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Philosophie 2 Mensch und Gesellschaft

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phi2_10_Reader<br />

Da der Zweck dieser Einsetzung Frieden <strong>und</strong><br />

Verteidigung aller ist <strong>und</strong> jeder, der ein Recht<br />

auf den Zweck hat, auch ein Recht auf die<br />

Mittel dazu hat, so gehört es zu dem Recht<br />

5 jedes souveränen <strong>Mensch</strong>en oder jeder souveränen<br />

Versammlung, Richter über die Mittel<br />

zum Frieden <strong>und</strong> zur Verteidigung sowie über<br />

das zu sein, was diese hindert <strong>und</strong> stört. Ferner<br />

sind sie berechtigt, alles, was ihrer Mei-<br />

10 nung nach zur Erhaltung von Frieden <strong>und</strong> Sicherheit<br />

nötig ist, vorbeugend zu tun, indem<br />

sie innere Zwietracht <strong>und</strong> Feindschaft von<br />

außen verhindern, <strong>und</strong> das Nötige zu tun um<br />

Frieden <strong>und</strong> Sicherheit wiederzugewinnen,<br />

15 wenn sie verloren gegangen sind. Deshalb ist<br />

auch, [...] mit der Souveränität verb<strong>und</strong>en darüber<br />

Richter zu sein, welche Meinungen <strong>und</strong><br />

Lehren dem Frieden abträglich sind <strong>und</strong> welche<br />

dazu führen, <strong>und</strong> folglich, bei welchen<br />

20 Anlässen, wie weitgehend <strong>und</strong> bei was man<br />

den <strong>Mensch</strong>en überhaupt vertrauen darf,<br />

wenn sie Reden an Volksmengen halten, <strong>und</strong><br />

wer die Lehren aller Bücher vor Veröffentlichung<br />

überprüfen soll. Denn die Handlungen<br />

25 der <strong>Mensch</strong>en entspringen ihren Meinungen<br />

<strong>und</strong> eine gute Lenkung der menschlichen<br />

Handlungen, die Frieden <strong>und</strong> Eintracht unter<br />

ihnen bewirken soll, besteht in einer guten<br />

Lenkung ihrer Meinungen. Und obwohl in den<br />

30 mit Lehre zusammenhängenden Fragen ausschließlich<br />

an die Wahrheit zu denken ist, so<br />

steht dem doch ihre Regelung aus Gründen<br />

des Friedens nicht entgegen.<br />

[...] Mit der Souveränität ist die gesamte Zu-<br />

35 ständigkeit zum Erlass der Regeln verb<strong>und</strong>en,<br />

aus denen jeder entnehmen kann, welche<br />

Güter er genießen <strong>und</strong> welche Handlungen er<br />

vornehmen darf ohne von einem seiner Mit-<br />

Untertanen belästigt zu werden. Und dies ist<br />

40 es, was man Eigentum nennt. Denn vor der<br />

Einsetzung der souveränen Gewalt besaßen,<br />

wie schon gezeigt wurde, alle <strong>Mensch</strong>en ein<br />

Recht auf alles, was notwendigerweise Krieg<br />

verursacht. Und deshalb stellt dieses Eigen-<br />

45 tum, da es für den Frieden notwendig <strong>und</strong> von<br />

der souveränen Gewalt abhängig ist, eine<br />

Maßnahme dieser Gewalt zur Herstellung des<br />

öffentlichen Friedens dar. [...]<br />

Mit der Souveränität ist das Recht der Recht-<br />

50 sprechung verb<strong>und</strong>en, das heißt des Anhörens<br />

<strong>und</strong> Entscheidens aller Streitfälle, die<br />

sich aus dem bürgerlichen oder natürlichen<br />

Gesetz ergeben können oder die Tatsachen<br />

betreffen. Denn ohne die Entscheidung von<br />

55 Streitfällen gibt es keinen Schutz eines Untertanen<br />

vor den Verletzungen durch einen anderen,<br />

die meum <strong>und</strong> tuum 6 betreffenden Gesetze<br />

sind nutzlos <strong>und</strong> jedermann behält aufgr<strong>und</strong><br />

