Einleitung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den Diskurs der ...

Ein nicht unwichtiger Grund für die frühe Präferenz ‘semidokumentarischer’ Sendeformen,
ist wohl auch in der Filmfeindlichkeit der damaligen Fernsehverantwortlichen zu
sehen, in der sich das Bestreben nach Abgrenzung zum Kino ausdrückt. „Film ist
Konserve“, heißt es in den Anfangstagen des Fernsehens, „Fernsehen ist live“. 98 Da das
Live-Prinzip aber - wie sich schnell zeigt - aus technischen, organisatorischen und vor
allem ökonomischen Gründen nur sehr bedingt durchzuhalten ist, wird versucht, dem Live-
Geschehen so nahe wie möglich zu kommen, indem man es kurzerhand im Studio nachstellt.
Davon leben vor allem die ‘Polizeiberichte’.
Die Notwendigkeit, Sendezeit zu füllen und der Wunsch, fernsehgerechte Sendeformen zu
finden, machte neben Vorbildern aus anderen Medien vor allem im US-Fernsehen bereits
bewährte Sendungen bzw. Sendeformen nachahmenswert: So wurde aus dem amerikanischen
Dragnet die westdeutsche Sendereihe Stahlnetz. 99 Der Polizeibericht meldet 100
geht wahrscheinlich auf Sendeformen der 40er Jahre zurück, wo in den USA bereits Aufklärungssendungen
dieses Typs - etwa Rackets are my Racket liefen. Nach Aussagen von
Regisseur Jürgen Roland sollte die Sendung der Polizei Gelegenheit geben, „überhaupt erst
einmal wieder mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen“. 101
Das Konzept von Stahlnetz, der beliebten Fernseh-Krimireihe der 50er und 60er Jahre,
hatte sich übrigens bereits im amerikanischen Hörfunk der 40er Jahre bewährt, so daß hier
nicht von einer genuin fernsehspezifischen Sendeform ausgegangen werden kann.
Auch die Mitratespiele, die in den 50er Jahren im westdeutschen Fernsehprogramm
waren (‘Fernsehspiele für Kriminalisten’ von Kurt Paqué 102), haben ihre Vorläufer in den
USA. Das Publikum kann sich an der Lösung des Falls beteiligen, aber ohne konkreten
Fahndungshintergrund wie bei Aktenzeichen: XY...ungelöst.
Die Sendereihe Der Polizeibericht meldet hatte schon in den ersten offiziellen Sendewochen
des westdeutschen Fernsehens Premiere. 103 Bei den ZuschauerInnen war die
Sendereihe ausgesprochen beliebt. 104 Nun ist zwar unter den ExpertInnen strittig, ob es
98 In diesem Sinne äußerte sich Carsten Diercks - Kameramann der ‘ersten Stunde’ des westdeutschen
Fernsehens (u.a. Der Polizeibericht meldet...) - in einem Interview, das die Autorin gemeinsam mit
Andrea Menn im Januar 1993 in Hamburg führte. Cf. auch Hickethier 1990.
99 Cf. Collins, Javna 1988, S. 61f; Lerg 1983, 109f. - Sowohl der damals verantwortliche Chefredakteur
Rüdiger Proske als auch Regisseur Jürgen Roland berichten in Interviews, die die Autorin gemeinsam
mit Andrea Menn im Januar 1993 führte, darüber, wie sie bei Amerikareisen das Dragnet-Konzept aufspürten.
100 Start der Live-Sendung des NWDR: 22.1.1953. Die Leitung der Sendung hatte Jürgen Roland. Der
letzte Polizeibericht (14.3.1958) war gleichzeitig die erste Stahlnetz-Folge.
101 Roland 1959, S. 50. In dem o.g. Interview äußerte Jürgen Roland die Ansicht, daß die Polizei zu der
damaligen Zeit in der Bevölkerung ein sehr schlechtes Ansehen hatte, was seiner Meinung nach ungerechtfertigt
war. Eine Image-Pflege hatte die Polizei nötig, weil sie in der Nachkriegszeit aufgrund der
Erfahrungen während der NS-Herrschaft einen schweren Stand in der Bevölkerung hatte.
Jürgen Roland machte übrigens auch Reportagen innerhalb dieses Themenkreises: z.B. Achtung,
Achtung! Funkstreife 12, eine Fernsehreportage vom Einsatz der Polizei-Streifenwagen, die in Zusammenarbeit
mit der Hamburger Polizei entstanden ist (gesendet am 16. März 1955).
102 Die erste Sendung dieser Art lief am 15.10.1953: Der Fall Sieveking.
103 Am 25. 12. 1952 war offizieller Sendebeginn des Deutschen Fernsehens, bereits am 22. Januar 1953
lief die erste Folge der Sendereihe Der Polizeibericht meldet.
104 Auf einer Urteilsskala von -10 bis +10 lagen die Bewertungen der ZuschauerInnen dieser Sendung bei
+8. Cf. Nordwestdeutscher Rundfunk - Hörerforschung 1956, S. 90.
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