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M 1 - Gymnasium Damme

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V. Materialien<br />

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Der Sektor „Ausland“ und Gründe für Außenhandel<br />

Alle ausländischen Anbieter und Nachfrager von Sachgütern und Dienstleistungen, die<br />

mit der inländischen Wirtschaft in Im- und Exportbeziehungen treten, werden unter dem<br />

Begriff Ausland subsummiert. Die Bezeichnungen Import und Export stehen für Geldund<br />

Güterströme zwischen inländischer und ausländischer Wirtschaft. Im Wirtschaftskreislauf<br />

werden jedoch nicht die realen, sondern die monetären Ströme abgebildet. Deswegen<br />

verlaufen die Ausfuhren (Exporte) vom Sektor Ausland zum Sektor Unternehmen.<br />

Entsprechend verlaufen die Einfuhren (Importe) vom Sektor Unternehmen zum Sektor<br />

Ausland.Wenn die Exporte eines Landes höher ausfallen als die Importe, entsteht ein<br />

Exportüberschuss, auch positiver Saldo genannt. Die Folge für das Inland ist ein Überschuss<br />

an Devisen und damit eine Zunahme der Geldvermögens. Die Forderungen des<br />

Inlands gegenüber dem Ausland steigen daher. Übersteigen die Importe die Exporte,<br />

spricht man von einem Importüberschuss, auch negativer Saldo genannt. Die Folge sind<br />

wachsende Verbindlichkeiten gegenüber der ausländischen Wirtschaft.


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Die klassische Außenhandelstheorie<br />

Der internationale Handel ist bestimmt durch natürliche und kostenbedingte Gründe. Ein<br />

natürlicher Grund für internationalen Handel besteht dann für ein Land, wenn ein<br />

bestimmtes Gut im eigenen Land nicht existent ist oder durch das Fehlen eines oder<br />

mehrerer Produktionsfaktoren nicht produziert werden kann. Dabei spielt die Verteilung<br />

der Rohstoffe bzw. Energieträger auf der Welt eine entscheidende Rolle. Deutschland verfügt<br />

beispielsweise über keine Goldminen und auch Kiwis reifen unter den hiesigen klimatischen<br />

Bedingungen schlecht. Doch auch wenn bestimmte Güter im Land vorhanden<br />

sind, gibt es Motive, die für den Import sprechen, so machen beispielsweise Kosten- und<br />

Preisvorteile ausländischer Anbieter diese Güter attraktiv. Das Traumauto kann man in<br />

Dänemark eventuell viel günstiger erwerben als in Deutschland. Umgekehrt können<br />

Kostenvorteile im Inland Anreize für die ausländische Nachfrage darstellen. Kostenbedingte<br />

Gründe für internationalen Handel beziehen sich häufig auf günstigere Rohstoffpreise<br />

sowie billigere Halb- und Fertigprodukte.<br />

Zwei wesentliche Motive für internationalen Handel sollen in einem kurzen Überblick<br />

angerissen werden:<br />

Aus unterschiedlichen Gründen können Güter in einem Land nicht hergestellt werden:<br />

Notwendige Produktionsfaktoren, d.h. Natur,Arbeit,Wissen und Kapital fehlen, verfügbare<br />

Produktionsfaktoren werden ineffizient eingesetzt oder die Produktion bestimmter<br />

Güter im Inland wird durch äußere Einflüsse verhindert.<br />

Natürlich stellt jedes Land Überlegungen an, wie der Gütermangel behoben werden<br />

kann. Zu aller erst besteht die Möglichkeit, auf ein nicht verfügbares, aber entbehrliches<br />

Gut einfach zu verzichten. Ist das Gut nur zeitweilig nicht verfügbar, können auch Einsparungen<br />

weiterhelfen. Denkbar ist ebenso eine Ersetzung des Gutes durch ein anderes<br />

Produkt, indem dieses z.B. synthetisch hergestellt wird.Am naheliegendsten ist es<br />

jedoch, das benötigte Gut zu importieren. Bei fehlerhaften bzw. gestörten Einsatz von<br />

Produktionsfaktoren bedarf es vor allem politischer Ansätze, um Planungsdefizite zukünftig<br />

zu vermeiden.Wirtschaft vollzieht sich jedoch in Kreisläufen, und um eine ausgeglichene<br />

Handelsbilanz sicherzustellen, müssen im Gegenzug inländische Güter exportiert.<br />

Nicht nur der Mangel an Produktionsfaktoren, auch eine Überversorgung mit Rohstoffen,<br />

Halb- oder Fertigerzeugnissen stellt einen Grund für internationalen Handel dar. Ein<br />

Überangebot an Gütern in einem Land führt zu Überlegungen, wie man Überschüsse<br />

absetzen kann („vent-for-surplus“-Theorie = Ventil für Überschüsse).Als prominentes Beispiel<br />

seien die gigantischen Agrarüberschüsse der Europäischen Union z.B. an Getreide,<br />

Rindfleisch und Butter erwähnt, die, sofern sie nicht vernichtet werden, zu subventionierten<br />

Dumpingpreisen exportiert werden. Ein Überangebot an bestimmten Gütern entsteht<br />

in vielen Fällen durch bewusste Spezialisierung. Unternehmen produzieren über die<br />

Nachfrage im eigenen Land hinaus und benötigen den Weltmarkt als Ventil für ihre Überschussproduktion.Auf<br />

diese Weise können Kapazitäten ausgelastet und die Möglichkeiten<br />

der Kostendegression ausgenutzt werden. Problematisch für ein Land ist die Abhängigkeit<br />

von den Erlösen aus einigen wenigen Exportgütern. Dies kann ein Land zwingen, seine<br />

Exportgüter weit unter ihrem Wert zu ungünstigen Preisen auf dem Weltmarkt zu verkaufen,<br />

damit überhaupt Erlöse zurückfließen, Devisen eingenommen und dafür wiederum<br />

wichtige Güter eingeführt werden können.<br />

Kosten- und Preisvorteile stellen einen weiteren Grund für den internationalen Handel<br />

dar: Bestimmte Produkte können im Ausland günstiger produziert werden als in Deutschland,<br />

umgekehrt bieten Kostenvorteile in Deutschland bei anderen Produkten einen<br />

Anreiz für die ausländische Nachfrage. Kostenunterschiede ergeben sich hinsichtlich der<br />

Quantität und der Qualität der verfügbaren Produktionsfaktoren:<br />

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• Umwelt/Boden: In welchem Ausmaß und in welcher Qualität stehen Bodenschätze,<br />

Rohstoffe und Energiequellen zur Verfügung? Welche Klimabedingungen herrschen,<br />

von welcher Qualität sind die Bodenflächen?<br />

• Arbeitskraft/Wissen:Welches Arbeitskräftepotenzial und welche Leistungsbereitschaft<br />

ist vorhanden? Auf welche Weise kommen neue Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

zur Anwendung?<br />

• Kapitalausstattung:Wie ist der technische Stand der Produktionsanlagen? Welche<br />

Investitionsbedingungen sind in einem Land gegeben?<br />

Absolute Kostenvorteile<br />

Klassischerweise liegt die Vorteilhaftigkeit des internationalen Handels in den absoluten<br />

Kostenvorteilen für die Länder, eine Begründung, die auf den Gründungsvater der Wirtschaftswissenschaft,Adam<br />

Smith, zurückgeht. Er wollte aufzeigen, dass der Außenhandel<br />

wie auch die Aufteilung der Arbeit auf die gesamte Völkergemeinschaft allen beteiligten<br />

Ländern Vorteile bringt.Wichtig ist dabei seiner Ansicht nach, dass jedes Land die Güter<br />

produzieren soll, die es billiger herstellen kann als das Ausland. Diese kostengünstig hergestellten<br />

Güter können dann gegen die Güter eines anderen Landes getauscht werden. Die<br />

Vorteile bestehen vor allem in der Spezialisierung eines Landes auf die Produktion<br />

bestimmter Güter und den daraus resultierenden Handel, denn auf diese Art ist es dem<br />

Land möglich, die vorhandenen Arbeitskräfte produktiver einzusetzen.Würde jedes Land<br />

alle Güter selbst produzieren, um sich selbst zu versorgen, müssten die Arbeitskräfte eine<br />

Vielzahl von Gütern herstellen und für kein Gut könnte ein Kostenvorteil erwirtschaftet<br />

werden. Der Außenhandel ermöglicht es den Ländern, über eine höhere Zahl von Gütern<br />

verfügen zu können als bei der reinen Selbstversorgung.Adam Smith war seiner Zeit durch<br />

die Etablierung der Außenhandelstheorie weit voraus. Die absoluten Herrscher seiner Epoche<br />

(dem 18. Jhdt.) waren überzeugt vom Merkantilismus, der auf weitgehender wirtschaftlicher<br />

Autonomie und der Selbstversorgung eines Landes beruht, um unabhängig von<br />

Importen aus anderen Ländern zu sein. Der Außenhandel des Merkantilismus war darauf<br />

ausgerichtet, auf Kosten anderer Länder zu gewinnen.Adam Smith entwickelt in seiner<br />

Außenhandelstheorie jedoch den Ansatz, dass der Handel mit Gütern, auf deren Produktion<br />

sich ein Land spezialisiert hat, letztlich mehr Wohlstand für dieses Land generieren lässt. Er<br />

sieht in der internationalen Arbeitsteilung die Möglichkeit einer Steigerung der internationalen<br />

Produktivität. Der Wohlstand eines Landes erreicht dann den höchsten Stand, wenn<br />

ein Land seine absoluten Kostenvorteile nützt, in dem es sich auf die Produktion jene Güter<br />

spezialisiert, die es am kostengünstigsten herstellen kann. Ein absoluter Kostenvorteil kann<br />

sich jedoch ebenso ergeben, wenn man ein qualitativ gleichwertiges ausländisches Produkt<br />

(einschließlich Transport- und Zollkosten) kostengünstiger als das entsprechende einheimische<br />

Produkt erwerben kann. Um die Vorteile von Arbeitsteilung und Spezialisierung realisieren<br />

zu können, wird der internationale Handel gebraucht und gleichzeitig gefördert.<br />

Komparative Kostenvorteile<br />

Die Überlegungen von Adam Smith können jedoch nicht erklären, warum Länder Güter<br />

exportieren, die keine absoluten Preisvorteile besitzen. Eine Weiterentwicklung erfolgte<br />

durch David Ricardo, der eines der berühmtesten Theoreme der Wirtschaftswissenschaften<br />

formuliert hat: jenes der komparativen Kostenvorteile. Es besagt, dass ein Land die<br />

Vorteile der internationalen Arbeitsteilung für sich nutzen kann, indem es sich auf jene<br />

Güter spezialisiert, für die es komparative Kostenvorteile besitzt. Nach Ricardos Ansicht<br />

bestehen Gründe für einen Handel zwischen zwei Ländern, wenn ein Land A alle Produkte<br />

kostengünstiger herstellen kann als der Handelspartner Land B. Das Theorem der komparativen<br />

Kosten erklärt der amerikanische Nobelpreisträger für Nationalökonomie, Paul<br />

A. Samuelson, an folgendem Beispiel:


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„Ein Rechtsanwalt ist zugleich der beste Anwalt und der beste Schreibmaschinen-Schreiber<br />

seiner Stadt.Wird er sich nicht trotzdem auf seine Anwaltspraxis spezialisieren und<br />

das Maschine schreiben seiner Sekretärin überlassen? Er kann es sich nicht leisten, wertvolle<br />

Zeit, in der er als Anwalt tätig sein könnte, zu verlieren, um seine Schreibmaschinenarbeiten<br />

zu erledigen. Denn aus der Ausführung seiner Anwaltstätigkeit erzielt er einen<br />

erheblichen komparativen Vorteil, wohingegen er aus seinem Schreibmaschine schreiben<br />

zwar einen absoluten, aber keinen komparativen Nutzen zieht. Oder betrachten wir es<br />

mit den Augen der Sekretärin. Sie ist ihrem Chef in beiden Tätigkeiten unterlegen. Doch<br />

ist ihr Nachteil im Schreibmaschine schreiben relativ am geringsten. So gesehen, verfügt<br />

sie beim Maschine schreiben über einen komparativen Vorteil.“ (Quelle: Samuelson, P.A./<br />

Nordhaus,W. D. (1998):Volkswirtschaftslehre, 15.A.,Wien Ueberreuther, 778)<br />

Das Ricardo-Theorem erfasst die Komplexität des internationalen Handels nicht vollständig,<br />

dennoch ist seine grundsätzliche Bedeutung nicht zu unterschätzen.<br />

Weiterentwicklungen und ergänzende Erklärungsansätze<br />

(1) Faktor-Proportionen-Theorem (Heckscher/Ohlin)<br />

Während das Ricardo-Theorem auf die Produktivitätsunterschiede, genauer auf der unterschiedlichen<br />