des natürlichen <strong>und</strong> notwendigen<br />

60 Selbsterhaltungstriebs das Recht, sich selbst<br />

durch seine eigene Stärke zu schützen, was<br />

Kriegszustand bedeutet <strong>und</strong> dem Zweck der<br />

Einsetzung eines jeden Staates entgegensteht.<br />

[...] Wenn in einem auswärtigen oder<br />

65 inneren Krieg die Feinde den Endsieg erringen,<br />

so dass ein weiterer Schutz der<br />

staatstreuen Untertanen nicht mehr möglich ist,<br />

da die Kräfte des Staates das Feld nicht länger<br />

beherrschen, dann ist der Staat aufgelöst <strong>und</strong><br />

70 jedermann frei sich in der Weise zu schützen,<br />

die ihm sein eigener Verstand anrät. Denn der<br />

Souverän ist die öffentliche Seele, die dem<br />

Staat Leben <strong>und</strong> Bewegung verleiht; wird sie<br />

ausgehaucht, so werden die Glieder von ihr<br />

75 nicht mehr gelenkt als der Leichnam eines<br />

<strong>Mensch</strong>en von seiner entwichenen - wenn<br />

auch unsterblichen - Seele. Denn kann auch<br />

das Recht eines souveränen Monarchen durch<br />

die Handlung eines anderen nicht zum Erlö-<br />

80 schen gebracht werden, so aber doch die Verpflichtung<br />

der Glieder. Denn ein Schutzloser<br />

darf überall Schutz suchen <strong>und</strong> hat er ihn gef<strong>und</strong>en,<br />

so ist er verpflichtet seine Schutzmacht<br />

so lange er kann zu schützen, ohne dass er<br />

85 betrügerisch geltend machen kann, er habe<br />

sich aus Furcht unterworfen.<br />

(Thomas Hobbes, Leviathan oder Wesen, Form <strong>und</strong><br />

Gewalt des kirchlichen <strong>und</strong> bürgerlichen Staates. I. Der<br />

<strong>Mensch</strong>. Hg. v. P. Mayer-Tasch in der Übers. von Dorothee<br />

Tidow. Rowohlt, Reinbek 1965, S. 96-101 (Naturzustand)<br />

bzw. S. 131-144)<br />

1 Informieren Sie sich über Hobbes' Konzeption<br />

des Naturzustandes. Können Hobbes'<br />

anthropologische Aussagen mit Recht als<br />

Aussagen über die menschliche Natur gelten?<br />

2 Rekonstruieren Sie Hobbes' Herleitung seiner<br />

Staatsvorstellung aus seiner Konzeption<br />

vom Naturzustand. Welche Konsequenzen<br />

ergeben sich für das Verhältnis von Individuum<br />

<strong>und</strong> Staat? Ist diese Herleitung<br />

überzeugend?<br />

Unter welchen Bedingungen endet für Hobbes<br />

die Gehorsamspflicht des Bürgers gegenüber<br />

dem Staat?<br />

3 Erarbeiten Sie die Merkmale des Staates<br />

bei Hobbes. Auf welche Staatsform treffen<br />

diese Merkmale am ehesten zu <strong>und</strong> in welchen<br />

politischen Einstellungen <strong>und</strong> Bewegungen<br />

findet man - auch heute - Hobbes'<br />

Gedanken wieder?<br />

5 Die absolutistischen Könige legitimierten<br />

ihre Herrschaft religiös, sie betrachteten<br />

sich als von Gott eingesetzt. Inwiefern widerspricht<br />

Hobbes 'Staatsbegründung einem<br />

solchen Selbstverständnis?<br />

4 Übertragen Sie die Theorie von Hobbes zu<br />

Naturzustand <strong>und</strong> Staatsbegründung auf<br />

das Verhältnis der Staaten untereinander.<br />

5 Gibt es Ihrer Ansicht nach Situationen, in<br />

denen man das staatliche Gewaltmonopol<br />

nicht akzeptieren <strong>und</strong> z. B. ein Haus oder<br />

den Bauplatz eines Atomkraftwerks besetzen<br />

sollte?<br />

6 meum, tuum (latein.): mein, dein<br />

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