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Notizen M 13 Materialien macht Schule +H 5 10 15 20 25 Ursachen der Globalisierung Technologische Dimension: Die Effekte der digitalen Revolution Beim Stichwort Innovation denken wir automatisch an Dinge, an Maschinen und Motoren, an Telephone und Tabletten.An Hardware, könnte man auch sagen. Doch das Neue kommt heute vor allem als Software daher: als Idee, die sich formatieren und vermarkten läßt.Wie in Computerprogrammen oder Kinofilmen. [...] Ideenprodukte hat es schon immer gegeben – Bücher gehören genauso dazu wie Musiknoten oder neuerdings eben eine Seite im World Wide Web. Entscheidend ist, daß der Anteil der Software an der Wertschöpfung heute schnell wächst. Das gilt nicht nur für die Dienstleistungsangebote von Banken und Versicherungen, Firmen der Telekommunikation und der elektronischen Unterhaltung, sondern auch für die Anbieter klassischer Industrieprodukte. Geräte für Wohnzimmer und Küche erhalten neue Funktionen und werden programmierbar. Moderne Automobile sind voller Software, in einigen verrichten bereits mehr als fünfzig Microchips ihren Dienst. [...] In vielen Branchen gilt es mittlerweile als wichtigstes Erfolgsrezept, den Wert der Produkte durch mehr Software zu vergrößern. Der Siegeszug der Software bedeutet mehr Angebotsvielfalt. Ideenprodukte lassen sich leicht verändern, durch diverse Kanäle vertreiben und auf einzelne Kunden zuschneiden. Mit Hilfe von Computerprogrammen wird es billiger, dem Bankkunden immer neue Anlage- und Finanzierungsformen zu bieten; und bei einer Produktionsmaschine das Programm zu wechseln, um eine andere Variation herzustellen, ist allemal einfacher, als Teile der Fertigungsstraße auszuwechseln.
Materialien M 13 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 Die zentrale Eigenschaft aber fassen die Ökonomen Carl Shapiro und Hai Varian zusammen: „Die Herstellungskosten für die erste Kopie eines Informationsgutes können erheblich sein, doch die Kosten für weitere Kopien kann man vernachlässigen.“ Denn Software läßt sich nicht aufbrauchen. Es kann teuer sein, ein erstklassiges Videospiel zu entwickeln, ein Konstruktionsverfahren in allen Einzelheiten zu formulieren, ein Musikstück zu komponieren und aufzunehmen. Sie dann zu vervielfältigen und zu vertreiben, kostet so gut wie nichts. [...] Software verschafft dem Wettbewerb eine neue Dynamik.Auf klassischen Märkten diktieren die Herstellungskosten, bis zu welcher Menge sich die Produktion lohnt. Bei Ideengütern hat die Produktion keine natürliche Obergrenze. Im Gegenteil: Je mehr Einheiten abgesetzt worden sind, desto billiger wird jede weitere Kopie für den Anbieter. Er kann gar nicht genug an die Kunden bringen, solange der Preis nicht ins Bodenlose fällt. Daher verkaufen viele elektronische Dienstleister ihre Produkte zunächst für Preise weit unterhalb der Kosten oder verschenken sie gar. Den Profit wollen sie später mit verwandten Produkten nachholen, wenn ihnen der Markt erst einmal gehört. Diese Anreize machen den Wettbewerb im Ideengeschäft härter und instabiler als auf traditionellen Märkten. Einzelne Firmen mit riesigem Angebot können die Konkurrenz beherrschen – und enorme Gewinne erzielen. Deshalb ist der Kampf um einen neuen oder veränderten Ideenmarkt auch besonders ruppig. Monopole – oder allgemeiner: Marktbeherrscher, die kräftig kassieren – sind indes nicht nur wahrscheinlicher als in der klassisch-industriellen Welt, sondern auch vergänglicher. Zum einen, weil sich Konzepte und Ideen vielfach nur schwer unter Verschluß halten und gegen Nachahmung sichern lassen. Zum anderen genießen neue Konkurrenten die gleichen Vorteile, wie sie die derzeit führenden Firmen wahrnahmen, um den Markt aufzurollen. Mit neuen Ideen können sie die Etablierten schneller aus dem Feld schlagen, als dies im Industriezeitalter möglich war. Binnen kurzer Zeit vermag eine Innovation den Markt neu zu definieren. Deshalb schießen Firmen mit nur einer Idee für eine elektronische Dienstleistung an der Börse nach oben, obwohl sie kaum Umsatz machen; deshalb bewegen sich die Aktienkurse von Ideenfirmen wilder auf und ab als diejenigen von klassischen Unternehmen. Zur Beruhigung trägt dieser Unterschied freilich auf immer weniger Märkten bei: Nach und nach bestimmen die Regeln des Softwaregeschäfts, bestimmen flüchtige Vorteile und die ständige Bedrohung der Marktstellung das Gros der Wirtschaft. Und auf uns als Verbraucher wartet neben der größeren Vielfalt eine schnellere Abfolge der Angebote und der Anbieter. „Eigentlich machen wir seit 150 Jahren immer nur das Gleiche: Innovationen“, lautet ein Werbeslogan von Siemens.Aber noch nie mußte der Konzern so schnell so viele alte Produkte vom Markt nehmen und so viele neue anbieten wie heute, nie sich so radikal umorganisieren wie jetzt. [...] Der zweite wesentliche Effekt der digitalen Revolution, die Vernetzung, verändert den Kapitalismus noch drastischer. Und ich denke dabei nicht an Visionen wie die, daß uns der Toaster jeden Morgen den aktuellen Kurs unserer Lieblingsaktie ins Brot brennt. In die gleiche Kategorie paßt der Türknauf, der mit uns redet, oder das Hemd, das der Waschmaschine mitteilt, wie es gewaschen werden muß. Derlei Ideen sind durchaus realisierbar, aber nicht alles Mögliche setzt sich auch durch.Vor allem lenken sie davon ab, daß die Vernetzung Alltag geworden ist und das Wirtschaften längst revolutioniert hat. [...] Die Vernetzung erreicht vor allem eines: Sie senkt die Kosten der Koordination. Dramatisch.Allerorten. Einerseits für die Unternehmen: Die Mitarbeiter können via Computer auf ungleich mehr Informationen zugreifen und engeren Kontakt zu Kunden und Lieferanten halten.Andererseits für den Markt: Der Austausch wird leichter, für Anbieter ebenso wie für Nachfrager. Quelle: Heuser, U. J. (2000): Das Unbehagen im Kapitalismus, Berlin: Berlin Verlag, 17 ff. Notizen 74 + 75
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