Arbeitsproduktivität basiert, haben die Schweden Heckscher und Ohlin untersucht,<br />

welchen Einfluss die Faktorausstattung eines Landes im Hinblick auf die komparativen<br />

Kostenvorteile hat: Je reichlicher ein Land mit einem bestimmten Faktor ausgestattet<br />

ist, desto relativ günstiger werden die Preise des Faktors sein. Es geht also nicht darum, welche<br />

Länder absolut gesehen über mehr Kapital oder mehr Arbeiter verfügen.Vielmehr<br />

kommt es auf das Verhältnis an, in dem diese Faktoren in den Ländern vorhanden sind.<br />

Nach dem Heckscher-Ohlin-Theorem wird ein Land beispielsweise das kapitalintensivere<br />

Produkt exportieren, wenn Kapital relativ reichlich vorhanden ist, dagegen das arbeitsintensivste<br />

Produkt bei relativ reichlich vorhandenen Arbeitskräften.. Die Faktorproportionen-<br />

Theorie beschäftigt sich mit den Proportionen, in denen unterschiedliche Produktionsfaktoren<br />

in verschiedenen Ländern verfügbar sind und in der Produktion eingesetzt werden.<br />

Alle bisherigen Ansätzen weisen als Gemeinsamkeit eine volkswirtschaftliche Perspektive<br />

auf.Wir wissen aber: Nicht Länder, sondern Unternehmen treiben Handel. In den Abschnitten<br />

(2) und (3) werden zwei Ansätze der Betriebswirtschaftslehre vorgestellt, die die Vorteile<br />

der internationalen Arbeitsteilung aus der Sicht von Unternehmen hervorheben.<br />

(2) Produktlebenszyklustheorie (Vernon/Hirsch)<br />

Wie ändern sich komparative Vorteile im Laufe der Zeit? Wie kann ein Land seine komparativen<br />

Vorteile beeinflussen und gestalten? Die Produktlebenszyklustheorie ist eine Weiterentwicklung<br />

des Faktorproportionen-Theorems und geht auf die Amerikaner Vernon und Hirsch<br />

zurück. Diese Theorie geht davon aus, dass ein neues Produkt drei Lebensphasen durchläuft:<br />

Notizen<br />

Abb.: Produktlebenszyklus 50 51<br />

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Innovationsphase (Einführung)<br />

Ein neues Produkt wird zunächst nur auf dem heimischen Markt eingeführt und gewinnt<br />

langsam Marktanteile. Bei der Entwicklung eines neuen Produkts wird für die Überwindung<br />

technologischer Hindernisse relativ viel qualifizierte Arbeitskraft benötigt. Nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg wurde der Großteil an neuen Produkten von amerikanische Firmen entwickelt<br />

und verkauft. Der große US-Markt bot amerikanischen Firmen starke Anreize, neue<br />

Konsumprodukte zu entwickeln. Durch Überlegungen, wie die Produktion dieser Güter<br />

rationalisiert werden kann, konnten die anfänglich hohen Investitionen in die Arbeitskraft<br />

schnell durch eine immer kostengünstiger werdende Fertigung ausgeglichen werden.<br />

Ausreifungsphase<br />

In dieser Phase etabliert sich das Produkt am heimischen Markt. Das Produkt wird exportiert,<br />

auch im Ausland steigen seine Marktanteile. Da die Reifephase beim Aufbau der Produktionskapazität<br />

einen vergleichsweise großen Kapitaleinsatz auf hohem technischem<br />

Niveau fordert, steht die Produktmengenexpansion im Vordergrund. Hat das Produkt dieses<br />

Stadium des Lebenszyklus erreicht, imitieren andere Unternehmen im In- und Ausland<br />

dieses Produkt in zunächst billigerer und weniger hochwertiger Qualität. Um den sogenannten<br />

Me-To-Produkten, den Imitationen des ursprünglichen Produkts, entgegenzuwirken,<br />

kann das Unternehmen selbst mit der Errichtung zusätzlicher Produktionsstätten im<br />

entwickelten Ausland reagieren und erreicht damit eine Verlängerung einer monopolähnlichen<br />

Marktstellung.<br />

Sättigungsphase (Standardisierung)<br />

Das Produkt entsteht in dieser Phase in Serienfertigung bzw. in standardisierter Massenproduktion.<br />

Der Kapitaleinsatz verringert sich, der Einsatz von qualifizierter Arbeitskraft<br />

ist im Gegensatz zu den vorangegangenen nicht mehr im gleichen Maß erforderlich. In<br />

dieser Phase haben geringer entwickelte Länder oftmals Wettbewerbsvorteile. Sie produzieren<br />

kostengünstiger, und das kann dazu führen, dass das Innovationsunternehmen<br />

selbst nicht mehr konkurrenzfähig ist. Die Produktion wird z.B. in Entwicklungsländer<br />

verlagert.<br />

(3) Wettbewerbsmodell (Porter)<br />

Michael Porter, Professor an der Harvard-Business-School, stellte Ende des 20. Jahrhunderts<br />

die Frage, warum einige Länder in bestimmten Industriezweigen besonders erfolgreich<br />

sind. Nach Porter gibt es gute und weniger gute Bedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit,<br />

wobei nicht die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft, sondern die Wettbewerbsfähigkeit<br />

von Unternehmen oder Branchen gemeint ist. Die „Diamantentheorie“<br />

besagt, dass die Wettbewerbsfähigkeit von vier Haupt- und zwei Nebenelementen der<br />

Gesamtwirtschaft eines Landes abhängt. Diese Elemente entscheiden darüber, ob Innovationen<br />

gefördert, neue Produktionsverfahren umgesetzt und Wissen und Fähigkeiten<br />

zügig verbreitet werden (vgl. Perlitz 2000, 159). Die vier Hauptelemente der Diamantentheorie<br />

sind<br />

• die Faktorausstattung (Menge und Qualität der Einsatzfaktoren, der Qualifikationsstand<br />

der Arbeitskräfte, die Infrastruktur usw.)<br />

• die Nachfragebedingungen (z.B. die Marktgröße, das Anspruchsniveau der Konsumenten<br />

an Produkt- und Dienstleistungen)<br />

• verwandte und unterstützende Branchen (z.B. das Vorhandensein von Unternehmensclustern,<br />

die evtl. auch international wettbewerbsfähig sind)


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• Unternehmensstrategien, Struktur und Konkurrenz (z.B.Anzahl der konkurrierenden<br />

Unternehmen, Intensität des Wettbewerbs in einer Branche, Struktur privater und<br />

staatlicher Unternehmen)<br />

Quelle: in Anlehnung an Porter (1993)<br />

Zu diesen vier Hauptelementen kommen zwei Nebenbedingungen: der Zufall und der<br />

Staat. „Zufallsereignisse“ können für die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit außerordentlich<br />

wichtig sein (vgl. z.B. Entdeckungen, größere technologische Umbrüche in den<br />

Bereichen der Biotechnologie und Mikroelektronik,Auswirkungen von Erdölkrisen auf<br />

Preise, umfangreiche Verschiebungen auf den Weltfinanzmärkten, Kriege).<br />

Die Erlangung der Wettbewerbsfähigkeit scheitert allerdings, wenn staatliche Politik der<br />

einzige Ursprung eines Wettbewerbsvorteils ist: Der Staat kann bestenfalls die Chancen<br />

von Branchenunternehmen fördern, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, ihn aber<br />

selbst nicht schaffen.<br />

(4) Intraindustrieller Handel<br />

Beim „intraindustriellen Handel“ findet Im- und Export mit ähnlichen oder gleichen<br />

Gütern zwischen sehr ähnlichen Ländern (Industrieländern) statt. Der intraindustrielle<br />

(auch: intrasektorale) Handel bestimmt etwa die Hälfte des gesamten Welthandels. Über<br />

den intraindustriellen Handel – die Automobilindustrie ist hierfür ein typisches Beispiel –<br />

lassen sich einige allgemeine Aussagen treffen. Die gehandelten Waren unterscheiden sich<br />

kaum im Hinblick auf die Kapital- und Arbeitsintensität, mit der sie hergestellt worden<br />

sind. Dies gilt ebenfalls für die Faktorproduktivitäten der Technologien, mit denen sie<br />

produziert worden sind. Die beteiligten Länder sind weiterhin auf einem vergleichbaren<br />

technologischen Stand. Intraindustrieller Handel tritt hauptsächlich bei Produkten des<br />

verarbeitenden Gewerbes auf, sehr viel weniger bei Rohstoffen und Vorprodukten. Entsprechend<br />

ist intraindustrieller Handel bei Industrieländern stärker ausgeprägt als bei<br />

Entwicklungsländern. Ungleich entwickelte Länder betreiben eher interindustriellen<br />

Handel (Import und Export höchst unterschiedlicher Güter zwischen Ländern mit unterschiedlichen<br />

Entwicklungsgraden). Der Handel der hochentwickelten Länder ist mit ca.<br />

drei Viertel des Gesamthandels in extremem Maße intraindustriell. Die hohe Bedeutung<br />

des intraindustriellen Handels hat v. a. zwei Ursachen:<br />

• Die Bedürfnisse und Wünsche der Konsumentinnen und Konsumenten werden immer<br />

spezieller und differenzieren sich weiter aus.<br />

Notizen<br />

• Technologische Entwicklungen ermöglichen mit wachsender Geschwindigkeit stetig<br />

neue Produktvarianten und Innovationen. 52 53<br />

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Was ist Globalisierung?<br />

Quelle: unbekannt<br />

Globalisierung ist das Ergebnis eines Internationalisierungsprozesses, der so alt ist wie<br />

die Geschichtsschreibung. Seit Anfang der Neunzigerjahre ist „Globalisierung“ in aller<br />

Munde: für die einen Verheißung, für andere ein Schreckenswort. Die Befürworter der<br />

Globalisierung beziehen sich auf die Funktionsfähigkeit der Märkte und die Vorteile der<br />

internationalen Arbeitsteilung. Man befürwortet das Grundprinzip des Freihandels, ist<br />

also weitestgehend gegen staatliche Eingriffe in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen<br />

und sieht die Globalisierung der Märkte als eine Voraussetzung für Wirtschaftswachstum<br />

und zukünftigen Wohlstand in Industrie- und Entwicklungsländern.<br />

Kritiker der Globalisierung stehen den Selbstregulierungskräften der Märkte skeptisch<br />

gegenüber. Man befürchtet u.a., dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter<br />

auseinander geht, dass sozialstaatliche Errungenschaften und die Umwelt geopfert werden,<br />

dass immer weniger Großkonzerne und demokratisch nicht legitimierte internationale<br />

Institutionen Macht ausüben werden. Kritiker sehen einen internationalen Koordinations-<br />

und Harmonisierungsbedarf, insbesondere im Bereich des internationalen Kapitalverkehrs.<br />

Insgesamt geht es um die Angst vor der Dominanz kapitalistischer über<br />

demokratische Prinzipien.<br />

Globalisierung betrifft nicht nur die Ökonomie, sondern fast alle Lebensbereiche: Konsum<br />

und Lebensformen, Politik, Recht,Technik. Die Märkte dieser Welt – egal, ob es um<br />

Sachgüter, Dienstleistungen,Arbeitskraft oder Kapital geht – wachsen zusammen, ökonomische<br />

Aktivitäten sind immer stärker weltweit vernetzt. Das Markenzeichen „Made in<br />

Germany“ bedeutet immer seltener, dass Güter in Deutschland vollständig produziert<br />

werden. Denn Unternehmen können für unterschiedliche Aufgaben im Rahmen des Leistungsprozesses<br />

verschiedene Auftragnehmer im Ausland suchen – an jeweils geeigneten<br />

Standorten.<br />

Globalisierung ist ein Prozess, der nationalstaatliche Grenzen überwindet, zur Ausweitung<br />

und Intensivierung wissenschaftlich-technischer, ökonomischer, politischer und<br />

soziokultureller Beziehungen zwischen den Kontinenten führt und schließlich den<br />

gesamten Erdball umspannt. In wirtschaftlicher Hinsicht geht es um die zunehmende<br />

Beschleunigung der Verflechtung globaler Märkte für Güter, Dienstleistungen und Kapital,<br />

die Liberalisierung und Deregulierung der nationalen und regionalen Märkte und das<br />

Zusammenwachsen dieser Märkte.<br />

Die Globalisierung ist ein dynamischer Prozess, der nicht aufzuhalten ist. Über die Rahmenbedingungen<br />

und Gestaltungsmöglichkeiten der Globalisierung wird jedoch gestritten.


