Wissenswertes über die Rosen - Peter Godzik
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o Rosa moschata, <strong>die</strong> Muskat- oder Moschusrose<br />
Schon bei der Übersetzung des Namens <strong>die</strong>ser Wildrose ins Deutsche treten in den verschiedenen<br />
Botanikbüchern <strong>die</strong> ersten Ungenauigkeiten auf. Diese Definitionsschwierigkeit leite<br />
ich ab aus der Unklarheit ihres Erscheinungsbildes. <strong>Rosen</strong> neigen stark zur Hybridbildung,<br />
das heißt zur Entwicklung neuer Arten mit manchmal minimalen Unterschieden. Außerdem<br />
sind sie nicht sehr standortgebunden. Aufgrund ihrer großen Anpassungsfähigkeit können sie<br />
<strong>über</strong>all Fuß fassen, wo Menschen sie aussäen oder Vögel ihre Samen fallen lassen. So kam es<br />
im Laufe der Jahrmillionen bei den <strong>Rosen</strong>gewächsen zu un<strong>über</strong>schaubaren Kreuzungen und<br />
Variationen, wobei man festhalten muss, dass eine neue Mutante wiederum lange Zeit in sich<br />
stabil bleibt.<br />
Rosa moschata zeichnet sich durch lange, reichblütige Triebe aus, <strong>die</strong> auf der Erde kriechen,<br />
falls sie keinen Halt zum Klettern finden. Die Stacheln sind zerstreuter als bei der Weinrose,<br />
jedoch ebenso gekrümmt. Sie trägt kein vergleichbares Drüsenkleid. Die Blüte duftet verhalten<br />
nach Muskat. Die Kelchblätter verhalten sich wie <strong>die</strong> der Hundsrose, sie fallen drei bis<br />
vier Wochen nach der Blüte ab. Die Früchte sind groß und sehr fleischig, daher sehr „ergiebig“.<br />
Was im Spanischen der Sammelbegriff Rosa mosqueta umfasst, wird im französischen<br />
Sprachraum unter Rose églantier subsumiert. Daraus wurde <strong>die</strong>sseits des Rheins „Engeltier“<br />
für Wildrosen, deren Früchte schmackhaft sind.<br />
<strong>Rosen</strong>-Grün 42<br />
Hildegard von Bingen besingt in ihrem berühmten Antiphon: „O edelstes Grün, das wurzelt in<br />
der Sonne ...“ nicht nur <strong>die</strong> Grünkraft, „viriditas“, als heilendes Prinzip, sondern sie nennt <strong>die</strong><br />
Liebe „einen Hauch aus dem Grünen“. Warum betören wir meist mit <strong>Rosen</strong>blüten und schenken<br />
nicht <strong>Rosen</strong>-Grün wie Hans Christian Andersen? Dieser schrieb: „Der Dichter betrachtete<br />
seine Rose, schrieb ein Gedicht <strong>über</strong> sie, ein ganzes Mysterium, alles, was er auf dem Blatt<br />
der Rose las. Das Bilderbuch der Liebe. Es war eine unsterbliche Dichtung.“<br />
Selten werden in der <strong>Rosen</strong>lyrik und -prosa <strong>die</strong> grünen <strong>Rosen</strong>blätter so achtsam behandelt.<br />
Oft gleichen sie eher „Stiefkindern“. Sie leisten Arbeit ohne Anerkennung. Selbst bei <strong>Rosen</strong>züchtern<br />
kümmern sie manchmal nur in Nebensätzen, es sei denn, das Blattgrün lässt sich<br />
durch genetische Manipulation z.B. zu Rot verändern und als Kuriosität vermarkten.<br />
Auch wenn <strong>die</strong> Rose nicht zu den „Immergrünen“ zählt, ermöglichen <strong>die</strong> <strong>Rosen</strong>blätter durch<br />
ihre Effektivität in der Erzeugung von Energie durch Photosynthese das Ausbilden königlicher<br />
Blüten. Erst das <strong>Rosen</strong>-Grün bringt das <strong>Rosen</strong>-Rot so richtig zum Leuchten!<br />
„Alles ist Blatt“ – <strong>die</strong>ses berühmte Wort Goethes lässt sich beziehen auf <strong>die</strong> Veränderungen<br />
des <strong>Rosen</strong>blattes vom ungefiederten Keimblatt <strong>über</strong> das drei- bis neunfach gefiederte grüne<br />
Zweigblatt, das auch noch ein Nebenblatt „abscheidet“, und <strong>die</strong> fünfzipfeligen und teilweise,<br />
wie bei den Moosrosen, stark gefransten Kelchblätter bis hin zu den ganzrandigen, bei Rosa<br />
rubiginosa leicht herzförmig geformten Blütenblättern und bis zum Staubblatt und Fruchtblatt,<br />
das in der Sammelfrucht, der Hagebutten-Amphore, seine stärkste Einfaltung erfährt.<br />
Wenn wir erkennen, dass ein Teil-Fiederblatt dem ursprünglichen Keimblatt gleicht, erschließt<br />
sich uns <strong>die</strong> Beständigkeit der Ganzheit in der vertikalen Durchdringung. Im Schauen<br />
des <strong>Rosen</strong>-Grün erfahren wir das „Jetzt“ als „Spaltöffnung“ zur Zeitlosigkeit. Jeder <strong>Rosen</strong>beobachter,<br />
der im Sichtbaren das Unsichtbare erkennt, kann <strong>die</strong>se Metamorphose unschwer<br />
nachvollziehen.<br />
42 A.a.O., S. 46-48.<br />
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