phi2_10_Reader Unter dem Bischofsstab: geistliche Macht (Kirche, Bischofshut, Blitz <strong>und</strong> Donner als Zeichen für den Bann <strong>und</strong> die Exkommunikation, Syllogismus (Dreizack) <strong>und</strong> Dilemma (Gabel), Gelehrter Disput 8
phi2_10_Reader Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716): Theodizee (1710) Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646-1716), dt. Philos., Mathematiker, Naturwissenschaftler, Rechtsgelehrter, Diplomat <strong>und</strong> Historiker. Geb. in Leipzig als Sohn eines Prof. für Moralphilos. Befasste sich schon im Kindesalter mit Logik, Philos. <strong>und</strong> Theologie <strong>und</strong> studierte später Philos. <strong>und</strong> Rechtswissenschaft in Leipzig <strong>und</strong> Jena. Als Zwanzigjähriger trat er in den Dienst des Kurfürsten von Mainz, der ihn 1672 in diplomatischer Mission nach Paris <strong>und</strong> an den Versailler Hof sandte. Zwar blieb sie erfolglos, aber L. nutzte die Jahre seines Frankreichaufenthalts zur wissenschaftlichen Weiterbildung. In Paris <strong>und</strong> auf kürzeren Reisen, u. a. nach London, schloss er Bekanntschaft mit den führenden Philos., Mathematikern <strong>und</strong> Naturwissenschaftlern der Zeit - u. a. Arnauld, Malebranche, Spinoza, Newton <strong>und</strong> Huygens. Zugleich betrieb er intensive Forschungen, verfasste eine Reihe von Abhandlungen, konstruierte eine neue Art von Rechenmaschine <strong>und</strong> bereitete seine wichtigste mathematische Erfindung vor, die Differential<strong>und</strong> Integralrechnung. 1676 ließ sich L. in Hannover nieder <strong>und</strong> wirkte als Minister ohne Portefeuille beim residierenden welfischen Kurfürsten. Er befasste sich mit kulturellen, juristischen <strong>und</strong> wissenschaftlichen Aufgaben, war eine Zeitlang für Münzwesen, Bergbau <strong>und</strong> Hofbibliothek verantwortlich <strong>und</strong> schrieb in späteren Jahren an einer Geschichte des Welfenhauses. Daneben verfolgte L. mit rastloser Energie seine zahlreichen philos. <strong>und</strong> wissenschaftlichen Vorhaben <strong>und</strong> stand mit Gelehrten aus ganz Europa in brieflichem Kontakt. Sein Einsatz verschaffte ihm zeitweilig große Anerkennung. U. a. wurde L. Präsident auf Lebenszeit bei der „Societät der Wissenschaften“ in Berlin, zu deren Gründung 1700 er maßgeblich beigetragen hatte. Die letzten Jahre seines Lebens jedoch brachten L. viele Anfeindungen. Am Hof wurde er das Opfer von Intrigen, in der Öffentlichkeit wurde er als Gottesleugner angeprangert, <strong>und</strong> in der akademischen Welt schließlich sah er seine Arbeiten herabgewürdigt oder gar verkannt; so beschuldigte man ihn u. a. - zu Unrecht -, die Idee der Differentialrechnung bei Newton gestohlen zu haben. (Hügli: <strong>Philosophie</strong>-Lexikon) Entweder will Gott die Übel beseitigen <strong>und</strong> kann es nicht, oder er kann es <strong>und</strong> will es nicht, oder er kann es nicht <strong>und</strong> will es nicht, oder er kann es <strong>und</strong> will es. Wenn er nun will <strong>und</strong> nicht kann, so ist er schwach, was auf Gott nicht zutrifft. Wenn er kann <strong>und</strong> nicht will, dann ist er missgünstig, was ebenfalls Gott fremd ist. Wenn er nicht will <strong>und</strong> nicht kann, dann ist 5 er sowohl missgünstig wie auch schwach <strong>und</strong> dann auch nicht Gott. Wenn er aber will <strong>und</strong> kann, was allein sich für Gott ziemt, woher kommen dann die Übel <strong>und</strong> warum nimmt er sie nicht weg? Epikur: Von der Überwindung der Furcht. Fragmente. Zürich 1983. S. 136 Gott ist die erste Ursache aller Dinge: denn die beschränkten Dinge, wie alles, was wir 10 sehen <strong>und</strong> erfahren, sind zufällig <strong>und</strong> besitzen nichts, was ihnen notwendige Existenz verleiht; ist es doch offenbar, dass Zeit, Raum <strong>und</strong> Materie, an sich einheitlich <strong>und</strong> gleichförmig <strong>und</strong> gegen alles gleichgültig, 15 andere Bewegungen <strong>und</strong> Gestalten in anderer Anordnung, erhalten konnten. Es gilt also, den Gr<strong>und</strong> für die Existenz der Welt, als den Zusammenschluss aller zufälligen Dinge, aufzusuchen, <strong>und</strong> zwar in der Substanz, 20 die den Gr<strong>und</strong> ihrer Existenz in sich selbst trägt <strong>und</strong> die darum notwendig <strong>und</strong> ewig ist. Diese Ursache muss mit Verstand begabt sein: denn die existierende Welt ist zufällig, <strong>und</strong> unendlich viele andere Welten sind e- 25 benso möglich <strong>und</strong> streben sozusagen e- benso wie sie nach der Existenz. Daher muss die Ursache der Welt auf alle Welten Rücksicht oder Bezug genommen haben, will sie eine von ihnen zur Existenz bestim- 30 men. Diese Rücksicht oder Beziehung einer existierenden Substanz auf bare Möglichkeiten kann nichts anderes als der sie vorstellende Verstand, <strong>und</strong> das Herausgreifen einer derselben nichts anderes als der sie 35 erwählende Willensakt sein. Die Macht dieser Substanz gibt dem Willen Wirksamkeit. Die Macht geht auf das Sein, die Weisheit oder der Verstand auf das Wahre, der Wille auf das Gute. Diese mit Verstand begabte 40 Ursache muss außerdem in jeder Weise unendlich sein, ihre Macht, Weisheit <strong>und</strong> Güte müssen unbedingt vollkommen sein; denn sie umfasst jede Möglichkeit. Da alles miteinander in Verbindung steht, so lässt 45 sich auch nicht mehr als eine Ursache annehmen. Ihrem Verstande entquillt jede Wesensbeschaffenheit, ihr Wille ist Ursprung jeder Existenz. Dies ist in wenigen Worten der Beweis für einen einzigen Gott, 50 für seine Vollkommenheiten <strong>und</strong> für die Entstehung der Dinge aus ihm. Diese überlegene Weisheit konnte in Verbindung mit einer nicht weniger unendlichen Güte einzig <strong>und</strong> allein das Beste erwählen. 55 Denn wie ein geringes Übel eine Art Gut <strong>und</strong> ein geringes Gut eine Art Übel ist, wenn es ein größeres Gut verhindert, so hätte man Ursache, die Handlungen Gottes zu tadeln, wenn es ein Mittel gäbe, es besser 60 zu machen. Und wie in der Mathematik ohne ein Maximum <strong>und</strong> Minimum, kurz ohne 9