Wissenswertes über die Rosen - Peter Godzik
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Die Zeit um 1800 brachte also einen radikalen Umbruch in der alten europäischen <strong>Rosen</strong>hierarchie.<br />
Das Rad einer rasanten Entwicklung begann sich zu drehen, und es war eine zierliche,<br />
gekrönte Frau, <strong>die</strong> dabei half, es energisch anzukurbeln. Kaiserin Joséphine, <strong>die</strong> extravagante<br />
Frau Napoleons, legte im Schloßgarten von Malmaison <strong>die</strong> größte <strong>Rosen</strong>sammlung ihrer Zeit<br />
an und machte damit <strong>die</strong> <strong>Rosen</strong>liebhaberei in Europa zur großen Mode. Ihre Leidenschaft<br />
beflügelte <strong>die</strong> Züchter zu einer geradezu fieberhaft betriebenen Produktion. Die Gärtner hatten<br />
freien Zutritt zu Joséphinens <strong>Rosen</strong>garten, und auch der berühmte <strong>Rosen</strong>maler Pierre-<br />
Joseph Redouté war ein häufiger Gast in Malmaison, wo er sich für sein nach Joséphinens<br />
Tod erschienenes dreibändiges Tafelwerk unter ihren <strong>Rosen</strong> Modelle aussuchen durfte. Im<br />
Jahre 1814 enthielt der Garten der Kaiserin etwa 200 <strong>Rosen</strong>sorten. Man kann annehmen, daß<br />
<strong>die</strong>se Zahl eine einigermaßen verbindliche Antwort gibt auf <strong>die</strong> Frage, wieviel <strong>Rosen</strong>sorten es<br />
zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Europa gegeben haben mag.<br />
Durch <strong>die</strong> Einkreuzung der neuen <strong>Rosen</strong> aus Fernost entstanden nun weitere <strong>Rosen</strong>klassen, in<br />
denen schon öfterblühende Sorten vorkamen. Die wichtigsten waren <strong>die</strong> Bourbonrosen, Portlandrosen,<br />
Noisette-<strong>Rosen</strong>, Remontanthybriden und Teerosen. Aus zeitgenössischen Katalogen<br />
und <strong>Rosen</strong>verzeichnissen ist geschlossen worden, daß in der kurzen Zeitspanne von rund<br />
50 Jahren nach dem Tod der Kaiserin Joséphine 1814 und vor der Einführung der jetzt als<br />
modern geltenden <strong>Rosen</strong>klasse der Teehybriden noch 5000 bis 6000 <strong>Rosen</strong>sorten gezüchtet<br />
worden sind, <strong>die</strong> heute als alt gelten oder gelten würden, wenn sie noch existierten. Der Trennungsstrich<br />
zwischen alt und modern liegt zwischen den Teerosen und den aus ihnen hervorgegangenen<br />
Teehybriden. Die Einführung der Teehybridenklasse wurde nach einigem Hin<br />
und Her von den <strong>Rosen</strong>experten auf das Jahr 1867 festgeschrieben.<br />
Die alten einmalblühenden <strong>Rosen</strong> wurden von den dauerblühenden Neuzüchtungen, <strong>die</strong> in der<br />
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, sehr schnell aus den Gärten verdrängt. Den<br />
wenigsten von ihnen gelang es, ein paar Ausläufer in rettende Verstecke wie Hecken, Baumwurzeln<br />
oder Mauerfundamente zu schieben, wo sie vor der rodenden Hacke in Sicherheit<br />
waren und <strong>die</strong> Chance hatten, unbemerkt und auf kärglichste Diät beschränkt bis in unsere<br />
Tage zu <strong>über</strong>leben. Von den ehemals 2000 Gallica-<strong>Rosen</strong> zum Beispiel sind heute nur noch<br />
rund 50 bekannt und am Leben. Erst in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts, als <strong>die</strong><br />
letzten Reste der fast ausgestorbenen alten <strong>Rosen</strong> noch in vernachlässigten Gärten oder vergessenen<br />
<strong>Rosen</strong>quartieren der Händler ein kümmerliches Dasein fristeten, fanden sich einige<br />
traditionsbewußte <strong>Rosen</strong>liebhaber, <strong>die</strong> alte Sorten sammelten und versuchten, ihre Namen und<br />
,,Familienpapiere“ wieder zusammenzubringen. G. S. Thomas nahm in England nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg <strong>die</strong>se diffizile Arbeit in großem Stil wieder auf. Sein Enthusiasmus brachte<br />
<strong>die</strong> alten <strong>Rosen</strong> wieder ins Gerede.<br />
Diesen wenigen Leuten ist es zu danken, daß wir heute von den Tausenden alter <strong>Rosen</strong> noch<br />
etwa 500 Sorten bei einem Dutzend Händler in Europa kaufen können. Es ist kein Wunder,<br />
daß unter <strong>die</strong>sem geringen Angebot sich eine verhältnismäßig große Zahl der besten und berühmtesten<br />
alten <strong>Rosen</strong> ihrer Zeit befindet. Das wirklich Gute widersteht dem Untergang am<br />
längsten. Auch bei der <strong>Rosen</strong>suche in Dithmarschen stellte sich heraus, daß viele der im<br />
Wildwuchs versteckten Findlingskinder berühmte Namen tragen. Ihre Identifizierung war<br />
relativ einfach, weil es <strong>über</strong> <strong>die</strong> noch erhaltenen alten <strong>Rosen</strong> in England, Neuseeland, USA<br />
und neuerdings auch in Deutschland moderne Literatur mit guten Beschreibungen und oft<br />
auch unmißverständlichen Farbfotos gibt. Dagegen sind sieben von den 43 in <strong>die</strong>sem Buch<br />
gezeigten alten <strong>Rosen</strong> bis heute nicht abgebildet worden. Ihre Beschreibungen in der Literatur<br />
des 19. Jahrhunderts sind meist lapidar und oft auch widersprüchlich. Schon damals herrschte<br />
Verwirrung bei den Sortenbezeichnungen. Vor 100 Jahren gab es weder einen Sortenschutz<br />
noch eine Registrierung von <strong>Rosen</strong>. Es gab Sorten, <strong>die</strong> unter vier und mehr Namen im Handel<br />
waren. Andererseits genügte den Züchtern oft schon eine minimale Variation, um sie als neue<br />
Sorte anzupreisen. Unter <strong>die</strong>sen Voraussetzungen ist es kein Wunder, daß in der hier veröf-<br />
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