bis ich erreicht habe, was ich will! - Lebenswege für Menschen mit ...
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…<br />
<strong>bis</strong><br />
<strong>ich</strong><br />
erre<strong>ich</strong>t<br />
<strong>habe</strong>,<br />
<strong>was</strong> <strong>ich</strong> <strong>will</strong>!<br />
Lesungsschrift zum 5. Mai 2009<br />
Europäischer Protesttag zur Gle<strong>ich</strong>stellung<br />
von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderung
Diese Lesungsschrift erscheint zu einem Lese-Event im Schoeler-<br />
Schlösschen Berlin. Mit dieser Aktion möchte <strong>Lebenswege</strong> Einblicke<br />
in die vielfältigen <strong>Lebenswege</strong> von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderungen und<br />
deren Angehörigen eröffnen. Interviews und autobiografische Ber<strong>ich</strong>-<br />
te erschließen sehr persönl<strong>ich</strong> den Alltag und die Lebenswirkl<strong>ich</strong>keit<br />
der Vortragenden. Im Anschluss der Lesung besteht die Mögl<strong>ich</strong>keit<br />
zu Austausch, Begegnungen und Diskussion.<br />
Mit dem Lese-Event stellen wir gesellschaftl<strong>ich</strong>e Teil<strong>habe</strong> und Gle<strong>ich</strong>-<br />
stellung in den Mittelpunkt, in dem wir <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderun-<br />
gen selbst zu Wort kommen lassen!<br />
Die Lesungsschrift versammelt Aufze<strong>ich</strong>nungen sehr bemerkenswerter<br />
<strong>Lebenswege</strong> von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Handicaps. So berühren die Texte<br />
n<strong>ich</strong>t nur menschl<strong>ich</strong>. Vielmehr können sie als Dokumente gelesen<br />
werden, die n<strong>ich</strong>t nur behindertenpolitische Themen, sondern un-<br />
sere gesamte Gesellschaft betreffende Probleme im wahrsten Sinne<br />
des Wortes zur Sprache bringen.<br />
Das Lese-Event ist gefördert durch<br />
Eine Initiative der Deutschen Behindertenhilfe – Aktion Mensch e. V.<br />
Vorwort Dr. Ingrid Kuschel | Marie-Therese Sch<strong>mit</strong>z . . . . . . . . . . .4<br />
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5<br />
Mein Leben Jacoba Neu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6<br />
Mein Tag ist ausgefüllt. Anonymus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9<br />
Von Anfang an <strong>bis</strong> heut... Charlotte Risse . . . . . . . . . . . . . . . . .13<br />
Ich <strong>habe</strong> keine Ängste. Frank Risse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18<br />
Integration darf n<strong>ich</strong>t nach Kita oder Schule aufhören! . . . . . . .20<br />
Respekt! Melanie Meiran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21<br />
Ich wäre gern eine unbehinderte Frau Anja Reimann . . . . . . . . .23<br />
Letztendl<strong>ich</strong> bleibt mir meine Sprache M<strong>ich</strong>ael Friehs . . . . . . . .25<br />
Ich bin <strong>ich</strong>! Traude Borsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29<br />
Die persönl<strong>ich</strong>e Gesch<strong>ich</strong>te von Werner Knobloch . . . . . . . . . . .31<br />
Ich <strong>habe</strong> näml<strong>ich</strong> einen ganz anderen Blick. Werner Knobloch . .32<br />
Ohne große Planung ins Kino gehen Sabine Finke . . . . . . . . . . .36<br />
Immer wieder aufstehen. Christoph Gallus . . . . . . . . . . . . . . . .38<br />
Daniela Göthe, geboren 13. Juli 1953,<br />
gestorben 18. August 2006 Gisela Göthe . . . . . . . . . . . . . . . . .41<br />
N<strong>ich</strong>t zu lange schlafen! Roland Mechel . . . . . . . . . . . . . . . . . .49<br />
So viel Energie, dass <strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>t schlafen kann. Martina Nitz . .51<br />
Meine Stärke ist, anderen zu helfen. Bernhard Raszkowski . . . . .54<br />
»Ein Kind ist ja n<strong>ich</strong>t weg, nur weil es auszieht«<br />
Mehr <strong>für</strong> den Frieden tun Brigitta Näthke . . . . . . . . . . . . . . . . .56<br />
Gedanken zum Auszug der Tochter Christa Schaal . . . . . . . . . . .60<br />
Die Botschaften verstehen lernen Dorothea Mießner . . . . . . . . . .62<br />
Schlusswort Doris Heitmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
<strong>Lebenswege</strong> | Aus unserem Leitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68<br />
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .70<br />
Das Programm des Lese-Events finden Sie auf der Rückseite.
Vorwort<br />
Dr. Ingrid Kuschel | Marie-Therese Sch<strong>mit</strong>z<br />
Was denken, fühlen und wovon träumen <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderun-<br />
gen? Wie verlaufen ihre <strong>Lebenswege</strong>? Wie erleben die Mütter Be-<br />
nachteiligungen auf Grund der Behinderung ihrer Kinder?<br />
Diese Fragen <strong>habe</strong>n uns lange beschäftigt. Wir wollten sie genauer<br />
und umfangre<strong>ich</strong>er beantwortet <strong>habe</strong>n – über alltägl<strong>ich</strong>e Gesprä-<br />
che hinaus. Deshalb <strong>habe</strong>n wir 19 Interviews <strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong><br />
Behinderungen geführt und Mütter gebeten, ihre Erfahrungen auf-<br />
zuschreiben.<br />
Die Interviews verdeutl<strong>ich</strong>en, wie vielfältig ein Leben in Selbstbe-<br />
stimmung sein kann und <strong>was</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderungen und ihre<br />
Familien in den letzten fünf Jahrzehnten erkämpfen mussten.<br />
»Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden« –<br />
dies steht seit 1994 im Grundgesetz. Die Jahre danach zeigten und<br />
zeigen, dass eine Aussage im Grundgesetz allein die Gle<strong>ich</strong>stellung<br />
von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderungen n<strong>ich</strong>t bewirken kann. Die Durch-<br />
setzung des Gle<strong>ich</strong>stellungsgesetzes muss erkämpft werden.<br />
Die Lesungsschrift soll Wünsche, aber auch Ängste von <strong>Menschen</strong><br />
<strong>mit</strong> Behinderungen in den Blickpunkt der Öffentl<strong>ich</strong>keit rücken. In<br />
den Interviews wird mehrfach der Wunsch ausgesprochen, dass diese<br />
<strong>Menschen</strong> n<strong>ich</strong>t auf ihre Behinderung reduziert werden möchten.<br />
»Es gibt <strong>Menschen</strong>, die sehen nur den Rollstuhl«, n<strong>ich</strong>t die Persön-<br />
l<strong>ich</strong>keit darin. So wie es einem der Interviewten geschah, als ihm ein<br />
Studienplatz aufgrund seiner MS-Erkrankung verwehrt wurde. Men-<br />
schen <strong>mit</strong> Behinderungen kämpfen darum, dass ihre Stärken und<br />
Ressourcen erkannt werden.<br />
Vielfach wurden Aussagen wie diese getroffen: »Ich möchte n<strong>ich</strong>t<br />
immer <strong>mit</strong> anderen zusammen leben müssen, sondern meine eigene<br />
Wohnung <strong>habe</strong>n«, »Ich möchte mein Leben selbst bestimmen«,<br />
»Ich möchte einen Beruf <strong>habe</strong>n« oder »Die Bürgersteige sollen n<strong>ich</strong>t<br />
so hoch sein«. Dies sind Erfahrungen der Ausgrenzung aus der Ge-<br />
sellschaft.<br />
Mehrfach äußern die Interviewten Angst vor finanzieller Abhängigkeit<br />
und Abhängigkeit von Ämtern, die darüber befinden. Das Kostenar-<br />
gument bleibt d a s Hindernis <strong>für</strong> die Gle<strong>ich</strong>stellung von <strong>Menschen</strong><br />
<strong>mit</strong> Behinderungen.<br />
Die Erfahrungsber<strong>ich</strong>te der Mütter belegen, dass heute Selbstver-<br />
ständl<strong>ich</strong>es hart erkämpft werden musste. Eine Gle<strong>ich</strong>stellung ist<br />
dennoch längst n<strong>ich</strong>t erre<strong>ich</strong>t. Auch diese Tatsache beschreiben die<br />
folgenden Beiträge.<br />
Dank Liebe Vortragende, liebe Autorinnen und Autoren,<br />
heute Abend stehen Ihre Erfahrungen und Erlebnisse eines Lebens<br />
<strong>mit</strong> Behinderungen im Mittelpunkt – so, wie es eigentl<strong>ich</strong> auch im<br />
»normalen Leben« viel selbstverständl<strong>ich</strong>er sein sollte! Ihre offenen,<br />
ehrl<strong>ich</strong>en, mutigen und sehr berührenden Äußerungen sind in dieser<br />
Lesungsschrift veröffentl<strong>ich</strong>t. Vielen Dank da<strong>für</strong>, dass Sie uns diese<br />
Einblicke und Eins<strong>ich</strong>ten ermögl<strong>ich</strong>en. Der Herausgeber<br />
4 5
Mein Leben<br />
Jacoba Neu<br />
Es war einmal ein kleines Mädchen, das war anders als andere kleine<br />
Mädchen, es konnte n<strong>ich</strong>t alles, <strong>was</strong> die anderen Kinder konnten.<br />
Es war auf seine Art et<strong>was</strong> Besonderes, sagte ihre Mutter immer,<br />
aber da<strong>mit</strong> konnte es n<strong>ich</strong>ts anfangen. Das kleine Mädchen war im<br />
Kindergarten und auch in der Schule. Da<strong>mit</strong> fing ihr Schicksal an zu<br />
wachsen, ohne das sie es wollte. Es fing schon an, als sie <strong>mit</strong> dem<br />
Nachbarkind spielen wollte. Aber dem Nachbarkind wurde immer<br />
gesagt, es dürfe n<strong>ich</strong>t <strong>mit</strong> ihm spielen, weil es anders war als es<br />
selbst.<br />
Dieses Kind namens Jacoba war immer traurig. Es boxte immer auf<br />
seine Beine, denn das war anders als bei dem Nachbarkind. Das<br />
Nachbarkind hat näml<strong>ich</strong> immer <strong>mit</strong> seinen Freundinnen im Garten<br />
gespielt und es wollte immer so gerne <strong>mit</strong>machen, aber das wurde<br />
ihm verboten, obwohl es so gern wollte. Jacoba hat immer hinter der<br />
Scheibe gesessen und war traurig, dass sie n<strong>ich</strong>t <strong>mit</strong>spielen konnte.<br />
Das Mädchen kam <strong>mit</strong> drei Jahren in einen Kindergarten, in dem es<br />
ihr n<strong>ich</strong>t so gefiel, weil ihr auffiel, dass die anderen Kinder so waren<br />
wie sie selber, und das gefiel ihr überhaupt n<strong>ich</strong>t. Sie wollte n<strong>ich</strong>t<br />
dort bleiben, sie hat immer irgend<strong>was</strong> gemacht, da<strong>mit</strong> das den Er-<br />
ziehern auffiel und dass sie s<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> ihr beschäftigten. Sie hat s<strong>ich</strong><br />
immer <strong>mit</strong> Händen und Füßen gewehrt. Irgendwann hat s<strong>ich</strong> das<br />
Mädchen doch daran gewöhnt. Sie ging dann nach einer Weile gern<br />
in den Kindergarten.<br />
6<br />
Eines Tages hat sie s<strong>ich</strong> schon auf die Schule gefreut. Der Test in der<br />
Schule ging gut, aber der Direktor hatte abgelehnt, weil sie behindert<br />
war, und in der Schule gab es Treppen, die sie kaum geschafft hätte,<br />
hatte der Direktor gesagt. So musste sie noch zwei Jahre warten, <strong>bis</strong><br />
sie zur Schule kam und blieb dann noch zuhause. Das kleine Mäd-<br />
chen hat s<strong>ich</strong> ganz schön geärgert, dass es noch n<strong>ich</strong>t zur Schule<br />
konnte. Also war das Thema erst einmal abgehakt.<br />
Es ging noch ein Jahr zur Vorschule, bevor es r<strong>ich</strong>tig losging. Es kam<br />
s<strong>ich</strong> immer et<strong>was</strong> seltsam vor, dort in der Vorschule, denn es konnte<br />
schon ein <strong>bis</strong>schen rechnen. Immer, als sie nach Hause kam, übte<br />
sie rechnen und schreiben. Das kleine Mädchen konnte es n<strong>ich</strong>t er-<br />
warten, endl<strong>ich</strong> in die Schule zu kommen und endl<strong>ich</strong> unter Gle<strong>ich</strong>-<br />
altrigen lernen zu dürfen. Einige Tage vor ihrem großen Tag war sie<br />
so aufgeregt, dass sie gestürzt ist und s<strong>ich</strong> den rechten Oberarm<br />
gebrochen hat. Als die Schule anfing musste sie <strong>mit</strong> der linken Hand<br />
schreiben, das war eine Qual, denn sie war Rechtshänderin.<br />
Die Schule machte dem kleinen Mädchen sehr viel Spaß. Sie lernte<br />
gern. Das Ergebnis war, dass sie nach etwa fünf Wochen schon lesen<br />
konnte. Das einzige Fach, in dem sie schlecht war, war Mathematik.<br />
Sie hatte einfach an Mathe keinen Spaß. Wenn sie an einer Sache<br />
keinen Spaß hatte, konnte sie die auch n<strong>ich</strong>t lernen. In Mathe hatte<br />
sie regelmäßig eine schlechte Zensur. In Deutsch hatte sie immer<br />
eine Zwei. Später kam noch Englisch dazu, in dem sie auch n<strong>ich</strong>t so<br />
schlecht war, wenn sie regelmäßig Vokabeln übte, <strong>was</strong> sie n<strong>ich</strong>t so<br />
gern machte, aber es musste ja sein. Also übte sie auch Vokabeln.<br />
Dann wurde sie auch immer besser.<br />
Die Schule machte ihr im Großen und Ganzen Spaß. Sie mochte nur<br />
n<strong>ich</strong>t so gern die Hausaufgaben. Aber die mussten ja auch gemacht<br />
werden:<br />
7
Als Jacoba auf die Toulouse-Lautrec-Schule kam; hat sie ihren ersten<br />
Freund kennen gelernt, <strong>mit</strong> dem sie drei schöne Jahre hatte. In der<br />
Schule saßen sie sogar nebeneinander. Sie waren so glückl<strong>ich</strong>, <strong>bis</strong><br />
eines Tages ihr Freund n<strong>ich</strong>t mehr wollte. Nach Andi hatte sie nur<br />
noch Nieten.<br />
Während ihrer Schulzeit wurde sie an ihrer linken Hüfte operiert. Die<br />
OP war ein Flop und der Arzt auch. Nach seiner Aussage könnte sie<br />
näml<strong>ich</strong> heute laufen. Aber sie sitzt im<br />
Rollstuhl.<br />
Nach einigen Jahren hat sie ihre Einzelfallhelferin angesprochen, weil<br />
sie et<strong>was</strong> anderes machen wollte. Sie wollte unbedingt eine Ausbil-<br />
dung zur Bürokraft machen. Der Förderlehrgang in der Annedore-Le-<br />
ber-Schule war damals n<strong>ich</strong>t zu schaffen. Die Anforderungen waren<br />
zu viel und zu hoch. Danach ging sie wieder in die Behindertenwerk-<br />
statt. Dort arbeitete sie dann, auch wenn es n<strong>ich</strong>t ihr Traumjob war.<br />
Sie hatte zieml<strong>ich</strong> däml<strong>ich</strong>e Kollegen. Eines Tages wurde sie wieder<br />
geärgert, <strong>bis</strong> sie die Schnauze voll hatte. Sie musste dort raus, also<br />
fuhr sie raus, ganz raus vors BWB und dann passierte fast et<strong>was</strong> sehr<br />
schlimmes. Sie fuhr näml<strong>ich</strong> auf die Straße und da kam ein Laster,<br />
der bremste einen Meter vor ihr. Sie hat einen zieml<strong>ich</strong>en Schrecken<br />
bekommen. Als sie dann wieder hereinkam, wurde ihre Versetzung<br />
besprochen. Einige Wochen später fing sie dann im BWB-Süd an. Sie<br />
war n<strong>ich</strong>t glückl<strong>ich</strong>, aber sie musste da ja hin. Ein Gutes gab es dort<br />
in der BWB: eine sehr gute Psychologin, Frau Fischer. Mit ihr kam sie<br />
immer r<strong>ich</strong>tig gut aus. Aber irgendwann war ihr das auch zuviel. Und<br />
sie hat dort gekündigt.<br />
Jetzt ist sie arbeitslos.<br />
Mein Tag ist ausgefüllt.<br />
Anonymus<br />
1985 erkrankte <strong>ich</strong> an Multipler Sklerose. Diese Krankheit wurde im<br />
Krankenhaus festgestellt, aber zuerst sagte man mir n<strong>ich</strong>t, <strong>was</strong> es<br />
war. Erst durch das Drumherumgerede der Ärzte wurde <strong>ich</strong> misstrau-<br />
isch und informierte m<strong>ich</strong> in der Bücherei, <strong>was</strong> es sein könnte. 1987<br />
erfolgte ein zweiter Schub, allerdings gingen die Symptome wieder<br />
zurück. Erst da sagte mir ein Arzt, <strong>was</strong> es <strong>mit</strong> der Krankheit auf s<strong>ich</strong><br />
hat und <strong>was</strong> man über sie <strong>bis</strong> zu diesem Zeitpunkt wusste.<br />
Da ein Professor aus Stuttgart meinte, <strong>mit</strong> dieser Krankheit kön-<br />
ne <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t weiter studieren, entschloss <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong>, die Universität<br />
zu wechseln. Da mir die Technische Universität Berlin zusagte und<br />
man dort <strong>mit</strong> MS keine Probleme sah, ließ <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> dort <strong>für</strong> das<br />
Sommersemester 1989 einschreiben.<br />
8 9
Im Jahre 1998 zog <strong>ich</strong> innerhalb Berlins um, da <strong>ich</strong> inzwischen durch<br />
meine Erkrankung einen Rollstuhl benötigte. Im Bezirk Mitte suchte<br />
<strong>ich</strong> einen Pflegedienst, denn mein alter war nur regional tätig. Eine<br />
Freundin empfahl mir die <strong>Lebenswege</strong>. Außerdem war mir das Kon-<br />
zept des selbstbestimmten Lebens von Behinderten sympathisch.<br />
So kam <strong>ich</strong> also zur Pflegestation der <strong>Lebenswege</strong>. Zuerst wurden<br />
mir vier Stunden in der Woche vom Bezirksamt bezahlt. Diese be-<br />
schränkten s<strong>ich</strong> auf hauswirtschaftl<strong>ich</strong>e Tätigkeiten wie Wohnung<br />
sauber machen und Kochen. Im Laufe der Zeit wurde mein Zustand<br />
immer unselbstständiger. Die Stunden, die mir das Bezirksamt be-<br />
zahlte, erhöhten s<strong>ich</strong> stetig. Anfangs vier, später sieben pro Woche,<br />
dann wurde <strong>ich</strong> schon tägl<strong>ich</strong> drei Stunden betreut. Inzwischen war<br />
<strong>ich</strong> auf einen Rollstuhl angewiesen, laufen ging noch <strong>mit</strong> Unterarm-<br />
stützen, zwar mühsam, aber immerhin.<br />
Im Laufe der Zeit saß <strong>ich</strong> nur noch im Rollstuhl und wurde von Assisten-<br />
ten neun Stunden am Tag betreut. 2006 war <strong>ich</strong> sechs Wochen wegen<br />
einer Lungenentzündung im Krankenhaus. Da mir das Essen schwer<br />
fiel, bekam <strong>ich</strong> dort eine Magensonde zur Unterstützung meiner Ernäh-<br />
rung. Von diesem Zeitpunkt an wurde <strong>ich</strong> tägl<strong>ich</strong> 16,5 Stunden betreut.<br />
Mein Studium <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> 2005 abgeschlossen. Jetzt darf <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong><br />
Diplomingenieur der Luft- und Raumfahrtechnik schimpfen. Zwar<br />
nützt mir dieser schöne Titel n<strong>ich</strong>ts, aber m<strong>ich</strong> befriedigt es doch,<br />
dass <strong>ich</strong> das Studium erfolgre<strong>ich</strong> zu Ende bringe konnte.<br />
Mein Tagesablauf ist ausgefüllt durch Radio hören, <strong>mit</strong> den Assis-<br />
tenten Spiele spielen oder angeregte Diskussionen führen und Ge-<br />
sch<strong>ich</strong>ten hören, wobei Hörbücher und Hörspiele gute Dienste er-<br />
weisen. Außerdem lesen mir die Assistenten manchmal et<strong>was</strong> aus<br />
Büchern vor oder informieren m<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> einer Tageszeitung über aktu-<br />
elle Nachr<strong>ich</strong>ten. Auch besitze <strong>ich</strong> einen Computer und bin ans In-<br />
ternet angeschlossen, dieser unterstützt m<strong>ich</strong> zusätzl<strong>ich</strong> bei meinem<br />
Drang nach Informationen.<br />
Mit <strong>Lebenswege</strong>, dem menschl<strong>ich</strong>en Pflegedienst, bin <strong>ich</strong> sehr zu-<br />
frieden und fühle m<strong>ich</strong> sehr gut betreut und unterstützt. Sie nehmen<br />
mir Gänge zum Bezirksamt ab und unterstützen m<strong>ich</strong> bei tägl<strong>ich</strong><br />
anfallenden Problemen <strong>mit</strong> Rat und Tat. Auch bin <strong>ich</strong> sehr zufrieden<br />
<strong>mit</strong> dem Büroteam, da <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> jederzeit <strong>mit</strong> kleinen und großen<br />
Sorgen an sie wenden kann. Wenn sie können, unterstützen sie m<strong>ich</strong><br />
bei vielen meiner Ideen. Seit <strong>ich</strong> bei diesem Pflegedienst bin, <strong>habe</strong><br />
<strong>ich</strong> kein Bedürfnis mehr zu wechseln, da <strong>ich</strong> zu meiner vollen Zu-<br />
friedenheit betreut werde. Ich kann m<strong>ich</strong> zwar n<strong>ich</strong>t mehr bewegen,<br />
aber mein Kopf funktioniert noch sehr gut. Die Gedanken sind frei.<br />
Was ist Ihre schönste Erinnerung, Ihr schönstes Erlebnis?<br />
10 11<br />
Als <strong>ich</strong> im Alter von 21 <strong>bis</strong> 25 Jahren im Hängegleiter geflo-<br />
gen bin. Ich war Mitglied des Drachenflieger-Clubs Staufen.<br />
Welches Erlebnis hat Ihnen n<strong>ich</strong>t gefallen?<br />
Mein Absturz <strong>mit</strong> dem Hängegleiter: <strong>ich</strong> bin am Stromkabel<br />
hängen geblieben wegen ungünstigem Wind. Gott sei Dank<br />
<strong>habe</strong> <strong>ich</strong> keine Verletzung davongetragen.<br />
Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?<br />
Radio hören, <strong>mit</strong> dem Assistenten Spiele spielen, angereg-<br />
te Diskussionen führen und Gesch<strong>ich</strong>ten hören. Meinen<br />
Drang nach Informationen stille <strong>ich</strong> durch Lesen der Tages<br />
zeitung, das Ansehen von Nachr<strong>ich</strong>tensendungen und durch<br />
das Surfen im Internet.