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Globalisierung auf Güter-, Kapital-, Finanz- und Arbeitsmärkten<br />

Gütermärkte<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Handelshemmnisse weltweit verstärkt abgebaut um<br />

die Vorteile internationaler Arbeitsteilung zu nutzen. Internationale Verträge wie das GATT<br />

wurden geschlossen. Das Handelsvolumen der OECD-Länder (OECD = Organization for<br />

Economic Cooperation and Development) war Mitte der neunziger Jahre acht mal so<br />

groß wie 1960. Im gleichen Zeitraum hat sich die Produktionsleistung dagegen nur verdreifacht.<br />

Das Volumen der weltweit exportierten Güter ist seit Ende der achtziger Jahre<br />

jährlich um 9% gewachsen. Enorm gestiegen ist der Handel mit Industriegütern, besonders<br />

mit Maschinen, Fahrzeugen, chemischen und pharmazeutischen Produkten, elektrotechnischem<br />

und elektronischem Gerät. Bergbauprodukte oder der Handel mit Nahrungsgütern<br />

verloren hingegen Anteile.Aufgrund des technologischen Fortschritts und<br />

der zunehmenden weltwirtschaftlichen Verflechtung werden die Produktlebenszyklen<br />

immer kürzer. Der Welthandel steigt allerdings im Vergleich zu den weltweiten Kapitalströmen<br />

nicht so stark an.<br />

Globalisierung auf den Kapital- und Finanzmärkten<br />

Der Abbau von Beschränkungen und Kontrollen im Kapitalverkehr in den siebziger Jahren<br />

des 20. Jahrhunderts und der rasante Fortschritt im Bereich der Informations- und<br />

Kommunikationstechnologie ermöglichen es Konsumenten und Unternehmen heute, ihr<br />

Vermögen weltweit dort anzulegen, wo es die höchsten Erträge bringt. Kein zweiter<br />

Bereich ist durch die Globalisierung so beschleunigt worden wie der internationale Kapitelverkehr,<br />

kein Gut so mobil wie Kapital. Gigantische Summen jagen praktische ohne<br />

Transaktionskosten und Zeitverzögerung rund um die Welt, den höchsten Renditen hinterher:<br />

„[D]er globale Markt heute ist eine Elektronische Herde, die aus häufig anonymen, über<br />

Computer und Netzwerke miteinander verknüpften Aktien-,Anleihe- und Devisenhändlern<br />

und Investoren besteht. Die Elektronische Herde sieht niemandem schlechte Leistungen<br />

nach. Niemandem. Ihre besonderen Umstände interessieren die Herde nicht, sie<br />

kennt nur ihre eigenen Regeln. [...] Nun, die Herde grast in 180 Ländern, und sie hat<br />

keine Zeit, sich unablässig im Detail mit Ihrem Fall zu beschäftigen. Ihr Urteil, ob Ihr Land<br />

nach ihren Vorgaben lebt, basiert auf Momentaufnahmen; und wer sich an die Vorgaben<br />

hält, wird reich belohnt. Die Herde hasst Überraschungen. Die Herde ist nicht unfehlbar.<br />

Sie macht hin und wieder Fehler, sie neigt zu Überreaktionen und dazu, über das Ziel hinauszuschießen.Aber<br />

wenn Ihre wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Ordnung sind,<br />

dann erkennt sie das früher oder später und kehrt zurück. Die Herde ist niemals sehr<br />

lange blind. Letzten Endes wird sie eine gute Regierung und eine gute Wirtschaftspolitik<br />

honorieren. [...] Die Supermärkte sind die Megamärkte von Tokio, Frankfurt, Sydney, Singapur,<br />

Shanghai, Hongkong, Bombay, Sao Paulo, Paris, Zürich, Chicago, London und New<br />

York. Dort versammeln sich die größten Mitglieder der Elektronischen Herde, tauschen<br />

Informationen aus, wickeln ihre Geschäfte ab und platzieren Aktien und Anleihen, das<br />

Futter, von dem die Herde lebt.“<br />

Quelle: Friedman, T. L. (2000): Globalisierung verstehen – Zwischen Marktplatz und Weltmarkt,<br />

Berlin: Econ, 130ff.<br />

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Insbesondere seit Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts hat der Kapitalexport<br />

stark zugenommen. Die internationalen Wirtschaftsbeziehungen verlagern sich seitdem<br />

tendenziell vom Warenhandel zum Finanzhandel. Es gibt verschiedene Formen des Kapitalexports:<br />

• Direktinvestitionen (Gründung oder Erwerb von Unternehmen im Ausland sowie<br />

Fusionen),<br />

• Portfolioinvestitionen (indirekte Investitionen, d.h. Übertragung von inländischem<br />

Kapital ins Ausland zum Zweck des Erwerbs von Forderungen, die keine direkten<br />

Eigentumsrechte begründen, z.B.Anteile an Unternehmen ohne Einfluss auf die<br />

Unternehmenspolitik),<br />

• Spekulationen (kurzfristige Kapitalbewegungen).<br />

Direktinvestitionen finden im Wesentlichen zwischen den Industrieländern statt, der<br />

Anteil der Schwellenländer ist allerdings steigend. Ca. 85% der Direktinvestitionen entfallen<br />

auf die USA, Japan, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Niederlande und Kanada.<br />

Die mittel- und osteuropäischen Transformationsländer und die Entwicklungsländer<br />

profitierten aufgrund ökonomischer und politischer Risiken weniger von Direktinvestitionen.<br />

Die Bedeutung verlässlicher Institutionen zur Verringerung von Unsicherheit und<br />

Transaktionskosten für Unternehmen wird hier deutlich.<br />

Internationale Banken,Versicherungen und Brokerhäuser sind auf den Geldmärkten aktiv<br />

und handeln mit Aktien,Anleihen, Devisen,Terminen und Optionen. Nicht selten werden<br />

mit diesen Transaktionen keine realen Geschäfte abgewickelt, sondern es wird spekuliert.<br />

Die Schwankung der Devisen- und Finanzmärkte hat zur Absicherung von Geschäftsrisiken<br />

entsprechende Finanzierungsinstrumente hervorgebracht.<br />

Globalisierung auf den Arbeitsmärkten<br />

Die internationale Arbeitsteilung bewirkt, dass die Produktionsfaktoren dorthin wandern,<br />

wo Güter produziert werden, die einen mobilen Faktor relativ intensiv nutzen. Der Produktionsfaktor<br />

„Arbeit“ ist nicht so mobil wie Güter und Kapital. Die Arbeitsmärkte werden<br />

durch die Globalisierung nur teilweise durchlässiger. Innerhalb der EU hat die<br />

Arbeitsmigration trotz „Freizügigkeit“ insgesamt eher abgenommen.<br />

Die Anreize für Arbeitsmigration spielen eine wesentliche Rolle.Arbeitskraft wandert – in<br />

der Theorie und ceteris paribus – dorthin, wo ihre Entlohnung am höchsten ist („Faktorproportionentheorem“).<br />

Die höchsten Löhne werden dort gezahlt, wo der Faktor<br />

„Arbeit“ am produktivsten eingesetzt wird. Es gibt qualifizierte Arbeitskräfte, die heute<br />

quasi welt-weit eine Anstellung finden können. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus<br />

hat es z.B. einen „brain drain“ wissenschaftlichen Personals aus Osteuropa in reiche<br />

Industrieländer, insbesondere in die USA, gegeben. Die armutsbedingte Migration aus Entwicklungsländern<br />

in die Industrieländer ist allerdings bedeutsamer und wird sich zukünftig<br />

verschärfen. Es wird geschätzt, dass von zehn Migranten neun aus wirtschaftlichen<br />

und nur einer aus politischen Gründen abwandert. Die Grafik zeigt die globalen Migrationsströme<br />

und kennzeichnet Länder mit hoher Aufnahme sowie die wichtigsten Abwanderungsregionen.<br />

Unterschieden wird weiterhin nach qualifizierten und gering bzw.<br />

nicht qualifizierten Wirtschaftsflüchtlingen.


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Jeder macht das, was er am besten kann<br />

Professor Jürgen Heinrich erklärt die ökonomische Bedeutung des<br />

Begriffs „Freihandel“<br />

Deutschland lebt vom Handel.Allein im Monat März haben deutsche Unternehmen<br />

Waren im Wert von 65 Milliarden Euro ins Ausland verkauft. Damit profitiert die Volkswirtschaft<br />

hierzulande enorm vom Freihandel, also vom völlig unbehinderten internationalen<br />

Austausch von Gütern. Beim Freihandel gibt es keine Zölle, keine mengenmäßigen<br />

Beschränkungen und keine Grenzkontrollen.Waren können ohne besondere Genehmigung<br />

das Land verlassen oder nach Deutschland eingeführt werden. Es gibt keine Hemmnisse<br />

bei der Abfertigung und keine Hürden in Form von bürokratischen Regeln zu<br />

Gesundheit,Technik oder Verbraucherschutz.<br />

In Europa ist Freihandel im Rahmen des europäischen Binnenmarktes weitgehend<br />

erreicht.Weltweit wird dieser Zustand durch allgemeine Zollsenkungen im Rahmen der<br />

Welthandelsorganisation WTO angestrebt und durch die Errichtung von Freihandelszonen<br />

(zum Beispiel in Nordamerika oder Asien) gefördert. Freihandel ist damit das zentrale<br />

Element und der zentrale Beweggrund der Globalisierung der Weltwirtschaft.<br />

Freihandel nutzt die Vorteile weltweiter Arbeitsteilung. Kein Mensch produziert das alles<br />

selbst, was er braucht: Kein Bauer stellt seine Traktoren selbst her, kein Bäcker baut selbst<br />

Getreide an, kein Leser schreibt sich selbst seine Zeitung. Jeder produziert das, was er gut<br />

und billig produzieren kann und tauscht dies dann gegen die Erzeugnisse der anderen.<br />

Dies gilt auch und gerade für Länder und über Ländergrenzen hinweg. „Wenn uns ein<br />

fremdes Land mit einer Ware wohlfeiler versehen kann, als wir sie selbst zu machen im<br />

Stande sind, so ist es besser, dass wir sie ihm mit einem Teile vom Erzeugnis unseres eigenen<br />

Gewerbefleißes, in welchem wir vor dem Auslande etwas voraushaben, abkaufen“,<br />

schrieb der Ökonom Adam Smith 1776.<br />

Freihandel nutzt also die Unterschiede in den Produktionskosten zwischen Menschen,<br />

Firmen, Regionen und Ländern. Jedes Land produziert das, was es am besten und billigsten<br />

kann. Unterschiede in den Produktionskosten entstehen auf den ersten Blick<br />

dadurch, dass Rohstoffe ungleich verteilt sind, oder dass das Klima dem einen Land<br />

erlaubt, günstig Kaffee anzubauen, während das andere Land besser Kartoffeln erzeugt.<br />

Wichtiger sind aber Unterschiede in der Ausstattung mit den Produktionsfaktoren Arbeit,<br />

Boden und Kapital. Ein Land, das wie zum Beispiel Argentinien oder Kanada – über viel<br />

und damit billigen Boden verfügt, kann relativ günstig solche Produkte erstellen, die in<br />

der Produktion viel Boden verbrauchen, also etwa Rindfleisch, Getreide oder Holz. Ein<br />

anderes Land, das über viel und damit billige Arbeitskräfte verfügt – wie zum Beispiel<br />

China oder Indien – kann relativ günstig Produkte erstellen, die in der Produktion viel<br />

Arbeit verbrauchen, wie etwa Textilien oder Möbel. Und ein Land wie Deutschland, das<br />

über viele und hochentwickelte Maschinen verfügt, kann relativ günstig solche Produkte<br />

erstellen, die maschinenintensiv produziert werden, wie beispielsweise Autos oder Werkzeugmaschinen.<br />

Notizen<br />

Am wichtigsten sind aber die allgemeinen Spezialisierungsvorteile jeder Arbeitsteilung.<br />

Wenn Firmen sich auf die Produktion bestimmter Produkte spezialisieren, können sie<br />

diese Produkte in großer Serie unter Einsatz spezieller Maschinen günstiger produzieren,<br />

als wenn sie viele unterschiedliche Produkte in kleiner Serie erstellen. Sie nutzen so die<br />

Kostenvorteile der großbetrieblichen Massenproduktion. So spezialisieren sich nur wenige<br />

Firmen und Länder zum Beispiel auf die Produktion von Flugzeugen oder Lokomotiven.<br />

Sie realisieren damit Kostenvorteile und tauschen die Produkte anschließend über<br />

