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AmtsblAtt - Quedlinburg

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Aktuelles<br />

Vom Findbuch zur Bestuhlung der Pröbstin – Neue Möglichkeiten für die Forschung zur <strong>Quedlinburg</strong>er<br />

Stadtgeschichte<br />

Der Welterbe-Managementplan für <strong>Quedlinburg</strong> führt (analysierende) Erhebungen, Handlungskonzepte und Rechtssicherheit für alle Themen<br />

zusammen, die für das weitere Management der Welterbestädte und damit der Stadt <strong>Quedlinburg</strong> von Bedeutung sind.<br />

Wahlkapitulationsurkunde von Anna Margaretha Herzogin von Braunschweig<br />

und Lüneburg als Pröbstin des Stifts <strong>Quedlinburg</strong> 1601<br />

Neben Wirtschaftsförderung,<br />

Wohnen oder der Stadtentwicklung<br />

interessieren die Vermittlung<br />

des Welterbes sowie<br />

denkmalpflegerische, auf die<br />

städtebauliche Praxis zielende<br />

Fragen. Ein Schwerpunkt der<br />

Arbeiten ist die wertvolle historische<br />

Bausubstanz der Stadt.<br />

Da »hinter« jedem Haus, Turm,<br />

Platz oder Verkehrsweg eine oft<br />

sehr lange und zudem meist unbekannte<br />

Geschichte steht, ist<br />

eine systematische Erforschung<br />

der überreich vorhandenen Archivalien<br />

geboten. Erst die Auswertung<br />

der in verschiedenen<br />

Archiven lagernden Akten, Urkunden<br />

und Karten ermöglicht<br />

es, einzelne Gebäude ihre Geschichte<br />

‚erzählen’ zu lassen.<br />

Auf dem Weg hierzu wurde im<br />

Landeshauptarchiv Sachsen-<br />

Anhalt, Standort Magdeburg<br />

(=LHASA, MD) ein Spezialverzeichnis<br />

für <strong>Quedlinburg</strong> angelegt<br />

– und hiermit Pionierarbeit<br />

geleistet. Zur weiteren<br />

Erläuterung soll die Struktur<br />

eines Archivs geklärt werden.<br />

Im Gegensatz zur Bibliothek, in<br />

welcher der Nutzer in der Regel<br />

selbst Bücher aus den Regalen<br />

entnehmen kann, erhält der Besucher<br />

eines Archivs zunächst<br />

Findbücher, anhand derer er die<br />

ihn interessierenden Dokumente<br />

beim Archivar bestellt. Diese<br />

Findbücher sind thematisch<br />

zusammengestellte Register<br />

über die im Archiv lagernden<br />

Akten-, Urkunden- und Kartenbestände.<br />

Das LHASA, MD hält<br />

für den Zeitraum von 1600 bis<br />

1952 einen als relevant ausgemachten<br />

Bestand von 34 Findbüchern<br />

bzw. Registern vor, die<br />

vollständig gesichtet wurden.<br />

In einem zweiten Schritt wurden<br />

alle für die Stadtgeschichte<br />

<strong>Quedlinburg</strong>s im Allgemeinen<br />

und für die Baugeschichte im<br />

Besonderen interessanten Akten-,<br />

Urkunden- und Kartentitel<br />

in Excel-Tabellen überführt.<br />

Insgesamt stehen der interessierten<br />

Öffentlichkeit etwa 4700<br />

elektronisch erfasste Akten-, Urkunden-<br />

und Kartentitel zur Einsicht<br />

zur Verfügung. Hierdurch<br />

wird es erstmals möglich,<br />

die oft zeitraubende Recherche<br />

nach interessanten<br />

Aktenbeständen am heimischen<br />

PC zu erledigen und<br />

lediglich zur Akteneinsicht<br />

das Archiv zu besuchen.<br />

Die überaus umfang- und<br />

facettenreiche Quellenlage<br />

im LHASA, MD bietet<br />

dabei oftmals unerwartete<br />

und teils detaillierte Einblicke<br />

in das städtische<br />

Leben vom 17. bis zum<br />

20. Jahrhundert. Weil beispielsweise<br />

bei der Verpachtung<br />

einzelner Häuser<br />

vor der Übergabe Inventare<br />

des jeweiligen Gebäudes<br />

angefertigt wurden, ist<br />

es heute beim Lesen eines<br />

solchen Inventars möglich, im<br />

Geiste durch das »Ambt-Haus<br />

ufm Finken Heerde« anno 1685<br />

zu gehen. Dabei erfährt der Leser<br />

unter anderem, dass es »in<br />

der Stuben Fünff Glase Fenster<br />

in eichenen Rahmen und Verzinnten<br />

Hesken und Zargen, davor<br />

Schubladen, Fenster eisen,<br />

so inwendig mit haken Zugemacht<br />

werden« gegeben hat.<br />

Mit dieser Genauigkeit wurden<br />

alle nicht beweglichen Teile<br />

des jeweiligen Hauses, d.h. Türen,<br />

Böden, Öfen, Fenster und<br />

Treppen, aber auch Nebengebäude<br />

(Ställe, Gewächshäuser)<br />

und ganze Gärten bis hin zum<br />

Baumbestand oder zur Beschaffenheit<br />

des Kieses auf den Wegen<br />

inventarisiert. Einen noch<br />

genaueren Einblick in das Leben<br />

einzelner Personen bieten<br />

Inventare über die Wohneinrichtungen<br />

der Äbtissin, der<br />

Pröpstin oder der Kanonissin<br />

des Stiftes. Für die Pröpstin ist<br />

aus dem Jahr 1792 überliefert,<br />

dass ihr Bettzeug aus »einem<br />

blauwürflichen linnenen Ueberzug,<br />

[…] einer Deckebetts-<br />

zwei Kopfküßenbüchen und einem<br />

Laken« bestand. Weiterhin Erik Richter<br />

besaß sie »sechs Tafelstühle mit<br />

grünem Tuch« und »zwei dito<br />

mit grünem Plisch beschlagen«.<br />

Dies sind nur einzelne Beispiele<br />

für die Gesamtheit der in Magdeburg<br />

lagernden reichen Quellenbestände.<br />

Deren Umfang<br />

veranschaulicht das Findbuch<br />

A20, das das »Aktenarchiv des<br />

ehemaligen reichsfürstlichen,<br />

freiweltlichen Damenstiftes<br />

<strong>Quedlinburg</strong>« mit 1850 Aktentiteln<br />

und einer Gesamtlänge<br />

von etwa 70 laufenden Metern<br />

verzeichnet. Diese Akten übereinander<br />

gestapelt ergäben einen<br />

Aktenberg so hoch, wie die<br />

Türme der hiesigen St. Nikolai-<br />

Kirche in der Neustadt.<br />

Gerne sollen durch diesen<br />

Beitrag deshalb neben der<br />

Fachwissenschaft besonders<br />

stadtgeschichtlich interessierte<br />

<strong>Quedlinburg</strong>er eingeladen werden,<br />

die reichen Bestände in<br />

Magdeburg mit dem neu erstellten<br />

Spezialregister zu nutzen<br />

und die durch den Welterbetitel<br />

geschützten Gebäude der Stadt<br />

zum »Sprechen« zu bringen.<br />

Erik Richter, Historiker<br />

Amtsblatt der Stadt <strong>Quedlinburg</strong> 05/2011 3

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