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VON FLASCHE ZU FLASCHE<br />
Über das Sammeln herrenloser Güter<br />
T I T EL _<br />
Manchmal ist es im Leben so, dass einem, verschuldet oder unverschuldet, „das Geld<br />
ausgeht“. Viele Menschen spielen in solchen Situationen mit dem Gedanken, den Weg der<br />
Legalität zu verlassen, um das Problem zu lösen. Dass so etwas überhaupt nicht<br />
erforderlich ist, zeigt dieser Bericht.<br />
Von Jörg Billerbeck<br />
Denn es gibt in angespannten Lebenslagen eine Möglichkeit,<br />
sich Geld zu verschaff en, ohne „kriminell“ zu werden.<br />
Diese Option, namentlich das Sammeln von Pfandfl aschen,<br />
die auch keine besondere „berufl iche Qualifi kation“ erfordert,<br />
möchte ich hier näher beleuchten.<br />
Rechtliche Grundlagen: Das, was sich ein Mensch,<br />
der Pfandfl aschen sammelt, zu Nutze macht, nennt der Jurist<br />
„Dereliktion“. Gemeint ist damit die willentliche Aufgabe des<br />
Eigentums. Zu einer solchen kommt es, wenn jemand eine<br />
Pfandfl asche in den Mülleimer wirft, da dies bewirkt, dass er<br />
nicht mehr Eigentümer der Flasche (und des darin verkörperten<br />
Pfandwertes) sein möchte. Die Flasche ist dann „herrenlos“,<br />
was bedeutet, dass sie niemandem (mehr) gehört.<br />
Grundsätzlich kann<br />
jeder Eigentum an einer<br />
„herrenlosen“ Sache<br />
begründen, indem er<br />
sie sich aneignet. Beim<br />
Pfandf laschensammeln<br />
geschieht dies,<br />
wenn der „Suchende“<br />
die Flasche aus dem<br />
Mülleimer zieht oder<br />
von der Straße aufsammelt<br />
und einsteckt. Ein<br />
strafrechtlich relevanter<br />
Diebstahl liegt beim<br />
Wegnehmen eines Gegenstandes,<br />
der „herrenlos“<br />
ist, nicht vor.<br />
Argusauge<br />
Billerbeck<br />
Um klar zu sehen, genügt häufig ein<br />
Wechsel der Blickrichtung.<br />
Der Pfandflaschen-Sammler kennt<br />
das zur Genüge.<br />
Abb. oben: Anna & Bernhard Blume -<br />
‘mir geht’ s gut’ - aus der Polaroid-Serie<br />
‚gegenseitig’ - 1987-90<br />
Das deutsche Pfandsystem: Dass man in Deutschland<br />
sehr umweltbewusst denkt, wurde dem Verfasser während<br />
seines Auslandsstudiums in Italien klar: Dort sind Plastiktüten<br />
im Supermarkt kostenlos. Es gibt keine Mülltrennung und eben<br />
auch keine Pfandfl aschen. In Deutschland hingegen hat sich der<br />
Gesetzgeber entschieden, das „Einwegpfandsystem“ zu etablieren.<br />
2006 wurde durch eine neue Verordnung erreicht, dass sämtliche<br />
leeren Einwegfl aschen und Dosen überall dort zurückgegeben<br />
werden können, wo Einwegpfandfl aschen des gleichen<br />
Materials verkauft werden.<br />
Die Pfandfl aschenrücknahme in Theorie<br />
und Praxis: Es ist erstaunlich, dass ein erheblicher Anteil<br />
der in Verkehr gebrachten Pfandfl aschen vom Kunden nicht zurückgebracht<br />
wird. So wurden bis 2006 etwa 10 bis 25% der<br />
Pfandfl aschen nicht abgegeben. Dieses Phänomen nennt man<br />
auch „Pfandschlupf“.<br />
Es gibt zwar keine generelle Pfandrücknahmepfl icht. Man<br />
kann aber davon ausgehen, dass man 90 % seiner Pfandfl aschen<br />
an einer rücknahmepfl ichtigen Stelle abgeben kann. Allerdings<br />
gibt es auch hierbei „Drückeberger“ unter den Händlern. So hat<br />
die ARAL-Tankstelle in Schloßnähe sog. „Goldene Regeln“ an<br />
den Automaten „gepinnt“, aus denen u. a. hervorgeht, dass man<br />
nicht mehr als zwanzig Flaschen abgeben darf. Es ist traurig,<br />
dass Unternehmen sich damit brüsten, der Wirtschaftsethik,<br />
insbesondere dem ihr innewohnenden Wert der „Solidarität“,<br />
verschrieben zu sein, jedoch an obigem Beispiel deutlich wird,<br />
wie wenig tatsächliche Bereitschaft besteht, sich auch nur ein<br />
wenig „sozial“ zu verhalten.<br />
Menschen, die nur ihr Pfandgut abgeben möchten, sind natürlich<br />
keine besonders willkommenen Kunden. Es gibt aber auch<br />
Ausnahmen: als ich mitten in der Nacht die<br />
Shell-Tankstelle an der Weseler Straße mit etwa<br />
zwanzig Pfandfl aschen aufsuchte, erklärte sich<br />
ein junger Mitarbeiter sofort bereit, meine Fla-<br />
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