Ländergrenzen hinweg. In diesem Effekt liegt der entscheidende Vorteil der europäischen<br />

Integration, der entscheidende Vorteil der Osterweiterung und der entscheidende Vorteil 56 + 57


Notizen M 4 Materialien<br />

macht Schule<br />

+H<br />

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70<br />

der Globalisierung: Die Produkte werden billiger, die Preise sinken. Einer politischen<br />

Integration bedarf es dazu nicht. Freihandel ist genauso gut zwischen ganz unterschiedlichen<br />

Kulturen und politischen Systemen möglich.<br />

Freihandel ist sogar dann für die beteiligten Länder vorteilhaft, wenn eines der Länder in<br />

der Produktion aller Güter einen Kostenvorteil hat.Wichtig ist nur, dass relative Kostenvorteile<br />

existieren. Dies hat David Ricardo (1772–1823), neben Adam Smith der führende<br />

Vertreter der englischen Klassik, in einem der berühmtesten ökonomischen Lehrsätze<br />

dargelegt. Dieses Theorem der komparativen Kostenvorteile kann an einem einfachen<br />

Beispiel (das von Paul A. Samuelson stammt) erklärt werden: Ein berühmter Rechtsanwalt<br />

sei gleichzeitig Weltmeister im Maschinenschreiben, kann also beides besser als jede<br />

andere Person. Dennoch lohnt es sich für ihn, sich auf die juristische Beratung zu spezialisieren<br />

und eine Bürokraft für Schreibarbeiten zu beschäftigen. Der Grund: In der Zeit,<br />

die er für Büroarbeiten einspart, verdient er so sehr viel mehr Geld für Rechtsberatung,<br />

dass er die Bürokraft bezahlen kann und noch einen Überschuss erzielt. Seine komparativen<br />

Vorteile, also seine vergleichsweisen Vorteile, liegen in der Rechtsanwendung. Die<br />

komparativen Vorteile der Bürokraft liegen im Schreiben.<br />

Quelle: Heinrich, J., Handelsblatt, Nr. 094, 14.05.04, k03


Materialien M 4<br />

SERIE: ÖKONOMIE KOMPAKT (FOLGE 3)<br />

Jeder macht das, was er am<br />

besten kann<br />

Professor Jürgen Heinrich erklärt die ökonomische Bedeutung des Begriffs „Freihandel“<br />

JÜRGEN HEINRICH, DORTMUND<br />

HANDELSBLATT, 14.5.2004<br />

D<br />

eutschland lebt vom Handel.Allein<br />

im Monat März ha-<br />

ben deutsche Unternehmen<br />

Waren im Wert von 65 Milliarden Euro<br />

ins Ausland verkauft. Damit profitiert<br />

die Volkswirtschaft hierzulande<br />

enorm vom Freihandel, also vom völlig<br />

unbehinderten internationalen<br />

Austausch von Gütern. Beim Freihandel<br />

gibt es keine Zölle, keine mengenmäßigen<br />

Beschränkungen und<br />

keine Grenzkontrollen.Waren können<br />

ohne besondere Genehmigung das<br />

Land verlassen oder nach Deutschland<br />

eingeführt werden. Es gibt keine<br />

Hemmnisse bei der Abfertigung und<br />

keine Hürden in Form von bürokratischen<br />

Regeln zu Gesundheit, Technik<br />

oder Verbraucherschutz.<br />

In Europa ist Freihandel im Rahmen<br />

des europäischen Binnenmarktes<br />

weitgehend erreicht. Weltweit<br />

wird dieser Zustand durch allgemeine<br />

Zollsenkungen im Rahmen der<br />

Welthandelsorganisation WTO angestrebt<br />

und durch die Errichtung von<br />

Freihandelszonen (zum Beispiel in<br />

Nordamerika oder Asien) gefördert.Freihandel<br />

ist damit das zentrale<br />

Element und der zentrale Beweggrund<br />

der Globalisierung der Weltwirtschaft.<br />

Freihandel nutzt die Vorteile weltweiter<br />

Arbeitsteilung.Kein Mensch<br />

produziert das alles selbst, was er<br />

braucht: Kein Bauer stellt seine Traktoren<br />

selbst her, kein Bäcker baut<br />

selbst Getreide an, kein Leser schreibt<br />

sich selbst seine Zeitung. Jeder produziert<br />

das, was er gut und billig produzieren<br />

kann und tauscht dies dann<br />

gegen die Erzeugnisse der anderen.<br />

Dies gilt auch und gerade für Länder<br />

und über Ländergrenzen hinweg.<br />

„Wenn uns ein fremdes Land mit einer<br />

Ware wohlfeiler versehen kann,<br />

als wir sie selbst zu machen im Stande<br />

sind, so ist es besser, dass wir sie<br />

ihm mit einem Teile vom Erzeugnis<br />

unseres eigenen Gewerbefleißes, in<br />

welchem wir vor dem Auslande etwas<br />

voraushaben, abkaufen“, schrieb<br />

der Ökonom Adam Smith 1776.<br />

Freihandel nutzt also die Unterschiede<br />

in den Produktionskosten<br />

zwischen Menschen, Firmen, Regionen<br />

und Ländern.Jedes Land produziert<br />

das, was es am besten und billigsten<br />

kann. Unterschiede in den<br />

Produktionskosten entstehen auf den<br />

ersten Blick dadurch, dass Rohstoffe<br />

ungleich verteilt sind, oder dass das<br />

Klima dem einen Land erlaubt, günstig<br />

Kaffee anzubauen, während das<br />

andere Land besser Kartoffeln erzeugt.<br />

Wichtiger sind aber Unterschiede<br />

in der Ausstattung mit den Produktionsfaktoren<br />

Arbeit, Boden und Kapital.Ein<br />

Land, das – wie zum Beispiel<br />

Argentinien oder Kanada – über viel<br />

und damit billigen Boden verfügt,<br />

kann relativ günstig solche Produkte<br />

erstellen, die in der Produktion viel<br />

Boden verbrauchen, also etwa Rindfleisch,<br />

Getreide oder Holz. Ein anderes<br />

Land, das über viel und damit<br />

billige Arbeitskräfte verfügt – wie<br />

zum Beispiel China oder Indien –<br />

kann relativ günstig Produkte erstellen,<br />

die in der Produktion viel Arbeit<br />

verbrauchen, wie etwa Textilien oder<br />

Möbel.Und ein Land wie Deutschland,<br />

das über viele und hochentwickelte<br />

Maschinen verfügt, kann relativ<br />

günstig solche Produkte erstellen,<br />

die maschinenintensiv produziert<br />

werden, wie beispielsweise Autos<br />

oder Werkzeugmaschinen.<br />

Am wichtigsten sind aber die allgemeinen<br />

Spezialisierungsvorteile jeder<br />

Arbeitsteilung.Wenn Firmen sich<br />

auf die Produktion bestimmter Produkte<br />

spezialisieren, können sie diese<br />

Produkte in großer Serie unter<br />

Einsatz spezieller Maschinen günstiger<br />

produzieren, als wenn sie viele<br />

unterschiedliche Produkte in kleiner<br />

Serie erstellen. Sie nutzen so die Ko-<br />

stenvorteile der großbetrieblichen<br />

Massenproduktion. So spezialisieren<br />

sich nur wenige Firmen und Länder<br />

zum Beispiel auf die Produktion von<br />

Flugzeugen oder Lokomotiven. Sie<br />

realisieren damit Kostenvorteile und<br />

tauschen die Produkte anschließend<br />

über Ländergrenzen hinweg. In diesem<br />

Effekt liegt der entscheidende<br />

Vorteil der europäischen Integration,<br />

der entscheidende Vorteil der Osterweiterung<br />

und der entscheidende<br />

Vorteil der Globalisierung: Die Produkte<br />

werden billiger, die Preise sinken.Einer<br />

politischen Integration bedarf<br />

es dazu nicht.Freihandel ist genauso<br />

gut zwischen ganz<br />

unterschiedlichen Kulturen und politischen<br />

Systemen möglich.<br />

Freihandel ist sogar dann für die<br />

beteiligten Länder vorteilhaft, wenn<br />

eines der Länder in der Produktion<br />

aller Güter einen Kostenvorteil<br />

hat.Wichtig ist nur, dass relative Kostenvorteile<br />

existieren. Dies hat David<br />

Ricardo (1772 – 1823), neben Adam<br />

Smith der führende Vertreter der englischen<br />

Klassik, in einem der berühmtesten<br />

ökonomischen Lehrsätze dargelegt.<br />

Dieses Theorem der komparativen<br />

Kostenvorteile kann an einem<br />

einfachen Beispiel (das von Paul A.<br />

Samuelson stammt) erklärt werden:<br />

Ein berühmter Rechtsanwalt sei<br />

gleichzeitig Weltmeister im Maschinenschreiben,<br />

kann also beides besser<br />

als jede andere Person. Dennoch<br />

lohnt es sich für ihn, sich auf die juristische<br />

Beratung zu spezialisieren<br />

und eine Bürokraft für Schreibarbeiten<br />

zu beschäftigen. Der Grund: In<br />

der Zeit, die er für Büroarbeiten einspart,<br />

verdient er so sehr viel mehr<br />

Geld für Rechtsberatung, dass er die<br />

Bürokraft bezahlen kann und noch einen<br />

Überschuss erzielt. Seine komparativen<br />

Vorteile, also seine vergleichsweisen<br />

Vorteile, liegen in der<br />

Rechtsanwendung.Die komparativen<br />

Vorteile der Bürokraft liegen im<br />

Schreiben.<br />

Notizen<br />

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macht Schule<br />

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Leitbilder der internationalen Wirtschaftspolitik:<br />

Freihandel vs. Protektionismus<br />

Der Außenwirtschaftspolitik von Staaten oder Staatengemeinschaften (z.B. der EU) liegt<br />

in der Regel ein Leitbild zugrunde, welches Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der<br />

internationalen Handelsbeziehungen hat. Diese Leitbilder sind die des „Freihandels“ und<br />

des „Protektionismus“. Nachfolgend werden Idealtypen beschrieben, die in keiner Volkswirtschaft<br />

in Reinform vorhanden sind. Die Leitbilder haben einen erheblichen Einfluss<br />

auf die Gestaltung internationaler Institutionen und Organisationen.<br />

Freihandel<br />

Freihandel meint, den internationalen Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr von<br />

allen Einschränkungen und Behinderungen zu befreien. Grundlage ist die Idee des Wirtschaftsliberalismus:<br />

Im uneingeschränkten Wettbewerb setzen sich danach die besten<br />

Güter und Produktionsmethoden durch, die freie Preisbildung nach Angebot und Nachfrage<br />

sorgt für den bestmöglichen Ausgleich zwischen den Interessen der Produzenten<br />

und Konsumenten und die Arbeitsteilung erhöht den Wohlstand der Länder. Obwohl<br />

jeder sein Eigeninteresse verfolgt, gewinnen alle (vgl.A. Smith). Ordnungspolitisch entspricht<br />

dieses Leitbild jenem der freien Marktwirtschaft, d.h. der Entscheidungsfreiheit<br />

der Wirtschaftssubjekte wird oberste Priorität eingeräumt. Der Staat gewährleistet diese<br />

Entscheidungsfreiheit durch ein Regelwerk.<br />

Protektionismus<br />

Beim Protektionismus oder Außenhandelsmonopol wird vom Grundsatz der zentralen<br />

Planung der Außenwirtschaftsbeziehungen ausgegangen. Eine Entscheidungsfreiheit der<br />

Wirtschaftssubjekte ist nicht gegeben und nur der Staat ist berechtigt, die außenwirtschaftlichen<br />

Beziehungen abzuwickeln und zu kontrollieren. Generelles Ziel protektionistischer<br />

Maßnahmen ist der Schutz der einheimischen Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz.<br />

Zu diesem Zweck werden mit unterschiedlichen Instrumenten Ausfuhren<br />

erleichtert und Einfuhren erschwert.