Was machen Sie nur sehr ungern?<br />
Raus gehen!<br />
Wer wären Sie gerne<br />
Stephen Hawking<br />
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
Gar nix!<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
Keine Ahnung.<br />
Was am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong> hilft Ihnen n<strong>ich</strong>t?<br />
Wenn m<strong>ich</strong> jemand bemuttert.<br />
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
Alles.<br />
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
Alle Gehwege; alles sollte eben sein.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Neue Informationen zu bekommen und Wissen zu erlangen.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Eine Reifenpanne.<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Ihre Stärken?<br />
Keine Reifenpanne!<br />
Mein Gedächtnis.<br />
Was würden Sie gern noch lernen?<br />
Russisch<br />
Woher beziehen Sie Ihre Energien?<br />
Aus der Tankstelle<br />
Welche Erwartungen oder Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
Eine Arbeitsstelle.<br />
Was möchten Sie außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
Die Gedanken sind frei!<br />
Von Anfang an <strong>bis</strong> heut…<br />
Charlotte Risse<br />
Unser Kind, Frank Risse, hatte es n<strong>ich</strong>t le<strong>ich</strong>t, seinen begehbaren<br />
Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu finden.Wenn Eltern n<strong>ich</strong>t wis-<br />
sen, dass ihr Kind <strong>mit</strong> einer Behinderung belastet ist und diese wo-<br />
mögl<strong>ich</strong> das ganze Leben ihres Kindes überschatten wird, können sie<br />
n<strong>ich</strong>t dagegen angehen und sie können ihrem Kind n<strong>ich</strong>t helfen. Bei<br />
Frank war das leider so.<br />
Frank wurde am 5. November1965 im Krankenhaus Berlin-Fried-<br />
r<strong>ich</strong>shain geboren. Geburtsgew<strong>ich</strong>t 3100 Gramm, Länge 54 cm.<br />
Entlassungsgew<strong>ich</strong>t 3080 Gramm. Spontangeburt, Nabelschnurum-<br />
schlingung um den Hals. Blutaustausch nach Gelbfärbung der Haut.<br />
Das steht auf einem kleinen Zettel, den man mir damals <strong>mit</strong> nach<br />
Hause gegeben hat.<br />
12 13
Frank hatte die Nabelschnur fünf Mal um seinen Hals gewickelt, als<br />
er das L<strong>ich</strong>t der Welt erblickte. Er war, wie <strong>ich</strong> erst viel später ver-<br />
muten musste, deshalb in großer Lebensgefahr und dem Tode nahe<br />
gewesen. Doch wir sind aus dem Krankenhaus entlassen worden und<br />
<strong>ich</strong> wusste n<strong>ich</strong>t, dass ab jetzt unser ganzes Leben voller Ängste und<br />
Schwierigkeiten sein wird. Ich <strong>will</strong> m<strong>ich</strong> kurz fassen:<br />
Frank war ein r<strong>ich</strong>tig süßes und schönes Baby. Keiner hat gesehen,<br />
dass et<strong>was</strong> <strong>mit</strong> ihm n<strong>ich</strong>t in Ordnung war. Die Ärzte in den Mütter-<br />
beratungen beruhigten m<strong>ich</strong> immer, wenn <strong>ich</strong> darauf hinwies, dass<br />
Frank in seiner Entwicklung zurück ist noch n<strong>ich</strong>t so r<strong>ich</strong>tig Kraft<br />
hat, s<strong>ich</strong> aufzur<strong>ich</strong>ten und so weiter. Sie sagten mir: »Haben Sie Ge-<br />
duld. Ihr Baby ist eben ein Spätentwickler. Es wird alles aufholen!«<br />
1967 Mit zwei Jahren war Frank schon r<strong>ich</strong>tig sauber und verlangte,<br />
auf seinen Topf gesetzt zu werden.<br />
1968 Unsere Familie zog von Berlin-Prenzlauer Berg nach Grünau.<br />
Wir wohnten dort in einem eigenen Haus und wollten uns hier ein<br />
r<strong>ich</strong>tiges Zuhause aufbauen.<br />
Eines Tages erhielten wir unverhofften Besuch von der Kinder- und<br />
Jugend<strong>für</strong>sorge Köpenick, welche uns in unserem Garten antraf. Zwei<br />
Damen kamen auf uns zu, Frank und <strong>ich</strong> saßen auf einer Wiese und<br />
eine der beiden Frauen rief plötzl<strong>ich</strong> laut: »Ach, ein Krampfkind!«<br />
Hier, in diesem Moment, wurde mir klar, Frank braucht Hilfe, et<strong>was</strong><br />
ist n<strong>ich</strong>t in Ordnung <strong>mit</strong> ihm. Nun wurden wir regelmäßig besucht,<br />
und Frank wurde in Berlin-Köpenick zum orthopädischen Turnen an-<br />
gemeldet, da war er circa vier Jahre alt.<br />
Ich besuchte einige Mütterkurse <strong>für</strong> Eltern <strong>mit</strong> hirngeschädigten<br />
Kindern und begann gle<strong>ich</strong>zeitig, auch die geistige Entwicklung von<br />
Frank zu fördern. Jetzt wurde Frank auch ambulant von der Spastiker-<br />
und Versehrtenbetreuung Berlin-Buch übernommen und betreut. Eine<br />
Vorschullehrerin, Frau Kühn, begann, ihn zu Hause zu unterr<strong>ich</strong>ten.<br />
14 15
In Berlin-Buch wurde dann auch das Krankheitsbild von Frank er<strong>mit</strong>-<br />
telt. Die Nabelschnurumschlingung um den Hals hatte einen Sauer-<br />
stoffmangel im Gehirn des Kindes und das Absterben von einzelnen<br />
Gehirnzellen bewirkt. Die Folge waren spastische Lähmungen oder<br />
spastische Tetraparese <strong>mit</strong> Geh- und Stehunfähigkeit sowie sehr<br />
stark verzögerter Sprachentwicklung und Lautbildung.<br />
1972 lernte Frank <strong>mit</strong> viel Mühe, allein zu essen und zu trinken. Er<br />
konnte schon einzelne Buchstaben des großen Alp<strong>habe</strong>ts und lernte,<br />
die Uhrzeit von der Uhr abzulesen.<br />
1974 <strong>bis</strong> 1976 erhielt Frank zwei Jahre lang Hausunterr<strong>ich</strong>t von der<br />
Körperbehindertenschule Berlin. Doch Frank konnte n<strong>ich</strong>t normge-<br />
recht lernen. Seine vielen schweren Behinderungen machten es ihm<br />
unmögl<strong>ich</strong>, abgesteckte Klassenziele zu erre<strong>ich</strong>en und so sollte er<br />
deshalb umgeschult werden. Aus dem Umschulungsvorgang aller-<br />
dings ist dann eine Totalausschulung geworden.<br />
8. November 1977 An diesem Tag erhielten wir dann Post von der<br />
Körperbehindertenschule, dass Frank nun auf der Grundlage der<br />
Einr<strong>ich</strong>tungen <strong>für</strong> förderungsfähige Kinder weiter gefördert werden<br />
müsste, da Bildungsfähigkeit im Rahmen der Hilfsschule n<strong>ich</strong>t mehr<br />
diagnostiziert wurde.<br />
Für Frank war das ein bodenloser Sturz ins Leere, und er war danach<br />
r<strong>ich</strong>tig krank. Er weinte oft, kaute an seinen Fingernägeln und konn-<br />
te die Welt n<strong>ich</strong>t mehr verstehen. Es brauchte sehr viel Zeit, <strong>bis</strong> er<br />
wieder aufblühte.<br />
Ich unterr<strong>ich</strong>tete ihn jetzt lange Zeit allein weiter – <strong>bis</strong> zu dem Au-<br />
genblick, wo wir durch einen weiteren Umzug von Grünau nach Mar-<br />
zahn dann wieder starke Helfer fanden. Frau Bolduan von der Spas-<br />
tiker<strong>für</strong>sorge half uns in allen Bere<strong>ich</strong>en.<br />
1995 <strong>bis</strong> 2005 Frank erhielt zehn Jahre lang orthopädische Förde-<br />
rung <strong>mit</strong> Computerförderung zu Hause. So lernte er jetzt sehr schnell<br />
flüssiger schreiben und machte große Fortschritte in seiner gesamten<br />
Entwicklung. Zugle<strong>ich</strong> konnte Frank 1994 die Begegnungsstätte [der<br />
<strong>Lebenswege</strong>, Red.] <strong>für</strong> schwerstgeschädigte <strong>Menschen</strong> in der Malmöer<br />
Straße Kommt rein kennen lernen. Er ist viele Jahre dorthin gefahren<br />
und die Erlebnisse dort, das Gefühl, et<strong>was</strong> ganz alleine tun zu kön-<br />
nen, <strong>habe</strong>n ihm sehr gut getan und er wurde immer selbstständiger.<br />
Jetzt ist diese Begegnungsstätte in der Gubener Straße unter einem<br />
neuen Namen zu finden. Hierhin fährt Frank jetzt sogar dreimal pro<br />
Woche.<br />
In dieser Begegnungsstätte hat Frank fast ein zweites Zuhause ge-<br />
funden. Jeder, der dort einmal zu Gast ist, kann sehen, dass die<br />
Betreuer liebevoll <strong>für</strong> das Wohl der Behinderten sorgen. Es wird viel<br />
unternommen, gemeinsame Abstecher zu Lande und zu Wasser, fröh-<br />
l<strong>ich</strong>e Feste werden gefeiert und Gäste sind immer <strong>will</strong>kommen. Hier<br />
hat Frank gelernt selbstständig zu handeln, er hat gesehen, dass es<br />
andere <strong>Menschen</strong> gibt, denen es noch schlechter geht als ihm, und<br />
er hat begonnen anderen dort zu helfen und beizustehen.<br />
Frank ist ein Beispiel da<strong>für</strong>, dass auch schwerstgeschädigte Kinder,<br />
die n<strong>ich</strong>t alleine sitzen, stehen, gehen, n<strong>ich</strong>t einmal sprechen kön-<br />
nen, die Tag und Nacht auf Hilfe angewiesen sind, trotz ihrer vie-<br />
len Handicaps in ein gutes und glückl<strong>ich</strong>es Leben gelangen können.<br />
Man darf sie allerdings n<strong>ich</strong>t aussondern, sondern, man muss sie<br />
Stück <strong>für</strong> Stück vorwärts begleiten und ihnen ihr Recht auf Hilfe und<br />
Bildung voll gewähren.<br />
Frank hat schreiben gelernt und kann s<strong>ich</strong> heut schriftl<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> al-<br />
len <strong>Menschen</strong> verständigen. Er kommuniziert schriftl<strong>ich</strong>, und wo es<br />
n<strong>ich</strong>t ganz re<strong>ich</strong>t, ergänzt er <strong>mit</strong> gekonnten schnellen Ze<strong>ich</strong>nungen.<br />
Er ist ein fast glückl<strong>ich</strong>er junger Mann geworden und hat viele Freun-<br />
de gefunden, die ihm helfen und ihn lieben.<br />
16 17
Ich <strong>habe</strong> keine Ängste.<br />
Fragen und Antworten<br />
Frank Risse<br />
Was ist Ihre schönste Erinnerung, Ihr schönstes Erlebnis?<br />
Meine Taufe in der Kirche. Es war sehr feierl<strong>ich</strong>.<br />
Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit?<br />
Ich schreibe am Computer ein Buch in Englisch.<br />
Es hat schon elf Seiten.<br />
Was machen Sie nur sehr ungern?<br />
Essen, weil <strong>ich</strong> schlecht schlucken kann.<br />
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
Ich <strong>habe</strong> keine Ängste.<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
Wenn <strong>Menschen</strong> lieb sind.<br />
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern, wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
Der Rollstuhl soll weg sein.<br />
Ich möchte laufen können.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
In die Kirche gehen.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t in die Kirche gehen kann.<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Ihre Stärken?<br />
Wenn <strong>ich</strong> schreiben kann.<br />
Ich <strong>habe</strong> einen starken Willen.<br />
Was würden Sie gerne noch lernen?<br />
Noch mehr am Computer.<br />
Woher beziehen Sie Ihre Energien?<br />
Aus der Kirche.<br />
Welche Erwartungen oder Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
Dass meine Mutter noch lange gesund bleibt!<br />
Was möchten Sie außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
Ich finde es gut, dass <strong>ich</strong> an drei Tagen pro Woche<br />
18 19<br />
in die Tagesstruktur (der <strong>Lebenswege</strong>, Red.) kommen kann.
Integration darf n<strong>ich</strong>t nach der Kita oder Schule aufhören!<br />
Über Melanie Meiran<br />
Melanie Meiran wurde am 11. November 1974 geboren. Sie hat keine<br />
Geschwister und lebt bei ihren Eltern. Sie wurde <strong>mit</strong> sechs Jahren<br />
eingeschult und hat den erweiterten Hauptschulabschluss gemacht.<br />
Frau Meiran hat einen EDV-Arbeitsplatz in einer Werkstatt <strong>für</strong> Be-<br />
hinderte; der Arbeitsplatz gefällt ihr, nur manchmal hat sie zu wenig<br />
Arbeit.<br />
Melanie Meiran ist seit fünf, sechs Jahren an Rheuma erkrankt. Laut<br />
ärztl<strong>ich</strong>er Aussage ist dies bei spastisch behinderten <strong>Menschen</strong> aus-<br />
geschlossen.<br />
Melanie Meiran wünscht s<strong>ich</strong>, in einer eigenen Wohnung <strong>mit</strong> entspre-<br />
chender Assistenz rund um die Uhr – und n<strong>ich</strong>t nur <strong>mit</strong> Rufbereitschaft<br />
nachts! – zu wohnen. Sie wünscht s<strong>ich</strong> außerdem eine anspruchsvolle-<br />
re Tätigkeit <strong>mit</strong> Arbeitsassistenz in einem Büro oder in einer Werkstatt<br />
<strong>mit</strong> ausschließl<strong>ich</strong> körperbehinderten <strong>Menschen</strong>.<br />
Frau Meiran möchte n<strong>ich</strong>t um alles bitten müssen beziehungsweise<br />
keine Steine in den Weg gelegt bekommen. Sie möchte auch n<strong>ich</strong>t re-<br />
gelmäßig begutachtet und auf geistige Behinderung getestet werden.<br />
Eine Frage bei solchen Tests ist zum Beispiel, wie viel dreimal drei<br />
ergibt. Und diese Frage wird ihr gestellt, obwohl sie einen erweiterten<br />
Hauptschulabschluss besitzt!<br />
Respekt!<br />
Fragen und Antworten<br />
Melanie Meiran<br />
Was ist Ihre schönste Erinnerung, Ihr schönstes Erlebnis?<br />
Reisen nach Kroatien<br />
Welches Erlebnis hat Ihnen n<strong>ich</strong>t gefallen?<br />
Begutachtung durch den Sozialpsychiatrischen Dienst<br />
Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?<br />
Besuche von Konzerten, Ausstellungen, Museen, Kino,<br />
Einkaufsbummel, Arbeiten am Computer, Internet<br />
Was machen Sie nur sehr ungern?<br />
ständig erklären zu müssen,<br />
dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t geistig behindert bin<br />
Wer wären Sie gern?<br />
Melanie ohne Rollstuhl <strong>mit</strong> einem Arbeitsplatz außerhalb<br />
der Werkstatt<br />
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
Was wird,<br />
wenn meine Eltern mir n<strong>ich</strong>t mehr helfen können?<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
Respekt, <strong>mit</strong> Geduld zuhören<br />
Was am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong> hilft Ihnen n<strong>ich</strong>t?<br />
Besserwisserei<br />
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern, wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
keine Behinderung<br />
20 21
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
rollstuhlgerechtes Umfeld, zum Beispiel Zugänge zur<br />
Bahn und Veranstaltungsräumen, Toiletten<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Gesundheit, Familie und Freunde zu <strong>habe</strong>n<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
das Gegenteil von Glück<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Ihre Stärken?<br />
allein et<strong>was</strong> <strong>mit</strong> den Händen zu schaffen,<br />
erfolgre<strong>ich</strong>e Kommunikation <strong>mit</strong> Unbekannten<br />
Computerkenntnisse, Gedächtnis, Umgang <strong>mit</strong> Zahlen<br />
Was würden Sie gern noch lernen?<br />
durch den Umgang <strong>mit</strong> dem Internet erfolgt eine<br />
ständige Wissenserweiterung<br />
Woher beziehen Sie Ihre Energien?<br />
starker Willen, Eltern, Einzelfallhelferin<br />
Was wünschen Sie s<strong>ich</strong> <strong>für</strong> Ihre Zukunft?<br />
keine Anträge <strong>für</strong> die Teil<strong>habe</strong> am tägl<strong>ich</strong>en.<br />
Leben stellen zu müssen, keine Begutachtung,<br />
kein Hindernislauf durch Behörden mehr<br />
Was möchten Sie außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
Ich bin zu weiteren Gesprächen <strong>mit</strong> euch bereit,<br />
komme dazu auch gern an einem Mittwochnach<strong>mit</strong>tag in<br />
die Gubener Straße.<br />
Ich wäre gern eine unbehinderte Frau<br />
Fragen und Antworten<br />
Anja Reimann<br />
Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit?<br />
22 23<br />
Ich gehe gern tanzen in die Disco und hoffe, dort einmal<br />
einen Freund zu finden. Ich verreise sehr gern, liebe es, Mu-<br />
sik zu hören und spiele gern Theater (bin in einer Theater-<br />
gruppe <strong>mit</strong> behinderten und n<strong>ich</strong>t behinderten <strong>Menschen</strong>).<br />
Wer wären Sie gern?<br />
Ich wäre gern eine unbehinderte Frau <strong>mit</strong> Mann und Kindern.<br />
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
Dass <strong>ich</strong> wieder einmal ins Krankenhaus müsste, weil <strong>ich</strong><br />
dort schon so oft war.<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
Wenn sie s<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> mir zusammensetzen und wir ein Gespräch<br />
<strong>habe</strong>n, wo <strong>ich</strong> auch et<strong>was</strong> sagen kann.<br />
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern, wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
Dass <strong>ich</strong> mehr könnte, zum Beispiel allein aufstehen und<br />
n<strong>ich</strong>t dauernd um Hilfe bitten und warten muss, <strong>bis</strong> jemand<br />
<strong>für</strong> m<strong>ich</strong> Zeit hat.<br />
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
Ich bin manchmal sauer, weil <strong>ich</strong> mein Herz n<strong>ich</strong>t ausschüt-<br />
ten kann. So wie bei Fabian (Psychologe der <strong>Lebenswege</strong>, Red.),<br />
der manchmal zu mir kommt und <strong>mit</strong> mir spr<strong>ich</strong>t, das hilft<br />
mir da schon ein <strong>bis</strong>schen.
