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Philosophie 2 Mensch und Gesellschaft

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phi2_10_Reader<br />

Begleitung. Wenn er sich schlafen legt, verriegelt<br />

er seine Tür <strong>und</strong> selbst die Schränke<br />

in seinem eigenen Haus. Dabei weiß er<br />

doch, dass es Gesetze gibt <strong>und</strong> Männer,<br />

5 deren Pflicht es ist, ihn für jedes nur mögliche<br />

Unrecht mit Waffengewalt zu rächen.<br />

Was für eine Meinung muss er also von<br />

seinen Mitbürgern haben, wenn er glaubt,<br />

sich gegen sie rüsten zu müssen, was<br />

10 muss er von seinen Nachbarn denken,<br />

wenn er beim Schlafengehen die Türen<br />

versperrt, <strong>und</strong> was von seinen Hausgenossen,<br />

wenn er die Schränke verriegelt? Klagt<br />

er die <strong>Mensch</strong>heit mit solchem Handeln<br />

15 nicht stärker an als ich mit meinen Worten?<br />

[...]<br />

Man mag vielleicht denken, dass es diesen<br />

Zustand des Krieges aller gegen alle niemals<br />

gegeben habe. Auch ich glaube, dass<br />

20 er niemals in der ganzen Welt zugleich in<br />

dieser Weise geherrscht hat. Sicher aber<br />

immer an einigen Orten. [...]<br />

Aber wie dem auch sei: Wie das Leben ohne<br />

eine Furcht gebietende oberste Gewalt<br />

25 aussehen würde, kann man aus dem Zustand<br />

ersehen, in den <strong>Mensch</strong>en, die vorher<br />

unter einer friedlichen Regierung gelebt<br />

haben, im Bürgerkrieg verfallen.<br />

Und wenn es nie eine Zeit gegeben haben<br />

30 sollte, in der jeder des anderen Feind gewesen<br />

ist, so leben doch die Könige <strong>und</strong><br />

alle souveränen Machthaber aus Furcht vor<br />

dem Verlust ihrer Unabhängigkeit in unaufhörlichem<br />

Argwohn <strong>und</strong> in Stellung <strong>und</strong><br />

35 Haltung wie Gladiatoren; ihre Waffen sind<br />

gezückt <strong>und</strong> einer belauert den anderen:<br />

durch Festungen, Heere <strong>und</strong> Geschütze an<br />

den Grenzen, durch Spione im Inneren. Es<br />

herrscht also Krieg. Doch weil sie dadurch<br />

40 ihre Untertanen in Tätigkeit halten, tritt nicht<br />

jener elende Zustand ein, der die Folge der<br />

absoluten Freiheit aller ist.<br />

Wenn ein jeder gegen jeden Krieg führt, so<br />

kann auch nichts als unerlaubt gelten. Für<br />

45 die Begriffe Recht <strong>und</strong> Unrecht, Gerechtigkeit<br />

<strong>und</strong> Ungerechtigkeit bleibt kein Raum.<br />

Wo es keine Herrschaft gibt, gibt es auch<br />

kein Gesetz. Wo es kein Gesetz gibt, kann<br />

es auch kein Unrecht geben. List <strong>und</strong> Ge-<br />

50 walt sind die einzigen Tugenden. Denn weder<br />

Gerechtigkeit noch Ungerechtigkeit sind<br />

Naturanlagen des <strong>Mensch</strong>en - nicht geistige<br />

<strong>und</strong> auch nicht körperliche. Wenn sie es<br />

wären, so müssten sie auch einem Men-<br />

55 schen, der ganz allein auf der Welt lebte,<br />

eignen - ganz so wie sein Gefühl, wie seine<br />

Triebe. Es kennt sie aber nur der <strong>Mensch</strong> in<br />

der <strong>Gesellschaft</strong>, nicht der im Naturzustand.<br />

Aus demselben Gr<strong>und</strong>e auch gibt es keinen<br />

60 Besitz, kein Eigentum, überhaupt keine<br />

