08.11.2012 Aufrufe

Einleitung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den Diskurs der ...

Einleitung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den Diskurs der ...

Einleitung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den Diskurs der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die Sen<strong>der</strong>eihe Stahlnetz b<strong>es</strong>timmt seit 1958 das Krimi-Bild im w<strong>es</strong>tdeutschen Fernsehen<br />

entschei<strong>den</strong>d mit. Die darg<strong>es</strong>tellten Fälle stammen aus <strong>den</strong> Polizeiakten - doch sind sie<br />

zugegebenermaßen ‘aufgepeppt’. 113 Der Polizeialltag in w<strong>es</strong>tdeutschen Großstädten bietet<br />

- je<strong>den</strong>falls in <strong>den</strong> 50er und 60er Jahren - nicht die Auswahl an Fällen, die die Großstadt<br />

Los Angel<strong>es</strong> zu bieten hat, wo die amerikanische Serie spielt. Polizeiarbeit soll möglichst<br />

realitätsnah gezeigt wer<strong>den</strong>, auf spektakuläre Fälle wird bewußt verzichtet, <strong>der</strong> mühsame<br />

Alltag d<strong>es</strong> Polizeireviers soll möglichst getreu abgebildet wer<strong>den</strong> 114: Dahinter steckt die<br />

Vorstellung einer ‘realen’ Fiktion, durch Bil<strong>der</strong> eine neue Unmittelbarkeit d<strong>es</strong> Erlebens<br />

herzustellen. 115 Als explizit<strong>es</strong> Signal für Realitätsbezogenheit wird jeweils im Vorspann<br />

bekundet, daß <strong>es</strong> sich bei dem gezeigten Vorgang um eine tatsächliche Begebenheit handelt<br />

und lediglich die Daten zur Person, Namen, Schauplätze etc. geän<strong>der</strong>t wer<strong>den</strong>. 116 Damit -<br />

und mit vielen an<strong>der</strong>en Signalen, z.B. erläutern<strong>der</strong> Off-Sprecher in quasi-Reporter-<br />

Funktion - wird die Rezeption <strong>der</strong> FernsehzuschauerInnen in Richtung Dokumentation<br />

gelenkt. Eine Vorgehensweise, die <strong>den</strong> gelernten Journal<strong>ist</strong>en Wolfgang Menge (Autor)<br />

und Jürgen Roland (Regisseur) gewissermaßen ‘auf <strong>den</strong> Leib g<strong>es</strong>chnei<strong>der</strong>t’ war. Außerdem<br />

möchte Roland - wie bereits bei <strong>den</strong> Polizeiberichten - <strong>der</strong> Polizei zu b<strong>es</strong>serem Ansehen<br />

verhelfen. 117 Di<strong>es</strong><strong>es</strong> Bemühen springt schon bei unsystematischer Betrachtung <strong>der</strong> Stahlnetz-Folgen<br />

ins Auge: Es gibt immer wie<strong>der</strong> Szenen, in <strong>den</strong>en Äußerungen von negativen<br />

Vorurteilen in <strong>der</strong> Bevölkerung dem harten Polizeialltag gegenüberg<strong>es</strong>tellt wer<strong>den</strong>, <strong>den</strong> die<br />

Poliz<strong>ist</strong>en in selbstlosem Einsatz me<strong>ist</strong>ern. Solche und ähnliche Beobachtungen systematisch<br />

zu erheben und zu analysieren, würde <strong>es</strong> ermöglichen, spätere bzw. aktuelle Entwicklungen<br />

in einen differenzierten Traditionszusammenhang zu stellen.<br />

Der dokumentarischen Traditionslinie d<strong>es</strong> Fernsehkrimis rechnet Thomas Radewagen<br />

neben Stahlnetz die Reihen Das Kriminalmuseum (erzählt) und Die 5. Kolonne zu. 118<br />

Beide Sendungen wur<strong>den</strong> im ZDF ausg<strong>es</strong>trahlt und „nach Unterlagen <strong>der</strong> Kriminalpolizei<br />

frei g<strong>es</strong>taltet“.<br />

Insg<strong>es</strong>amt <strong>ist</strong> <strong>es</strong> anhand d<strong>es</strong> gegenwärtigen Forschungsstand<strong>es</strong> nicht möglich, eindeutige<br />

Aussagen über <strong>den</strong> Stellenwert von ‘dokumentarisch’ bzw. ‘semidokumentarisch’ ausgerichteten<br />

Ausprägungen d<strong>es</strong> Krimigenr<strong>es</strong> - in Abgrenzung zu fiktionalen - im w<strong>es</strong>tdeutschen<br />

Fernsehen zu machen. Ausreichend belegbar anhand <strong>der</strong> Sekundärliteratur <strong>ist</strong><br />

lediglich folgend<strong>es</strong>: Im ExpertInnendiskurs findet die Referenzfrage - also die Frage nach<br />

dem Verhältnis zwischen Kriminalität bzw. <strong>der</strong>en Bekämpfung in <strong>der</strong> ‘Alltagswirklichkeit’<br />

113 Eine Tatsache, die Regisseur Jürgen Roland im o.g. Interview freimütig eing<strong>es</strong>teht.<br />

114 Aber auch nicht zu getreu: Wolfgang Menge antwortet auf die Frage nach dokumentarischem Material<br />

zu <strong>den</strong> Stahlnetz-Sendungen: „Ja, ich habe mich mit <strong>der</strong> Kripo unterhalten und informiert. Aber<br />

dokumentarisch war <strong>es</strong> <strong>den</strong>noch nicht ganz, weil ich oft was verän<strong>der</strong>n mußte. Schon weil die Polizei,<br />

unvermeidlich oft und das weiß sie dann hinterher auch b<strong>es</strong>ser, Fehler macht. Und wenn ich die<br />

komplett zeigen würde, wür<strong>den</strong> sich die Leute totlachen. Dagegen <strong>ist</strong> prinzipiell nichts einzuwen<strong>den</strong>,<br />

aber <strong>es</strong> hätte dem Sinn <strong>der</strong> Sendung nicht unbedingt entsprochen.“ (1970, S. 25) Cf. auch Roland 1958<br />

und 1959 sowie Schnei<strong>der</strong> 1965.<br />

115 Cf. Roland 1958 und Schnei<strong>der</strong> 1965.<br />

116 Im Vorspann von Stahlnetz-Folgen wurde folgen<strong>der</strong> Text g<strong>es</strong>endet: „Di<strong>es</strong>er Fall <strong>ist</strong> wahr. Er wurde<br />

aufgezeichnet nach <strong>den</strong> Unterlagen <strong>der</strong> Kriminalpolizei. Nur Namen von Personen, Plätzen und die<br />

Daten wur<strong>den</strong> geän<strong>der</strong>t, um Unschuldige und Zeugen zu schützen.“<br />

117 So von ihm geäußert im oben erwähnten Interview.<br />

118 Radewagen 1985, S. 18.<br />

16

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!