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Glück wäre <strong>für</strong> m<strong>ich</strong>, <strong>mit</strong> einem jungen Mann zusammen zu<br />
leben, den <strong>ich</strong> lieb <strong>habe</strong> und der m<strong>ich</strong> auch lieb hat, m<strong>ich</strong><br />
aber auch versorgen könnte. Es ist aber <strong>für</strong> m<strong>ich</strong> immer auch<br />
schon sehr schön, <strong>mit</strong> jemandem, den <strong>ich</strong> mag, Arm in Arm<br />
auf meinem Sofa zu sitzen und zu erzählen, Musik zu hören<br />
oder eine Video-Kassette anzuschauen.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Dass meine Eltern sterben könnten.<br />
Ich bin aber oft traurig, weil <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t alles so kann, wie <strong>ich</strong><br />
das gern wollte.<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Ihre Stärken?<br />
Wenn <strong>ich</strong> es schaffe, m<strong>ich</strong> fast ohne Hilfe auszuziehen, das<br />
heißt aber nur die Oberteile.<br />
Zwar kann <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> immer schwer entscheiden, <strong>was</strong> <strong>ich</strong> <strong>will</strong>,<br />
aber manchmal doch. Dann kann <strong>ich</strong> auch sehr hartnäckig<br />
sein und immer wieder davon sprechen, <strong>bis</strong> <strong>ich</strong> das erre<strong>ich</strong>t<br />
<strong>habe</strong>, <strong>was</strong> <strong>ich</strong> <strong>will</strong>. So <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> es zum Beispiel geschafft,<br />
meine WG zu wechseln.<br />
Ich höre <strong>Menschen</strong> gern zu, auch wenn sie Probleme <strong>habe</strong>n,<br />
und das tröstet sie. Manchmal kann <strong>ich</strong> ihnen auch helfen,<br />
weil <strong>ich</strong> es anderen weiter erzähle, die dann eine Lösung<br />
wissen.<br />
Was würden Sie gern noch lernen?<br />
Dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> mehr trauen würde, et<strong>was</strong> von mir aus zu sa-<br />
gen, <strong>was</strong> <strong>ich</strong> möchte und <strong>was</strong> <strong>ich</strong> brauche.<br />
Welche Erwartungen oder Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
Ich wünsche mir sehr, dass es immer liebe <strong>Menschen</strong> gibt,<br />
die m<strong>ich</strong> versorgen und s<strong>ich</strong> um m<strong>ich</strong> kümmern.<br />
Letztendl<strong>ich</strong> bleibt mir meine Sprache<br />
M<strong>ich</strong>ael Friehs<br />
Das Schreiben war und ist mir in meinem Leben ganz w<strong>ich</strong>tig! Wenn<br />
<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t tägl<strong>ich</strong> an meinem PC sitzen kann und »Taufbriefe« <strong>für</strong> mei-<br />
ne drei Söhne oder an meinem Roman weiter schreibe, dann fehlt mir<br />
et<strong>was</strong> in meinem Tagesablauf! Doch <strong>bis</strong> <strong>ich</strong> schreiben konnte und der<br />
bin, der diesen Text schreibt und n<strong>ich</strong>t den Fragebogen beantwortet,<br />
davon erzähle <strong>ich</strong> jetzt:<br />
Im Sommer 1961 kam <strong>ich</strong> als erster Sohn meiner Eltern zur Welt.<br />
Wenn Herbert Grönemeyer wüsste, <strong>was</strong> <strong>für</strong> spastisch Gelähmte die<br />
Aussage, dass Männer schon als Baby blau sind, <strong>für</strong> eine ganz andere<br />
Bedeutung hat, als sie gemeint ist, hätte er sie mögl<strong>ich</strong>erweise in sei-<br />
nem »Männer«-Lied anders formuliert! Tatsächl<strong>ich</strong> kam <strong>ich</strong> blau auf<br />
die Welt, weil <strong>ich</strong> unter Sauerstoffmangel litt.<br />
Die ersten zwei Jahre meines Lebens waren aus medizinischer S<strong>ich</strong>t<br />
eher verschenkt. Denn während s<strong>ich</strong> mein Bruder, der fünfzehn Mona-<br />
te später geboren wurde, körperl<strong>ich</strong> und geistig seinem Alter entspre-<br />
chend entwickelte, konnte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> immer noch n<strong>ich</strong>t bewegen. Wur-<br />
de <strong>ich</strong> auf den Boden gelegt, lag <strong>ich</strong>, wenn es sein musste, Stunden<br />
später noch genau so da, wie <strong>ich</strong> hingelegt wurde. Laut Aussage der<br />
behandelnden Ärzte soll <strong>ich</strong> ein besonders schwaches Kind gewesen<br />
sein, dass s<strong>ich</strong> schon noch entwickeln wird.<br />
24 25
Um mein zweites Lebensjahr herum wurde <strong>ich</strong> in der Uni-Klinik Frank-<br />
furt/Main untersucht und eine Hirnschädigung diagnostiziert, die eine<br />
spastische Tetraplegie zur Folge hat. Seither wurde <strong>ich</strong> krankengym-<br />
nastisch gefördert und gefordert. Auch heute fahre <strong>ich</strong> einmal in der<br />
Woche zur Krankengymnastik und freue m<strong>ich</strong> regelmäßig über die<br />
kleinen und großen Fortschritte in meiner Bobath-Therapie. Zudem<br />
hatte und <strong>habe</strong> <strong>ich</strong>, auch einmal wöchentl<strong>ich</strong>, Logopädie. Weil <strong>ich</strong><br />
weiß, dass <strong>ich</strong> durch meine Behinderung besonders <strong>für</strong> Außenste-<br />
hende schwer verständl<strong>ich</strong> bin, ist es mir besonders w<strong>ich</strong>tig, sprach-<br />
l<strong>ich</strong> gefördert zu werden. Letztendl<strong>ich</strong> bleibt mir als Einziges meine<br />
Sprache, um das in meinem Leben zu erre<strong>ich</strong>en, <strong>was</strong> <strong>ich</strong> erre<strong>ich</strong>en<br />
möchte! Ich <strong>habe</strong> einen Therapieplatz an der Schule <strong>für</strong> Logopädie in<br />
Berlin-Mitte.<br />
Natürl<strong>ich</strong> kann <strong>ich</strong> nur einige Etappen wiedergeben. Das würde den<br />
Rahmen dieser Veröffentl<strong>ich</strong>ung sprengen. Aber <strong>für</strong> besonders inte-<br />
ressant halte <strong>ich</strong> den Weg wie es zu meiner Einschulung kam:<br />
Als <strong>ich</strong> schulpfl<strong>ich</strong>tig wurde, gab es in meiner Heimatstadt Osna-<br />
brück in Niedersachsen noch keine schulische Förderung <strong>für</strong> körper-<br />
oder auch mehrfach behinderte Kinder. Meine Eltern fuhren mehrere<br />
hundert Kilometer im Landkreis Osnabrück umher, um andere Eltern<br />
ausfindig zu machen, die auch ein behindertes Kind im schulpfl<strong>ich</strong>-<br />
tigen Alter <strong>habe</strong>n. Dem unermüdl<strong>ich</strong>en Einsatz meiner Eltern ist es<br />
zu verdanken, dass im August 1968 die erste Sonderschulklasse <strong>für</strong><br />
behinderte Kinder eröffnet wurde!<br />
Aber schon nach drei Wochen hatte <strong>ich</strong> die Nase von der Schule voll.<br />
Das lag aber n<strong>ich</strong>t am hoch motivierten und ehrgeizigen Lehrer, der<br />
stets das Ziel erre<strong>ich</strong>t hat, uns nach Lehrplänen der allgemein bil-<br />
denden Hauptschule zu unterr<strong>ich</strong>ten. Sondern wir mussten erkennen,<br />
dass <strong>ich</strong> motorisch gar n<strong>ich</strong>t in der Lage war, handschriftl<strong>ich</strong> zu schrei-<br />
ben. Eine Schreibmaschine sollte dieses Problem lösen. Nach langen<br />
Verhandlungen <strong>mit</strong> dem Sozialamt hatte <strong>ich</strong> viele Wochen später eine<br />
elektrische Schreibmaschine auf dem Tisch stehen! Und schon kam<br />
die nächste Enttäuschung ans L<strong>ich</strong>t. Ich konnte auf ihr n<strong>ich</strong>t schrei-<br />
ben! Meine Hände sind einfach motorisch zu ungeschickt, um gezielt<br />
die Taste zu drücken, die <strong>ich</strong> drücken <strong>will</strong>. Ich <strong>habe</strong> meistens mehrere<br />
Tasten gle<strong>ich</strong>zeitig gedrückt oder Tasten, die neben der gewünschten<br />
waren. Und wieder konnte mir mein Vater helfen. Er hat zu dieser<br />
Zeit in einem Stahlwerk gearbeitet. Mein Vater hatte die Idee, die<br />
Tasten der Schreibmaschine komplett »hinter Gitter« zu legen. Als die<br />
selbst angefertigte Lochplatte auf der Tastatur geschraubt war, stand<br />
meiner schulischen Laufbahn n<strong>ich</strong>ts mehr im Weg. Seither kann <strong>ich</strong><br />
ohne Schwierigkeiten schreiben. Mitte der Neunziger wurde aus der<br />
Schreibmaschine ein Computer, aber die Lochplatte auf der Tastatur<br />
ist weiter ein unverz<strong>ich</strong>tbares Hilfs<strong>mit</strong>tel <strong>für</strong> m<strong>ich</strong>. Im Nachhinein hat<br />
s<strong>ich</strong> mein Vater sehr geärgert, seine Idee n<strong>ich</strong>t patentieren zu las-<br />
sen. Eine Lochplatte über einer Tastatur, wie <strong>ich</strong> sie brauche, gab es<br />
vorher in Deutschland n<strong>ich</strong>t. Mein Vater hat <strong>für</strong> m<strong>ich</strong> ein Hilfs<strong>mit</strong>tel<br />
erfunden, das wie selbstverständl<strong>ich</strong> seit vielen Jahrzehnten <strong>für</strong> jede<br />
Tastatur nachgebaut wird!<br />
Als <strong>ich</strong> 1978 meinen Hauptschulabschluss in Osnabrück gemacht<br />
<strong>habe</strong>, war <strong>ich</strong> noch ein Schuljahr lang in Hannover auf der Sonder-<br />
schule <strong>für</strong> Körperbehinderte. Dort <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> den erweiterten Haupt-<br />
schulabschluss gemacht, der einem Realschulabschluss entspr<strong>ich</strong>t.<br />
Im November 1972 machten s<strong>ich</strong> meine Eltern <strong>mit</strong> einem Kleinbus-<br />
unternehmen selbstständig. Auch hier dachten sie an m<strong>ich</strong>. Ich sollte<br />
nach meiner Schul- und Ausbildungszeit einen dauerhaft ges<strong>ich</strong>erten<br />
Arbeitsplatz im eigenen Betrieb <strong>habe</strong>n. Weil <strong>ich</strong> vor Ausbildungsbe-<br />
ginn meinen künftigen Arbeitsplatz nachweisen konnte, hat mir das<br />
Arbeitsamt eine Ausbildung zum Bürokaufmann im Heidelberger Re-<br />
hazentrum Schlierbach be<strong>will</strong>igt. Lange bevor <strong>ich</strong> nach Heidelberg<br />
26 27
kam, hatte <strong>ich</strong> meinen ersten elektrischen Rollstuhl. Doch <strong>bis</strong> die<br />
Krankenkasse die Kosten <strong>für</strong> ein sehr elementares Hilfs<strong>mit</strong>tel über-<br />
nommen hat, waren ein langer Atem und ein energischer Kampf nö-<br />
tig! Letztendl<strong>ich</strong> stand das Sozialger<strong>ich</strong>t auf unserer Seite und die<br />
Krankenkasse hat verloren.<br />
Nach meiner Berufsausbildung lernte <strong>ich</strong> meine Frau kennen. Wir hei-<br />
rateten 1987 in Osnabrück und <strong>habe</strong>n drei n<strong>ich</strong>t behinderte Söhne zur<br />
Welt gebracht. Obwohl wir versucht <strong>habe</strong>n, unsere zunächst glückl<strong>ich</strong>e<br />
Ehe von der pflegerischen Versorgung zu trennen und einen Pflege-<br />
dienst beauftragten, konnte eine Scheidung nach dreizehn Jahren Ehe<br />
n<strong>ich</strong>t vermieden werden!<br />
Für jede Ehe ist eine Scheidung ein harter und tiefer Einschnitt. Für<br />
m<strong>ich</strong> war es zusätzl<strong>ich</strong> schwer, weil <strong>ich</strong> mir ein Leben suchen musste,<br />
das auf der einen Seite so barrierefrei wie mögl<strong>ich</strong> ist und zusätzl<strong>ich</strong><br />
meinen tägl<strong>ich</strong>en Hilfebedarf s<strong>ich</strong>erstellt. Kurz vor unserer Trennung<br />
bin <strong>ich</strong> das Wagnis eingegangen, <strong>für</strong> eine Woche ohne jegl<strong>ich</strong>e Be-<br />
gleitung in Berlin Urlaub zu machen. Eine Freundin, die hier lebt, hat<br />
mir den Kontakt zum Pflegedienst der <strong>Lebenswege</strong> gGmbH ver<strong>mit</strong>-<br />
telt. So hatte <strong>ich</strong> während meines Urlaubes Assistenz durch Normales<br />
Leben. Von dem Konzept und der Arbeit von <strong>Lebenswege</strong> war <strong>ich</strong> so<br />
begeistert, dass <strong>ich</strong> mein Leben ohne die Familie in der Hauptstadt<br />
fortsetzen wollte!<br />
Aus diesem Grund lebe <strong>ich</strong> seit dem Jahr 2000 in Berlin und be-<br />
komme tägl<strong>ich</strong> acht Stunden Assistenz vom Pflegedienst Normales<br />
Leben der <strong>Lebenswege</strong> gGmbH. Seit Anfang 2002 beziehe <strong>ich</strong> Rente<br />
wegen Erwerbsunfähigkeit. Durch die erfolgre<strong>ich</strong>e Arbeit der Lebens-<br />
wege gGmbH ist es mir mögl<strong>ich</strong>, ein Leben führen zu können, wie es<br />
genau meinen Vorstellungen entspr<strong>ich</strong>t. Für diese Freiheit danke <strong>ich</strong><br />
dem Pflegedienst der <strong>Lebenswege</strong> gGmbH recht herzl<strong>ich</strong>!<br />
Ich bin <strong>ich</strong>! Fragen und Antworten<br />
Traude Borsch<br />
Was ist Ihre schönste Erinnerung, Ihr schönstes Erlebnis?<br />
28 29<br />
Zwei Jahre auf Trebe – frei, ohne Prügel, ohne eingesperrt<br />
zu sein und Onkel Ferdi <strong>mit</strong> seiner bedingungslosen Unter-<br />
stützung, Hilfe und Liebe<br />
Welches Erlebnis hat Ihnen n<strong>ich</strong>t gefallen?<br />
... Diebstähle, die von anderen begangen wurden und <strong>ich</strong> da<strong>für</strong><br />
verantwortl<strong>ich</strong> gemacht wurde<br />
Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit?<br />
Ganz lange Dampferfahrten, stricken, kochen und backen,<br />
Gassi gehen <strong>mit</strong> Lady, Bowlen, Ausflüge<br />
Was machen Sie nur sehr ungern?<br />
Ärzte aufsuchen<br />
Wer wären Sie gerne?<br />
Nein! Ich bin <strong>ich</strong>!<br />
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
Dass <strong>ich</strong> Schulden <strong>habe</strong> und n<strong>ich</strong>t verstehe, wo sie entstan-<br />
den sind.<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
Das Zuhören, n<strong>ich</strong>t ins Wort fallen; Vertrauen in m<strong>ich</strong>; mir<br />
n<strong>ich</strong>t alles abnehmen; m<strong>ich</strong> ausprobieren lassen<br />
Was am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong> hilft Ihnen n<strong>ich</strong>t?<br />
Wenn sie Stress machen, m<strong>ich</strong> laut und heftig ansprechen<br />
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern, wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
Ich <strong>habe</strong> schon so viel an mir geändert!<br />
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
Den meckernden Nachbarn loswerden, Wohnräume vergrö-<br />
ßern und Möbel umstellen, kleine Parkanlage <strong>mit</strong> Schatten<br />
<strong>für</strong> m<strong>ich</strong>, Lady und die älteren Nachbarn, Pferde in der Nähe
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Lottogewinn; <strong>mit</strong> linkem Fuß in Hundekot treten!<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Hinzufallen und mir den Hals zu brechen<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Ihre Stärken?<br />
Aufzustehen, ein Mikro in die Hand zu nehmen auf offener<br />
Straße zu singen und alle hören begeistert zu<br />
N<strong>ich</strong>ts mehr zu verheiml<strong>ich</strong>en; alles offen anzusprechen<br />
Was würden Sie gerne noch lernen?<br />
LKW fahren; technische Geräte reparieren lernen.<br />
Woher beziehen Sie Ihre Energien?<br />
Die kommt von selbst – über Nacht. Mal gibt es schlechte,<br />
mal gute Zeiten.<br />
Welche Erwartungen/Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
Dass <strong>ich</strong> keine Selbstgespräche mehr führe;<br />
bessere finanzielle Situation.<br />
Was möchten Sie gerne außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
Seit <strong>Lebenswege</strong> (Sozialarbeiterische Assistenz im Rahmen des Be<br />
treuten Einzelwohnens, Red.) bei mir ist, geht es mir bedeu-<br />
tend besser. Es gab keinen Ärger mehr, keine Minutenab-<br />
