktum von Thomas Nipperdey für die<br />

deutsche Geschichte - „Am Anfang war Napoleon“ - gilt<br />

auch für die Propaganda, die seit Napoleon in qualitativer<br />

und quantitativer Hinsicht ihren neuzeitlichen Siegeslauf<br />

begann, indem sie seine militärischen, politischen und<br />

Recht setzenden Erfolge geradezu ikonografisch überhöhte.<br />

Ihm ging es vor dem Hintergrund einer polischen<br />

und militärischen Revolution in einer Epoche fundamentaler<br />

Umbruchsszenarien darum, in seiner Person<br />

neue gesellschaftliche Prinzipien in Verbindung mit <strong>der</strong><br />

Konstruktion traditionaler Herrschaftsstrukturen ideologisch<br />

zu begründen. 49) Dabei kam es ihm zugute, dass<br />

er „einen sechsten Sinn für alle Kriegssachen und einen<br />

siebenten für alles, was <strong>der</strong> Machtbereitung diente“, 50)<br />

hatte. Die bereits seit 1791 latent den politischen Diskurs<br />

im revolutionären Frankreich prägende For<strong>der</strong>ung nach<br />

einer Überführung <strong>der</strong> politischen Zustände in eine Phase<br />

neuer Stabilität - verstärkt nach <strong>der</strong> Diktatur des Wohlfahrtsausschusses<br />

- führte nach <strong>der</strong> Delegitimierung <strong>der</strong><br />

monarchischen Souveränität zu dem Dilemma, wie sich<br />

die neue, durch die Revolution erreichte Souveränität des<br />

Kollektivsubjekts „Nation“ - die „volonté général“ im<br />

Sinne von Rousseau 51) - in einer Person symbolisch verdichten<br />

ließ. Ein abgewandeltes Muster des römischen Cäsarentums<br />

bot sich für Napoleon als jugendlichen Helden,<br />

genialisch-erfolgreichen Militär und politischen Führer<br />

geradezu an, konnte er doch auch vor dem Hintergrund<br />

<strong>der</strong> Rom-Affinität <strong>der</strong> Intellektuellen einerseits und einer<br />

nach Jahrhun<strong>der</strong>ten zählenden fürstlich-absolutistischen<br />

Tradition an<strong>der</strong>erseits trotz <strong>der</strong> immanenten Gefahr <strong>der</strong><br />

Beseitigung verfassungsrechtlicher Errungenschaften <strong>der</strong><br />

Revolution in Form einer autoritären Alleinherrschaft auf<br />

den Zuspruch <strong>der</strong> Bevölkerung hoffen. 52)<br />

Für alle legitimatorischen Aspekte - und zum Teil<br />

noch, seiner individuellen Selbstinterpretation und -stilisierung<br />

wegen, darüber hinaus - benötigte Napoleon neben<br />

Ideen, Zielen und Handlungen auch ein entsprechendes,<br />

seine usurpierte Herrschaft unterstützendes, gezielt die<br />

öffentliche Meinung und politische Kultur beeinflussendes<br />

propagandistisch-politisches Bildprogramm. Je mehr die<br />

realen „Bil<strong>der</strong>“ von <strong>der</strong> Bevölkerung akzeptierte mentale<br />

„Bil<strong>der</strong>“ erzeugten, die zudem Napoleons Selbstwahrnehmung<br />

spiegelten, desto wünschenswerter waren sie als<br />

Projektionsflächen. Napoleon war hierbei als Akteur Getriebener<br />

und Gestalter zugleich. Einerseits musste er als<br />

charismatischer Herrscher in einem dynamischen Umfeld<br />

und vor dem Hintergrund eines drohenden potenziellen<br />

Verlusts seiner Ausstrahlung und seines Mythos als Retter<br />

und Garant <strong>der</strong> politischen Stabilität stets neue Erfolge<br />

vorweisen, und er wollte bei seinem ständigen Bemühen<br />

um Selbstdarstellung und Präsentation seiner Erfolge und<br />

Leistungen an<strong>der</strong>erseits, dass sie das zeigen, was er zeigen<br />

wollte, und damit nichts dem Zufall überlassen - daher<br />

auch die Vorgaben für die Inhalte <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> und die Gängeleien<br />

respektive die Überwachung des künstlerischen<br />

Schaffens durch staatliche und militärische Würdenträger<br />

sowie die Bereitschaft, für einzelne Werke, aber auch für<br />

Massenproduktionen große Summen zu investieren. 53)<br />

Überzeugt vom Propagandawert <strong>der</strong> Kunst ließ<br />

Napoleon seine Taten und seine Herrschaft als Feldherr,<br />

Konsul und Kaiser in einem an die überzeitlich-klassische<br />

römische Antike angelehnten Stil in Monumenten und<br />

Bil<strong>der</strong>n verherrlichen. Nur eine „große Lösung“ schien<br />

den Ausweg aus seinem komplexen Dilemma-Konflikt<br />

respektive Spannungsverhältnis von Dynamik contra<br />

Statik <strong>der</strong> Legitimität zu weisen: „Was lag näher, als<br />

die usurpierte Macht des neuen Cäsar und das von ihm<br />

erschaffene Grand Empire mit römischen Vorzeichen zu<br />

versehen und beiden damit eine Legitimität von großartiger<br />

historischer Dimension zu verleihen?“ 54) Hierbei<br />

arbeitete Napoleon auch selbst bereits seit Beginn seines<br />

ÖMZ-Online 2/2010

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