bis ich erreicht habe, was ich will! - Lebenswege für Menschen mit ...
bis ich erreicht habe, was ich will! - Lebenswege für Menschen mit ...
bis ich erreicht habe, was ich will! - Lebenswege für Menschen mit ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
Ich <strong>will</strong> n<strong>ich</strong>ts ändern, <strong>ich</strong> bin ganz zufrieden <strong>mit</strong> mir.<br />
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
Gerade im Osten müssten mal die Bürgersteige abgesenkt<br />
werden, da<strong>mit</strong> <strong>ich</strong> <strong>mit</strong> meinem Rollstuhl n<strong>ich</strong>t immer die<br />
Ein- und Ausfahrten nehmen muss. Ändern würde <strong>ich</strong>, dass<br />
die Leute von draußen uns Behinderte n<strong>ich</strong>t mehr so ableh-<br />
nen. Manchmal höre <strong>ich</strong> von Älteren »Ach, der arme, hilflose<br />
Junge, der kann ja n<strong>ich</strong>ts!« Die meisten sehen nur den Roll-<br />
stuhl und n<strong>ich</strong>t die Person, die drin sitzt, und dass die Per-<br />
son Gefühle hat und genau so weint und lacht.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Glück ist <strong>für</strong> m<strong>ich</strong>, wenn man angenommen wird, ohne auf<br />
die Fehler zu gucken.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Wenn <strong>ich</strong> als Rollstuhlfahrer ausgeschlossen werde, fühle <strong>ich</strong><br />
m<strong>ich</strong> wie der letzte Wagen einer Eisenbahn. Wenn Geschäfte<br />
oder Kinos n<strong>ich</strong>t rollstuhlgerecht sind und <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t hinein-<br />
komme. Manchmal fühle <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> in eine Ecke gestellt, wie<br />
ein altes Möbelstück. Ich mag es n<strong>ich</strong>t, betteln zu müssen:<br />
»Lasst m<strong>ich</strong> doch rein...!« Manche Leute <strong>habe</strong>n Angst, dass<br />
Rollstuhlfahrer alles anfassen und in Unordnung bringen.<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Als <strong>ich</strong> von Herrn Wigger (früher zuständig <strong>für</strong> Öffentl<strong>ich</strong>-<br />
keitsarbeit bei <strong>Lebenswege</strong>) <strong>für</strong> den Rundfunk interviewt wur-<br />
de. Mal in einem r<strong>ich</strong>tigen Rundfunkstudio zu sein, war et-<br />
<strong>was</strong> ganz Besonderes <strong>für</strong> m<strong>ich</strong>. Ich <strong>habe</strong> mir auch nie ge-<br />
dacht, dass <strong>ich</strong> mal Presseerzählungen und Zeitungsartikel<br />
mache. Meine Artikel wurden nie »zensiert«: »So sagt man<br />
das n<strong>ich</strong>t, Junge!« Natürl<strong>ich</strong> fehlt mir die Schule, wo man<br />
lernt, wie man Presseerzählungen macht, aber meine Worte<br />
Ihre Stärken?<br />
34 35<br />
durften so gelten. Ich <strong>habe</strong> mir das alles durch den Rund-<br />
funk und das Fernsehen beigebracht.<br />
Ich nehme viel Wissen auf und setze es in meine Sprache<br />
um. Bei den Ärzten setze <strong>ich</strong> die Diagnosen in meine Worte<br />
um. Sch<strong>ich</strong>tröntgen <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> <strong>mit</strong> einem Kuchen vergl<strong>ich</strong>en:<br />
Erst der Teig, dann der Apfel drauf und drüber wird alles<br />
zugedeckt. Ich versuche die Worte so umzusetzen, dass es<br />
die Allgemeinheit versteht. Da<strong>für</strong> <strong>habe</strong>n m<strong>ich</strong> die Ärzte gelobt.<br />
Was würden Sie gern noch lernen?<br />
Ich bin wie ein Tonband, nehme Vieles auf. Es gibt n<strong>ich</strong>ts<br />
Bestimmtes, <strong>was</strong> <strong>ich</strong> lernen möchte. Ich nehme alles <strong>mit</strong>.<br />
Ich bin wie ein Kramladen, der immer <strong>was</strong> gebracht kriegt.<br />
Woher beziehen Sie Ihre Energien?<br />
Wenn es n<strong>ich</strong>t zu anstrengend ist, nehme <strong>ich</strong> die Kraft von<br />
mir selbst. Wenn es sehr anstrengend wird, muss <strong>ich</strong> meine<br />
»Aufziehfeder« mal locker lassen und eine Pause machen.<br />
Innerl<strong>ich</strong> tanke <strong>ich</strong> dann selbst auf, wie ein »Akku am Lade-<br />
gerät«.<br />
Welche Erwartungen/Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
Ich lasse alles auf m<strong>ich</strong> zukommen. Wenn et<strong>was</strong> Neues vor<br />
der Tür steht, suche <strong>ich</strong> mir aus, ob <strong>ich</strong> es nehmen kann oder<br />
n<strong>ich</strong>t, wie in einem Bücherregal. Ein Traum von mir ist, eine<br />
Platte aus alten Liedern zu machen. Die Platte müsste dann<br />
draußen veröffentl<strong>ich</strong>t werden wie ein Buch. Und wenn mei-<br />
ne Lebensgesch<strong>ich</strong>te mal als Hörbuch von einem Profi, ei-<br />
nem Rundfunksprecher verlesen würde, das wäre <strong>was</strong> Schö-<br />
nes <strong>für</strong> m<strong>ich</strong>.<br />
Was möchten Sie außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
Ich wünsche mir, dass die Situation <strong>für</strong> Rollstuhlfahrer in<br />
Zukunft besser wird, be<strong>für</strong>chte aber, dass alles rückwärts