rechnung wie beim Pflegedienst. <strong>Lebenswege</strong> darf auf keinen<br />
Fall geschlossen werden – das <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> geträumt.<br />
Über m<strong>ich</strong> Traude Borsch – sieben Geschwister, leider war kein Schul-<br />
besuch in der Kindheit mögl<strong>ich</strong>; EU-Rentnerin, wohne in Zwei-Raum-<br />
Wohnung <strong>mit</strong> Balkon in Charlottenburg; <strong>ich</strong> sitze n<strong>ich</strong>t im Rollstuhl;<br />
ein Sohn; <strong>habe</strong> eine vierjährige Klein-Pekinesin, hatte 16 Jahre lang<br />
eine Groß-Weiß-Silber-Spitz-Hündin. Drei Wünsche an die Zauberfee:<br />
1. Legasthenie weg 2. alle Krankheiten und Beschwerden weg<br />
3. sofort LKW fahren können und eigener LKW<br />
Die persönl<strong>ich</strong>e Gesch<strong>ich</strong>te von Werner Knobloch<br />
Ich bin <strong>mit</strong> einer Behinderung auf die Welt gekommen. Ich hatte bei<br />
der Geburt eine Gehirnblutung. Das ist, als wenn ein Papier einreißt,<br />
so sagte der Arzt. Dadurch kam dann die Lähmung meiner Hände und<br />
meiner Beine und Krämpfe vom Gehirn aus. Die Krämpfe sind nachher<br />
ausgeheilt. Die Ärzte sagten zu Mutter: »Der Junge wird n<strong>ich</strong>t groß,<br />
n<strong>ich</strong>t mal 18 Jahre alt!« Aber das hat s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t bewahrheitet.<br />
Mutter hatte die Mögl<strong>ich</strong>keit, m<strong>ich</strong> ins Heim zu bringen, aber das hat<br />
sie n<strong>ich</strong>t gemacht, weil <strong>ich</strong> im Heim wie eine Sache behandelt worden<br />
wäre. Meine Eltern waren einfache Arbeiter. Sie wussten zwar n<strong>ich</strong>t<br />
viel, aber waren »vom Herzen her« gebildet.<br />
Ich bin am Mariendorfer Weg in Neukölln in den Kindergarten und die<br />
Schule gegangen, <strong>bis</strong> zu meinem 15. Lebensjahr. Dann kam <strong>ich</strong> nach<br />
Britz in die Lehrwerkstätten. Da <strong>habe</strong>n wir Radiotasten eingesetzt.<br />
Zwei Jahre blieb <strong>ich</strong> da. Dann wurde <strong>ich</strong> nach Schmargendorf in eine<br />
Werkstatt gebracht, wo <strong>ich</strong> Decken und Kissenbezüge gewebt <strong>habe</strong>.<br />
Später kam <strong>ich</strong> zur Fontanestrasse in Neukölln, wo wir Hörmuscheln<br />
in Telefone einsetzten. 1973 kam <strong>ich</strong> raus, weil <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so arbeiten<br />
konnte, wie man es <strong>habe</strong>n wollte. Ich <strong>habe</strong> dann bei meinen Eltern<br />
gewohnt, <strong>bis</strong> mein Vater und meine Mutter starben. Danach kam <strong>ich</strong><br />
zu <strong>Lebenswege</strong> in die Krumme Straße, wo <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> erst mal zurecht-<br />
finden musste. Hier wurde <strong>ich</strong> vom Rollstuhl her größer und selbst-<br />
ständiger und lernte, s<strong>ich</strong>er auf der Strasse zu fahren. Heute komme<br />
<strong>ich</strong> zurecht. Es sind noch manche Hindernisse da, zum Beispiel dass<br />
<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t alleine in ein Flugzeug setzen kann und dann Hilfe<br />
brauche, oder wenn in Bahnhöfen keine Fahrstühle sind. Aber man<br />
kann n<strong>ich</strong>t alles auf einmal machen.<br />
30 31
Ich <strong>habe</strong> näml<strong>ich</strong> einen ganz anderen Blick.<br />
Fragen und Antworten<br />
Werner Knobloch<br />
Was ist Ihre schönste Erinnerung, Ihr schönstes Erlebnis?<br />
Die ersten Jahre im Wohnverbund Krumme Straße waren <strong>für</strong><br />
m<strong>ich</strong> et<strong>was</strong> ganz Neues und sehr Schönes, weil <strong>ich</strong> nun zum<br />
ersten Mal alleine in einer Wohnung wohnen und leben konn-<br />
te. Ich kam von meiner Mutter und war es noch n<strong>ich</strong>t ge-<br />
wöhnt, alleine zu leben und zu sprechen. Doris Heitmann,<br />
die erste Leiterin des Wohnverbundes, hatte es mir le<strong>ich</strong>t ge-<br />
macht, m<strong>ich</strong> hier einzugewöhnen. Sie verstand meine »unge-<br />
schickten« Wörter.<br />
Welches Erlebnis hat Ihnen n<strong>ich</strong>t gefallen?<br />
Vom Pflegedienst wurde mir einmal eine Assistentin ge-<br />
schickt, die sehr ungeschickt war und m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t in den E-<br />
Rollstuhl umsetzen konnte. Ich bin aus dem Rollstuhl gefallen.<br />
Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit?<br />
Ich höre Musik und sehe gerne fern. Durch Fernsehen und<br />
den Rundfunk bekomme <strong>ich</strong> alles <strong>mit</strong>, <strong>was</strong> draußen und in<br />
der Welt passiert. Im Allgemeinen bin <strong>ich</strong> viel <strong>mit</strong> meinem<br />
E-Rollstuhl unterwegs. Ich war auch schon alleine auf dem<br />
Gauklerfest in Berlin-Mitte und auf dem Weihnachtsmarkt.<br />
Durch die S- und U-Bahn <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> die Mögl<strong>ich</strong>keit, durch<br />
die ganze Stadt zu fahren. Bei meinen Fahrten durch Berlin<br />
werde <strong>ich</strong> auch schon mal von anderen Leuten auf meinen<br />
Rollstuhl angesprochen. Ich antworte dann gerne.<br />
Was machen Sie nur sehr ungern?<br />
32 33<br />
Ich bin n<strong>ich</strong>t wie ein »Opa«, der den Kopf hängen lässt. Für<br />
m<strong>ich</strong> heißt es immer »Aufstehen Junge, es geht weiter!« Ich<br />
stehe n<strong>ich</strong>t gerne still und setze mein Wissen immer gerne ein.<br />
Wer wären Sie gern?<br />
Ich wäre gerne mal ein Reporter und würde im Rundfunk Re-<br />
portagen machen, zum Beispiel mal ber<strong>ich</strong>ten, wie <strong>ich</strong> den<br />
Karneval der Kulturen vom Rollstuhl aus erlebe. Das wird<br />
so selten gebracht. Ich <strong>habe</strong> näml<strong>ich</strong> einen ganz anderen<br />
Blick vom Rollstuhl aus, ähnl<strong>ich</strong> wie ein Autofahrer. Ich sehe<br />
n<strong>ich</strong>t so gut, <strong>was</strong> ganz unten vor meinem Rolli passiert. Auch<br />
die süßen Mädchenbeine n<strong>ich</strong>t.<br />
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
Ich nehme wahr, dass heutzutage vielen Leuten alles egal ist.<br />
So <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> Angst, dass mir die Krankenkasse irgendwann<br />
keinen Rollstuhl mehr be<strong>will</strong>igt. Ich musste immer das neh-<br />
men, <strong>was</strong> mir die Krankenkasse gibt. Die Regeln sind <strong>für</strong><br />
m<strong>ich</strong> zu »starr«, wie die Schrift in einem Grabstein. Sorge<br />
macht mir, dass s<strong>ich</strong> mal keiner mehr <strong>für</strong> m<strong>ich</strong> zuständig<br />
fühlt und <strong>ich</strong> nur von einem zum anderen geschickt werde:<br />
»Für D<strong>ich</strong> bin <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t da!«<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
Mir hilft, wenn andere Rücks<strong>ich</strong>t auf m<strong>ich</strong> als Rollstuhlfahrer<br />
nehmen, mir zum Beispiel die Tür öffnen, mal den Fahrstuhl<br />
holen oder mir helfen, in die U- oder S- Bahn einzusteigen.<br />
Was am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong> hilft Ihnen n<strong>ich</strong>t?<br />
Wenn s<strong>ich</strong> andere Leute beim Einsteigen vordrängeln. Dabei<br />
<strong>habe</strong>n S- und U-Bahnen mehrere Türen, aber alle wollen nur<br />
beim Fahrer einsteigen, wo mir die Rampe angelegt wird.<br />
Wenn m<strong>ich</strong> ein Fahrer n<strong>ich</strong>t mehr in die Bahn hineinlässt,<br />
weil sie zu voll ist, ist das <strong>für</strong> m<strong>ich</strong> eine Ablehnung.
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
Ich <strong>will</strong> n<strong>ich</strong>ts ändern, <strong>ich</strong> bin ganz zufrieden <strong>mit</strong> mir.<br />
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
Gerade im Osten müssten mal die Bürgersteige abgesenkt<br />
werden, da<strong>mit</strong> <strong>ich</strong> <strong>mit</strong> meinem Rollstuhl n<strong>ich</strong>t immer die<br />
Ein- und Ausfahrten nehmen muss. Ändern würde <strong>ich</strong>, dass<br />
die Leute von draußen uns Behinderte n<strong>ich</strong>t mehr so ableh-<br />
nen. Manchmal höre <strong>ich</strong> von Älteren »Ach, der arme, hilflose<br />
Junge, der kann ja n<strong>ich</strong>ts!« Die meisten sehen nur den Roll-<br />
stuhl und n<strong>ich</strong>t die Person, die drin sitzt, und dass die Per-<br />
son Gefühle hat und genau so weint und lacht.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Glück ist <strong>für</strong> m<strong>ich</strong>, wenn man angenommen wird, ohne auf<br />
die Fehler zu gucken.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Wenn <strong>ich</strong> als Rollstuhlfahrer ausgeschlossen werde, fühle <strong>ich</strong><br />
m<strong>ich</strong> wie der letzte Wagen einer Eisenbahn. Wenn Geschäfte<br />
oder Kinos n<strong>ich</strong>t rollstuhlgerecht sind und <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t hinein-<br />
komme. Manchmal fühle <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> in eine Ecke gestellt, wie<br />
ein altes Möbelstück. Ich mag es n<strong>ich</strong>t, betteln zu müssen:<br />
»Lasst m<strong>ich</strong> doch rein...!« Manche Leute <strong>habe</strong>n Angst, dass<br />
Rollstuhlfahrer alles anfassen und in Unordnung bringen.<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Als <strong>ich</strong> von Herrn Wigger (früher zuständig <strong>für</strong> Öffentl<strong>ich</strong>-<br />
keitsarbeit bei <strong>Lebenswege</strong>) <strong>für</strong> den Rundfunk interviewt wur-<br />
de. Mal in einem r<strong>ich</strong>tigen Rundfunkstudio zu sein, war et-<br />
<strong>was</strong> ganz Besonderes <strong>für</strong> m<strong>ich</strong>. Ich <strong>habe</strong> mir auch nie ge-<br />
dacht, dass <strong>ich</strong> mal Presseerzählungen und Zeitungsartikel<br />
mache. Meine Artikel wurden nie »zensiert«: »So sagt man<br />
das n<strong>ich</strong>t, Junge!« Natürl<strong>ich</strong> fehlt mir die Schule, wo man<br />
lernt, wie man Presseerzählungen macht, aber meine Worte<br />
Ihre Stärken?<br />
34 35<br />
durften so gelten. Ich <strong>habe</strong> mir das alles durch den Rund-<br />
funk und das Fernsehen beigebracht.<br />
Ich nehme viel Wissen auf und setze es in meine Sprache<br />
um. Bei den Ärzten setze <strong>ich</strong> die Diagnosen in meine Worte<br />
um. Sch<strong>ich</strong>tröntgen <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> <strong>mit</strong> einem Kuchen vergl<strong>ich</strong>en:<br />
Erst der Teig, dann der Apfel drauf und drüber wird alles<br />
zugedeckt. Ich versuche die Worte so umzusetzen, dass es<br />
die Allgemeinheit versteht. Da<strong>für</strong> <strong>habe</strong>n m<strong>ich</strong> die Ärzte gelobt.<br />
Was würden Sie gern noch lernen?<br />
Ich bin wie ein Tonband, nehme Vieles auf. Es gibt n<strong>ich</strong>ts<br />
Bestimmtes, <strong>was</strong> <strong>ich</strong> lernen möchte. Ich nehme alles <strong>mit</strong>.<br />
Ich bin wie ein Kramladen, der immer <strong>was</strong> gebracht kriegt.<br />
Woher beziehen Sie Ihre Energien?<br />
Wenn es n<strong>ich</strong>t zu anstrengend ist, nehme <strong>ich</strong> die Kraft von<br />
mir selbst. Wenn es sehr anstrengend wird, muss <strong>ich</strong> meine<br />
»Aufziehfeder« mal locker lassen und eine Pause machen.<br />
Innerl<strong>ich</strong> tanke <strong>ich</strong> dann selbst auf, wie ein »Akku am Lade-<br />
gerät«.<br />
Welche Erwartungen/Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
Ich lasse alles auf m<strong>ich</strong> zukommen. Wenn et<strong>was</strong> Neues vor<br />
der Tür steht, suche <strong>ich</strong> mir aus, ob <strong>ich</strong> es nehmen kann oder<br />
n<strong>ich</strong>t, wie in einem Bücherregal. Ein Traum von mir ist, eine<br />
Platte aus alten Liedern zu machen. Die Platte müsste dann<br />
draußen veröffentl<strong>ich</strong>t werden wie ein Buch. Und wenn mei-<br />
ne Lebensgesch<strong>ich</strong>te mal als Hörbuch von einem Profi, ei-<br />
nem Rundfunksprecher verlesen würde, das wäre <strong>was</strong> Schö-<br />
nes <strong>für</strong> m<strong>ich</strong>.<br />
Was möchten Sie außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
Ich wünsche mir, dass die Situation <strong>für</strong> Rollstuhlfahrer in<br />
Zukunft besser wird, be<strong>für</strong>chte aber, dass alles rückwärts
geht. Man zieht uns Rollstuhlfahrer wie Spielzeugautos hin-<br />
ter s<strong>ich</strong> her und lässt uns dann stehen. Mit so et<strong>was</strong> »Un-<br />
schönem« wie Rollstuhlfahrer möchten viele n<strong>ich</strong>ts zu tun<br />
<strong>habe</strong>n. Rollstuhlfahrer und Behinderte zählen genau so <strong>mit</strong>,<br />
wie jeder andere, der »normal« ist, wie man so sagt.<br />
Ohne große Planung ins Kino gehen<br />
Fragen und Antworten<br />
Sabine Finke<br />
Behinderung: Tetraspastik<br />
Wohnform: zu zweit<br />
Schule: kein Hauptschulabschluss<br />
Familie: Es besteht kein Kontakt.<br />
Tätigkeit: Ich gehe keiner Tätigkeit nach.<br />
Was ist Ihre schönste Erinnerung, Ihr schönstes Erlebnis?<br />
Der Umzug in die eigene Wohnung.<br />
Welches Erlebnis hat Ihnen n<strong>ich</strong>t gefallen?<br />
In einem Heim aufzuwachsen.<br />
Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?<br />
Schwimmen, Spaziergänge, am Computer spielen.<br />
Was machen Sie nur sehr ungern?<br />
Alleine zu Ärzten gehen, s<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> Ämtern auseinandersetzen.<br />
Wer wären Sie gerne?<br />
Millionär: <strong>ich</strong> könnte alle nötigen Therapien und Hilfs<strong>mit</strong>tel<br />
selbst zahlen.<br />
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
Einsparungen im Sozialbere<strong>ich</strong>.<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
Verständnis, Anteilnahme, Hilfe.<br />
Was am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong> hilft Ihnen n<strong>ich</strong>t?<br />
Mitleid<br />
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
36 37<br />
M<strong>ich</strong> in einen gesunden Körper zaubern! Ich könnte ohne<br />
große Planung ins Kino gehen, Freunde besuchen.<br />
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
U-Bahnhöfe behinderten gerecht ausbauen<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Einen Partner zu <strong>habe</strong>n, keine Schmerzen zu <strong>habe</strong>n, gut ge-<br />
pflegt zu werden von netten Assistenten.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Einen geliebten <strong>Menschen</strong> zu verlieren. Schmerzen zu ha-<br />
ben. Wenn der E-Rollstuhl kaputt ist.<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Ein Hilfs<strong>mit</strong>tel, das dringend gebraucht wird, auch zu be-<br />
kommen.<br />
Ihre Stärken?<br />
Die Assistenzzeit gut zu planen.<br />
Woher beziehen Sie Ihre Energien?<br />
Ein schöner Spaziergang verbunden <strong>mit</strong> einem netten Ge-<br />
spräch. Schwimmen gehen.<br />
Welche Erwartungen oder Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
Dass meine Behinderung s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t weiter verschlechtert. Dass<br />
n<strong>ich</strong>t weiter im Sozialbere<strong>ich</strong> gespart wird.<br />
Was möchten Sie gerne außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
Ich bin seit 15 Jahren bei <strong>Lebenswege</strong> und bin sehr zufrie-<br />
den <strong>mit</strong> der Betreuung.