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Was kann gegen Freihandel sprechen?<br />

1.Vermeidung von einseitigen Produktionsstrukturen<br />

Arbeitsteilung nach dem Prinzip der komparativen Kostenvorteile könnte dazu führen,<br />

dass ein Land sich auf nur ein Produkt spezialisiert, das zudem möglicherweise eine<br />

geringe Einkommenselastizität aufweist (beispielsweise landwirtschaftliche Produkte).<br />

Auf längere Sicht würde diese Ausrichtung der Produktion die Entwicklungschancen<br />

eines Landes beeinträchtigen und die Sicherheit der Einnahmen aus Exportgeschäften<br />

wäre auf Dauer gefährdet, wenn die Spezialisierung zu einseitigen Produktstrukturen und<br />

damit zu einer unerwünscht starken Abhängigkeit von der Preisentwicklung auf Auslandsmärkten<br />

führt. So sind beispielsweise Länder, deren Ausfuhr sich auf ein Hauptprodukt<br />

(Kaffee, Baumwolle usw.) stützt, völlig von den Weltmarktpreisen abhängig, die<br />

zudem – abhängig von der Ernte – stark schwanken. Einkommensunelastische Produkte<br />

(z.B. landwirtschaftliche Güter, viele Rohstoffe) haben außerdem weniger wachstumsträchtige<br />

Märkte im Vergleich zu Industriegütern oder Dienstleistungen.<br />

2. Sicherung der Versorgung<br />

Wenn ein Land im Zuge der Spezialisierung auf die Herstellung wichtiger Güter verzichtet<br />

(z.B. landwirtschaftliche Produkte, Kohle als Energieträger), kann die Sicherheit der<br />

Versorgung in Krisensituationen gefährdet sein. Ebenso ist ein Staat im Falle der Vernachlässigung<br />

wichtiger Produktionen ausländischem Druck (Erpressung) ausgeliefert. Daher<br />

wird jedes Land ein gewisses Maß an Autarkie, also Unabhängigkeit von Einfuhren, anstreben.<br />

Dabei gilt es jedoch sehr sorgfältig zu prüfen, ob den hohen volkswirtschaftlichen<br />

Kosten tatsächlich eine sichere Versorgung gegenübersteht.<br />

3. Sicherung der Arbeitsplätze<br />

Internationale Arbeitsteilung mit uneingeschränktem Freihandel kann Arbeitsplätze<br />

gefährden. Dies geschieht dann, wenn es sich um Wirtschaftszweige handelt, die einen<br />

relativen Preisnachteil haben. Ihr Output und ihre Beschäftigung gehen zurück. In diesem<br />

Fall sind sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer betroffen, die sich dann häufig<br />

politisch organisieren, um dadurch institutionelle Regelungen (Schutzzoll, Subventionen)<br />

zum Schutz des Sektors durchzusetzen.Allerdings wird hierbei das Argument unberücksichtigt<br />

gelassen, dass Importschutz langfristig dem geschützten Sektor schadet, da der<br />

fehlende Wettbewerbsdruck keine Anstrengung zur Kostensenkung und Qualitätsverbesserung<br />

der Produkte erzwingt.Auch werden volkswirtschaftliche Ressourcen gebunden,<br />

die für andere Zwecke fehlen (Förderung der deutschen Steinkohle versus Verbesserung<br />

des Bildungssystems).<br />

4.Verbraucher- bzw. Umweltschutzgründe<br />

Vorschriften für Gesundheits- und Umweltschutz sind notwendig und fördern Wohlfahrt.<br />

Technische Normen bewirken Standardisierung sowie Rationalisierung, außerdem verbessern<br />

sie zusätzlich die Möglichkeit zu internationaler Arbeitsteilung.Werden solche<br />

Vorschriften jedoch diskriminierend in dem Sinne eingesetzt, dass ausländische Anbieter<br />

höheren Anforderungen unterliegen als einheimische, können sie zu Handelshemmnissen<br />

werden und auf subtile Weise als protektionistisches Instrument genutzt werden. Die<br />

Übergänge zwischen legitimen Schutzzwecken (Gesundheit oder Umweltschutz) und<br />

protektionistischer Diskriminierung von Konkurrenten sind fließend.<br />

Notizen<br />

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5. Kurzfristig auftretende Zahlungsbilanzengpässe<br />

Der Einsatz protektionistischer Maßnahmen kann das Ziel verfolgen, über die Drosselung<br />

von Importen eine Verminderung eines Leistungsbilanzdefizits herbeizuführen. Dies gilt<br />

jedoch allenfalls als kurzfristige Problembeseitigung. Eine Lösung des Leistungsbilanzproblems<br />

erfordert währungs- und strukturpolitische Maßnahmen, die die internationale<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft verbessern.<br />

Quelle: Kruber, K.-P. (2002): Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Ökonomische Bildung online,<br />

Grundmodul 06, 34f. (unveröffentlichtes Material)<br />

Handelsbeschränkungen als Instrumente der Außenwirtschaftspolitik<br />

Internationaler Handel ist stets auch internationale Wirtschaftspolitik. Interessenpolitik<br />

einzelner Länder und Machtverhältnisse in internationalen Institutionen spielen eine<br />

große Rolle. Dies zeigt sich an den zähen Verhandlungen, die über Handelsfragen geführt<br />

werden und oft zu faulen Kompromissen führen. Ergebnisse sind Quoten, Selbstbeschränkungen<br />

und sonstige protektionistische Maßnahmen, die Länder oder Branchen benachteiligen<br />

und so einen internationalen Wettbewerb verhindern. Hierfür steht ein umfangreiches<br />

Instrumentarium zur Verfügung.<br />

Tarifäre Handelshemmnisse<br />

Zölle – die klassischen tarifären Handelshemmnisse – sind Abgaben, die beim grenzüberschreitenden<br />

Warenverkehr vom Staat erhoben werden. Zölle dienen dem Staat zum<br />

einen als Einnahmequelle, zum anderen ermöglichen sie den Schutz bestimmter nationaler<br />

Wirtschaftszweige. Unterschieden werden diese Abgaben auf Im- und Exporte nach<br />

der mit ihnen verbundenen Zielsetzung, nach der Bemessungsgrundlage (spezifische<br />

Zölle (z.B. 500 € pro Tonne Bananen) und Wertzölle (z.B. 10% auf den Preis der Bananen<br />

an der Grenze) sowie entsprechend der „Bewegungsrichtung“ (Im- und Exportzölle) der<br />

Güter.<br />

Beispiel Agrarmarkt<br />

Ein Beispiel für einen effizienten Schutzzoll findet sich im Agrarmarkt der Europäischen<br />

Union, denn hier werden die Landwirte durch Abschöpfungen vor Agrarimporten<br />

geschützt. Für Agrareinfuhren wird ein Mindestpreis (Schwellenpreis) festgelegt, der in<br />

der Regel über dem Weltmarktpreis liegt. Die Differenz zwischen Weltmarktpreis und<br />

Schwellenpreis muss ein Importeur als Abschöpfung an die EU bezahlen. Schwankungen<br />

der Weltmarktpreise haben also keinen Einfluss, da Einfuhren nicht billiger als zum vorgegebenen<br />

Schwellenpreis auf den heimischen Markt kommen.<br />

Eine Einfuhrbeschränkung ist auch durch Kontingente gegeben. Dabei handelt es sich um<br />

mengenmäßige, manchmal auch wertmäßige Einfuhrbeschränkungen zugunsten der heimischen<br />

Wirtschaft. Schließlich bestehen auch Ausfuhr- und Einfuhrverbote für bestimmte,<br />

„unerwünschte“ oder gefährliche Güter.


Materialien M 6<br />

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Nicht-tarifäre Handelshemmnisse<br />

Besonders kreativ werden Länder, wenn es um den Einsatz nicht-tarifärer Handelshemmnisse<br />

geht. Hier handelt es sich um mehr oder weniger versteckte Einschränkungen zum<br />

Schutz der eigenen Wirtschaft. Es sind Maßnahmen und Vorschriften, die mit protektionistischer<br />

Absicht erlassen wurden – von bis zu 1000 verschiedenen wird gesprochen.<br />

Immer dann, wenn eine heimische Branche in Bedrängnis gerät, wird der Ruf nach<br />

Schutzmaßnahmen laut. Es ist also eine Frage der Sichtweise, ob etwas ein Handelshemmnis<br />

oder Schutz darstellt.<br />

Quelle: unbekannt<br />

Notizen<br />

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Notizen M 7 Materialien<br />

macht Schule<br />

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Welthandelsströme: Das Welthandelsdreieck<br />

Die Einteilung der am Welthandel beteiligten Länder wird üblicherweise in die Kategorien<br />

Industrieländer, Entwicklungsländer (inklusive der Rohöl exportierenden Länder) und<br />

Transformationsländer vorgenommen. Zusammen bilden diese Gruppen das Welthandelsdreieck.An<br />

den Anteilen dieser Gruppen am Welthandel im Jahr 2001 ist deutlich zu<br />

erkennen, dass der Welthandel mit über zwei Dritteln wesentlich von den Industrieländern<br />

bestimmt wird. Die Entwicklungsländer, zu denen bei dieser Kategorisierung ebenfalls<br />

die ost- und südostasiatischen Schwellenländer gezählt werden, nehmen mit ca.<br />

einem Viertel am Welthandel teil.Auf die Transformationsländer entfällt ein nur geringer<br />

Anteil des Welthandels. Im Jahr 2001 hatte der internationale Handel einen Wert von<br />

ungefähr 6 Billionen US-Dollar. Damit lag der Anteil des Welthandels gemessen am Weltsozialprodukt<br />

bei ca. 20%. Oder anders ausgedrückt: Ca. 80% der Güter und Dienstleistungen,<br />

die weltweit produziert wurden, werden im Inland vertrieben. Die größten<br />

Exporteure waren im Jahr 2001 die USA, Deutschland und Japan: Diese drei Nationen<br />

kamen auf über ein Viertel des Weltexports.Auf den Plätzen 4 bis 10 folgten die Länder<br />

Frankreich, Großbritannien, Kanada, China, Italien, die Niederlande und Hongkong.<br />

Quelle: Globus


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Unctad: Globalisierung kommt 2004 in Schwung<br />

Die USA sind weltweit der stärkste Kapital-Magnet<br />

Die Globalisierung ist auch im vergangenen Jahr nur mäßig in Schwung gekommen,<br />

doch im neuen Jahr soll die weltweite wirtschaftliche Verflechtung nach Voraussage der<br />

UNO wieder deutlicher an Tempo gewinnen. Nach Schätzungen der UNO-Konferenz für<br />

Handel und Entwicklung (Unctad) investierten Unternehmen im Jahr 2003 im Ausland<br />

653 Mrd. US-Dollar ($), nach 651 Mrd. $ im Jahr 2002. Damit sei die Talsohle bei den<br />

grenzüberschreitenden Direktinvestitionen durchschritten. Im Boomjahr 2000 investierten<br />

die Firmen im Ausland noch die Rekordsumme von 1,4 Bill. $. Das Engagement von<br />

Firmen im Ausland gilt als einer der wichtigsten Gradmesser der Globalisierung. Den<br />

scharfen Abwärtstrend begründet die Unctad mit der stark geschrumpften Zahl der Fusionen<br />

und Übernahmen.<br />

In diesem Jahr sollen die Investitionstätigkeit und die Zahl der Fusionen und Übernahmen<br />

wieder anziehen, prognostizieren die Genfer Fachleute. Denn: Die Wirtschaft erhole<br />

sich, die Profitabilität der Unternehmen sei gestiegen und die Konzernchefs hätten Vertrauen<br />

in die Zukunft zurückgewonnen.<br />

Stärkster Kapital-Magnet war die US-Wirtschaft, die den Wert der Direktinvestitionen im<br />

Vergleich zum Vorjahr fast verdreifachen konnte:Ausländer investierten rund 87 Mrd. $ in<br />

die größte Volkswirtschaft der Welt. Mit ein Grund dafür war der schwache Dollarkurs.<br />

Die US-Wirtschaft werde in diesem Jahr die anderen entwickelten Volkswirtschaften mit<br />

nach oben ziehen, erwartet die Unctad. Deutschland musste im vergangenen Jahr ein<br />

Minus verkraften: 2003 flossen 36,3 Mrd. $ ins Land, im Jahr zuvor waren es 38 Mrd. $.<br />

In der asiatisch-pazifischen Region und in Mittel- und Osteuropa zog die Investitionstätigkeit<br />

im vergangenen Jahr leicht an. Die Unctad erwartet in beiden Gebieten eine weitere<br />

Belebung des Engagements fremder Firmen in diesem Jahr. In Russland zeigt der Trend ganz<br />

klar nach oben: Das flächenmäßig größte Land der Erde konnte die Summe der Direktinvestitionen<br />

von 2,4 Mrd. $ im Jahr 2002 auf 5,2 Mrd. $ im Jahr 2003 mehr als verdoppeln.<br />

Lateinamerika verlor 2003 weiter an Attraktivität.Afrika hingegen gewinnt langsam das<br />

Vertrauen ausländischer Investoren: Im Vergleich zum Jahr 2002 stiegen die Direktinvestitionen<br />

um 30% auf 14 Mrd.$.<br />

Quelle: Handelsblatt, Nr. 008, 13.01.04, 10<br />

Notizen<br />

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Lokomotiven USA und Asien ziehen den Welthandel aus der Krise<br />