Vorstellung von mein <strong>und</strong> dein. Vielmehr<br />

kann sich jeder alles aneignen <strong>und</strong> kann es<br />

so lange für sich behaupten, wie er in der<br />

Lage ist es zu sichern. So viel über jenen<br />

65 armseligen Zustand, in den der <strong>Mensch</strong> von<br />

Natur aus verwiesen ist.<br />

1 Tragen Sie die Merkmale des Krieges aller<br />

gegen alle, von dem Hobbes ausgeht, zusammen<br />

<strong>und</strong> kennzeichnen Sie den Zustand,<br />

in dem dieser Krieg herrscht.<br />

2 Erarbeiten Sie Hobbes' Aussagen über die<br />

menschliche Natur als Ursache für den<br />

Krieg.<br />

3 Veranschaulichen Sie sich das Gedankenexperiment<br />

des „Naturzustands“, indem Sie<br />

sich z. B. vorstellen,<br />

a) in Ihrer Stadt würden Polizei <strong>und</strong> andere<br />

Staatsorgane die Arbeit einstellen,<br />

b) Ihre Mitschüler <strong>und</strong> Sie würden auf einer<br />

einsamen Insel stranden.<br />

4 Informieren Sie sich über den Inhalt von<br />

Goldings Roman „Der Herr der Fliege“ <strong>und</strong><br />

machen Sie Parallelen zu Hobbes' <strong>Mensch</strong>enauffassung<br />

fest.<br />

5 Wie müsste nach Hobbes menschliche Erziehung<br />

gestaltet sein?<br />

6 Diskutieren Sie die Berechtigung von Hobbes'<br />

Bestimmung der menschlichen Natur<br />

(ggf. unter Einbeziehung der in Aufgabe 3<br />

genannten Romanhandlung).<br />

Von den Ursachen, der Erzeugung <strong>und</strong> der<br />

Definition eines Staates<br />

Die <strong>Mensch</strong>en, die von Natur aus Freiheit <strong>und</strong><br />

Herrschaft über andere lieben, führten die<br />

Selbstbeschränkung, unter der sie, wie wir wis-<br />

70 sen, in Staaten leben, letztlich allein mit dem<br />

Ziel <strong>und</strong> der Absicht ein dadurch für ihre<br />

Selbsterhaltung zu sorgen <strong>und</strong> ein zufriedeneres<br />

Leben zu führen - das heißt, dem elenden<br />

Kriegszustand zu entkommen, der, wie im 13.<br />

75 Kapitel gezeigt wurde, aus den natürlichen Leidenschaften<br />

der <strong>Mensch</strong>en notwendig folgt,<br />

dann nämlich, wenn es keine sichtbare Gewalt<br />

gibt, die sie im Zaume zu halten <strong>und</strong> durch<br />

Furcht vor Strafe an die Erfüllung ihrer Verträ-<br />

80 ge <strong>und</strong> an die Beachtung der natürlichen Gesetze<br />

zu binden vermag. [...] Der alleinige Weg<br />

zur Errichtung einer solchen allgemeinen Gewalt,<br />

die in der Lage ist die <strong>Mensch</strong>en vor dem<br />

Angriff Fremder <strong>und</strong> vor gegenseitigen Über-<br />

85 griffen zu schützen <strong>und</strong> ihnen dadurch eine<br />

solche Sicherheit zu verschaffen, dass sie sich<br />

durch eigenen Fleiß <strong>und</strong> von den Früchten der<br />

Erde ernähren <strong>und</strong> zufrieden leben können,<br />

liegt in der Übertragung ihrer gesamten Macht<br />

90 <strong>und</strong> Stärke auf einen <strong>Mensch</strong>en oder eine Versammlung<br />

von <strong>Mensch</strong>en, die ihre Einzelwillen<br />

durch Stimmenmehrheit auf einen Willen reduzieren<br />

können. Das heißt so viel wie einen<br />

<strong>Mensch</strong>en oder eine Versammlung von Men-<br />

95 schen bestimmen, die deren Person verkör-<br />

25

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