Immer wieder aufstehen.<br />
Fragen und Antworten<br />
Christoph Gallus<br />
Was ist Ihre schönste Erinnerung, Ihr schönstes Erlebnis?<br />
Als <strong>ich</strong> vor zwei Jahren in meine eigene Wohnung einzog.<br />
Welches Erlebnis hat Ihnen n<strong>ich</strong>t gefallen?<br />
Es gab kein Erlebnis in meinem Leben, wo <strong>ich</strong> sagen würde,<br />
das hat mir wehgetan.<br />
Eigentl<strong>ich</strong> gibt es doch ein Erlebnis, das <strong>für</strong> m<strong>ich</strong> emotional<br />
sehr belastend ist: Mit 29 Jahren <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> erfahren, dass <strong>ich</strong><br />
aufgrund eines ärztl<strong>ich</strong>en Kunstfehlers im Rollstuhl sitze.<br />
Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit?<br />
Reisen; Musik hören, am liebsten die von Matthias Reim<br />
Was machen Sie nur sehr ungern?<br />
M<strong>ich</strong> streiten.<br />
Wer wären Sie gerne?<br />
Ein Träumer<br />
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
Meine Zukunft: wegen der Abhängigkeit von Ämtern, die mein<br />
Leben finanziell in der Hand <strong>habe</strong>n.<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
38 39<br />
Die Toleranz gegenüber meiner Behinderung und dass sie auf<br />
m<strong>ich</strong> zugehen.<br />
Was am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong> hilft Ihnen n<strong>ich</strong>t?<br />
Die Intoleranz, wenn Leute m<strong>ich</strong> auf meinen Rollstuhl be-<br />
grenzen. Wenn Leute nur den Rollstuhl sehen und n<strong>ich</strong>t den<br />
<strong>Menschen</strong>. In einem Rollstuhlfahrer ist auch eine Seele.<br />
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
Wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre, würde <strong>ich</strong> mir wünschen, dass <strong>ich</strong><br />
irgendwann laufen könnte.<br />
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
Schwierig. Eigentl<strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>ts. Aber ab und zu brauche <strong>ich</strong><br />
ein anderes Team, Abwechslung, neue Leute, die hinter mir<br />
stehen. Mein Leben verändert s<strong>ich</strong> ja auch und dann würde<br />
<strong>ich</strong> die <strong>Menschen</strong>, die m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t verstehen oder von denen<br />
<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t verstanden fühle, auch wieder aus meinem<br />
Team entlassen. Außerdem wäre es eine w<strong>ich</strong>tige Aufgabe<br />
<strong>für</strong> die Politik, <strong>für</strong> mehr gesellschaftl<strong>ich</strong>e Aufmerksamkeit<br />
<strong>für</strong> behinderte <strong>Menschen</strong> zu sorgen, da<strong>mit</strong> man s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />
wie ein Mensch zweiter Klasse fühlen muss.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Liebe, Zweisamkeit und Partnerschaft.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Wenn <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> grundsätzl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t verstanden fühle. Wenn<br />
<strong>ich</strong> versuche, <strong>mit</strong> jemandem in Kontakt zu treten – berufl<strong>ich</strong><br />
oder privat – und der <strong>will</strong> aber n<strong>ich</strong>t so wie <strong>ich</strong>.<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Wenn alles im ruhigen Ablauf in meinem Leben hergestellt<br />
werden kann, da<strong>mit</strong> <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> wohl und zufrieden fühle.
Ihre Stärken?<br />
Organisation von Situationen; m<strong>ich</strong> auf Situationen relativ<br />
schnell einstellen zu können, gut zuhören zu können.<br />
Was würden Sie gerne noch lernen?<br />
M<strong>ich</strong> eventuell berufl<strong>ich</strong> weiterbilden. Ich würde mir wün-<br />
schen, n<strong>ich</strong>t von anderen <strong>Menschen</strong> abhängig zu sein.<br />
Woher beziehen Sie Ihre Energien?<br />
Schwierig. Aus der Musik eines Künstlers namens Matthias<br />
Reim. Ich kenne ihn persönl<strong>ich</strong> und mag ihn, weil er m<strong>ich</strong><br />
n<strong>ich</strong>t auf den Rollstuhl fixiert, sondern m<strong>ich</strong> als normalen<br />
<strong>Menschen</strong> behandelt. Außerdem gefällt mir an ihm, dass<br />
er aus Lebenskrisen wieder aufgestanden ist. Er ist ein<br />
»Steh-auf-Männchen« wie <strong>ich</strong>. Man kann n<strong>ich</strong>t so tief fallen,<br />
dass man n<strong>ich</strong>t wieder aufstehen könnte.<br />
Welche Erwartungen oder Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
Irgendwann <strong>mit</strong> meiner Partnerin, eventuell <strong>mit</strong> Kindern ein<br />
fach zur Ruhe zu kommen und mein Leben leben.<br />
Was möchten Sie außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
Eigentl<strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>ts. So wie Sie den <strong>Menschen</strong> hier sehen,<br />
so ist er momentan drauf. Außerdem würde <strong>ich</strong> hier gerne<br />
noch ein Dankeschön an meine Eltern sagen, weil sie mir viel<br />
beigebracht <strong>habe</strong>n, immer <strong>für</strong> m<strong>ich</strong> da waren und sind.<br />
Christoph Gallus wurde am 3. Juli 1978 geboren. Er hat einen jünge-<br />
ren Bruder. Seit seiner Geburt lebt er <strong>mit</strong> einer Spastik, kann in der<br />
Wohnung <strong>mit</strong> Gehstützen laufen und benutzt sonst einen Rollstuhl.<br />
Er absolvierte den erweiterten Hauptschulabschluss und arbeitet in<br />
einer Werkstatt <strong>für</strong> behinderte <strong>Menschen</strong>. Christoph Gallus lebt seit<br />
zwei Jahren in seiner eigenen rollstuhlgerechten Wohnung in L<strong>ich</strong>ter-<br />
felde-Ost.<br />
Daniela Göthe, geboren 13. Juli 1953, gestorben 18. August 2006<br />
Gisela Göthe<br />
Eigentl<strong>ich</strong> sollte Daniela ja erst Mitte August auf die Welt kommen,<br />
aber es kam alles ganz anders, als wir es uns gedacht hatten. Daniela<br />
war noch im behüteten Bauch der Mutter, die <strong>mit</strong> ihr ein paar Tage in<br />
Neuenhagen bei den Eltern, dem jüngeren Bruder und der Großmutter<br />
40 41<br />
war.<br />
An dem Tag, als sie wieder nach Hause fahren wollten, hatten sie s<strong>ich</strong><br />
<strong>mit</strong> Danielas Vater an der Warschauer Brücke verabredet. Plötzl<strong>ich</strong><br />
fuhren die Züge n<strong>ich</strong>t weiter, zuerst wusste kein Mensch, warum. Aber<br />
es war der 17. Juni 1953, der erste große Aufstand der DDR, und wir<br />
sind dort <strong>mit</strong>ten hineingeraten. So mussten wir die unendl<strong>ich</strong> lange<br />
Strecke von L<strong>ich</strong>tenberg <strong>bis</strong> Warschauer Brücke über die damalige<br />
Stalinallee laufen. Die aufgebrachten Massen warfen Steine in Schau-<br />
fenster und Autos, ja, sie versuchten sogar, das Stalindenkmal umzu-<br />
stürzen und kämpften gegen die Polizei und umgekehrt.<br />
Nach Stunden hatten wir unser Ziel erre<strong>ich</strong>t, wo uns Göthe voller Bangen<br />
erwartet hatte. Zuerst schien es, als hätten wir alles unbeschadet über-<br />
standen. Aber dann setzten bei der Mutter ständige Schmerzen ein. Was<br />
keiner vermutete – auch der Arzt n<strong>ich</strong>t – es waren Wehen. So kam <strong>ich</strong><br />
<strong>mit</strong> dem Rettungswagen ins Albrecht-Achilles-Krankenhaus und Daniela<br />
kam am 13. Juli 1953 – im 8. Monat – nach<strong>mit</strong>tags gegen 17.00 Uhr<br />
zur Welt. Sie wog 1.740 Gramm.<br />
Als <strong>ich</strong> am nächsten Morgen mein Kind erwartete, sagte man mir,<br />
dass sie noch in der Nacht ins Mosse-Stift, ein Kinderkrankenhaus,
gebracht worden sei. Dort kam sie in einen Brutkasten und sollte dort<br />
bleiben, <strong>bis</strong> sie drei Kilogramm wiegen würde. Sie war eigentl<strong>ich</strong> <strong>für</strong><br />
heutige Verhältnisse zieml<strong>ich</strong> schwer, sie sah auch rosig und gesund<br />
aus und benahm s<strong>ich</strong> so, wie es ein Frischgeborenes nach der Geburt<br />
tun sollte.<br />
Im Kinderkrankenhaus waren noch drei andere Frühgeburten auf der<br />
Station, die alle viel le<strong>ich</strong>ter und kleiner waren als Daniela. Erst lief<br />
alles ganz gut an. Sie nahm zu und <strong>ich</strong> konnte sie jeden Tag hinter<br />
einer Scheibe sehen. Aber nach circa fünf Wochen verschwand ein<br />
Baby nach dem anderen. Angebl<strong>ich</strong> waren sie entlassen worden, aber<br />
das stimmte n<strong>ich</strong>t, sie waren verstorben.<br />
Ein Arzt hatte uns – aus Versehen – den Grund genannt. Es gab eine<br />
Epidemie auf der Station, Meningitis. Daniela, als kräftigste, hatte<br />
überlebt und nun wurde <strong>mit</strong> ihr experimentiert, <strong>was</strong> wir auch nur<br />
durch Zufall erfuhren.<br />
Wir <strong>habe</strong>n dann darauf bestanden, dass unser Kind – auf eigene Ver-<br />
antwortung – im Dezember 1953 entlassen wird. Man wollte sie uns<br />
ungern geben, sie hatte näml<strong>ich</strong>: einen Nabelbruch, Bronchitis und<br />
drei zieml<strong>ich</strong> große Löcher an dem kleinen Po. Heute nennt man das<br />
Dekubitus. Ihr Gew<strong>ich</strong>t betrug nun 3.860 kg.<br />
In dieser ganzen langen Zeit des Krankenhausaufenthaltes, hatte <strong>ich</strong><br />
mein Kind nie berühren dürfen. Als Krankheit stand auf dem Entlas-<br />
sungsschein Interstitielle Pneumonie. In einem Jahr sollten wir uns<br />
wieder vorstellen. Das taten wir, waren danach aber sehr verwundert,<br />
ja geschockt. Die Oberärztin fragte uns, als sie Daniela ein Schlüssel-<br />
bund vor die Händchen hielt: »Warum greift sie denn n<strong>ich</strong>t zu?« Wir:<br />
»Wir dachten, das würden wir von Ihnen erfahren!« Dem war n<strong>ich</strong>t so.<br />
Wir hätten viele Fragen gehabt. Daniela machte nach einem Jahr noch<br />
gar keinen Versuch, zu krabbeln, zu sitzen oder s<strong>ich</strong> hochzuziehen.<br />
Wir hatten zu dieser Zeit, zum Glück, einen sehr guten Arzt in der<br />
Säuglings<strong>für</strong>sorge in der Königsallee. Der erkannte sehr früh, dass<br />
Daniela geistig völlig normal sei, aufgrund ihrer lebhaften Augen und<br />
Reaktionen. Aber die Motorik sei leider ganz gestört. Das betraf, trau-<br />
rigerweise, auch die Sprache.<br />
Verständigen konnten wir uns anfangs nur über die Augen. Augen zu<br />
war »Nein«, Augen ganz groß auf war »Ja«. Später fand sie noch eine<br />
andere Variante. Bei »Nein« steckte sie die Zunge et<strong>was</strong> heraus und.<br />
bei »Ja« öffnete sie weit den Mund. Manchmal tat sie das heute noch.<br />
Man musste die Fragen eben so stellen, dass Daniela die zwei Varian-<br />
ten anwenden konnte. Wir <strong>habe</strong>n aber immer sprechen <strong>mit</strong> ihr geübt<br />
und hatten sogar kleine Erfolge.<br />
Was Daniela eigentl<strong>ich</strong> <strong>für</strong> eine Krankheit hatte, erfuhren wir wieder<br />
durch einen Zufall. Eine Verwandte von uns saß beim Arzt und las im<br />
Readers Digest einen Artikel über ein Mädchen, das in der Beschrei-<br />
bung das gle<strong>ich</strong>e Verhalten und Krankheitsbild hatte wie Daniela: Sie<br />
war Spastikerin. Meine Tante kaufte gle<strong>ich</strong> das Buch <strong>für</strong> uns und wir<br />
dachten, da wird unser Kind beschrieben! In Amerika war die Krank-<br />
heit bekannt, hier n<strong>ich</strong>t.<br />
Als Daniela circa vier Jahre alt war, merkte <strong>ich</strong>, dass sie einzelne Buch-<br />
staben lesen konnte. Sie hatte s<strong>ich</strong> alle Vokale, die <strong>ich</strong> ihr bei Sprech-<br />
übungen gezeigt hatte gemerkt. Bei einem Spaziergang kamen wir<br />
an einem Malerplakat vorbei und blieben stehen. Daniela sagte »A«.<br />
Ich dachte zuerst, sie staunt über die großen Buchstaben, aber dann<br />
nannte sie auch die anderen Buchstaben, auf die <strong>ich</strong> zeigte. Daraufhin<br />
malte <strong>ich</strong> ihr eine r<strong>ich</strong>tige Fibel <strong>mit</strong> lustigen Bildern und Wörtern und<br />
großen Buchstaben. Ich konnte et<strong>was</strong> von meinem schönen Beruf als<br />
Ze<strong>ich</strong>nerin anwenden und Daniela lernte <strong>mit</strong> Eifer.<br />
Daniela war dann ein gutes Jahr in einem Kindergarten der Waldorf-<br />
schule in der Argentinischen Allee. Dort lernten wir Anorthe und ihre<br />
Eltern kennen. Sie war auch Spastikerin, konnte s<strong>ich</strong> aber allein in<br />
einem kleinen Rollstuhl fortbewegen, auch auf der Straße. Sie konnte<br />
frei sitzen und hatte mehr Halt in Rücken und Nacken als Daniela.<br />
42 43
Später fanden wir auch <strong>für</strong> sie die Mögl<strong>ich</strong>keit einen »Tippelwagen«<br />
zu bekommen. Einer unser ältesten und liebsten Freunde hat ihn <strong>für</strong><br />
uns entwickelt und gebaut. Daniela konnte s<strong>ich</strong> nun auch in Haus und<br />
Garten zum ersten Mal frei und allein bewegen. Wir alle waren glück-<br />
l<strong>ich</strong>, Daniela natürl<strong>ich</strong> am meisten!<br />
Durch Anorthes Eltern, die inzwischen auch gute Freunde von uns wa-<br />
ren, lernten wir die Krankengymnastin kennen: Rosemarie Re<strong>ich</strong>wein.<br />
Sie arbeitete vornehml<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> jungen <strong>Menschen</strong>, die diese Krankheit<br />
hatten, nach einer Methode, die das Ehepaar Bobath entwickelt hatte.<br />
Frau Re<strong>ich</strong>wein hatte von den Kursen, die Bobaths in London durch-<br />
führten, gehört und daran teilgenommen. Später hat sie in Berlin selbst<br />
Kurse <strong>für</strong> Krankengymnasten abgehalten.<br />
Bobaths waren manchmal in Berlin. Und so wurden auch Daniela und<br />
<strong>ich</strong> auf Tagungen vorgestellt, weil Daniela durch Frau Re<strong>ich</strong>wein gute<br />
Fortschritte gemacht hatte und wir beide sehr gut zusammen arbeiten<br />
konnten. Dieses war näml<strong>ich</strong> ein ganz w<strong>ich</strong>tiger Punkt bei der Behand-<br />
lung, dass man fortwährend die erlernten Techniken anwendet, sozusa-<br />
gen das Gehirn durch ständiges Training von Handlungen und Übungen<br />
stimuliert. Sonst ist der Weg ja so, dass das Hirn zuerst die Befehle zu<br />
Handlungen gibt. Deswegen ist es auch so w<strong>ich</strong>tig, bei Säuglingen <strong>mit</strong><br />
dieser motorischen Störung so früh wie mögl<strong>ich</strong> nach dieser Methode<br />
zu arbeiten. Leider lernten wir Frau Re<strong>ich</strong>wein erst kennen, als Dani-<br />
ela gerade sechs Jahre alt geworden war. Es war auch der Zeitpunkt,<br />
an dem Daniela schulpfl<strong>ich</strong>tig wurde. Wir zogen von Grunewald nach<br />
Wannsee, weil wir dort eine größere Wohnung gefunden hatten und<br />
unsere »Hauslehrerin« dort <strong>mit</strong> einziehen konnte.<br />
Zu dieser Zeit gab es in Berlin nur eine Schule <strong>für</strong> Behinderte, die<br />
Biesalski-Schule, und ebensowenig gab es Hauslehrer. So war es ein<br />
Glücksumstand <strong>für</strong> uns, dass unsere Tante, eine pensionierte Lehre-<br />
rin, die die Kriegswirren nach Hildesheim verschlagen hatten, gern<br />
nach Berlin zurück wollte. Es war eine offiziell ausgeschriebene Stelle<br />
vom Bezirk Zehlendorf. Frau Unger war etl<strong>ich</strong>e Jahre Danielas Lehre-<br />
rin, und <strong>was</strong> <strong>für</strong> eine gute! Später lösten Frau Schröder und zuletzt<br />
Herr Dufing sie ab.<br />
Daniela hatte <strong>bis</strong> zum 21. Lebensjahr Hausunterr<strong>ich</strong>t in allen gängigen<br />
Fächern. Nur allein schreiben konnte sie n<strong>ich</strong>t, weil ihre Arme und<br />
Hände das n<strong>ich</strong>t zuließen. Sie hatte ein großes, breit gefächertes All-<br />
gemeinwissen. Daniela interessierte s<strong>ich</strong> auch <strong>für</strong> alles, ob das Kunst,<br />
Literatur oder Politik war. Sie konnte allein Bücher lesen, da sie einen<br />
Apparat besaß, <strong>mit</strong> dem sie die Seiten umblätterte. Dies ging durch<br />
eine Taste, die sie <strong>mit</strong> dem linken Fuß betätigte. Daniela las viel und<br />
verhältnismäßig schnell, wie ihre Lehrerin Frau Schröder feststellte.<br />
Sie ging gerne in Museen und Ausstellungen, Oper und Theater. Die<br />
interessanten <strong>Menschen</strong>, die durch den Beruf des Vaters bei uns zu<br />
Hause verkehrten, trugen auch einen Teil ihrer Aufgeschlossenheit am<br />
und <strong>für</strong> das Leben bei. Hier im Hause hatte Daniela eine fast gle<strong>ich</strong>-<br />
altrige Freundin. Monika war beinahe wie eine Schwester <strong>für</strong> sie. Aber<br />
als Daniela zehn Jahre alt war, sagte sie energisch zu uns Eltern: »jetzt<br />
macht mal endl<strong>ich</strong>, <strong>ich</strong> möchte auch Geschwister«.<br />
Göthe fand die Idee sehr gut. Ich hatte Angst, dass <strong>ich</strong> das n<strong>ich</strong>t<br />
schaffen könnte, <strong>für</strong> alle voll da zu sein, Kraft und Liebe zu geben.<br />
Als dann Analina und Julian da waren, merkte <strong>ich</strong> wohl, dass es <strong>für</strong><br />
alle re<strong>ich</strong>te. Zusätzl<strong>ich</strong> konnte <strong>ich</strong> noch an manches andere mir lieb<br />
gewordene Kind davon abgeben, wenn es n<strong>ich</strong>t genug davon hatte. Wir<br />
waren eine gute Familie und liebten einander.<br />
Um diese Zeit trat Roxane in unser Leben. Sie war damals noch Schü-<br />
lerin. Natürl<strong>ich</strong> lernten wir auch ihre Familie kennen. Roxane war sehr<br />
oft bei Daniela. Später verreisten wir zusammen, nach Italien, in die<br />
Schweiz und Österre<strong>ich</strong>. In den letzten Jahren vertrat sie m<strong>ich</strong>, wenn<br />
<strong>ich</strong> zur Kur fahren durfte. Ich konnte beruhigt fahren und m<strong>ich</strong> erho-<br />
len und wieder neue Kraft sammeln.<br />
44 45
Als unser Spastiker-Zentrum (die Spastikerhilfe e. V., Red.) im Prettauer<br />
Pfad von Herrn Werschat eröffnet wurde, waren wir die ersten Mitglie-<br />
der und sind dem Verein immer verbunden geblieben. Es hat s<strong>ich</strong> im<br />
Laufe der Jahre zu einer großen, vorbildl<strong>ich</strong>en Institution entwickelt,<br />
n<strong>ich</strong>t nur <strong>für</strong> Berlin.<br />
Daniela war zuerst in der Tagesförderstätte. Damals waren noch n<strong>ich</strong>t<br />