Europa bildet Import-Schlusslicht – Deutschland größte Exportnation<br />

Der Welthandel befindet sich auf Erholungskurs. Nach dem Jahresreport der Welthandelsorganisation<br />

(WTO), der gestern in Genf vorgestellt worden ist, könnte der Handel mit<br />

Gütern und Dienstleistungen im Jahr 2004 um bis zu 7,5% zulegen. Grund dafür ist die<br />

überdurchschnittliche Konjunkturentwicklung in Asien und in den USA. Die OECD war<br />

in ihrem Economic Outlook zur Jahreswende allerdings noch optimistischer und prognostizierte<br />

ein Plus von 7,8%. Für 2005 geht sie sogar von 9,1% aus.<br />

Bis ins Jahr 2005 mag die WTO gar nicht schauen, nachdem die Schätzungen für das vergangene<br />

Jahr von der Realität schnell überholt worden waren. Einen Zuwachs von 3%<br />

hatten die Handelsexperten in Genf ursprünglich für 2003 errechnet, 4,5% sind es trotz<br />

Lungenseuche Sars, Irak-Krieg und weltweiter Wirtschaftsschwäche tatsächlich geworden.<br />

Damit hat sich der Welthandel aus seinem Tief befreit, in das er 2001 mit einem<br />

Rückgang um 1% gerutscht war.Allerdings hat der Handel auch im vergangenen Jahr<br />

noch nicht ganz zu alter Stärke zu-rückgefunden, denn das Jahresmittel seit 1995 liegt<br />

knapp unter der 6-Prozent-Marke. Doch seitdem die Lokomotiven der Weltwirtschaft wieder<br />

unter Dampf stehen, fließt auch der Güterverkehr schneller. „Eindeutig haben die<br />

verbesserten Konjunkturentwicklungen in den USA und in Asien dem Welthandel einen<br />

wichtigen Schub gegeben“, sagte Supachai Panitchpakdi, Generaldirektor der WTO.<br />

Gleichwohl bleibt der WTO-Chef vorsichtig. Den Ausblick für 2004 stellt er unter drei<br />

Risiko-Vorbehalte: die Ausweitung des US-Leistungsbilanzdefizits, die Erholung in Europa<br />

und die Entwicklung der Ölpreise. Für die Weltwirtschaft insgesamt stellt die WTO eine<br />

durchschnittliche Prognose: Das globale Bruttoinlandsprodukt soll um 3,7% zulegen.<br />

Ebenso wie die OECD geht die WTO davon aus, dass bestehende Handelsbarrieren abgebaut<br />

werden müssen, um das Potenzial des Welthandels voll auszuschöpfen. [...] Im<br />

zurückliegenden Jahr gingen die wichtigsten Impulse von Asien und den Ländern Mittelund<br />

Osteuropas aus. Der reale Warenhandel, also bereinigt um Preisveränderungen, stieg<br />

in beiden Regionen um 10 bis 12% – mehr als das Doppelte des globalen Warenhandels.<br />

Dazu beigetragen hat allen voran die Volksrepublik China, deren Importe im Jahr 2003<br />

um 40% stiegen, während die Exporte um 35% zulegten.Auch die USA importierten weit<br />

mehr als der Weltdurchschnitt. Das krasse Gegenteil drücken die Zahlen über Europa und<br />

Lateinamerika aus. Ihr Importzuwachs erreichte nicht einmal 2%, beide Regionen bilden<br />

die Schlusslichter im Welthandel. Deutschland kann sich allerdings als Trost erstmals mit<br />

dem Titel des Exportweltmeisters vor den USA und Japan schmücken.<br />

Quelle: Rabe, C., Handelsblatt, Nr. 068, 06.04.04, 8


Materialien M 9<br />

Lokomotiven USA und Asien ziehen<br />

den Welthandel aus der Krise<br />

Europa bildet Import-Schlusslicht – Deutschland größte Exportnation<br />

CHRISTOPH RABE<br />

HANDELSBLATT, 6.4.2004<br />

DÜSSELDORF. Der Welthandel befindet<br />

sich auf Erholungskurs.Nach<br />

dem Jahresreport der Welthandelsorganisation<br />

(WTO), der gestern in<br />

Genf vorgestellt worden ist, könnte<br />

der Handel mit Gütern und Dienstleistungen<br />

im Jahr 2004 um bis zu<br />

7,5% zulegen.Grund dafür ist die<br />

überdurchschnittliche Konjunkturentwicklung<br />

in Asien und in den<br />

USA. Die OECD war in ihrem Economic<br />

Outlook zur Jahreswende allerdings<br />

noch optimistischer und<br />

prognostizierte ein Plus von 7,8 %.<br />

Für 2005 geht sie sogar von 9,1 %<br />

aus.<br />

Bis ins Jahr 2005 mag die WTO<br />

gar nicht schauen, nachdem die<br />

Schätzungen für das vergangene Jahr<br />

von der Realität schnell überholt<br />

worden waren. Einen Zuwachs von 3<br />

% hatten die Handelsexperten in<br />

Genf ursprünglich für 2003 errechnet,<br />

4,5 % sind es trotz Lungenseuche<br />

Sars, Irak-Krieg und weltweiter<br />

Wirtschaftsschwäche tatsächlich geworden.Damit<br />

hat sich der Welthandel<br />

aus seinem Tief befreit, in das er<br />

2001 mit einem Rückgang um 1 % gerutscht<br />

war. Allerdings hat der Handel<br />

auch im vergangenen Jahr noch<br />

nicht ganz zu alter Stärke zurückgefunden,<br />

denn das Jahresmittel seit<br />

1995 liegt knapp unter der 6-Prozent-Marke.Doch<br />

seitdem die Lokomotiven<br />

der Weltwirtschaft wieder<br />

unter Dampf stehen, fließt auch der<br />

Güterverkehr schneller. „Eindeutig<br />

haben die verbesserten Konjunkturentwicklungen<br />

in den USA und in<br />

Asien dem Welthandel einen wichtigen<br />

Schub gegeben“, sagte Supachai<br />

Panitchpakdi, Generaldirektor der<br />

WTO.<br />

Gleichwohl bleibt der WTO-Chef<br />

vorsichtig.Den Ausblick für 2004<br />

stellt er unter drei Risiko-Vorbehalte:<br />

die Ausweitung des US-Leistungsbilanzdefizits,<br />

die Erholung in Europa<br />

und die Entwicklung der Ölpreise.Für<br />

die Weltwirtschaft insgesamt stellt<br />

die WTO eine durchschnittliche Prognose:<br />

Das globale Bruttoinlandsprodukt<br />

soll um 3,7 % zulegen.<br />

Ebenso wie die OECD geht die<br />

WTO davon aus, dass bestehende<br />

Handelsbarrieren abgebaut werden<br />

müssen, um das Potenzial des Welthandels<br />

voll auszuschöpfen.Es bedürfe<br />

es daher eines erfolgreichen<br />

Abschlusses der laufenden Doha-<br />

Runde, meint Supachai.<br />

Im zurückliegenden Jahr gingen<br />

die wichtigsten Impulse von Asien<br />

und den Ländern Mittel- und Osteuropas<br />

aus.Der reale Warenhandel, also<br />

bereinigt um Preisveränderungen,<br />

stieg in beiden Regionen um 10 bis<br />

12 % – mehr als das Doppelte des<br />

globalen Warenhandels. Dazu beigetragen<br />

hat allen voran die Volksrepublik<br />

China, deren Importe im Jahr<br />

2003 um 40 % stiegen, während die<br />

Exporte um 35 % zulegten.Auch die<br />

USA importierten weit mehr als der<br />

Weltdurchschnitt. Das krasse Gegenteil<br />

drücken die Zahlen über Europa<br />

und Lateinamerika aus.Ihr Importzuwachs<br />

erreichte nicht einmal 2 %,<br />

beide Regionen bilden die Schlusslichter<br />

im Welthandel.Deutschland<br />

kann sich allerdings als Trost erstmals<br />

mit dem Titel des Exportweltmeisters<br />

vor den USA und Japan<br />

schmücken.<br />

Der Einfluss der Währungsentwicklung<br />

auf den Warenhandel<br />

machten sich in den Statistiken Europas<br />

am deutlichsten bemerkbar. Bedingt<br />

durch die starke Aufwertung<br />

des Euros stieg der in Dollar ausgedrückte<br />

Wert der europäischen Exporte<br />

weitaus schneller als der globale<br />

Durchschnitt. Ein Blick auf die Warenvolumina<br />

aber korrigiert den<br />

falschen Eindruck. Dort zeigte sich,<br />

dass die Menge der umgeschlagenen<br />

Waren konstant blieb. Die Dollarpreise<br />

aller international gehandelten<br />

Waren stiegen 2003 so schnell wie<br />

seit 1995 nicht mehr und legten um<br />

10,5 % zu. Dazu trug vor allem der<br />

deutliche Anstieg der Ölpreise<br />

während des Irakkrieges und der Venezuela-Krise<br />

bei.<br />

Weniger dynamisch als der Handel<br />

entwickelten sich 2003 die Direktinvestitionen.Sie<br />

stagnierten bei rund<br />

600 Mrd.US $. Zurück gingen die Investitionen<br />

in Wachstumsregionen,<br />

die in der zweiten Hälfte der neunziger<br />

Jahr noch für einen steilen Anstieg<br />

des globalen Warenhandels geführt<br />

hatten.<br />

Notizen<br />

+<br />

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Notizen M 10 Materialien<br />

macht Schule<br />

+H<br />

5<br />

10<br />

Verbindung von inländischer und ausländischer Wirtschaft<br />

In Deutschland hängt jeder fünfte Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Export ab. Dies<br />

betrifft auch jene Arbeitsplätze, die mit Zubehör, Material,Versicherungs- oder Transportleistungen<br />

zum Exportgeschäft beitragen. Insgesamt stellen ungefähr 7,4 Millionen Menschen<br />

Güter und Dienstleistungen für ausländische Märkte her. In den Bereichen Wasser-,<br />

Schienen- und Luftfahrzeuge, Metalle, Halbfertigprodukte, Büromaschinen, EDV-Geräte,<br />

Schifffahrt, Chemie, Nachrichtentechnik, Elektronik u.a. sind 75–90% der Erwerbstätigen<br />

für die Ausfuhr tätig. Hieraus leitet sich eine wesentliche Bedeutung des Außenhandels<br />

für die deutsche Wirtschaft ab: Sicherung und Ausbau von Arbeitsplätzen in der Exportwirtschaft.


Materialien M 11<br />

Nicht Länder treiben Handel, sondern Unternehmen!<br />

Beispiel Adidas, Hauptsitz: Herzogenaurach<br />

Gründe für eine Internationalisierung von Unternehmen<br />

1.Sättigung des inländischen Marktes (Erschließung neuer Märkte),<br />

2.Risikostreuung durch Einbezug zusätzlicher Märkte (Diversifikation),<br />

3.Auslastung vorhandener Fertigungskapazitäten durch internationale Distribution<br />

(Kapazitätsauslastung),<br />

4.Streben nach Markt- und Kundennähe (Service),<br />

5.Verbesserung des Ansehens als einheimischer Produzent und Arbeitsplatzanbieter (Image),<br />

6.Verbesserung der Kostensituation (günstigere Löhne, Materialien, Grundstücke)<br />

(Unternehmen nutzen Standortvorteile im Ausland),<br />

7.Ausweichmöglichkeiten bei Währungsverschiebungen (Abrechnung in Landeswährung),<br />

8.Nutzung von fremdem Know-how (Synergiepotenziale),<br />

9.Umgehung von protektionistischen Handelsbeschränkungen,<br />

10.Überwindung von Markteintrittsbarrieren (Transaktionskosten!).<br />

Quelle: Schneck, O. (1999): Betriebswirtschaftslehre: eine praxisorientierte Einführung mit Fallbeispielen,<br />

Frankfurt/Main, 26 ff.<br />

Notizen<br />

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Notizen M 11 Materialien<br />

macht Schule<br />

+H<br />

Arten von Internationalisierungen<br />

Gründung eines Tochterunternehmens (greenfield start)<br />

1. Übernahme im Ausland: Ein einheimischer Betrieb wird in seiner Gesamtheit von einem<br />

Käufer im Ausland aufgekauft.<br />

2. Internationale Fusion: ähnlich der Übernahme, aber die Partner sind ungefähr gleich groß<br />

und gleich bedeutend.<br />

3. Aufbau eines gemeinschaftlichen Unternehmens durch zwei oder mehrere Partner (Jointventure).<br />

Ein solches Unternehmen kann ganz von vorne, als „greenfield start“ beginnen,<br />

oder der einheimische Partner bringt einen Teil seiner Leute in das neue Unternehmen ein.<br />

