Philosophie 2 Mensch und Gesellschaft
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phi2_10_Reader<br />
Anmerkung: Leviathan Leviathan (hebr. לויתן liwjatan „der sich Windende“) ist der Name eines<br />
Seeungeheuers der jüdisch-christlichen Mythologie. Er besitzt die Gestalt einer Schlange oder eines<br />
Drachens.<br />
Da jegliches menschliche Mühen vor einem derartigen Ungeheuer zuschanden werden muss (vgl.<br />
auch Hiob 3,8), bleibt es Gott selbst vorbehalten, am Ende der Zeit den Leviathan zu besiegen.<br />
Nach Psalm 74,14 wird er „ihm den Kopf zermalmen“, nach Jes 27,1 „mit seinem harten, großen,<br />
starken Schwert (...) töten“, nach anderer Übersetzung auch erwürgen. Nach dem Traktat Moed<br />
Katan im Babylonischen Talmud schließlich wird der Leviathan aus dem Meer geangelt wie ein<br />
gewöhnlicher Fisch.<br />
Schulbuch-Kommentar zu Hobbes’ Leviathan<br />
Hobbes hat ein zentrales Element des modernen Staatsverständnisses formuliert: Anders als im<br />
Mittelalter beruht die Legitimität staatlicher Herrschaft, d. h. ihr Anspruch anerkannt zu werden,<br />
nicht auf einer göttlichen Weltordnung, sondern darauf, dass die <strong>Mensch</strong>en aus eigenem Interesse<br />
Macht an den Staat übertragen; an die Stelle der organisch gewachsenen Gemeinschaft tritt - wie<br />
5 im Wirtschaftsleben - der Zusammenschluss unabhängiger Individuen in einem Vertrag, z. B. einer<br />
Verfassung („Vertragstheorie“).<br />
Die staatstheoretischen Vorstellungen, die Hobbes von diesem Ansatz aus entwickelt, sind jedoch<br />
umstritten. Die Kritik setzt schon bei den anthropologischen Voraussetzungen an, bei der These<br />
von der „Wolfsnatur“ des <strong>Mensch</strong>en. Sicher: Viele Erfahrungen bestätigen die nüchtern-<br />
10 pessimistischen Aussagen von Hobbes; aber kann man daraus schon Aussagen über ein festes<br />
Wesen des <strong>Mensch</strong>en, über seine „Natur“ ableiten? Solche Wesensaussagen über den <strong>Mensch</strong>en<br />
sind fragwürdig. Vor allem die anarchistischen <strong>und</strong> marxistischen Staatstheoretiker bestreiten zudem,<br />
dass das, was unter den Bedingungen des Bürgerkriegs oder der „Ellenbogengesellschaft“<br />
zum Vorschein kommt, die menschliche Natur sei. Der <strong>Mensch</strong> im „Naturzustand“, wie Hobbes ihn<br />
15 beschreibt, ist für sie vielmehr gerade der von Staat <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong> seiner (<strong>und</strong> unserer) Zeit geprägte<br />
<strong>Mensch</strong>.<br />
Aber selbst wenn man von Hobbes' eigenen Voraussetzungen ausgeht, bleiben seine staatsphilosophischen<br />
Folgerungen problematisch: Das Interesse des Einzelnen, der Ausgangspunkt seiner<br />
Staatsbegründung, wird durch die völlige Auslieferung dieses Einzelnen an den Staat gefährdet;<br />
20 wer im Interesse seiner Sicherheit all seine Rechte an den Staat abgibt, muss fürchten gerade vom<br />
Staat in seiner Sicherheit beeinträchtigt zu werden.<br />
Daher vertreten die im Folgenden vorgestellten liberalen Staatsphilosophen eine andere Staatskonzeption.<br />
Sie teilen zwar Hobbes' Einschätzung, dass menschliches Zusammenleben immer bedroht<br />
sein wird von Konflikten <strong>und</strong> man daher einen Staat braucht; für sie ist es jedoch vor allem<br />
25 Aufgabe der Staatsordnung, die Freiheit des Individuums auch gegen den Staat zu schützen.<br />
(Aus: Zugänge zur <strong>Philosophie</strong>)<br />
Legitimität bedeutet, dass der mit einer politischen Ordnung verb<strong>und</strong>ene Anspruch, als richtig<br />
<strong>und</strong> gerecht anerkannt zu werden, gute Argumente für sich hat; eine legitime Ordnung verdient<br />
Anerkennung. Mit dieser Definition wird hervorgehoben, dass Legitimität ein bestreitbarer<br />
Geltungsanspruch ist, von dessen (mindestens) faktischer Anerkennung die Stabilität der<br />
30 Herrschaftsordnung (auch) abhängt.<br />
Aus: Jürgen Habermas: Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus. Frankfurt: Suhrkamp 1976.<br />
S.271-273<br />
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