so viele Behinderte dort, so dass Herr Hoffr<strong>ich</strong>ter sogar Zeit hatte, <strong>mit</strong><br />
ihr Schach zu spielen.<br />
Später, als sie in die Pacelliallee umzogen, wurden ihnen, je nach<br />
ihrer körperl<strong>ich</strong>en und geistigen Verfassung, Arbeiten angeboten. Sie<br />
konnten in der Holz-, Keramik- oder der Textilgruppe arbeiten, und<br />
es entstanden schöne Dinge. Wohngruppen wurden einger<strong>ich</strong>tet und<br />
Sommerfeste fanden statt. Leider wurden die Räuml<strong>ich</strong>keiten in der<br />
Pacelliallee zu klein. Neue Standorte wurden gefunden. Ein Teil ging<br />
in die Kienhorststraße. Und ein anderer in die Kranzallee. Dorthin ging<br />
Daniela. Sie hat sechs Jahre am Computer gearbeitet, auch <strong>mit</strong> dem<br />
rechten Fuß. Später arbeitete sie etl<strong>ich</strong>e Jahre in der Tongruppe. Da-<br />
niela hat im Laufe der Jahre viele Betreuer und Therapeuten kennen<br />
gelernt, sie gemocht und geschätzt. Auch <strong>ich</strong> hatte guten Kontakt zu<br />
ihnen, wir besuchten sie in der Einr<strong>ich</strong>tung, und manchmal kamen sie<br />
zu uns, in die Familie Göthe.<br />
Ein ganz w<strong>ich</strong>tiger Punkt waren die Einr<strong>ich</strong>tungen von Jugendclubs<br />
unseres Spastikervereins. Einmal wöchentl<strong>ich</strong> trafen s<strong>ich</strong> die verschie-<br />
denen Gruppen, und sie <strong>habe</strong>n viel unternommen: zum Beispiel Kino-<br />
besuche, Essen gehen, Ausflüge oder nur Beisammensein in einem<br />
Clubraum und reden. Begehrt waren die jährl<strong>ich</strong>en Reisen <strong>mit</strong> dem<br />
Club über zehn oder 14 Tage. Ebenso beliebt waren die fünftägigen<br />
Kurzreisen. Leider war in den letzten Jahren kein Geld mehr da <strong>für</strong><br />
diese schönen Unternehmungen. Die Clubs aber hielten s<strong>ich</strong> Jahr-<br />
zehnte, nur wechselten sie später den Namen von »Jugendclub« in<br />
»Freizeitclub« um. Viele der Mitglieder waren ja nun schon über das<br />
Jugendalter hinaus. Traurig war es jedes Mal, wenn einer von ihnen<br />
den Club verlassen hat, <strong>für</strong> immer. Nun war Daniela an der Reihe zu<br />
gehen.<br />
Aus unserer Spastikerhilfe ging vor Jahren ein neuer Verein hervor:<br />
»<strong>Lebenswege</strong> <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderungen«. Die Leitung hatten<br />
auch dort uns vertraute, liebe <strong>Menschen</strong>. Zuerst Helmut Handke und<br />
Rainer Fluck. Später kamen noch viele tüchtige <strong>Menschen</strong> dazu. (Fami-<br />
lienentlastender Dienst der <strong>Lebenswege</strong>, Red.) Über etl<strong>ich</strong>e Jahre <strong>habe</strong>n sie<br />
mir morgens bei der Pflege Danielas geholfen. Allen sei Dank.<br />
Großer Dank gehört natürl<strong>ich</strong> auch Regine Kost, die fast 25 Jahre zu<br />
Daniela kam, vor allen anderen. Sie blieb uns immer in Freundschaft<br />
verbunden, <strong>bis</strong> zum Schluss.<br />
Daniela hatte auch neun Jahre eine Einzelfallhelferin, Ute, die jede Wo-<br />
che zweimal <strong>mit</strong> ihr et<strong>was</strong> unternommen hat. Sie <strong>habe</strong>n vorher immer<br />
besprochen, <strong>was</strong> sie machen wollten, und <strong>habe</strong>n das dann auch getan.<br />
So schön und verschieden die Unternehmungen auch waren, aber ob-<br />
ligatorisch war jedes Mal ein Nudelessen und ein Glas Wein beim Itali-<br />
ener. Ebenso in den letzten Jahren hat auch Christiane Felgenhauer in<br />
Danielas Leben eine Rolle gespielt. Sie war ihre Krankengymnastin.<br />
Manchmal sagten Leute: »Was hat das arme Mädchen schon vom Le-<br />
ben? Was muss sie n<strong>ich</strong>t alles versäumen?« Daniela hatte kein armes<br />
Leben, <strong>ich</strong> möchte fast behaupten, es war re<strong>ich</strong>er als das mancher<br />
Zweifler. Wir <strong>habe</strong>n wunderschöne Reisen unternommen. Wo <strong>habe</strong>n<br />
wir sie überall hingebracht?! Sogar auf einen Gletscher in Hintertux<br />
und dort ist sie ein Stückchen gelaufen. Wir sind <strong>mit</strong> dem Sessellift<br />
hinaufgeschwebt. Der Rollstuhl kam hinterher. Sie war in vielen Län-<br />
dern, aber am meisten liebte sie England. Wir hatten ja dort schon<br />
Bekannte. Das netteste Erlebnis war, als der Klavierspieler in unserm<br />
Lieblings-Pub sagte, und sie dabei umarmte: »Oh Darling, you are<br />
home again!«<br />
46 47
Aber wir waren auch in Deutschland glückl<strong>ich</strong>, <strong>mit</strong> seinen schönen<br />
Landschaften und Städten, wenn wir <strong>mit</strong> unserem kleinen, prakti-<br />
schen Auto unterwegs waren. Wir hatten auch hier schöne Erlebnisse.<br />
Usedom gehörte dazu und meine Heimat, das Vogtland, wo es vor al-<br />
lem noch liebe Verwandte gibt. Im September wollten wir – nach dem<br />
vergangenen schweren Jahr – wieder eine Reise dort hin wagen. Wir<br />
hatten uns alle so darauf gefreut! Nun ist es anders gekommen.<br />
Das Ende kam jetzt doch überraschend und plötzl<strong>ich</strong>. Es ging gerade<br />
in letzter Zeit bergauf <strong>mit</strong> Daniela. Wir konnten es alle an ihrem letzten<br />
Geburtstag sehen, fünf Tage vor ihrem Tod. Sie hatte viele Freunde<br />
geladen. Dazu gehörten nun auch die <strong>Menschen</strong>, die sie nach ihrem<br />
Krankenhausaufenthalt ein Jahr lang tägl<strong>ich</strong> umsorgt <strong>habe</strong>n, Kerstin,<br />
Steffi und Roland und Petra am Anfang. Daniela fing wieder an, Pläne<br />
zu schmieden. »Fangen wir klein an«, sagte sie. Sie war immer ein<br />
vernünftiger und geduldiger Mensch. Lieb und gescheit sowieso. Sie<br />
wird n<strong>ich</strong>t nur mir, die ja fast siamesischer Z<strong>will</strong>ing war, fehlen, sondern<br />
allen, die sie kannten.<br />
Wir wünschen ihr sehr, dass sie, nach einem besonders schönen Tag<br />
<strong>mit</strong> der Familie, friedl<strong>ich</strong> hinübergeschlafen ist.<br />
Sie sah so aus, als Kerstin, eine unserer Pflegerinnen, und <strong>ich</strong> sie am<br />
Morgen tot in ihrem Bett fanden.<br />
Das furchtbare Hinterher, den Stromausfall und das dadurch bedingte<br />
Versagen der Sauerstoffmaske, hätte ihr und uns erspart werden kön-<br />
nen. Der Arzt und der Medizinische Dienst der Krankenkasse hätten<br />
den Antrag unseres Pflegedienstes <strong>für</strong> ein Atemüberwachungsgerät<br />
nur genehmigen müssen. Aber es kam eine Ablehnung.<br />
Bei allem Zorn darüber:<br />
Danielas Ende war nun gekommen. Möge sie Frieden finden und <strong>ich</strong><br />
zur Ruhe kommen, ebenso ihre ganze Familie.<br />
N<strong>ich</strong>t zu lange schlafen!<br />
Fragen und Antworten<br />
Roland Mechel<br />
Was ist Ihre schönste Erinnerung/Erlebnis?<br />
Mein 70. Geburtstag,<br />
weil es viel zu essen und zu trinken gab.<br />
Welches Erlebnis hat Ihnen n<strong>ich</strong>t gefallen?<br />
Wenn mein Bruder <strong>mit</strong> mir schimpft.<br />
Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit?<br />
Fernsehen; Musik hören; ein Bier trinken.<br />
Was machen Sie nur sehr ungern?<br />
Schlafen – wenn es zu lange ist.<br />
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
48 49<br />
Jetzt <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> gar keine Angst mehr. Früher hatte <strong>ich</strong> Angst<br />
vor dem Tod meiner Mutter. (Die Mutter von Roland Mechel<br />
verstarb im Dezember 2007. Red.)<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
Wenn <strong>Menschen</strong> nett zu mir sind.<br />
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
N<strong>ich</strong>ts.<br />
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
N<strong>ich</strong>ts.
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Das lange Zusammensein <strong>mit</strong> meiner Mutter. (Roland Mechel<br />
lebte sein ganzes Leben gemeinsam in einer Wohnung <strong>mit</strong> seiner Mut-<br />
ter. Sie wurde 100 Jahre alt. Red.).<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Der Tod der Mutter.<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Ihre Stärken?<br />
Ich merke, dass <strong>ich</strong> auch ohne meine Mutter alleine in der<br />
Wohnung leben kann (<strong>mit</strong> Unterstützung des Bruders. Red.).<br />
Ich male gerne.<br />
Was würden Sie gern noch lernen?<br />
N<strong>ich</strong>ts.<br />
Welche Erwartungen oder Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
Ich wünsche mir, dass es mir dort gefällt, wo <strong>ich</strong> als nächstes<br />
hinziehen werde.<br />
Was möchten Sie außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
Herr Re<strong>ich</strong>e, mein Fahrer, ist sehr nett. Es gefällt mir hier<br />
sehr gut. (im Tagesstrukturierenden Angebot der <strong>Lebenswege</strong>, Red.)<br />
So viel Energie, dass <strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>t schlafen kann.<br />
Fragen und Antworten<br />
Martina Nitz<br />
Was ist Ihre schönste Erinnerung, Ihr schönstes Erlebnis?<br />
50 51<br />
Wenn <strong>ich</strong> im Tierpark Friedr<strong>ich</strong>sfelde bin. Den mag <strong>ich</strong> und<br />
den liebe <strong>ich</strong> weil da so viele Tiere sind.<br />
Welches Erlebnis hat Ihnen n<strong>ich</strong>t gefallen?<br />
Ich mag es n<strong>ich</strong>t, wenn die Leute m<strong>ich</strong> so blöde angucken<br />
auf der Straße, und <strong>ich</strong> mag es auch n<strong>ich</strong>t, wenn m<strong>ich</strong> Leute<br />
n<strong>ich</strong>t wie eine Normale behandeln, sondern so, als ob <strong>ich</strong><br />
geistig behindert bin.<br />
Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit?<br />
In meiner Freizeit gehe <strong>ich</strong> gerne bummeln in den Allee Ar<br />
caden… Essen gehen und ins Kino gehen, viel draußen sein<br />
in der Natur und fotografieren auch … Außerdem kümmere<br />
<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> gerne um meine beiden Meerschweinchen.<br />
Was machen Sie nur sehr ungern?<br />
Aufräumen.<br />
Wer wären Sie gern?<br />
Eine Stewardess. Wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t im Rollstuhl sitzen würde,<br />
dann könnte <strong>ich</strong> mir den Beruf Stewardess gut vorstellen,<br />
weil <strong>ich</strong> gerne im Flugzeug um die Welt fliegen würde.
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
Zum Beispiel, wenn unerwartete Dinge passieren wie eine<br />
Operation, die <strong>ich</strong> ja vor einem halben Jahr hatte. Es war<br />
eine sehr schwere Operation, und <strong>ich</strong> <strong>habe</strong> viel Blut verloren.<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
Wenn sie zum Beispiel freundl<strong>ich</strong> und nett zu mir sind und<br />
auch hilfsbereit. Sie können auch manchmal ihre Zicken<br />
rauslassen, aber es muss n<strong>ich</strong>t immer sein. Gute Zusammen-<br />
arbeit finde <strong>ich</strong> gut.<br />
Was am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong> hilft Ihnen n<strong>ich</strong>t?<br />
Wenn s<strong>ich</strong> andere mir gegenüber wie die Affen benehmen<br />
oder wie Clowns und <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t ernst genommen werde. Das<br />
gefällt mir gar n<strong>ich</strong>t.<br />
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
Dass <strong>ich</strong> wieder laufen könnte.<br />
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
Dass die Bürgersteige n<strong>ich</strong>t so hoch sind und dass das Kopf<br />
steinpflaster weg ist und die Wege mehr geglättet sind und mehr<br />
Grün da ist und Wasser.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Verliebt zu sein.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Wenn mir mal ein Unfall passiert, wo <strong>ich</strong> vielle<strong>ich</strong>t tot bin.<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Auf der Bühne zu stehen, zwar n<strong>ich</strong>t immer, aber ab und zu.<br />
Die Bühne bringt mir Freiheit, aber auch Einengung.<br />
Auf der Bühne kann man Sachen tun, die man sonst n<strong>ich</strong>t<br />
machen darf. Eingeengt ist man weil man s<strong>ich</strong> sehr konzen<br />
trieren muß, da<strong>mit</strong> man n<strong>ich</strong>ts falsch macht. Manchmal<br />
springe <strong>ich</strong> aus der Rolle und sehe ins Publikum, <strong>was</strong> man<br />
n<strong>ich</strong>t darf.<br />
Ihre Stärken?<br />
52 53<br />
Meine Stärken sind in der Sprache und dass <strong>ich</strong> das alles<br />
gut überstanden <strong>habe</strong> <strong>mit</strong> der Operation. Da <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> mir viel<br />
Kraft gegeben, <strong>habe</strong> immer gesagt »Gib n<strong>ich</strong>t auf« und bin<br />
immer dran geblieben. Ich <strong>habe</strong> jetzt Krankengymnastik,<br />
dreimal wöchentl<strong>ich</strong>. Das muss <strong>ich</strong> jetzt durchziehen, weiß <strong>ich</strong>,<br />
wie lange noch.<br />
Was würden Sie gern noch lernen?<br />
Viel.<br />
Woher beziehen Sie Ihre Energien?<br />
Ganz einfach durch das lange Schlafen, wenn man mal dazu<br />
kommt. Und manchmal komme <strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>t dazu, weil mir<br />
der Tagesablauf durch das Theater Thikwa noch durch den<br />
Kopf geht. Manchmal brauche <strong>ich</strong> so viel Energie, dass <strong>ich</strong><br />
gar n<strong>ich</strong>t schlafen kann und manchmal <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> soviel, dass<br />
<strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>t abschalten kann.<br />
Welche Erwartungen oder Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
Dass es alles wieder so klappt wie vorher. Also, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong><br />
später wieder so darstellen kann wie vorher (vor der Operation).<br />
Was möchten Sie außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
N<strong>ich</strong>ts.<br />
Martina Nitz wurde am 20. August 1967 in Berlin geboren. Sie ist<br />
die Älteste von sechs Geschwistern. 1975 wurde sie eingeschult. Sie<br />
hat in Behindertenwerkstätten Seidenmalerei, Holz- und Keramikar-<br />
beiten ausgeführt. Seit 12 Jahren arbeitet sie als Schauspielerin beim<br />
Theater Thikwa. Mit 15 Jahren ist sie von zu Hause ausgezogen und<br />
hat dann in verschiedenen Wohngruppen gewohnt. Seit 2003 wohnt<br />
M. N. in ihrer eigenen Wohnung, seit Juni 2007 zusammen <strong>mit</strong> ihren<br />
beiden Meerschweinchen Oscar und Bruno. Sie lebt von Geburt an <strong>mit</strong><br />
einer spastischen Tetraplegie und benutzt einen Rollstuhl.
Meine Stärke ist, anderen zu helfen.<br />
Fragen und Antworten<br />
Bernhard Raszkowski<br />
Was ist Ihre schönste Erinnerung oder Ihr schönstes Erlebnis?<br />
Mein schönstes Erlebnis ist, als <strong>ich</strong> hier angekommen bin<br />
und eine eigene Wohnung hatte nach sieben oder acht Jah-<br />
ren Obdachlosigkeit.<br />
Welches Erlebnis hat Ihnen n<strong>ich</strong>t gefallen?<br />
Als meine Frau starb – das war das schlimmste Erlebnis.<br />
Manchmal sehe <strong>ich</strong> das alles noch vor mir.<br />
Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit?<br />
Ich gehe gerne ins Olympiastadion zum Fußball.<br />
Was machen Sie nur sehr ungern?<br />
In Geschäfte gehen<br />
Wer wären Sie gern?<br />
Ein Spieler von Hertha.<br />
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
Das man älter wird und dass man dann eventuell in ein Heim<br />
kommt, und das hat dann <strong>mit</strong> dem Sterben zu tun.<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
Dass man s<strong>ich</strong> gegenseitig hilft, und dass man auch Leuten<br />
im Rollstuhl hilft. Das hilft mir auch, das gibt mir Kraft.<br />
Was am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong> hilft Ihnen n<strong>ich</strong>t?<br />
Dass s<strong>ich</strong> Leute bekämpfen oder wenn zum Beispiel Auslän-<br />
der überfallen werden – das hilft mir gar n<strong>ich</strong>t.<br />
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern, wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
Dass <strong>ich</strong> lesen und schreiben kann und einen Beruf ausüben<br />
kann, aber in meinem Alter kriege <strong>ich</strong> keinen Beruf mehr.<br />
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
54 55<br />
Dass die Leute unter s<strong>ich</strong> gut auskommen, das wäre mein<br />
Wunsch. Bei Problemen <strong>mit</strong> Arbeitslosen und <strong>mit</strong> Obdachlo-<br />
sen, da müsste die Regierung helfen. Die <strong>habe</strong>n manchmal<br />
keinen Mut zum Leben, weil von der Regierung nur Verspre-<br />
chungen kommen, die n<strong>ich</strong>t eingehalten werden.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Ein Lottogewinn.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Wenn <strong>ich</strong> jetzt über die Straße laufe und von einem Auto<br />
überfahren werde: Dass <strong>ich</strong> dann im Krankenhaus liege und<br />
dann im Rollstuhl sitze.<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Ihre Stärken?<br />
Dass <strong>ich</strong> in der kurzen Zeit, in der <strong>ich</strong> in Berlin bin, schon so<br />
gut zurechtgekommen bin <strong>mit</strong> der Wohnung.<br />
Anderen zu helfen.<br />
Was würden Sie gerne noch lernen?<br />
Dass <strong>ich</strong> in meinem Leben glückl<strong>ich</strong> sein kann und zufrie-<br />
den. Dass <strong>ich</strong> <strong>mit</strong> meiner Freundin so gut klarkomme.<br />
Woher beziehen Sie Ihre Energien?<br />
Kraft gibt mir, wenn <strong>ich</strong> jemandem helfen kann und anderen<br />
da<strong>mit</strong> eine Freude machen kann. Dass alles so abläuft, wie<br />
<strong>ich</strong> es mir vorstelle, mein ganzes Leben.<br />
Welche Erwartungen oder Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
Glückl<strong>ich</strong> zu sein und zufrieden und halt so wie es jetzt ist.<br />
Was möchten Sie außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
Ich bin dankbar, dass die Leute vom Pflegedienst zu mir<br />
kommen, um mir zu helfen, weil <strong>ich</strong> Zucker <strong>habe</strong>. Aber zum<br />
größten Teil <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> gelernt, dass <strong>ich</strong> alleine zurechtkomme.<br />
Das klappt auch, <strong>ich</strong> bin <strong>mit</strong> mir zum größten Teil zufrieden.