4. Zusammenarbeit mit einem ausländischen Partnerunternehmen für eine begrenzte Zeit. Die<br />

beteiligten Partner arbeiten bei bestimmten Produkten oder auf bestimmten Märkten zum<br />

gegenseitigen Nutzen zusammen.<br />

Quelle: Hofstede, G. (2001): Lokales Denken, globales Handeln; München: DTV, 313 ff.<br />

Unterschiedliche Rahmenbedingungen


Materialien M 11<br />

Wenn ein Unternehmen über Grenzen hinweg agieren will, muss es sich auf unterschiedliche<br />

institutionelle Rahmenbedingungen einstellen. Es existieren z.T. sehr verschiedene politische,<br />

rechtliche, wirtschaftliche und soziokulturelle Ordnungen im Ausland, deren Beachtung für den<br />

erfolgreichen internationalen Handel unbedingt erforderlich ist. Zu den Rahmenbedingungen<br />

zählen u.a.<br />

• politische Risiken (Instabilität,Terrorakte, internationale Konflikte),<br />

• natürliche Gegebenheiten (klimatische und topografische Bedingungen, logistische Infrastruktur),<br />

• rechtlich-politische Normen,<br />

• soziale Beziehungen und Bindungen,<br />

• kulturell bedingte Wertvorstellungen (informelle Institutionen) und der<br />

• technologische Entwicklungsstand.<br />

Drei Typen international tätiger Unternehmen<br />

1. Das internationale Unternehmen betreibt selektive Auslandsgeschäfte. Im Mittelpunkt der<br />

Geschäftsstrategie steht die Konkurrenz auf dem Binnenmarkt.<br />

2. Das multinationale Unternehmen ist mit Hilfe ausländischer Produktionsstätten und Tochtergesellschaften<br />

auf internationalen Märkten vertreten. Die Unternehmensführung ist weitgehend<br />

dezentral organisiert, damit die Tochtergesellschaften optimale Strategien entwickeln<br />

können.<br />

3. Das globale Unternehmen (Global Player) will sich mit internationalen Produkten Weltmarktanteile<br />

sichern. Strategische Planung und Koordination der Geschäftstätigkeit erfolgen<br />

zentral. Global Player standardisieren ihre Produkte weltweit, steuern Forschung und Entwicklung,<br />

Beschaffung, Produktion und Marketing zentral, konzentrieren Forschung und Entwicklung<br />

und Produktion auf wenige Länder, verlagern die Wertschöpfung im Produktionsbereich<br />

überwiegend in Länder mit niedrigem Lohnniveau.<br />

Notizen<br />

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Notizen M 12 Materialien<br />

macht Schule<br />

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Der Puppenkönig<br />

Puppen, nichts als Puppen. Und Thomas Eichhorn, 38 Jahre alt, mit schon ziemlich lichtem<br />

Haar und Dauerlächeln im Gesicht, sitzt mittendrin. Um ihn herum wird gequengelt<br />

und geheult, gekichert und gejault. Sie heißen Annabell und Chou Chou, und Eichhorn,<br />

der selbst keine Kinder hat, sagt: „Ich liebe sie alle.“ Das ist nur konsequent, denn irgendwie<br />

sehen sie sich auch alle ähnlich. Sie haben keine Haare, nuckeln an einem Schnuller<br />

und tragen vorwiegend rosa Hosen und T-Shirts, Bademäntel und Bikinis. Unzählige davon<br />

hat Eichhorn vom Firmensitz im fränkischen Rödental nach Nürnberg bringen lassen, wo<br />

in diesen Tagen die Internationale Spielwarenmesse läuft und sich sein berufliches Wohl<br />

und Wehe für dieses Jahr vor entscheidet.<br />

Eichhorn ist Vorstandsvorsitzender des Puppenherstellers Zapf Creation AG und hier<br />

zu Lande mit einem Marktanteil von 60 Prozent der Puppenkönig der Republik. Er<br />

spricht viel und schnell, wie ein guter Verkäufer eben: „Dieses Jahr wird wieder besser.<br />

2003 ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben.“<br />

Tatsächlich musste die Zapf AG im Herbst binnen vier Wochen zweimal ihre Gewinnprognose<br />

senken. Statt bei 33 Millionen Euro, wie zunächst angekündigt, lag der Gewinn<br />

vor Steuern und Zinsen für 2003 letztlich bei 23,5 Millionen Euro. Der Kurs der im<br />

M-Dax notierten Aktie stürzte ab.Vor allem das schlecht gelaufene USA-Geschäft hatte die<br />

Franken böse überrascht.Analyst Peter-Thilo Hasler von der Hypo-Vereinsbank sagt es so:<br />

„Da hat die Zentrale zu lange nicht genau genug hingesehen.“<br />

Eichhorn feuert noch vor Weihnachten seine Amerika-Chefin, kümmert sich nun<br />

selbst um diesen nach Deutschland und Großbritannien für Zapf wichtigsten Markt und<br />

sagt: „Die Aufräumarbeiten haben begonnen.“<br />

Vergangene Woche in London – Gespräche mit Analysten und Fondsmanagern –, jetzt<br />

Messe in Nürnberg – Präsentation der neuen Produkte vor Einzelhändlern und Fachbesuchern<br />

aus aller Welt – und gleich darauf in New York – Verhandlungen mit Großkunden<br />

und Investoren: Eichhorn ist nun ständig selbst unterwegs im Reich seiner Puppen, die<br />

es mittlerweile in fast 60 Ländern zu kaufen gibt. [...]<br />

Eichhorn selbst spricht von einer Herausforderung, die jetzt vor ihm liege. Es ist die<br />

erste kleine Krise, die er meistern muss, seit er Zapf führt. Fast sein gesamtes Berufsleben<br />

hat der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann bei dem früher unter Max Zapf Puppen-<br />

und Spielwarenfabrik firmierenden Mittelständler verbracht.<br />

Zuerst arbeitet er im Vertrieb, dann im Marketing und auch im Einkauf direkt vor Ort<br />

in Hongkong.Als sich die Gründerfamilie Ende der 90er-Jahre ganz aus dem Unternehmen<br />

verabschiedet, steigt Eichhorn zum Geschäftsführer auf. Er entstaubt die Firma, gibt<br />

ihr einen neuen Namen, führt sie an die Börse, und das Unternehmen wächst und wächst<br />

und wächst. Die Produktion wird komplett in die Hände von Fremdfirmen und nach<br />

Asien verlagert. Und in Rödental plötzlich viel Englisch gesprochen. Dort arbeiten heute<br />

300 der 560 Angestellten, im „Overhead“, wie es Eichhorn mit deutlich hörbar fränkischem<br />

Tonfall sagt, der Zentrale also, und in den „Business-Units“, den Stabsabteilungen.<br />

Die Globalisierung hat die Gegend um Coburg längst erreicht. Eichhorn, selbst dort<br />

geboren und aufgewachsen, weiß das nur zu gut und beruhigt: „Der Standort steht nicht<br />

zur Diskussion.Wir bleiben da, ganz klar.“<br />

Mit seinen „Puppen für Mutter-Kind-Spiele“ aber will er die Welt erobern. Und konkurriert<br />

damit verstärkt gegen die so genannten „fashion dolls“ oder Modepuppen. Dazu<br />

gehören die Barbies des US-Riesen Mattel, die vor allem in den USA einen wesentlich<br />

höheren Bekanntheitsgrad haben als die rosafarbenen Babys aus Bayern. Eichhorn indes<br />

