Nr. 48, Mai 2011 - AK Geographie und Geschlecht
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einige ausgewählte feministische bzw. gender relevante Vorträge <strong>und</strong> Sessions gegeben werden.<br />
Antipode Lecture: Lynn Staeheli – Whose responsibility?<br />
Die diesjährige Antipode Lecture wurde von Lynn Staeheli (University of Durham) zum Thema<br />
“Verantwortung/Verantwortlichkeit” gehalten. Sie setzte sich in ihrem Vortag mit der Frage<br />
auseinander, welche Verantwortung BürgerInnen aufgr<strong>und</strong> ihrer citizenship in einer liberalen<br />
Demokratie haben <strong>und</strong> wie sich diese Verantwortung durch den sozialen Rückbau eines Staates<br />
verändert bzw. (nicht) verändern sollte.<br />
Staeheli hat sich seit über zehn Jahren in verschiedenen Kontexten (v.a. USA <strong>und</strong> UK) mit zivilgesellschaftlichem<br />
Aktivismus beschäftigt. Diese empirischen Daten wertete sie jetzt erneut hinsichtlich<br />
des Verständnisses der Befragten nach Verantwortung/ Verpflichtung aus. Ergebnis ihrer<br />
Analyse ist, dass es verschiedene Motivationen für zivilgesellschaftliches Engagement gibt.<br />
1. Moralische Werte <strong>und</strong> Normen werden häufig in der Aktivismusforschung übersehen. Sie<br />
sieht in Religion ein zentrales Motiv von Freiwilligen, die sich im sozialen Bereich engagieren.<br />
2. Verantwortlichkeit wird durch Beziehungen ausgelöst, durch die scheinbare Nähe (emotional,<br />
geographisch, sozial, national, ethhnisch, religiös etc.) zu Betroffenen, fühlen sich viele verpflichtet<br />
zu handeln<br />
3. Aktivismus wird sowohl als Protest gegen Neoliberalismus verstanden als auch als zwingende<br />
Notwendigkeit aufgr<strong>und</strong> neoliberaler Kürzungen von Sozialleistungen<br />
Für die AktivistInnen stellt sich das ‚(barmherzige) Samarither Dilemma‘: ihr Aktivismus kann<br />
entweder als Altruismus verstanden werden oder als ein Status der ihnen vom Staat zugeschrieben<br />
wird, indem dieser die Verantwortung auf den Bürger überträgt.<br />
Interessant ist die Selbstsicht der AktivistInnen: sie gehen erst gar nicht davon aus, dass der<br />
Staat den Bedürftigen helfen könnte, da er ihrer Meinung nach zu weit weg von den Bürgern<br />
ist. Sie sehen die Kirche häufiger als eine mögliche Institution, die diese Rolle übernimmt.<br />
Ein Drittel der befragten AktivistInnen verwenden den Begriff Verantwortung überhaupt nicht.<br />
Die restlichen AktivistInnen verstehen Verantwortung als ein auf Gegenseitigkeit beruhendes<br />
Prinzip. Viele sehen in ihrem Aktivismus auch eine Art von Empowerment, denn durch ihr Engagement<br />
machen sie sich (<strong>und</strong> die Gesellschaft) von dem Staat unabhängig <strong>und</strong> fühlen sich damit<br />
befreit von z.B. patricharlen oder rassistischen Praktiken des Staatsapparates.<br />
AktivistInnen unterstreichen in den Interviews, dass sie durch ihre Handlungen den Staat unter<br />
Druck setzen, Verantwortung zu übernehmen. Durch ihren Aktivismus im öffentlichen Raum wie<br />
zum Beispiel das Verteilen von Essen im Park oder Bau von Notunterkünften soll sich der Staat<br />
beschämt fühlen, dass er nicht seinen Verpflichtungen gerecht wird.<br />
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