Mehr <strong>für</strong> den Frieden tun!<br />
Brigitta Näthke<br />
Was ist Ihre schönste Erinnerung, Ihr schönstes Erlebnis?<br />
Es gibt so viele schöne Erinnerungen und Erlebnisse – da<br />
müsste <strong>ich</strong> erstmal nachdenken.<br />
Welches Erlebnis hat Ihnen n<strong>ich</strong>t gefallen?<br />
Oh, da gibt es auch viele. Ein besonders böses Erlebnis war,<br />
dass <strong>ich</strong> aufgrund meiner Behinderung aus dem Studium<br />
(Wirtschaftstheorie und -organisation, kurz WTO) exmatrikuliert<br />
wurde. Man konnte dies n<strong>ich</strong>t aufgrund meiner Leistungen<br />
tun. Deshalb wurde meine Mutter in die Uni bestellt, wo ihr<br />
gesagt wurde: »Ihre Tochter ist doch krank und <strong>mit</strong> den Ner-<br />
ven n<strong>ich</strong>t so in Ordnung. Und wir wollen doch n<strong>ich</strong>t, dass<br />
Ihre Tochter einen Nervenzusammenbruch kriegt.« Da be-<br />
kam meine Mutter natürl<strong>ich</strong> Angst, und <strong>ich</strong> musste das Stu-<br />
dium beenden.<br />
Dann <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> als Korrekturleserin beworben und wur-<br />
de auch abgelehnt. Schließl<strong>ich</strong> wurde mir ein Job in einem<br />
Kleinstbetrieb als Telefonistin angeboten. Dort musste <strong>ich</strong><br />
circa fünfzig Anrufe am Tag erledigen, den Rest der Zeit <strong>habe</strong><br />
<strong>ich</strong> gestempelt. Das war sehr langweilig.<br />
Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit?<br />
Schach spielen, Rummikub, Sudoku, kegeln, bowlen, Sport,<br />
tanzen, Musik hören – querbeet, Hörbücher hören. Ich ver-<br />
suche, an vielen Veranstaltungen teilzunehmen, zum Bei-<br />
spiel im Sportverein und in zwei Behindertenvereinen. Ich<br />
gehe ins KIZ (ein Treffpunkt <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderun-<br />
gen), mache gern Ausflüge und fahre viel <strong>mit</strong> öffentl<strong>ich</strong>en<br />
Verkehrs<strong>mit</strong>teln, aber nur in Begleitung.<br />
Was machen Sie nur sehr ungern?<br />
56 57<br />
Anderen Leuten befehlen. Ich mag es n<strong>ich</strong>t, wenn <strong>ich</strong> als<br />
»Gnädige Frau« tituliert werde, weil <strong>ich</strong> von ganz unten kom-<br />
me. Meine Eltern waren ganz kleine W<strong>ich</strong>te, meine Großel-<br />
tern genauso.<br />
Wer wären Sie gern?<br />
Jemand, der vor Gesundheit strotzt, der alles kann; der kei-<br />
nen braucht; der arbeiten geht und der et<strong>was</strong> leistet – und<br />
n<strong>ich</strong>t auf die Hilfe anderer angewiesen ist.<br />
Was macht Ihnen in Ihrem Leben Angst?<br />
Gewalt im Allgemeinen, Krieg – dass hier noch mal einer<br />
ausbr<strong>ich</strong>t – das ist meine größte Angst! Und diese sozia-<br />
le Ungerechtigkeit, die Gewalt hervorbringt, die müsste ab-<br />
geschafft werden, finde <strong>ich</strong>.<br />
Was hilft Ihnen am meisten am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong>?<br />
Locker sein und fragen, ob <strong>ich</strong> Unterstützung brauche. Wenn<br />
es gar n<strong>ich</strong>t geht, mache <strong>ich</strong> das auch alleine.<br />
Was am Verhalten anderer <strong>Menschen</strong> hilft Ihnen n<strong>ich</strong>t?<br />
Was <strong>ich</strong> absolut n<strong>ich</strong>t mag, das sind Leute, die Mitleid <strong>mit</strong><br />
mir <strong>habe</strong>n und die m<strong>ich</strong> anstarren. Und die, die m<strong>ich</strong> igno-<br />
rieren, die kann <strong>ich</strong> vergessen.<br />
Was würden Sie an s<strong>ich</strong> verändern, wenn es mögl<strong>ich</strong> wäre?<br />
Da wäre halt der Körper: gesunder Körper, gesunde Augen.<br />
Das Aussehen n<strong>ich</strong>t.<br />
Was würden Sie an Ihrer Umgebung verändern?<br />
Meine Wohnung ist barrierefrei. Ich kann über eine Rampe<br />
hinten raus. Es müsste mehr Bordsteinabsenkungen und roll-<br />
stuhlzugängl<strong>ich</strong>e Läden, Arztpraxen und Gaststätten geben.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Glück?<br />
Glück wäre <strong>für</strong> m<strong>ich</strong>, wenn es keinen Krieg und keine Morde<br />
mehr gäbe. Persönl<strong>ich</strong>es Glück ist <strong>für</strong> m<strong>ich</strong>, wenn <strong>ich</strong> mein Ur-
enkelchen im Arm halte – der Lebensgefährte meiner Tochter<br />
ist gerade Opa geworden. Dass <strong>ich</strong> meine Tochter <strong>habe</strong>, ist<br />
<strong>für</strong> m<strong>ich</strong> auch Glück; und dass sie auch zu mir hält.<br />
Was ist <strong>für</strong> Sie Unglück?<br />
Unglück sind <strong>für</strong> m<strong>ich</strong> Naturkatastrophen und Unfälle. Krie-<br />
ge werden ja von den <strong>Menschen</strong> gemacht, und es gibt Kriegs-<br />
treiber. Persönl<strong>ich</strong>es Unglück ist, wenn man n<strong>ich</strong>t das ma-<br />
chen kann, <strong>was</strong> man <strong>will</strong>.<br />
Was ist Erfolg <strong>für</strong> Sie?<br />
Ihre Stärken?<br />
Erfolg ist <strong>für</strong> m<strong>ich</strong>, wenn <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gehen lasse; wenn<br />
<strong>ich</strong> trotz meiner Behinderung et<strong>was</strong> mache. Und dann zum<br />
Beispiel im KIZ als Rummikub- und Schach-Champion gelte.<br />
Und dass <strong>ich</strong> im Sportverein die Zweitbeste der Frauen im<br />
Kegeln bin.<br />
Das sind mein Geist, mein Wille und meine Bereitschaft,<br />
Neues zu lernen und meine Fähigkeiten lange zu erhalten.<br />
Was würden Sie gern noch lernen?<br />
Polnisch; also ein paar Sprachen, denn <strong>ich</strong> <strong>habe</strong> in der Schu-<br />
le Russisch, Englisch und Spanisch gelernt, aber man ver-<br />
gisst so vieles, wenn man es n<strong>ich</strong>t mehr anwendet. Und da<br />
<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr lesen kann, kann <strong>ich</strong> auch n<strong>ich</strong>t mehr über<br />
setzen. Aber <strong>ich</strong> <strong>habe</strong> eine Polin bei mir im Team (Team des<br />
Pflegedienstes der <strong>Lebenswege</strong>, Red.), <strong>mit</strong> der <strong>ich</strong> kleine Sa-<br />
chen auf Polnisch sage, zum Beispiel »Guten Tag«.<br />
Ich würde gern wieder <strong>mit</strong> Messer und Gabel essen können.<br />
Das geht n<strong>ich</strong>t, weil meine Hände zu verkrampft sind.<br />
Woher beziehen Sie Ihre Energien?<br />
Aus regelmäßigem Schlaf. Aus einer angemessenen Ernäh-<br />
rung und auch von den Assistenten und Assistentinnen (des<br />
Pflegedienstes, Red.). Und aus mir selbst.<br />
Welche Erwartungen oder Wünsche <strong>habe</strong>n Sie an Ihre Zukunft?<br />
58 59<br />
Auf der Stufe meiner Behinderungen sozusagen stehen zu<br />
bleiben; dass n<strong>ich</strong>ts Weiteres dazukommt. Und dass die<br />
wirkl<strong>ich</strong> endl<strong>ich</strong> mal Frieden halten in dieser Welt!<br />
Das sind meine Wünsche <strong>für</strong> die Zukunft.<br />
Was möchten Sie außerdem <strong>mit</strong>teilen?<br />
Was mir auf der Seele brennt, ist, dass die Politiker mehr <strong>für</strong><br />
den Frieden tun sollten. Und dass mehr <strong>Menschen</strong> s<strong>ich</strong> in<br />
den Behindertenvereinen organisieren und dort auch mehr<br />
leisten sollten. Dass sie n<strong>ich</strong>t alles nur ein paar Aktivisten<br />
überlassen. Dann hätten wir näml<strong>ich</strong> auch eine größere Lob-<br />
by. Meiner Meinung nach wäre es auch sehr w<strong>ich</strong>tig, dass die<br />
Behindertenbewegung n<strong>ich</strong>t so aufgesplittert ist. Denn jede<br />
Behinderung oder Krankheit hat einen Verein und alle buh-<br />
len um Sponsoren.<br />
Brigitta Näthke wurde am 2. September 1951 in Leipzig geboren. Mit<br />
fünf Jahren bekam sie Masern. Davon ist eine Spastik zurückgeblie-<br />
ben, die s<strong>ich</strong> im Laufe ihres Lebens in Schüben verschlechtert hat.<br />
Sie besuchte <strong>mit</strong> einem Jahr Verspätung die Schule und zog 1960<br />
nach Berlin. 1974 geriet sie bei einem Verkehrsunfall unter die Tram<br />
und verlor ihr linkes Bein. Frau Näthke leidet außerdem seit ihrer<br />
Geburt an einer genetisch bedingten Augenkrankheit, die zunächst<br />
n<strong>ich</strong>t diagnostiziert wurde. Der Zustand ihrer Augen verschlechtert<br />
s<strong>ich</strong> ebenfalls in Schüben; sie kann kaum noch sehen.<br />
Brigitta Näthke lebt in ihrer eigenen Wohnung; seit 2004 <strong>mit</strong> Unter-<br />
stützung des Pflegedienstes Normales Leben der <strong>Lebenswege</strong> und ist<br />
sehr zufrieden. Sie hat eine Tochter und einen Urenkel.
»Ein Kind ist ja n<strong>ich</strong>t weg, nur weil es auszieht«<br />
Gedanken zum Auszug der Tochter<br />
Christa Schaal<br />
»Sie wissen, Sie müssen Ihr Kind ausziehen lassen.« Wir wurden ei-<br />
gentl<strong>ich</strong> immer, schon als Tina zwölf war, von allen Seiten gedrängt:<br />
»Und Sie wissen, Sie müssen Ihr Kind ausziehen lassen.« Außerdem<br />
wurde uns immer gesagt, »Es wird keinen Platz <strong>für</strong> Ihr Kind geben«.<br />
Es hieß immer, <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> schweren Behinderungen gibt es in<br />
Berlin keine Wohnplätze.<br />
Glückl<strong>ich</strong>erweise war <strong>ich</strong> selbstbewusst genug, um über solche Sprü-<br />
che hinwegzugehen. Wir fanden dann einen Platz in Spandau. Viele<br />
Angebote in Berlin sind n<strong>ich</strong>t auf schwerbehinderte <strong>Menschen</strong> einge-<br />
stellt und können keine Rollstuhlfahrer aufnehmen.<br />
N<strong>ich</strong>t alle Probleme sind behinderungsspezifisch… Unsere andere<br />
Tochter ist <strong>mit</strong> 21 Jahren ausgezogen und unser Sohn erst <strong>mit</strong> 26.<br />
Wir <strong>habe</strong>n ihn auch n<strong>ich</strong>t rausgeschmissen. Und nur, weil jemand<br />
behindert ist, heißt es, er muss ausziehen und s<strong>ich</strong> abnabeln. Auch<br />
Mütter n<strong>ich</strong>t behinderter Kinder brechen in Tränen aus, wenn der 28-<br />
jährige Sohn von Steglitz nach Zehlendorf zieht. Ein Kind ist ja n<strong>ich</strong>t<br />
weg, nur weil es auszieht.<br />
Ich <strong>habe</strong> spät wieder angefangen zu arbeiten und hätte eigentl<strong>ich</strong><br />
immer ein schlechtes Gewissen <strong>habe</strong>n müssen: Entweder kommt das<br />
Kind oder die Arbeit zu kurz. Tina war n<strong>ich</strong>t der einzige Lebens<strong>mit</strong>-<br />
telpunkt, meine Arbeit ist auch einer. Auch Eltern n<strong>ich</strong>t behinderter<br />
Kinder <strong>habe</strong>n Ablösungsprobleme.<br />
Grenzen und Visionen von Integration Wir mussten <strong>mit</strong> der Zeit lernen,<br />
dass Integration n<strong>ich</strong>t <strong>bis</strong> zum Lebensende durchführbar ist. N<strong>ich</strong>t<br />
behinderte <strong>Menschen</strong> möchten Partnerschaften leben, ihre eigene<br />
Familie gründen, und n<strong>ich</strong>t ihr ganzes Leben lang <strong>mit</strong> behinderten<br />
<strong>Menschen</strong> zusammen wohnen.<br />
Meine Wunschvorstellung wäre eine Vierergruppe in einer WG, zentral<br />
in der Stadt, kiezbezogen, wo man einfach mal raus kann, BVG fah-<br />
ren oder ins Café zum Frühstücken. N<strong>ich</strong>t als stationäre Einr<strong>ich</strong>tung,<br />
aber <strong>mit</strong> Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Also eingebettet in ein Appar-<br />
tement-Haus, um Synergie-Effekte herzustellen. Das ist meine Vision<br />
von Integration. Und <strong>Lebenswege</strong> ist ein Träger, der <strong>für</strong> neue Ideen<br />
offen ist, der Alternativen sucht, der s<strong>ich</strong> bewegt.<br />
Wann beginnt der Abnabelungsprozess? Für einen gelungenen Abna-<br />
belungsprozess ist ein langer Vorlauf nötig, der <strong>mit</strong> Kita und Schule<br />
beginnt. Man muss das Kind anderen <strong>Menschen</strong> anvertrauen, sonst<br />
lässt man es <strong>mit</strong> 25 Jahren n<strong>ich</strong>t plötzl<strong>ich</strong> ausziehen. Als Tina nach<br />
Spandau zog, war <strong>ich</strong> auch innerl<strong>ich</strong> sehr gespalten: Mein Verstand<br />
sagte mir, es ist völlig r<strong>ich</strong>tig. Und trotzdem <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> immer<br />
gefragt, muss es wirkl<strong>ich</strong> sein? Weil es eine Entscheidung war, die<br />
ausschließl<strong>ich</strong> von uns getroffen wurde. Ein intellektueller Austausch<br />
über diese Frage <strong>mit</strong> Tina war n<strong>ich</strong>t mögl<strong>ich</strong>. Aber Tinas Vorteil war:<br />
Sie kannte es von klein auf, <strong>mit</strong> anderen <strong>Menschen</strong> zusammen zu<br />
sein, auch außerhalb der Wohnung. Diese Erfahrungen <strong>habe</strong>n sie und<br />
ihre Geschwister geprägt. Bei der Entscheidung, mein Kind ausziehen<br />
zu lassen, war es mir w<strong>ich</strong>tig, selbst aussuchen und Tina begleiten zu<br />
können.<br />
Um zu sehen, ob es ihr gut geht.<br />
Tina Schaal, geboren 1979, ist <strong>mit</strong> 20 Jahren in das vollstationäre<br />
Wohnheim Spandau der <strong>Lebenswege</strong> ausgezogen.<br />
60 61
Die Botschaften verstehen lernen<br />
Dorothea Mießner<br />
Ein selbstbestimmtes Leben ist schon <strong>für</strong> einen »normalen« <strong>Menschen</strong><br />
n<strong>ich</strong>t frei vom Zwang, s<strong>ich</strong> gewissen zivilisatorischen Notwendigkeiten<br />
unterordnen zu müssen. Das Glück <strong>für</strong> ihn besteht darin, dass er diese<br />
anerkennen oder bei Gefahr des Untergangs missachten kann. Meine<br />
geistig und körperl<strong>ich</strong> schwer geschädigte 33-jährige Tochter genießt<br />
dieses Glück n<strong>ich</strong>t.<br />
Ich werde also über Selbstbestimmtheit in Abhängigkeit und bei<br />
gle<strong>ich</strong>zeitiger Selbstbehauptung sprechen.<br />
Wie war der Weg meiner Tochter, eines <strong>Menschen</strong>, der n<strong>ich</strong>t selbst-<br />
ständig essen, laufen, zur Toilette gehen kann, der sprachlos ist und<br />
der seine seelische und geistige Befindl<strong>ich</strong>keit über Mimik und Gestik<br />
ausdrücken muss?<br />
Meine Tochter bekam die Allerweltsdiagnose frühkindl<strong>ich</strong>er Hirnscha-<br />
den« bei spastischer Tetraparese <strong>mit</strong> athetotischem Bewegungsmus-<br />
ter und s<strong>ich</strong> später einstellendem epileptischem Anfallsleiden gestellt.<br />
Trotz schlechter Prognose konnte sie einige Fähigkeiten erwerben, die<br />
es ihr ermögl<strong>ich</strong>en, am Leben teilzunehmen.<br />
Von einem »selbst bestimmen« spreche <strong>ich</strong> hier noch n<strong>ich</strong>t. Das setz-<br />
te ja erstmal ein Bewusstsein des »Selbst« voraus. Dazu komme <strong>ich</strong><br />
noch.<br />
Sie hat – umgeben von dem Gefühl, angenommen zu sein – s<strong>ich</strong> das<br />
Erwerben einer Kopfkontrolle »gefallen« lassen und das Auswärtsdre-<br />
hen der Hände zu korrigieren gelernt. So konnte sie <strong>mit</strong> den Augen<br />
verfolgen, <strong>was</strong> geschah und auch nach Spielzeug greifen, es sozusagen<br />
zwischen s<strong>ich</strong> und uns stellen, <strong>was</strong> einer ersten Unabhängigkeit gle<strong>ich</strong>-<br />
kam. Ein nächster Schritt war, dass sie zu krabbeln s<strong>ich</strong> beibringen ließ<br />
und die R<strong>ich</strong>tung ihrer Erkundungen bestimmen konnte.<br />
Zur Erweiterung ihres Horizontes hat auch beigetragen, dass sie (durch<br />
jahrelanges Schienentragen) die Auswärtsdrehung ihrer Füße überwin-<br />
den und – s<strong>ich</strong> an Gegenständen hochziehend – stehen konnte. Mit<br />
Führung an den Händen und bei Blickkontakt zu einer Bezugsperson<br />
hat sie später zu laufen, sogar Treppen zu steigen gelernt.<br />
Mit ungefähr zehn Jahren hat meine Tochter erkannt, wer sie ist. Einer<br />
Renovierung wegen stand ihr Kinderbett vor einem großen Spiegel. Ihr<br />
Spiegelbild betrachtend und nach uns oder Gegenständen greifend,<br />
s<strong>ich</strong> also zu anderen oder anderem in Beziehung setzend, hat man an<br />
der »Götterdämmerung« in ihrem Ges<strong>ich</strong>t bemerkt, dass sie ihre indi-<br />
viduellen Bewusstseinssprung, den ins Selbstbewusstsein, vollzogen<br />
hat. Der meines Erachtens die Voraussetzung <strong>für</strong> Selbstbestimmung<br />
– auf welchem Niveau die stattfinden kann, sei dahingestellt – ist.<br />
S<strong>ich</strong> im Spiegel beobachtend hat sie erkannt: das bin <strong>ich</strong>, so bin <strong>ich</strong><br />
und auch: Ich kann et<strong>was</strong> durchsetzen.<br />
Ich möchte sagen, ihre Interaktionen <strong>mit</strong> uns waren von da an n<strong>ich</strong>t<br />
mehr spontan, sondern bewusst. Und <strong>ich</strong> <strong>habe</strong> ihre Mimik und Gestik<br />
als stumme Bitte aufgefasst: Nimm m<strong>ich</strong> so, wie <strong>ich</strong> bin. Hilf mir,<br />