will weiter angreifen.<br />

Quelle: Brors, P., Handelsblatt, Nr. 026, 06.02.04, 20


Materialien M 12<br />

Der Puppenkönig<br />

Gewinnwarnung und Fehler im US-Geschäft – Zapf-Vorstand Thomas Eichhorn<br />

muss seine erste kleine Krise meistern<br />

PETER BRORS, NÜRNBERG<br />

HANDELSBLATT, 6.2.2004<br />

Puppen, nichts als Puppen. Und<br />

Thomas Eichhorn, 38 Jahre alt, mit<br />

schon ziemlich lichtem Haar und<br />

Dauerlächeln im Gesicht, sitzt mittendrin.<br />

Um ihn herum wird gequengelt<br />

und geheult, gekichert und<br />

gejault. Sie heißen Annabell und<br />

Chou Chou, und Eichhorn, der selbst<br />

keine Kinder hat, sagt: „Ich liebe sie<br />

alle.“ Das ist nur konsequent, denn<br />

irgendwie sehen sie sich auch alle<br />

ähnlich. Sie haben keine Haare,<br />

nuckeln an einem Schnuller und tragen<br />

vorwiegend rosa Hosen und T-<br />

Shirts, Bademäntel und Bikinis.Unzählige<br />

davon hat Eichhorn vom Firmensitz<br />

im fränkischen Rödental<br />

nach Nürnberg bringen lassen, wo in<br />

diesen Tagen die Internationale<br />

Spielwarenmesse läuft und sich sein<br />

berufliches Wohl und Wehe für dieses<br />

Jahr vorentscheidet.<br />

Eichhorn ist Vorstandsvorsitzender<br />

des Puppenherstellers Zapf Creation<br />

AG und hier zu Lande mit einem<br />

Marktanteil von 60 Prozent der Puppenkönig<br />

der Republik. Er spricht<br />

viel und schnell, wie ein guter Verkäufer<br />

eben: „Dieses Jahr wird wieder<br />

besser. 2003 ist hinter den Erwartungen<br />

zurückgeblieben.“<br />

Tatsächlich musste die Zapf AG im<br />

Herbst binnen vier Wochen zweimal<br />

ihre Gewinnprognose senken. Statt<br />

bei 33 Millionen Euro, wie zunächst<br />

angekündigt, lag der Gewinn vor<br />

Steuern und Zinsen für 2003 letztlich<br />

bei 23,5 Millionen Euro. Der Kurs der<br />

im M-Dax notierten Aktie stürzte ab.<br />

Vor allem das schlecht gelaufene<br />

USA-Geschäft hatte die Franken böse<br />

überrascht. Analyst Peter-Thilo Hasler<br />

von der Hypo-Vereinsbank sagt es<br />

so: „Da hat die Zentrale zu lange nicht<br />

genau genug hingesehen.“<br />

Eichhorn feuert noch vor Weihnachten<br />

seine Amerika-Chefin, kümmert<br />

sich nun selbst um diesen nach<br />

Deutschland und Großbritannien für<br />

Zapf wichtigsten Markt und sagt: „Die<br />

Aufräumarbeiten haben begonnen.“<br />

Vergangene Woche in London –<br />

Gespräche mit Analysten und Fondsmanagern<br />

–, jetzt Messe in Nürnberg<br />

– Präsentation der neuen Produkte<br />

vor Einzelhändlern und Fachbesuchern<br />

aus aller Welt – und gleich darauf<br />

in New York – Verhandlungen mit<br />

Großkunden und Investoren: Eichhorn<br />

ist nun ständig selbst unterwegs<br />

im Reich seiner Puppen, die es mittlerweile<br />

in fast 60 Ländern zu kaufen<br />

gibt.<br />

Bei Christoph Schlienkamp, Analyst<br />

beim Bankhaus Lampe in Düsseldorf,<br />

kommt die rege Reisetätigkeit<br />

des Zapf-Chefs gut an: „Ein funktionierendes<br />

Controlling besteht nicht<br />

nur aus schlüssigen Zahlenreihen,<br />

sondern auch aus einer gewissen<br />

Präsenz des Managements vor Ort.“<br />

Oder anders ausgedrückt: Der<br />

Analyst ist wie auch Kollege Hasler<br />

verärgert über die Häufigkeit der<br />

Gewinnwarnungen. Einerseits. Andererseits<br />

aber betonen beide: „Das<br />

Management arbeitet ansonsten gut,<br />

und wichtige Bilanzkennziffern wie<br />

die Nettoumsatzrendite mit über<br />

sechs Prozent und die Eigenkapitalquote<br />

mit über 50 Prozent sind es<br />

auch.“<br />

Eichhorn selbst spricht von einer<br />

Herausforderung, die jetzt vor ihm<br />

liege. Es ist die erste kleine Krise, die<br />

er meistern muss, seit er Zapf führt.<br />

Fast sein gesamtes Berufsleben hat<br />

der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann<br />

bei dem früher unter<br />

Max Zapf Puppen- und Spielwarenfabrik<br />

firmierenden Mittelständler verbracht.<br />

Zuerst arbeitet er im Vertrieb,<br />

dann im Marketing und auch im Einkauf<br />

direkt vor Ort in Hongkong.Als<br />

sich die Gründerfamilie Ende der<br />

90er-Jahre ganz aus dem Unternehmen<br />

verabschiedet, steigt Eichhorn<br />

zum Geschäftsführer auf.Er entstaubt<br />

die Firma, gibt ihr einen neuen Namen,<br />

führt sie an die Börse, und das<br />

Unternehmen wächst und wächst<br />

und wächst.Die Produktion wird<br />

komplett in die Hände von Fremdfirmen<br />

und nach Asien verlagert. Und in<br />

Rödental plötzlich viel Englisch gesprochen.Dort<br />

arbeiten heute 300 der<br />

560 Angestellten, im „Overhead“, wie<br />

es Eichhorn mit deutlich hörbar fränkischem<br />

Tonfall sagt, der Zentrale also,<br />

und in den „Business-Units“, den<br />

Stabsabteilungen.<br />

Die Globalisierung hat die Gegend<br />

um Coburg längst erreicht.<br />

Eichhorn, selbst dort geboren und<br />

aufgewachsen, weiß das nur zu gut<br />

und beruhigt: „Der Standort steht<br />

nicht zur Diskussion.Wir bleiben da,<br />

ganz klar.“<br />

Mit seinen „Puppen für Mutter-<br />

Kind-Spiele” aber will er die Welt erobern.<br />

Und konkurriert damit ver-<br />

stärkt gegen die so genannten „fashion<br />

dolls“ oder Modepuppen. Dazu<br />

gehören die Barbies des US-Riesen<br />

Mattel, die vor allem in den USA einen<br />

wesentlich höheren Bekanntheitsgrad<br />

haben als die rosafarbenen<br />

Babys aus Bayern. Eichhorn indes will<br />

weiter angreifen. Gerade sucht er<br />

nach einem Marketingexperten für<br />

den US-Markt. Der kann dann bis zu<br />

20 Prozent des Umsatzes aus dem<br />

Amerika-Geschäft in Werbung investieren.<br />

2003 hat Zapf in den USA Erlöse<br />

von 37 Millionen Dollar erzielt,<br />

nach 47 Millionen Dollar im Jahr zuvor.<br />

Eichhorn bezeichnet sich selbst<br />

als „nicht sonderlich kreativ. Aber<br />

ich kann dafür sehr gut einschätzen,<br />

ob etwas den Geschmack unserer<br />

Kunden trifft oder nicht.“ Und er ist<br />

sich deshalb sicher, dass er im zweiten<br />

Halbjahr mit seinem neuen Produkt<br />

die Herzen der Mädchen dieser<br />

Welt gewinnen wird – mit einer wasserfesten<br />

Version des Verkaufsschlagers<br />

„Baby Born“. Er sagt: „Dieses<br />

neue Modell können die Kinder<br />

dann sogar mit in die Badewanne<br />

nehmen“ – oder: Der Fortschritt ist<br />

eine Puppe.<br />

Notizen<br />

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Notizen M 13 Materialien<br />

macht Schule<br />

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Ursachen der Globalisierung<br />

Technologische Dimension: Die Effekte der digitalen Revolution<br />

Beim Stichwort Innovation denken wir automatisch an Dinge, an Maschinen und Motoren,<br />

an Telephone und Tabletten.An Hardware, könnte man auch sagen. Doch das Neue<br />

kommt heute vor allem als Software daher: als Idee, die sich formatieren und vermarkten<br />

läßt.Wie in Computerprogrammen oder Kinofilmen. [...]<br />

Ideenprodukte hat es schon immer gegeben – Bücher gehören genauso dazu wie Musiknoten<br />

oder neuerdings eben eine Seite im World Wide Web. Entscheidend ist, daß der<br />

Anteil der Software an der Wertschöpfung heute schnell wächst. Das gilt nicht nur für die<br />

Dienstleistungsangebote von Banken und Versicherungen, Firmen der Telekommunikation<br />

und der elektronischen Unterhaltung, sondern auch für die Anbieter klassischer Industrieprodukte.<br />

Geräte für Wohnzimmer und Küche erhalten neue Funktionen und werden<br />

programmierbar. Moderne Automobile sind voller Software, in einigen verrichten<br />

bereits mehr als fünfzig Microchips ihren Dienst. [...] In vielen Branchen gilt es mittlerweile<br />

als wichtigstes Erfolgsrezept, den Wert der Produkte durch mehr Software zu vergrößern.<br />

Der Siegeszug der Software bedeutet mehr Angebotsvielfalt. Ideenprodukte lassen sich<br />

leicht verändern, durch diverse Kanäle vertreiben und auf einzelne Kunden zuschneiden.<br />

Mit Hilfe von Computerprogrammen wird es billiger, dem Bankkunden immer neue Anlage-<br />

und Finanzierungsformen zu bieten; und bei einer Produktionsmaschine das Programm<br />

zu wechseln, um eine andere Variation herzustellen, ist allemal einfacher, als Teile<br />

der Fertigungsstraße auszuwechseln.


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Die zentrale Eigenschaft aber fassen die Ökonomen Carl Shapiro und Hai Varian zusammen:<br />

„Die Herstellungskosten für die erste Kopie eines Informationsgutes können erheblich<br />

sein, doch die Kosten für weitere Kopien kann man vernachlässigen.“ Denn Software<br />

läßt sich nicht aufbrauchen. Es kann teuer sein, ein erstklassiges Videospiel zu entwickeln,<br />

ein Konstruktionsverfahren in allen Einzelheiten zu formulieren, ein Musikstück<br />

zu komponieren und aufzunehmen. Sie dann zu vervielfältigen und zu vertreiben, kostet<br />

so gut wie nichts. [...]<br />

Software verschafft dem Wettbewerb eine neue Dynamik.Auf klassischen Märkten diktieren<br />

die Herstellungskosten, bis zu welcher Menge sich die Produktion lohnt. Bei Ideengütern<br />

hat die Produktion keine natürliche Obergrenze. Im Gegenteil: Je mehr Einheiten<br />

abgesetzt worden sind, desto billiger wird jede weitere Kopie für den Anbieter. Er kann<br />

gar nicht genug an die Kunden bringen, solange der Preis nicht ins Bodenlose fällt. Daher<br />

verkaufen viele elektronische Dienstleister ihre Produkte zunächst für Preise weit unterhalb<br />

der Kosten oder verschenken sie gar. Den Profit wollen sie später mit verwandten<br />

Produkten nachholen, wenn ihnen der Markt erst einmal gehört. Diese Anreize machen<br />

den Wettbewerb im Ideengeschäft härter und instabiler als auf traditionellen Märkten.<br />

Einzelne Firmen mit riesigem Angebot können die Konkurrenz beherrschen – und enorme<br />

Gewinne erzielen. Deshalb ist der Kampf um einen neuen oder veränderten Ideenmarkt<br />

auch besonders ruppig. Monopole – oder allgemeiner: Marktbeherrscher, die kräftig<br />

kassieren – sind indes nicht nur wahrscheinlicher als in der klassisch-industriellen<br />

Welt, sondern auch vergänglicher. Zum einen, weil sich Konzepte und Ideen vielfach nur<br />

schwer unter Verschluß halten und gegen Nachahmung sichern lassen. Zum anderen<br />

genießen neue Konkurrenten die gleichen Vorteile, wie sie die derzeit führenden Firmen<br />

wahrnahmen, um den Markt aufzurollen. Mit neuen Ideen können sie die Etablierten<br />

schneller aus dem Feld schlagen, als dies im Industriezeitalter möglich war.<br />

Binnen kurzer Zeit vermag eine Innovation den Markt neu zu definieren. Deshalb<br />

schießen Firmen mit nur einer Idee für eine elektronische Dienstleistung an der Börse<br />

nach oben, obwohl sie kaum Umsatz machen; deshalb bewegen sich die Aktienkurse von<br />

Ideenfirmen wilder auf und ab als diejenigen von klassischen Unternehmen. Zur Beruhigung<br />

trägt dieser Unterschied freilich auf immer weniger Märkten bei: Nach und nach<br />

bestimmen die Regeln des Softwaregeschäfts, bestimmen flüchtige Vorteile und die ständige<br />

Bedrohung der Marktstellung das Gros der Wirtschaft. Und auf uns als Verbraucher<br />

wartet neben der größeren Vielfalt eine schnellere Abfolge der Angebote und der Anbieter.<br />

„Eigentlich machen wir seit 150 Jahren immer nur das Gleiche: Innovationen“, lautet<br />

ein Werbeslogan von Siemens.Aber noch nie mußte der Konzern so schnell so viele alte<br />

Produkte vom Markt nehmen und so viele neue anbieten wie heute, nie sich so radikal<br />

umorganisieren wie jetzt. [...]<br />

Der zweite wesentliche Effekt der digitalen Revolution, die Vernetzung, verändert den<br />

Kapitalismus noch drastischer. Und ich denke dabei nicht an Visionen wie die, daß<br />

uns der Toaster jeden Morgen den aktuellen Kurs unserer Lieblingsaktie ins Brot brennt.<br />

In die gleiche Kategorie paßt der Türknauf, der mit uns redet, oder das Hemd, das der<br />

Waschmaschine mitteilt, wie es gewaschen werden muß. Derlei Ideen sind durchaus realisierbar,<br />

aber nicht alles Mögliche setzt sich auch durch.Vor allem lenken sie davon ab,<br />

daß die Vernetzung Alltag geworden ist und das Wirtschaften längst revolutioniert hat.<br />

[...] Die Vernetzung erreicht vor allem eines: Sie senkt die Kosten der Koordination. Dramatisch.Allerorten.<br />

Einerseits für die Unternehmen: Die Mitarbeiter können via Computer<br />

auf ungleich mehr Informationen zugreifen und engeren Kontakt zu Kunden und Lieferanten<br />

halten.Andererseits für den Markt: Der Austausch wird leichter, für Anbieter<br />

ebenso wie für Nachfrager.<br />

Quelle: Heuser, U. J. (2000): Das Unbehagen im Kapitalismus, Berlin: Berlin Verlag, 17 ff.<br />

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Vereinigung statt Beitritt<br />

Handelsblatt-Partnerzeitung: Hospodarske Noviny<br />

Wenn der Beitritt der zehn neuen Mitglieder zu einem Erfolg der ganzen Europäischen<br />

Union werden soll, müssen die „neuen“ und die „alten“ erst ihre Begriffe klären.Vor<br />

allem die alten Mitglieder reden von „Erweiterung“ der Union, dabei ist es eigentlich die<br />

„Wiedervereinigung“ von Europa. Je länger man aber über die Erweiterung spricht, umso<br />

weniger wird es die Vereinigung Europas.<br />

Wer sollte das besser verstehen als der größte Nachbar Tschechiens? In jener Oktobernacht<br />

vor vierzehn Jahren war es wichtiger, dass Deutschland vereint wurde, auch wenn<br />

wir wahrscheinlich „Ostalgiker“ finden, die behaupten, es war die Erweiterung der Bundesrepublik<br />

in den Osten.<br />

Die Wiedervereinigung Europas macht nicht nur historisch Sinn.Auch für die Tschechen,<br />

die in so vielen Bündnissen enttäuscht wurden, reicht ein Blick auf die Karte, um zu wissen,<br />

dass sie ohne außenpolitische Zusammenarbeit nicht auskommen.Anders als in der<br />

Vergangenheit ist die Welt heute zusammengewachsen, was wir meist Globalisierung<br />

nennen. Für die Tschechen sind da Bündnisse vorteilhaft, denn auch große Länder, die auf<br />

unserem Kontinent über Krieg und Frieden entschieden haben, erreichen alleine heutzutage<br />

in der Welt wenig. Die Fähigkeit, sich auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen, ist<br />

heute nicht nur eine Voraussetzung für Sicherheit und Stabilität in Europa, sondern auch<br />

für Europas Wohlstand.<br />

Alle Bewohner des heutigen Europas haben gemeinsam erfahren, dass nicht die Europäische<br />

Union alleine Wohlstand und Sicherheit garantiert. Sie ist aber eine Möglichkeit,<br />

diese Ziele zu erreichen.<br />

Sicher, Europas Ideale können schnell zu leeren Floskeln verkommen.Aber ohne Ideale<br />

wäre es nicht möglich, sich über den Alltag zu erheben. Ähnlich hängt Europas Erfolg<br />

jetzt davon ab, ob wir die Geduld und Fähigkeit aufbringen, die großen Worte im Alltag<br />

auch zu leben. Dann verstehen wir vielleicht auch, was sich hinter dem märchenhaften<br />

Schlusssatz verbirgt: „Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie glücklich zusammen<br />

bis heute.“<br />

Quelle: Cerny, A. (Hospodarske Noviny), Handelsblatt, Nr. 084, 30.04.04, 8

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