M 1 - Gymnasium Damme
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Die zentrale Eigenschaft aber fassen die Ökonomen Carl Shapiro und Hai Varian zusammen:<br />
„Die Herstellungskosten für die erste Kopie eines Informationsgutes können erheblich<br />
sein, doch die Kosten für weitere Kopien kann man vernachlässigen.“ Denn Software<br />
läßt sich nicht aufbrauchen. Es kann teuer sein, ein erstklassiges Videospiel zu entwickeln,<br />
ein Konstruktionsverfahren in allen Einzelheiten zu formulieren, ein Musikstück<br />
zu komponieren und aufzunehmen. Sie dann zu vervielfältigen und zu vertreiben, kostet<br />
so gut wie nichts. [...]<br />
Software verschafft dem Wettbewerb eine neue Dynamik.Auf klassischen Märkten diktieren<br />
die Herstellungskosten, bis zu welcher Menge sich die Produktion lohnt. Bei Ideengütern<br />
hat die Produktion keine natürliche Obergrenze. Im Gegenteil: Je mehr Einheiten<br />
abgesetzt worden sind, desto billiger wird jede weitere Kopie für den Anbieter. Er kann<br />
gar nicht genug an die Kunden bringen, solange der Preis nicht ins Bodenlose fällt. Daher<br />
verkaufen viele elektronische Dienstleister ihre Produkte zunächst für Preise weit unterhalb<br />
der Kosten oder verschenken sie gar. Den Profit wollen sie später mit verwandten<br />
Produkten nachholen, wenn ihnen der Markt erst einmal gehört. Diese Anreize machen<br />
den Wettbewerb im Ideengeschäft härter und instabiler als auf traditionellen Märkten.<br />
Einzelne Firmen mit riesigem Angebot können die Konkurrenz beherrschen – und enorme<br />
Gewinne erzielen. Deshalb ist der Kampf um einen neuen oder veränderten Ideenmarkt<br />
auch besonders ruppig. Monopole – oder allgemeiner: Marktbeherrscher, die kräftig<br />
kassieren – sind indes nicht nur wahrscheinlicher als in der klassisch-industriellen<br />
Welt, sondern auch vergänglicher. Zum einen, weil sich Konzepte und Ideen vielfach nur<br />
schwer unter Verschluß halten und gegen Nachahmung sichern lassen. Zum anderen<br />
genießen neue Konkurrenten die gleichen Vorteile, wie sie die derzeit führenden Firmen<br />
wahrnahmen, um den Markt aufzurollen. Mit neuen Ideen können sie die Etablierten<br />
schneller aus dem Feld schlagen, als dies im Industriezeitalter möglich war.<br />
Binnen kurzer Zeit vermag eine Innovation den Markt neu zu definieren. Deshalb<br />
schießen Firmen mit nur einer Idee für eine elektronische Dienstleistung an der Börse<br />
nach oben, obwohl sie kaum Umsatz machen; deshalb bewegen sich die Aktienkurse von<br />
Ideenfirmen wilder auf und ab als diejenigen von klassischen Unternehmen. Zur Beruhigung<br />
trägt dieser Unterschied freilich auf immer weniger Märkten bei: Nach und nach<br />
bestimmen die Regeln des Softwaregeschäfts, bestimmen flüchtige Vorteile und die ständige<br />
Bedrohung der Marktstellung das Gros der Wirtschaft. Und auf uns als Verbraucher<br />
wartet neben der größeren Vielfalt eine schnellere Abfolge der Angebote und der Anbieter.<br />
„Eigentlich machen wir seit 150 Jahren immer nur das Gleiche: Innovationen“, lautet<br />
ein Werbeslogan von Siemens.Aber noch nie mußte der Konzern so schnell so viele alte<br />
Produkte vom Markt nehmen und so viele neue anbieten wie heute, nie sich so radikal<br />
umorganisieren wie jetzt. [...]<br />
Der zweite wesentliche Effekt der digitalen Revolution, die Vernetzung, verändert den<br />
Kapitalismus noch drastischer. Und ich denke dabei nicht an Visionen wie die, daß<br />
uns der Toaster jeden Morgen den aktuellen Kurs unserer Lieblingsaktie ins Brot brennt.<br />
In die gleiche Kategorie paßt der Türknauf, der mit uns redet, oder das Hemd, das der<br />
Waschmaschine mitteilt, wie es gewaschen werden muß. Derlei Ideen sind durchaus realisierbar,<br />
aber nicht alles Mögliche setzt sich auch durch.Vor allem lenken sie davon ab,<br />
daß die Vernetzung Alltag geworden ist und das Wirtschaften längst revolutioniert hat.<br />
[...] Die Vernetzung erreicht vor allem eines: Sie senkt die Kosten der Koordination. Dramatisch.Allerorten.<br />
Einerseits für die Unternehmen: Die Mitarbeiter können via Computer<br />
auf ungleich mehr Informationen zugreifen und engeren Kontakt zu Kunden und Lieferanten<br />
halten.Andererseits für den Markt: Der Austausch wird leichter, für Anbieter<br />
ebenso wie für Nachfrager.<br />
Quelle: Heuser, U. J. (2000): Das Unbehagen im Kapitalismus, Berlin: Berlin Verlag, 17 ff.<br />
Notizen<br />
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