da<strong>mit</strong> <strong>ich</strong> et<strong>was</strong> erre<strong>ich</strong>en kann, aber passe m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t an das an, <strong>was</strong><br />
Du <strong>für</strong> normal hältst, <strong>ich</strong> aber n<strong>ich</strong>t in der Lage bin zu tun, akzeptiere<br />
die Unverstelltheit meiner Reaktionen. Gib Dir Mühe, mein Verhalten<br />
r<strong>ich</strong>tig zu deuten und das Gefühl, dass Du alle Verr<strong>ich</strong>tungen <strong>mit</strong> mir<br />
n<strong>ich</strong>t als Pfl<strong>ich</strong>terfüllung und en passant erledigst und <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> von<br />
Dir gehalten fühlen kann. Sei bei mir, wenn Du Stellvertreterentschei-<br />
dungen <strong>für</strong> m<strong>ich</strong> fällst, die <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t verstehen kann, nach denen <strong>ich</strong><br />
D<strong>ich</strong> aber umso mehr als verlässl<strong>ich</strong>e Bezugsperson brauche.<br />
62 63
Einer solchen folgenschweren Stellvertreterentscheidung zuzustim-<br />
men, bin <strong>ich</strong> überzeugt worden, näml<strong>ich</strong> dem Umzug in eine Wohn-<br />
stätte. Ich <strong>habe</strong> alle Emotionen verdrängt und mir rationale Gründe<br />
»eingetr<strong>ich</strong>tert«, die da<strong>für</strong> sprachen.<br />
Das sind:<br />
1. Mein Kind ist n<strong>ich</strong>t mein Eigentum und hat bei aller Behinderung<br />
<strong>mit</strong> dem Eintritt ins Erwachsenenalter ein Recht auf einen eigenen<br />
Wohnraum.<br />
2. Mein Kind erfährt vielfältigere soziale Kontakte und lernt es, s<strong>ich</strong><br />
auch in einer anderen Umgebung zu behaupten (die Ergebnisse der<br />
Wohnvorbereitung sprachen da<strong>für</strong>)<br />
3. Mein Kind wird m<strong>ich</strong> – biologisch betrachtet – überleben. Ich kann<br />
es n<strong>ich</strong>t dem Zufall überlassen, wo mein Kind einmal landen wird und<br />
muss einen Zeitpunkt wählen, zu dem mein Kind noch anpassungsfä-<br />
hig ist (der wird in der Literatur <strong>mit</strong> dem zwanzigsten Lebensjahr de-<br />
finiert) und zu dem auch <strong>ich</strong> noch in der Lage bin, auf die Lebensum-<br />
stände meines Kindes Einfluss nehmen zu können.<br />
Zu diesen Begründungen – oder sind es Selbstbeschw<strong>ich</strong>tigungen?<br />
– stehe <strong>ich</strong> noch heute. Nur besteht das Problem darin, dass meine<br />
Tochter zu dieser ihr Leben grundlegend verändernden Entscheidung<br />
n<strong>ich</strong>t befragt werden konnte. Dass sie in dieser ungewohnten Umge-<br />
bung n<strong>ich</strong>t untergegangen ist, spr<strong>ich</strong>t <strong>für</strong> ihren Selbstbehauptungswil-<br />
len, innerhalb dessen sie durchaus auch selbst bestimmt. Das hieß<br />
<strong>für</strong> meine Tochter auch, Beschäftigungen zu finden, um in einer Um-<br />
welt voller schwer zu verarbeitender Reize einen Ruhepol, ein inneres<br />
Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>t aufbauen zu können, ihre Unabhängigkeit in Abhängig-<br />
keit zu bewahren.<br />
Ich beschreibe dazu ihr Spiel <strong>mit</strong> Steckbechern. Von all dem ihr in der<br />
Wohnstätte angebotenen Spielzeug hat sie s<strong>ich</strong> <strong>für</strong> diese Becher ent-<br />
schieden, die von ihrem Lebensgefühl her durchaus eine sinnstiftende<br />
Alltagsbeschäftigung darstellen. Sie liegt entspannt im Knautschsack<br />
im Gruppenraum, hält einen Becher in der Hand, einen anderen steckt<br />
sie hinein. Dann trennt sie die Verbindung und stellt sie wieder her.<br />
Immer wieder. Ich lasse außer acht, dass zum Verhaltensbild der Athe-<br />
tose die Freude an s<strong>ich</strong> wiederholenden Bewegungsabläufen gehört<br />
und erwähne, dass sie schon zu Hause eine Vorliebe zeigte, Türen<br />
pendeln zu lassen oder einen Brummkreiselgriff herunterzudrücken<br />
und wieder hochzuziehen und sehe in ihrem Becherspiel eine Symbol-<br />
trächtigkeit. Der in der Hand gehaltene Becher drückt die Dauer aus,<br />
der hineingesteckte und wieder herausgeholte Becher den Wechsel,<br />
eine Verbindung wird immer wieder unterbrochen und neu aufgebaut.<br />
Wie in ihrem Leben.<br />
Um über Geben und Nehmen der Becher eine Interaktion zu gestal-<br />
ten, eine Bindung zu dem dienst<strong>habe</strong>nden Betreuer aufbauen zu kön-<br />
nen, fehlt die Zeit, und sie ersetzt ihre Bedürftigkeit nach Bindung<br />
wieder <strong>mit</strong> dem stereotypen Becherspiel. Und wenn dann eine Ver-<br />
sorgungsleistung an der Reihe ist, Tabletten zu geben und Essen und<br />
Trinken anzubieten, wundert man s<strong>ich</strong>, dass sie, nachdem sie solange<br />
ihre Bedürftigkeit nach Zuwendung n<strong>ich</strong>t befriedigt gesehen hat, die<br />
Zuwendung s<strong>ich</strong> Nahrung geben zu lassen, ablehnt. Das heißt dann<br />
»Verweigerung«.<br />
Es ist aber ein Unterschied, ob s<strong>ich</strong> jemand Aufforderungen gegenü-<br />
ber verweigert, weil er sie n<strong>ich</strong>t erfüllen kann, oder ob er s<strong>ich</strong> ihnen<br />
verweigert, weil er s<strong>ich</strong> selbst behaupten <strong>will</strong>, seine Persönl<strong>ich</strong>keit<br />
schon vorher beachtet gesehen <strong>habe</strong>n wollte. Wenn s<strong>ich</strong> meine Toch-<br />
ter nun verweigert, stellt sie gewissermaßen einen Sachzwang <strong>für</strong> den<br />
Betreuer dar. Er soll eine Leistung erbringen, die anzunehmen sie ver-<br />
weigert. Er muss es also – im günstigen Fall – noch mal versuchen.<br />
Vielle<strong>ich</strong>t ist das ihre Form, s<strong>ich</strong> die ihr vorher n<strong>ich</strong>t gewährte Geltung<br />
zu verschaffen?<br />
64 65
Ich schließe n<strong>ich</strong>t aus, dass Zuwendung erfolgt, aber findet sie dann<br />
statt, wenn meine Tochter ihrer bedarf und wird sie von einer Person<br />
gewährt, zu der meine Tochter eine Bindung hat aufbauen können?<br />
Jegl<strong>ich</strong>e Bildung – im weitesten Sinne – setzt Bindung voraus und die<br />
aufzubauen in Wohnstätten <strong>für</strong> geistig Behinderte, in denen alles nach<br />
Dienstplan geregelt sein muss, in denen es einen hohen Krankenstand<br />
und eine erhebl<strong>ich</strong>e Fluktuation gibt, erscheint mir schwierig zu sein.<br />
In einer solchen, von meiner Tochter offenbar als Mangel empfunde-<br />
nen Situation hat sie s<strong>ich</strong> in eine weitere Beschäftigung, besser: eine<br />
Auffälligkeit »gerettet«. Sie gerät immer wieder in Phasen, in denen<br />
sie s<strong>ich</strong> die Haare ausreißt, in den Mund steckt, wieder aussortiert<br />
und abstreift. Es tut mir weh, sie <strong>mit</strong> kahl gerupften Stellen am Kopf<br />
vorzufinden, noch mehr tut es mir weh, <strong>mit</strong> ansehen zu müssen, wie<br />
sie s<strong>ich</strong> selber Schmerzen zufügt. Lenkt sie dieser Schmerz von gra-<br />
vierenden Störungen ihres inneren Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>tes, etwa verursacht<br />
durch Reizüberflutung, Mangel an Zuwendung oder ständigem Be-<br />
treuerwechsel, ab? Benötigt sie den Schmerz gar, um s<strong>ich</strong> als selbst<br />
existent zu empfinden? Ist er ihr Schutzschild <strong>für</strong> Selbstbehauptung in<br />
einer Umwelt, von der sie s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t abhängig fühlen möchte?<br />
Meine Tochter wird in ihrem Leben immer vom Geschick und Ver-<br />
ständnis, Einfühlungsvermögen, von der konstruktiven Beobachtung<br />
und – ihr hoffentl<strong>ich</strong> niemals aufgezwungenen – Anregung durch an-<br />
dere abhängig sein und trotzdem zäh ihre Würde verteidigen, dabei<br />
unter Umständen andere Verhaltensauffälligkeiten entwickeln.<br />
Was <strong>ich</strong> ihr wünsche?<br />
Dass sie auf eine Umwelt trifft, in der ihre Botschaften immer besser<br />
begriffen werden, dass sie n<strong>ich</strong>t unter Erfolgszwang »konditioniert«<br />
wird, dass sie n<strong>ich</strong>t zu spüren bekommt, dass sie die Unterlegene ist,<br />
die an ein gefordertes Verhalten angepasst werden muss. Dass ihr An-<br />
66<br />
gebote gemacht werden, die sie n<strong>ich</strong>t als Belastung empfinden muss.<br />
Noch hat sie m<strong>ich</strong> als in regelmäßigen Abständen vorhandene Bezugs-<br />
person und kann dieser Beziehung vertrauen. Vielle<strong>ich</strong>t ist deshalb<br />
das oft beobachtete Umklammern und Umarmen beliebiger »Bezugs-<br />
objekte« bei ihr n<strong>ich</strong>t aufgetreten.<br />
Ich <strong>habe</strong> »noch« geschrieben. Ich wünsche ihr <strong>für</strong> die Zeit, wenn<br />
sie m<strong>ich</strong> einmal n<strong>ich</strong>t mehr <strong>habe</strong>n wird, Betreuer, die Zeit <strong>habe</strong>n<br />
d ü r f e n <strong>für</strong> ganz alltägl<strong>ich</strong>e Zuwendung und eine Umwelt, die sie an<br />
dem misst, <strong>was</strong> sie kann und n<strong>ich</strong>t an dem, <strong>was</strong> zu erbringen sie nie<br />
in der Lage sein wird. November 2008<br />
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Schlusswort<br />
Doris Heitmann<br />
Manche singen Protestsongs, andere wählen Sitzblockaden – wir ent-<br />
schieden uns <strong>für</strong> einen Lese-Event zum Europäischen Protesttag zur<br />
Gle<strong>ich</strong>stellung <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderung am 5. Mai 2009. Es<br />
sollen genau die Personen zu Wort kommen, die am besten wissen,<br />
worum des geht, wenn wir über Selbstbestimmung und gesellschaftli-<br />
che Teil<strong>habe</strong> sprechen.<br />
Das Lese-Event rückt das Thema »Gle<strong>ich</strong>stellung von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong><br />
Behinderungen« in den Mittelpunkt. Die Lesungsschrift zum Event<br />
soll dies bleibend und nachhaltig dokumentieren.<br />
Wir sind davon überzeugt, dass die gesellschaftl<strong>ich</strong>e Grundhaltung<br />
betroffenen <strong>Menschen</strong> gegenüber, als »Profis in eigener Sache«, als<br />
hohes Gut selbstverständl<strong>ich</strong> umgesetzt und regelmäßig überprüft<br />
werden sollte.<br />
<strong>Lebenswege</strong> Die <strong>Lebenswege</strong> gGmbH und ihre Tochterfirmen sind<br />
Leistungsanbieter der Behindertenhilfe.<br />
Unsere Angebote umfassen einen ambulanten Pflegedienst sowie viel-<br />
seitige sozialpädagogische Wohnangebote <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Körper-<br />
und Mehrfachbehinderungen. Von ambulanten Wohnmögl<strong>ich</strong>keiten<br />
wie Wohngemeinschaften, Betreutes Einzelwohnen und Wohnen im<br />
Appartementhaus <strong>bis</strong> hin zu vollstationärem Wohnen – <strong>Lebenswege</strong><br />
entwickelt innovative Lösungen <strong>für</strong> neue Lebensabschnitte. So wer-<br />
den im Herbst 2009 Hausgemeinschaften <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Demenz<br />
eröffnet.<br />
Das tagesstrukturierende Angebot der <strong>Lebenswege</strong> Hausgemeinschaf-<br />
ten gGmbH nimmt an einem Modellprojekt der Senatsverwaltung <strong>für</strong><br />
Integration, Arbeit und Soziales teil. Es r<strong>ich</strong>tet s<strong>ich</strong> an ältere Men-<br />
schen <strong>mit</strong> Behinderungen, die aus den Werkstätten bzw. deren För-<br />
derbere<strong>ich</strong>en ausscheiden.<br />
Zweckbetriebe in den Bere<strong>ich</strong>en Gastronomie und haushandwerkl<strong>ich</strong>er<br />
Service beschäftigen behinderte oder benachteiligte Fach<strong>mit</strong>arbeite-<br />
rinnen und -<strong>mit</strong>arbeiter.<br />
Der Fortbildungsbere<strong>ich</strong> unseres Unternehmens bietet fachspezifische<br />
Weiterbildungen zur Qualitätss<strong>ich</strong>erung des pädagogischen und pfle-<br />
gerischen Auftrages.<br />
Aus unserem Leitbild Die <strong>Lebenswege</strong> gGmbH sieht ihre Aufgaben<br />
darin, s<strong>ich</strong> <strong>für</strong> die Rechte von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderungen gesell-<br />
schaftspolitisch einzusetzen und sie in der Durchsetzung ihrer indivi-<br />
duellen Wünsche und Bedürfnisse im Sinne eines selbstbestimmten<br />
Lebens zu unterstützen.<br />
Die Assistenznehmer/innen <strong>mit</strong> ihren Lebenserfahrungen stehen im Mit-<br />
telpunkt unserer Arbeit. Wir gehen dabei von den erworbenen Kompe-<br />
tenzen, Ressourcen und Stärken jeder einzelnen Persönl<strong>ich</strong>keit aus.<br />
Das bedeutet <strong>für</strong> uns, in Zusammenarbeit <strong>mit</strong> allen beteiligten Perso-<br />
nen die notwendige individuelle Unterstützung anzubieten.<br />
Unsere Angebote zur Begleitung der <strong>Lebenswege</strong> von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong><br />
Behinderungen sind geprägt von der Bereitschaft, s<strong>ich</strong> verändernden<br />
Entwicklungsprozessen zu stellen. Der da<strong>mit</strong> verbundene Dialog wird<br />
von Offenheit, Transparenz und Kommunikationsfähigkeit getragen.<br />
Verantwortung und Wahlfreiheit sind berechtigte Ansprüche <strong>für</strong> das<br />
Leben von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderungen. <strong>Lebenswege</strong> s<strong>ich</strong>ert durch<br />
Erfahrung und Können die Umsetzung dieses Anspruchs.<br />
68 69
Impressum<br />
Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
. . . . . . . . . . <strong>Lebenswege</strong> <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderungen gGmbH<br />
. . . . . . . Unternehmensverbund | Gubener Straße 49 | 10243 Berlin<br />
. . . . . . . . . . . . . . . Tel.: 030 - 446 872 0 Fax: 030 – 446 872 40<br />
. . . . . . . . . . www.lebenswege-berlin.de | info@lebenswege-berlin.de<br />
Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Fluck, Helmut Handke<br />
Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Spastikerhilfe Berlin e.V.<br />
<strong>Lebenswege</strong> ist Mitglied im Bundesverband <strong>für</strong> körper- und mehrfach-<br />
behinderte <strong>Menschen</strong> e. V. sowie dem Deutschen PARITÄTISCHEN<br />
Wohlfahrtsverband, Landesverband Berlin e. V.<br />
Die in der Lesungsschrift enthaltenen Daten sind Eigentum des Her-<br />
ausgebers. Nachdruck – auch auszugsweise – sowie die Spe<strong>ich</strong>erung<br />
in EDV-Anlagen <strong>für</strong> fremde Zwecke sind ohne Zustimmung des Her-<br />
ausgebers n<strong>ich</strong>t gestattet. Eine Haftung <strong>für</strong> etwaige redaktionelle und<br />
drucktechnische Fehler wird n<strong>ich</strong>t übernommen.<br />
Die Abbildungen wurden uns freundl<strong>ich</strong>erweise von den Autorinnen<br />
und Autoren zur Verfügung gestellt. Die Rechte an den Bildern liegen<br />
ausschließl<strong>ich</strong> bei ihnen.<br />
Redaktion . . . . . . . . . . Dr. Ingrid Kuschel / Marie-Therese Sch<strong>mit</strong>z<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doris Heitmann / Silke Ihden-Rothkirch<br />
Die Gespräche führten Dr. Ingrid Kuschel, Marie-Therese Sch<strong>mit</strong>z und<br />
Fabian Schwarz.<br />
Lektorat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Silke Ihden-Rothkirch<br />
Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sophie Alex<br />
Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .U.S.E. printing house<br />
Berlin, Mai 2009
...<br />
<strong>bis</strong><br />
<strong>ich</strong><br />
erre<strong>ich</strong>t<br />
<strong>habe</strong>,<br />
<strong>was</strong> <strong>ich</strong> <strong>will</strong>!<br />
Das Lese-Event am 5. Mai 2009<br />
Schoeler-Schlösschen<br />
Wilhelmsaue 126 | 10715 Berlin<br />
18.00 Uhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Begrüßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang-David Sebastian<br />
Einführung ins Thema: Protesttag 5. Mai 2009<br />
Europäischer Protesttag zur Gle<strong>ich</strong>stellung<br />
von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behinderung<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ingrid Kuschel / Marie-Therese Sch<strong>mit</strong>z<br />
18.20 Uhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesungen Teil I<br />
Es lesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martina Nitz<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jacoba Neu<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Näthke<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Charlotte Risse<br />
19.00 Uhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pause<br />
19.30 Uhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesungen Teil II<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Raszkowski<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Werner Knobloch<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothea Mießner<br />
20.00 Uhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussion und Ausklang<br />
Änderungen vorbehalten!